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Krankengeld - hauptberuflich selbständig Erwerbstätige - freiwillige Versicherung - Verfassungsmäßigkeit


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 9. Senat Entscheidungsdatum 09.12.2011
Aktenzeichen L 9 KR 204/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 44 SGB 5

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich zuletzt noch gegen die Neuregelung von § 44 Sozialgesetzbuch V (SGB V), soweit sie den Anspruch freiwillig versicherter Selbständiger auf Krankengeld betrifft.

Der 1948 geborene Kläger war bis zum August 2011 als hauptberuflich Selbständiger bei der Beklagten bzw. einer ihrer Rechtsvorgängerinnen, der Gmünder Ersatzkasse, freiwillig versichert. Seit September 2011 bezieht er eine Rente. Im Jahre 2008 legte die Gmünder Ersatzkasse der Beitragsbemessung beitragspflichtige Einnahmen des Klägers in Höhe „der niedrigeren Mindestbeitragsbemessungsgrundlage von 2008 = 1.242,50 €“ zugrunde und setzte seine monatlichen Beiträge wie folgt fest:

Krankenversicherung:

202,53 €

Sonderbeitrag (0,9 %):

 11,18 €

Pflegeversicherung:

 24,23 €

Gesamt

237,94 €

Mit Bescheid vom 17. Dezember 2008 setzte sie die Beiträge des Klägers ab dem 1. Januar 2009 wie folgt fest:

Beiträge

Bemessung

Beitragssatz

Beitrag

                                

Krankenversicherung

 1.260,00 €

 14,90 %

187,74 €

Pflegeversicherung

 1.260,00 €

 1,95 %

 24,57 €

monatlicher Beitrag

                

212,31 €

Zugleich wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass kein Krankengeldanspruch bestehe. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2009 zurück.

Im Klageverfahren hat der Kläger klargestellt, dass es ihm nicht um die konkrete Beitragsberechnung für das Jahr 2009 gehe, sondern vor allem um die Mehrkosten, die ihm durch den Abschluss einer privaten Krankengeldversicherung i.H.v. 38,68 € monatlich entstünden (64,31 € monatlicher Beitrag zur privaten Krankengeldversicherung abzüglich der Beitragsreduzierung durch die Beklagte zum Jahr 2009 i.H.v. 25,63 €).

Mit Gerichtsbescheid vom 14. Juni 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Soweit der Kläger die Feststellung begehre, dass die Streichung des Krankengelds rechtswidrig gewesen sei, sei die Klage zulässig, aber unbegründet. Die Abschaffung des Krankengeldanspruchs sei greife nicht unzulässig in die Mitgliedschaftsrechte des Klägers ein. Eine Grundrechtsverletzung sei nicht zu erkennen. Zwar komme der angegriffenen Regelung unechte Rückwirkung zu. Diese sei allerdings zulässig, weil die Interessen des Klägers die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen nicht überwögen. Weil das System der gesetzlichen Krankenversicherung seit langem unter erheblichem Kostendruck stehe, hätten die Versicherten nicht uneingeschränkt in den Fortbestand privilegierender Regelungen vertrauen können. Denn die angegriffene Regelung trage als Teil eines Maßnahmebündels zur Erhöhung der Beitragseinnahmen und Verminderung der Ausgaben bei. Eine Übergangsregelung sei verfassungsrechtlich nicht geboten, weil der Kläger sowie weitere Betroffene finanziell nicht schwerwiegend belastet seien. Auch soweit der Kläger die Erstattung der Mehrkosten für eine Krankentagegeldversicherung beantragt habe, sei die Klage zulässig, aber unbegründet.

Gegen diesen ihm am 24. Juni 2011 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers vom 19. Juli 2011, zu deren Begründung er vorbringt: die Neuregelung zum Januar 2009 komme einem staatlichen Rechtsbruch gleich, da grundsätzlich Verträge einzuhalten seien, und stelle einen Verstoß gegen das Willkürverbot dar. Die neuen Regelungen zur Erwerb von Krankengeldansprüchen über die Beklagte enthielten die Festlegung einer Mindestlaufzeit von drei Jahren, die selbst bei Beitragserhöhung keinen Ausstieg aus dem Vertrag möglich machten. Dies stelle eine unbillige Härte dar.

Soweit der Kläger auch einen Anspruch auf Schadensersatz geltend macht bzw. festgestellt haben will, hat der Senat das Verfahren abgetrennt und unter dem Aktenzeichen L 9 KR 353/11 weitergeführt.

Der Kläger beantragt zuletzt noch,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. Juni 2011 aufzuheben und die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung des § 44 SGB V in der seit dem 1. Januar 2009 geltenden Fassung hinsichtlich des Wegfalls des vereinbarten Krankengeldanspruches festzustellen bzw. diese Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht vornehmen zu lassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Mit Beschluss vom 30. September 2011 haben die Berufsrichter des Senats den Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dem Berichterstatter übertragen, damit dieser zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheide.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Der Senat kann offen lassen, ob die vom Kläger begehrte Feststellung der Verfassungswidrigkeit von § 44 SGB V in der seit dem 1. Januar 2009 geltenden Fassung auf ein Rechtsverhältnis i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG gerichtet oder die (Feststellungs-)Klage bereits unzulässig ist.

Denn die Klage ist jedenfalls unbegründet. Die Neuregelung des Krankengeldrechts für freiwillig versicherte, hauptberuflich selbständig Erwerbstätige zum 1. Januar 2009 ist verfassungsgemäß.

Bis zum 31. Dezember 2008 sah § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V für alle, d.h. auch für die nach § 9 SGB V freiwillig Versicherten einen gesetzlichen Anspruch auf Krankengeld vor, der nach § 44 Abs. 2 SGB V allerdings für freiwillig Versicherte durch die Satzung der Krankenkasse ausgeschlossen oder zeitlich beschränkt werden konnte. Aufgrund der zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Neuregelung durch Art. 2 Nr. 6a GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26. März 2007 (BGBl. I, 378) wird der Krankengeldanspruch für hauptberuflich selbständig Erwerbstätige gemäß § 44 Abs. 2 Nr. 2 SGB V im Grundsatz ausgeschlossen. Allerdings hatte nunmehr gemäß § 53 Abs. 6 SGB V in der seit dem 1. Januar 2009 geltenden Fassung die Krankenkasse in ihrer Satzung einen durch Prämienzahlungen des Versicherten finanzierten Anspruch auf Krankengeld u.a. für hauptberuflich selbständig Erwerbstätige vorzusehen. Die Gesetzesänderung führte somit für Mitglieder der Gmünder Ersatzkasse, deren Satzung auch schon vor dem 1. Januar 2009 Krankengeldansprüche für freiwillig versicherte Selbständige umfasste, zu keiner nennenswerten Änderung. Der einzige materielle Nachteil durch die Neuregelung bestand für freiwillig versicherte Selbständige, die – wie der Kläger – auf einen auch Krankengeldansprüche umfassenden Krankenversicherungsschutz Wert legten, in einer im Einzelfall höheren monatlichen Beitrags- bzw. Prämienbelastung. Allein der Umstand, dass eine gesetzliche Neuregelung zu einer höheren Beitrags- bzw. Prämienbelastung des Versicherten führt, macht sie noch nicht verfassungswidrig. Hierzu und auch wegen der weiteren Überlegungen zur Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Neuregelung des Krankengeldrechts zum 1. Januar 2009 verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in der angefochtenen Entscheidung und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Ob die Beklagte den Kläger zutreffend auf die bei ihr satzungsmäßig bestehenden Möglichkeiten eines Krankengeldanspruchs hingewiesen hat, ist für die Frage der Verfassungsmäßigkeit ebenso wenig relevant wie die Frage, ob die ab dem 1. Januar 2009 bestehenden Satzungsregelungen der Gmünder Ersatzkasse bzw. (ab dem 1. Januar 2010) der Beklagten mit dem SGB V vereinbar sind. Die Klärung dieser Fragen spielt allenfalls im abgetrennten, auf Schadensersatz gerichteten Teil des klägerischen Begehrens eine Rolle.

Da der Senat die gesetzliche Neuregelung für verfassungsgemäß hält, kommt eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht in Betracht. Denn eine sog. Richtervorlage nach Art. 100 Grundgesetz setzt u.a. voraus, dass das vorliegende Gericht, also der Senat, von der Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Regelung überzeugt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.