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Gewässerunterhaltungsgebühren


Metadaten

Gericht VG Cottbus 7. Kammer Entscheidungsdatum 17.11.2020
Aktenzeichen 7 K 1948/15 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2020:1117.7K1948.15.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 80 Abs 2aF WasG BB 2012

Tenor

Der Bescheid des Beklagten über die Gewässerunterhaltungsumlage für das Jahr 2015 in Höhe von 1.509,18 € vom 7. Juli 2015, Kassenzeichen: 0..., in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2015, zugestellt am 5. November 2015, wird aufgehoben.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Beklagte und der Beigeladene jeweils zur Hälfte.

Die Zuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte und der Beigeladene können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Gewässerunterhaltungsumlagebescheid für das Jahr 2015.

Der Kläger ist Eigentümer von Flurstücksflächen in der Gemeinde H... mit einer Größe von 175,0784 ha.

Der Beklagte erhielt am 10. Februar 2015 einen Bescheid des Beigeladenen vom 9. Februar 2015 bezogen auf die amtsangehörige Gemeinde H..., in dem er für Aufwendungen zur Unterhaltung der Gewässer II. Ordnung zu einer Beitragszahlung herangezogen wurde, wobei lediglich eine Vorausleistung von 50 % der auf der Grundlage des Beitragsjahres 2014 für das Jahr 2015 prognostizierten Beiträge veranschlagt wurde.

Mit Bescheid vom 7. Juli 2015 zog der Beklagte den Kläger zur Zahlung einer Gewässerunterhaltungsumlage i.H.v. 1.509,18 € heran. Zugrunde gelegt wurde ein Umlagesatz von 8,62 €/ha, dieser Satz beinhaltet 100 % des für 2015 prognostizierten Verbandsbeitrages zuzüglich der Verwaltungskosten, die für die Umlage des Beitrages entstehen.

Die Prozessbevollmächtigten des Klägers legten gegen den Umlagebescheid vom 7. Juli 2015 am 7. August 2015 Widerspruch ein.

Am 20. August 2015, beim Beklagten am 25. August 2015 eingegangen, erließ der Beigeladene gegenüber dem Beklagten den endgültigen Beitragsbescheid für das Jahr 2015 und verlangte die Zahlung der restlichen Beitragsrate bis zum 1. September 2015.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2015, den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Zustellungsurkunde am 5. November 2015 zugestellt, wies der Beklagte den Widerspruch vom 7. August 2015 zurück.

Der Kläger hat am 7. Dezember 2015 Klage erhoben.

Zur Begründung trägt er vor, dass die Amtsverwaltung bei der Kalkulation der Verwaltungskosten Kostenarten berücksichtigt habe, die nicht durch die Umlegung der Verbandsbeiträge entstanden seien. Außerdem sei nicht nachvollziehbar, dass für die Gemeinde H... im Vergleich zu anderen Amtsgemeinden ein besonders hoher Anteil an Verwaltungskosten anfiele. Auch gehe er davon aus, dass der Gemeindevertretung H... die konkrete Zusammensetzung des Umlagesatzes nicht bekannt gewesen sei, so dass nicht auszuschließen sei, dass die Gemeindevertreter in Kenntnis aller Umstände den Beschluss zur Umlagesatzung so nicht gefasst hätten. Darüber hinaus sei es rechtswidrig, dass der Beklagte, obwohl er selbst zum Zeitpunkt des Erlasses des Umlagebescheides nur zur Zahlung von 50 % des Verbandsbeitrages als Vorausleistung herangezogen worden sei, 100 % des Verbandsbeitrages auf ihn, den Kläger, umlege. Des Weiteren habe der Gewässerunterhaltungsverband unzulässige Rücklagen gebildet, so dass der Beitragssatz in der Verbandssatzung unwirksam sei. Außerdem sei beim Beigeladenen keine ordnungsgemäße Kalkulation des Aufwandes für die Unterhaltung der Gewässer II. Ordnung erfolgt, da der Beitragssatz seit 2004 unverändert sei, worin sich zeige, dass der Verband seine Pflichten nicht ordnungsgemäß erfülle. Es werde auch ausdrücklich bestritten, dass der Verbandsbeirat sein Einvernehmen zu einem Gewässerunterhaltungsplan für das Kalenderjahr 2015 erteilt habe. Schließlich verfüge der Beigeladene über kein wirksam bestimmtes Verbandsgebiet mehr.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid über die Gewässerunterhaltungsumlage für das Jahr 2015 in Höhe von 1.509,18 € vom 7. Juli 2015, Kassenzeichen: 0..., in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2015, zugestellt am 5. November 2015, aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass seine Verwaltungskosten zutreffend kalkuliert und eingestellt worden seien. Des Weiteren sei der angefochtene Umlagebescheid nicht deshalb rechtswidrig, weil kein Beitragsbescheid des Gewässerverbandes vorliege, denn der endgültige Beitragsbescheid sei erlassen worden, bevor der Widerspruchsbescheid hinsichtlich des angefochtenen Umlagebescheides ergangen sei. Selbst wenn dies nicht zuträfe, hätte er jedenfalls schon die im Vorausleistungsbescheid geregelten 50 % des Beitrages umlegen dürfen. Die gebildeten Rücklagen seien zur Sicherung der Liquidität erforderlich und angemessen. Schließlich liege ein wirksam bestimmtes Verbandsgebiet vor. Dies sei in § 2 der Wasser-und Bodenverbandssatzung wirksam festgelegt worden.

Der Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er schließt sich im Wesentlichen dem Vortrag des Beklagten an und trägt ergänzend vor, dass schon Ende 2014 der Verbandsversammlungsbeschluss ergangen sei, so dass schon zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen sei, welcher Jahresbeitrag entsteht. Deshalb habe eine verlässliche Grundlage für den Beklagten bestanden, schon vor Erlass des endgültigen Beitragsbescheides den Umlagebescheid zu erlassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die ohne weiteres zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Der angefochtene Umlagebescheid des Beklagten vom 7. Juli 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Als Rechtsgrundlage kommt allein § 80 Abs. 2 des Brandenburgischen Wassergesetzes in der Fassung vom 2. März 2012 (BbgWG a.F.) i.V.m. der Umlagesatzung der Gemeinde H... vom 25. Juni 2015 in Betracht. Nach § 80 Abs. 2 BbgWG a.F. können die Gemeinden, soweit sie sich nicht für eine andere Art der Finanzierung entscheiden, die festgesetzten Verbandsbeiträge für Grundstücke, die nicht im Eigentum der Gemeinde stehen, sowie die bei der Umlegung der Verbandsbeiträge entstehenden Verwaltungskosten umlegen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Es fehlt bereits am Tatbestandsmerkmal der „festgesetzten Verbandsbeiträge“. Denn zum Zeitpunkt des Erlasses des Umlagebescheides am 7. Juli 2015 existierte noch kein endgültiger Beitragsbescheid des Gewässerverbandes. Zwar gab es zu diesem Zeitpunkt bereits den Vorausleistungsbescheid des Beigeladenen vom 9. Februar 2015, dieser ist aber kein Festsetzungsbescheid, wie ihn der Sinn des § 80 Abs. 2 BbgWG a.F. verlangt.

Mit den „festgesetzten Verbandsbeiträgen“ können nur die Beiträge gemeint sein, die der Beigeladene endgültig festgesetzt hat, nicht hingegen die Vorausleistungen. Dieses Verständnis folgt auch aus einem Vergleich des § 80 Abs. 2 BbgWG in der Fassung vom 2. März 2012 mit der aktuellen Fassung des Gesetzes vom 4. April 2017. Im Gegensatz zur alten Fassung enthält die neue Regelung die Wendung „und die festgesetzten Vorausleistungen“, worin sich zeigt, dass der Gesetzgeber mit der neuen Fassung erst die Möglichkeit schaffen wollte, auch die Vorausleistungen bereits umlegen zu können. Die alte Fassung sah diese Möglichkeit nicht vor, weshalb erst der endgültige Beitragsbescheid umlagefähig ist. Diese Sichtweise wird auch durch die Gesetzesbegründung zum heutigen § 80 Abs. 2 BbgWG gestützt, denn dort heißt es: „Weiterhin sind neben den festgesetzten Verbandsbeiträgen auch festgesetzte Vorausleistungen gemäß § 32 Wasserverbandsgesetz umlagefähig. Anderenfalls müssten die Gemeinden diese über längere Zeiträume vorfinanzieren“ (LT-Drs. 6/4520, S. 11). Der Gesetzgeber geht demnach selbst von dem Verständnis aus, dass erst die Neufassung des Gesetzes die Möglichkeit der Umlage von Vorausleistungsbescheiden ermöglicht. Dafür spricht auch, dass der Sinn der Umlage darin liegt, dass die Gemeinden sich diejenigen Beiträge von den Grundstückseigentümern zurückholen, die sie an den Gewässerverband zahlen mussten. Wenn aber durch den Vorausleistungsbescheid nur die Pflicht zur Zahlung von 50 % bestand, wäre es sinn- und zweckwidrig, wenn die Gemeinden bereits 100 % auf die Grundstückseigentümer umlegen dürften. Allerdings darf der Beklagte entgegen seinen rechtlichen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung auch nicht die schon geregelten 50 % des Beitrages umlegen, da – wie oben dargelegt – ein Vorausleistungsbescheid keine „Festsetzung von Verbandsbeiträgen“ im Sinne des § 80 Abs. 2 BbgWG a.F. darstellt.

Hieran ändert sich auch nichts, wenn – wie hier – der endgültige Beitragsbescheid noch ergeht bevor der Widerspruchsbescheid hinsichtlich des Umlagebescheides erlassen wird. Der entscheidungserhebliche Zeitpunkt ist insoweit der Zeitpunkt des Erlasses des Umlagebescheides, nicht hingegen der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, ergibt sich aus dem Prozessrecht kein Grundsatz, wonach im Rahmen einer Anfechtungsklage die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes stets nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu beurteilen ist, vielmehr bestimmt das materielle Recht nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes, sondern auch, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2007 – 1 C 45/06 –, juris, Rn. 13; BVerwG, Urteil vom 25. November 1981 – 8 C 14/81 –, juris, Rn. 17). Dem Wortlaut des § 80 Abs. 2 BbgWG a. F. ist zu entnehmen, dass die Verbandsbeiträge festgesetzt sein müssen, bevor erstmalig ein Umlagebescheid ergeht; hieraus lässt sich folgern, dass der maßgebliche Entscheidungszeitpunkt speziell geregelt wird. Dies entspricht auch dem oben schon erläuterten Sinn des von § 80 Abs. 2 BbgWG a.F. geregelten Umlagesystems, das eine „Zwischenfinanzierung“ bezweckt, indem die Gemeinden erst den Verbandsbeitrag zahlen und insoweit in Vorleistung gehen und sich anschließend diese Beträge über die Umlage bei den Grundstückseigentümern zurückholen. Andernfalls könnte eine Gemeinde auf die Grundstückseigentümer Beiträge in einer Höhe umlegen, die sie selbst an den Beigeladenen noch gar nicht zahlen musste. Die Gemeinden könnten so Zwischengewinne erzielen, was dem Zweck der Umlage jedenfalls in der damaligen Fassung des Gesetzes widerspräche (vgl. auch: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09. März 2010 – OVG 9 N 125.08 –juris, Rn. 13). Daher kommt es auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides bezüglich des Umlagebescheides für das Merkmal der „festgesetzten Verbandsbeiträge“ nicht an (so auchVG Frankfurt (Oder), Gerichtsbescheid vom 18. Mai 2017 – 5 K 547/14 –, juris, Rn. 34;VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 10. April 2019 – 5 K 1742/17 –, juris, Rn. 30 ff.)

Auf die weiteren zwischen den Beteiligten streitigen Fragen kommt es daher im vorliegenden Fall nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.