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Entscheidung 16 Sa 1530/12


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 16. Kammer Entscheidungsdatum 05.03.2013
Aktenzeichen 16 Sa 1530/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 611 Abs 1 BGB

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 26. Juni 2012 - 4 Ca 120/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Tenor zu 2. des Urteils des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 26. Juni 2012 klarstellend wie folgt neu gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 1. Mai 2009 nach der Vergütungsgruppe V b der Anlage 1 a des Vergütungstarifvertrages Nr. 35 zum BAT-O nach der Lebensaltersstufe „nach dem vollendeten 45. Lebensjahr“ zu vergüten.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, welche Lebensaltersstufe der Berechnung der tariflichen Vergütung des Klägers zu Grunde zu legen ist.

Der 1968 geborene Kläger wurde vom Land Brandenburg ab dem 1. Februar 1999 als Erzieher in der Landesklinik B. eingestellt. In dem Arbeitsvertrag vom 1. Februar 1999 wurde u.a. vereinbart, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – manteltariflichen Vorschriften – (BAT-O) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung bestimmt. Ferner ist dort geregelt, dass die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung finden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Ablichtung Bl. 11 d.A.

Die Landesklinik B. ging am 16. Oktober 2006 im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte über. Die Beklagte hat für die bei ihr beschäftigten Ärzte Haustarifverträge abgeschlossen. Die Beklagte war und ist nicht Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder. Zum 1. November 2006 trat der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) in Kraft.

Der Kläger erhielt in dem Zeitraum Oktober 2008 bis April 2009 eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe Vb der Anlage 1a zum BAT/BAT-O. Seine Grundvergütung belief sich auf 1.959,67 Euro brutto. Mit der Beklagten am 3. April 2009 zugegangenem Schreiben hat der Kläger die Beklagte erfolglos zur Zahlung der Vergütungsansprüche in Höhe des Differenzbetrages zwischen der bislang gezahlten Grundvergütung nach der Lebensaltersstufe „39“ und der Grundvergütung nach der letzten Lebensaltersstufe rückwirkend seit Juni 2008 aufgefordert.

Mit seiner am 12. Mai 2009 beim Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel eingegangenen und der Beklagten am 15. Mai 2009 zugestellten Klage hat der Kläger sein Begehren für den Zeitraum ab Oktober 2009 weiterverfolgt.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Zahlung seiner Grundvergütung nach der Lebensaltersstufe „39“ diskriminiere ihn wegen seines Alters. Die in § 27 BAT-O angeordnete Bemessung der Grundvergütungen in den Vergütungsgruppen nach Lebensaltersstufen verstoße gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters. Bis zur Überleitung in ein diskriminierungsfreies Entgeltsystem stehe ihm Vergütung nach der höchsten Lebensaltersstufe seiner Vergütungsgruppe zu. Nur durch die Zahlung einer Vergütung nach der höchsten Lebensaltersstufe an die wegen ihres Alters benachteiligten Arbeitnehmer könne die Diskriminierung beseitigt werden. Dies gelte auch für die Zukunft, solange keine unionsrechtskonforme, diskriminierungsfreie Neuregelung auf das Arbeitsverhältnis anwendbar sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 882,98 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils aus 126,14 Euro brutto seit dem 1. November 2008, 1. Dezember 2008, 1. Januar 2009, 1. Februar 2009, 1. März 2009, 1. April 2009 sowie 1. Mai 2009 zu zahlen;

2. festzustellen, dass der Kläger gemäß Vergütungsgruppe Vb nach der 45. Lebensaltersstufe gemäß Anlage 1a des Vergütungstarifvertrages vom 1. Mai 2004 Nr. 35 zu § 27 BAT-O einzugruppieren ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Unwirksamkeit der Stufenzuordnung könne wegen ihrer nicht unmittelbaren Tarifbindung an den BAT-O oder den TV-L weder zu einer Anpassung der Vergütung „nach oben“ noch zu einer Anpassung „nach unten“ führen. Dies entspräche auch nicht dem Willen der Tarifvertragsparteien. Ihr sei es rechtlich und tatsächlich unmöglich, die Geltung des BAT-O abzuändern, da diese sich lediglich aus der vertraglichen Bezugnahme auf das Tarifwerk ergebe. Eine Anpassung der Vergütung „nach oben“ würde zu einer starken wirtschaftlichen Überforderung führen und einen Mehraufwand für die Zeit von Juni 2008 bis Dezember 2011 in Höhe von ca. 2,5 Mio. EUR verursachen. Die im Tarifvertrag entstandene Regelungslücke sei von den Arbeitsgerichten vielmehr im Wege der ergänzenden Tarif- bzw. Vertragsauslegung zu schließen. Dementsprechend müsse bei der Bemessung der Grundvergütungen nach Stufen nicht auf das Lebensalter, sondern auf die – altersdiskriminierungsfreie – Betriebszugehörigkeit abgestellt werden.

Das Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel hat der Klage mit Urteil vom 26. Juni 2012 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Aufgrund der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag des Klägers gelte der BAT-O in seiner zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs auf die Beklagte geltenden Fassung statisch weiter. Da die Bemessung der Grundvergütungen nach Lebensaltersstufen in § 27 Abschnitt A BAT-O gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters verstoße, könne der Kläger unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. November 2011 (- 6 AZR 148/09 -) Vergütung nach der höchsten Lebensaltersstufe seiner Vergütungsgruppe verlangen. Die Altersdiskriminierung könne nur durch eine Anpassung „nach oben“ beseitigt werden. Dass die Beklagte den BAT-O wegen fehlender Tarifbindung nicht neu verhandeln könne, sei unerheblich. Eine anderweitige diskriminierungsfreie Anpassung der Vergütung komme nicht in Betracht, da die älteren Arbeitnehmer auf die Höhe der ihnen gezahlten Vergütungen vertrauen dürften. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH stelle die günstige Regelung für die benachteiligten Arbeitnehmer das einzig gültige Bezugssystem dar. Die hierdurch ggf. entstehende finanzielle Untragbarkeit für die Beklagte sei rechtlich unerheblich. Wegen der weiteren Begründung wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts (Bl. 90 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses der Beklagten am 17. Juli 2012 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 10. August 2012 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17. Oktober 2012 mit einem beim Landesarbeitsgericht am 16. Oktober 2012 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Beklagte und Berufungsklägerin tritt der angefochtenen Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens entgegen. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. November 2011 (- 6 AZR 148/09 -) lasse sich nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Aufgrund des Betriebsüberganges sei sie an die Anwendbarkeit des BAT-O gebunden. Mangels unmittelbarer Tarifbindung könne sie als Arbeitgeberin den BAT-O nicht einfach durch einen ersetzenden Tarifvertrag ablösen. Daher sei sie gezwungen, auf unbestimmte Zeit die höchste Lebensaltersstufe bei den Grundvergütungen zu zahlen. Die vom Bundesarbeitsgericht entwickelte Anpassung der Vergütungen „nach oben“ stelle indes nur eine vorübergehende Lösung bis zur Überleitung der Beschäftigten in ein diskriminierungsfreies Entgeltsystem dar. Für die Zukunft sei eine derartige Anpassung „nach oben“ nicht zwingend; auch greife dies in unzulässiger Weise in die Tarifautonomie ein. Nur den Tarifvertragsparteien stehe die Befugnis zu, die Rechtsfolgen des Verstoßes ihrer tarifvertraglichen Regelung selbst zu beseitigen. Um die Tarifvertragsparteien zu einer korrigierenden Neuregelung zu veranlassen, müssten die Gerichte daher im vorliegenden Fall ihre Entscheidung befristet aussetzen. Jedenfalls genieße sie als Arbeitgeberin Vertrauensschutz, da der BAT-O vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossen wurde.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 26. Juni 2012, Aktenzeichen 4 Ca 120/12, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte verteidigt im Wesentlichen das arbeitsgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Schriftsatz der Beklagten und Berufungsklägerin vom 15. Oktober 2012 (Bl. 111 ff d.A.) sowie auf denjenigen des Klägers und Berufungsbeklagten vom 27. Dezember 2012 (Bl. 145 ff d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist an sich (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 ArbGG) und aufgrund des Werts der Beschwer (§ 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG) statthaft, in gesetzlicher Form und Frist eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auch fristgerecht und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 519, 520 Abs. 1, 3 ZPO, §§ 64 Abs. 1, 2, § 66 Abs. 1 Satz 1, 2 ArbGG).

II.

Die Berufung der Beklagten hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung der Klage stattgegeben.

1. Die Feststellungsklage ist zulässig. Trotz des Vergangenheitsbezugs der Feststellungsklage liegt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Der verlangte Gegenwartsbezug wird dadurch hergestellt, dass der Kläger die Erfüllung konkreter Vergütungsansprüche aus einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum und damit einen gegenwärtigen rechtlichen Vorteil erstrebt. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - das angestrebte Feststellungsurteil geeignet ist, den Konflikt der Parteien endgültig beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Es kann von der Beklagten erwartet werden, dass sie einem stattgebenden Feststellungsurteil nachkommen wird (so für Körperschaften des öffentlichen Rechts: BAG, Urteil vom 10. November 2011 - 6 AZR 481/09 - zitiert nach juris, dort Rz. 14 m.w.N.). Da der Kläger die Feststellung ab dem sich an den Zeitraum des Zahlungsantrages anschließenden Zeitpunkt begehrte, wie seiner Klagebegründung zu entnehmen war, war der Feststellungsantrag im Berufungsverfahren antragsgemäß entsprechend zu ergänzen.

2. Die Klage ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger 882,98 Euro brutto als Vergütungsdifferenz für den Zeitraum 1. Oktober 2008 bis 30. April 2009 zu zahlen und den Kläger ab dem 1. Mai 2009 nach der Lebensaltersstufe 45 der Vergütungsgruppe Vb des Vergütungstarifvertrages Nr. 35 zu § 27 BAT/BAT-O zu vergüten.

a. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der BAT-O vom 10. Dezember 1990 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 13 vom 31. Januar 2003 und der Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT für den Bereich des Bundes und der TdL vom 31. Januar 2003 Anwendung.

Die Anwendbarkeit folgt aus der Bezugnahmeklausel des Arbeitsvertrags vom 1. Februar 1999. Die Klausel enthält einen ausdrücklichen Verweis auf den BAT-O und die ihn ergänzenden Tarifverträge.

Bei der Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrags handelt es sich um eine so genannte Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts waren bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers Bezugnahmeklauseln wie im Arbeitsvertrag der Parteien in aller Regel als sog. Gleichstellungsabreden auszulegen (vgl. BAG, Urteile vom 10. Dezember 2008 - 4 AZR 881707 -; vom 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 -; vom 1. Dezember 2004 - 4 AZR 50/04 -; vom 21. August 2002 - 4 AZR 263/01 - jeweils zitiert nach juris). War der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses tarifgebunden, verweisen diese Klauseln dynamisch auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge. Jedoch führt der Wegfall der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers dazu, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch in der Fassung anzuwenden sind, die zum Zeitpunkt des Eintritts der fehlenden Tarifgebundenheit galt.

Diese Auslegungsregel wendet das Bundesarbeitsgericht aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem 1. Januar 2002 vereinbart worden sind (st. Rspr. vgl. nur BAG, Urteile vom 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - ; vom 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - ; vom 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - jeweils zitiert nach juris). Dies ist vorliegend der Fall.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging zum 16. Oktober 2006 gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB mit dem zu diesem Zeitpunkt geltenden tariflichen Regelungsbestand auf die Beklagte über. Zu diesem Zeitpunkt galt der BAT-O vom 10. Dezember 1990 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 13 vom 31. Januar 2003.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Vergütungstarifvertrag Nr. 35 Anwendung. Zwar gilt im Bereich des BAT-O der Vergütungstarifvertrag Nr. 7. Die Parteien haben die arbeitsvertragliche Verweisungsklausel einvernehmlich stillschweigend dahin abgeändert, dass auf ihr Arbeitsverhältnis der Vergütungstarifvertrag Nr. 35 Anwendung finden soll (vgl. zur Möglichkeit einer einvernehmlichen Abänderung z.B. BAG, Urteile vom 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - und vom 6. Juli 2011 - 4 AZR 501/09 - jeweils zitiert nach juris). Ausweislich der eingereichten Vergütungsabrechnung wurde der Berechnung der Grundvergütung der Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zu Grunde gelegt. Mit der tatsächlichen Handhabung haben die Parteien die Bezugnahmeklausel in ihrem Arbeitsvertrag konkludent abgeändert. § 4 Abs. 1 Satz 1 BAT-O stand einer solchen stillschweigenden Vertragsänderung nicht entgegen. Dem tariflichen Schriftformgebot kam keine konstitutive Wirkung zu (vgl. nur Neffke in Bredemeier/Neffke BAT/BAT-O 2. Auflage 2003 Rn. 15).

2. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger ab dem 1. Oktober 2008 eine Vergütung nach der Lebensaltersstufe 45 seiner Vergütungsgruppe Vb zu zahlen.

a. Die Bemessung der Grundvergütungen nach dem Lebensalter in § 27 Abschnitt A BAT verstößt in nicht gerechtfertigter Weise gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters (Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Richtlinie 2000/78/EG). Dies hat der Europäische Gerichtshof für die Lebensaltersstufen des BAT festgestellt (Urteil vom 8. September 2011 – C-297/10 und C-298/10 – NZA 2011, 1100) und gilt in gleicher Weise für die Lebensaltersstufen des BAT-O.

b. Die Ungleichbehandlung des Klägers im Vergleich zu seinen älteren Kollegen kann nur dadurch beseitigt werden, dass die Beklagte eine Vergütung nach der höchsten Lebensaltersstufe seiner Grundvergütung zahlt („Anpassung nach oben“).

aa. Das Bundesarbeitsgericht hat angesichts der Altersdiskriminierung durch die Lebensaltersstufen des BAT angenommen, diese könne für die Vergangenheit nur durch eine „Anpassung nach oben“ aufgelöst werden. Hierfür war vor allem maßgebend, dass die nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung auf andere Weise nicht zu beseitigen ist; denn den älteren Arbeitnehmern kann die ihnen gezahlte Vergütung nicht mehr entzogen werden. Zudem hatten die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht bereit waren, rückwirkend für die Vergangenheit eine dem Verbot der Diskriminierung wegen des Alters gerecht werdende Regelung zu treffen (vgl. BAG, Urteil vom 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - zitiert nach juris, dort Rz. 26 ff). Daher muss bis zur Einführung eines diskriminierungsfreien Vergütungssystems eine „Anpassung nach oben“ erfolgen (vgl. BAG, Urteil vom 8. Dezember 2011 - 6 AZR 319/09 - zitiert nach juris, dort Rz. 23 ). Die Pflicht, den diskriminierten jüngeren Arbeitnehmern eine Vergütung aus der höchsten Lebensaltersstufe der jeweiligen Vergütungsgruppe zu zahlen, endet erst mit der Ablösung des altersdiskriminierenden Vergütungssystems durch ein diskriminierungsfreies (vgl. BAG, Urteil vom 8. Dezember 2011 - 6 AZR 319/09 - zitiert nach juris, dort Rz.23).

bb. Dies gilt auch für die Beklagte. Die Beklagte hat dem Kläger eine Grundvergütung nach der höchsten Lebensaltersstufe zu zahlen, solange sie den BAT-O anwendet. Nur auf diese Weise kann gewährleistet werden, dass der Kläger weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft wegen seines Alters in nicht gerechtfertigter Weise diskriminiert wird.

Der Umstand, dass der BAT-O bei der Beklagten aufgrund des Betriebsüberganges kraft Transformation (§ 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB) gilt, rechtfertigt es nicht, von der zur Beseitigung der Ungleichbehandlung bis zur Einführung eines diskriminierungsfreien Vergütungssystems erforderlichen „Anpassung nach oben“ abzuweichen.

(a) Die Beklagte ist mangels Tarifbindung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme nach § 613a Abs.1 Satz 1 BGB verpflichtet, den BAT-O in seiner zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anzuwenden.

(b) Der Beklagten ist es rechtlich möglich, die Geltung des BAT-O zukünftig zu beenden und ein diskriminierungsfreies Vergütungssystem einzuführen. Sie kann einen Haustarifvertrag abschließen oder einem Arbeitgeberverband, der Tarifverträge abschließt, beitreten. Nach § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB werden in diesem Fall die transformierten Inhaltsnormen durch den neuen Tarifvertrag ersetzt, soweit dieser normativ auf die Arbeitsverhältnisse Anwendung findet (vgl. BAG, Urteil vom 20. April 1994 - 4 AZR 342/93 - zitiert nach juris, dort Rz. 54). Mit Arbeitnehmern, die nicht Mitglied in der einen Tarifvertrag schließenden Gewerkschaft sind, kann die Beklagte individualvertraglich die (dynamische) Anwendung eines solchen Haustarifvertrags vereinbaren. Auch steht es ihr frei, durch einvernehmliche Änderung der Arbeitsverträge zu einer Anwendung des TV-L zu gelangen. Dass die Arbeitnehmer nicht verpflichtet sind, entsprechende Änderungsverträge abzuschließen, und dass selbst bei Abschluss eines Haustarifvertrags der Günstigkeitsvergleich nach § 4 Abs. 3 TVG zu einer weiteren Anwendung der Vergütungsregelungen des BAT-O in Form der – allein benachteiligungsfreien - höchsten Lebensaltersstufe der jeweiligen Vergütungsgruppe führen kann, erlaubt es nicht, zu Lasten der diskriminierten Arbeitnehmer keine Anpassung „nach oben“ vorzunehmen. Soweit die Beklagte hiergegen Einwendungen erhebt, betreffen diese nicht die sich infolge der Altersdiskriminierung der tariflichen Regelungen ergebende Frage nach den Rechtsfolgen eines derartigen Verstoßes. Vielmehr wendet die Beklagte sich damit gegen die sich aus § 613a BGB resultierenden Folgen und das tarifliche Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG. Die Regelungen in § 613a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB entsprechen den Vorgaben der Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG. Damit soll sichergestellt werden, dass die Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Inhabers eines Unternehmens die Möglichkeit haben, ihr Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber zu eben den Bedingungen fortzusetzen, die mit dem Veräußerer vereinbart waren (vgl. ua. EuGH, Urteil vom 27. November 2008 – C-396/07 [Juuri] – zitiert nach juris ).

(c) Die Beklagte wird durch die „Anpassung nach oben“ nicht in ihrer negativen Koalitionsfreiheit verletzt. Die durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG geschützte Koalitionsfreiheit schließt das Recht ein, einer Koalition fernzubleiben oder aus ihr auszutreten (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Juni 1983 - 2 BvR 488/80 - zitiert nach juris; BAG, Beschluss vom 19. September 2006 - 1 ABR 2/06 -; Urteil vom 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - jeweils zitiert nach juris). Dieses Recht steht der Beklagten weiterhin zu. Sie wird auch bei einer Verpflichtung, ihren Arbeitnehmern auf Grundlage des BAT-O in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 13 vom 31. Januar 2003 die jeweils höchste Lebensaltersstufe ihrer Vergütung zu zahlen, nicht gezwungen einem Arbeitgeberverband beizutreten. Der bloße tatsächliche Druck gegebenenfalls einem Arbeitgeberverband beizutreten, um ein im Rahmen des Betriebsübergangs geltendes tarifliches Entgeltsystem abzulösen, stellt nicht bereits einen unzulässigen Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit dar (vgl. nur BAG 19.September 2006 - 1 ABR 2/06 - ; Urteil vom 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - jeweils zitiert nach juris).

cc. Auch unionsrechtlich ist es geboten die Diskriminierung durch eine Anpassung „nach oben“ zu beseitigen, bis eine diskriminierungsfreie Neuregelung getroffen ist. Der Europäische Gerichtshof hat bereits in seinem Urteil vom 7. Februar 1991 (- C-184/89 - [Nimz] Slg. 1991, I-297) angenommen, dass im Fall einer mittelbaren Diskriminierung durch eine Bestimmung eines Tarifvertrags das nationale Gericht verpflichtet ist, diese Bestimmung - ohne dass es ihre vorherige Beseitigung durch Tarifverhandlungen oder auf anderen Wegen beantragen oder abwarten müsste - außer Acht zu lassen und auf die Angehörigen der durch diese Diskriminierung benachteiligten Gruppe die gleiche Regelung wie auf die übrigen Arbeitnehmer anzuwenden, solange diese einzig gültiges Bezugssystem bleibt. Hieran hat der Europäische Gerichtshof u.a. im Urteil vom 26. Januar 1999 (- C-18/95 - [Terhoeve], Slg. 1999, I-345) ausdrücklich festgehalten. Auch im Urteil vom 22. Juni 2011 (- C-399/09 - [Landtová], EAS Teil C VO (EWG) 1408/71 Anhang Nr. 7) hat er nochmals betont, dass die Regelung für die nicht benachteiligten Arbeitnehmer das einzig gültige Bezugssystem bleibt, solange das Gemeinschaftsrecht nicht richtig durchgeführt ist. Damit betrifft die Anforderung des Unionsrechts, die Diskriminierung durch eine Anpassung „nach oben“ zu beseitigen, nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Zukunft. Das höhere Entgelt steht den benachteiligten Arbeitnehmern auch zukunftsbezogen solange zu, bis eine unionsrechtskonforme Neuregelung getroffen ist (vgl. BAG, Urteil vom 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - zitiert nach juris, dort Rz.33 ff; vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. November 2012 - 25 Sa 1146/12 - Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen 6 AZR 39/13, zitiert nach juris ).

dd. Die „Anpassung nach oben“ führt nicht zu einem unzulässigen Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie. Ein solcher Eingriff würde voraussetzen, dass die Tarifvertragsparteien bereit wären, die unwirksame tarifliche Regelung im BAT-O durch eine wirksame zu ersetzten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Tarifvertragsparteien haben auch nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts zur Altersdiskriminierung der Bemessung der Grundvergütung in den Vergütungsgruppen nach Lebensaltersstufen die Vergütungsregelungen des BAT und des BAT-O zur Grundvergütung und ihrer Bemessung nicht ersetzt. Daraus kann gefolgert werden, dass die Tarifvertragsparteien nicht willens sind, tarifliche Ersatzregelung für § 27 BAT-O zu treffen. Mangels kollektivrechtlicher Neuregelung kann daher nur eine Angleichung „nach oben“ stattfinden (vgl. BAG, Urteil vom 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - zitiert nach juris, dort Rz. ).

c. Die Beklagte kann sich vorliegend nicht auf Vertrauensschutz berufen. Bereits bei Übernahme des Betriebs am 16. Oktober 2006 galt das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG, das Dauerschuldverhältnisse und damit auch Arbeitsverhältnisse nicht ausnimmt. Gemäß § 1 AGG ist u.a. Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Alters nicht nur zu verhindern, sondern auch zu beseitigen. Der BAT-O und der Vergütungstarifvertrag Nr. 7 zum BAT-O sowie der Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT für den Bereich des Bundes und der TdL vom 31. Januar 2003 wurden für den Bereich der TdL nur kurze Zeit nach dem Inkrafttreten des AGG ab dem 1. November 2006 ersetzt. In der Literatur wurde nicht nur vereinzelt die Auffassung vertreten, die Bemessung der Grundvergütung in den Vergütungsgruppen des BAT/BAT-O nach Lebensaltersstufen verstoße gegen das Diskriminierungsverbot wegen des Alters (vgl. nur Schleusener/Suckow/ Voigt AGG/Schleusener 3. Aufl. § 7 Rn. 53 mwN). Die nicht tarifgebundene Beklagte hat den Betrieb gleichwohl am 16. Oktober 2006 mit der – möglicherweise beabsichtigten – Rechtsfolge übernommen, dass der BAT-O und der Vergütungstarifvertrag Nr. 7 nur noch statisch auf die Arbeitsverhältnisse sowohl der damals tarifgebundenen (§ 613a Abs. 1 Satz 2 BGB) als auch derjenigen Arbeitnehmer anzuwenden ist, deren Bezugnahmeklauseln weiterhin als Gleichstellungsabreden auszulegen sind. Dass die danach geltenden Lebensaltersstufen eine Altersdiskriminierung beinhalteten, war für die Beklagte erkennbar. Ein Vertrauen der Beklagten auf die Wirksamkeit des Vergütungssystems des BAT-O wäre deshalb nicht schützenswert. Von ihr wird nicht mehr verlangt, als dass sie die rechtlichen Folgen ihres Handelns trägt (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. November 2012 - 25 Sa 1146/12 - Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen 6 AZR 39/13, zitiert nach juris, dort. Rz. 50).

d. Der Hinweis der Beklagten auf die damit verbundenen Belastungen, ändert hieran nichts, denn diese heben das Diskriminierungsverbot wegen des Alters nicht auf (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. November 2012 - 25 Sa 1146/12 - Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen 6 AZR 39/13, zitiert nach juris, dort. Rz. 51).

3. Der Kläger hat seine Ansprüche mit der Beklagten am 3. April 2008 zugegangenem Schreiben rechtzeitig geltend gemacht. Daher steht ihm unter Berücksichtigung der tariflichen Ausschlussfrist in § 70 BAT-O die begehrte Vergütung in unstreitiger Höhe ab dem 1. Oktober 2008 zu.

4. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB. Die Beklagte hat die Nichtleistung zu vertreten und ist daher mit den monatlichen Nachzahlungsbeträgen jeweils zum Fälligkeitszeitpunkt in Verzug geraten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.