Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 10. Kammer | Entscheidungsdatum | 12.03.2012 | |
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Aktenzeichen | 10 Sa 2078/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Eine Berufungsschrift muss, auch wenn sie per Telefax an das Gericht übermittelt wird, eine lesbare Unterschrift beinhalten. Eine Aufrechnung in der Berufungsinstanz ist nur zulässig, wenn der Streitstoff schon in der ersten Instanz Gegenstand war. Eine Berufung ist nur zulässig, wenn sie sich zumindest teilweise gegen die erstinstanzliche Entscheidung richtet.
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 2. September 2011 – 6 Ca 309/11 – wird unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuches vom 12. Dezember 2011 auf seine Kosten bei einem Streitwert von 5.250,00 EUR als unzulässig verworfen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
I.
Die Parteien streiten um eine Vertragsstrafe sowie eine Aufrechnung des Beklagten mit Gegenansprüchen.
Der Beklagte war vom 1. Juli 2008 bis 30. September 2010 bei der Klägerin als Praxisberater im Bereich Zahnärzte/-medizin beschäftigt. Er bezog ein Grundgehalt in Höhe von 1.750,-- EUR zzgl. Provision. Unter dem 13. August 2010 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis (Bl. 17 d.A.). Am 1. September 2010 schlossen die Parteien erneut ein Arbeitsverhältnis (Bl. 18-26 d.A.) welches mit identischer Tätigkeit am 1. November 2010 beginnen sollte. Es war wiederum ein Grundgehalt in Höhe von 1.750,-- EUR zzgl. Provision vereinbart. In § 13 des Arbeitsvertrages haben die Parteien u.a. vereinbart:
„Der Mitarbeiter verpflichtet sich, an die Firma eine Vertragsstrafe in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern zu zahlen, wenn er seine Tätigkeit zum vorgesehenen Zeitpunkt nicht aufnimmt oder vertragswidrig beendet.“
Der Beklagte hat seine Tätigkeit nicht aufgenommen. Mit Anwaltsschreiben vom 11. Oktober 2010 machte er die Nichtigkeit des Vertrages und den Wegfall der Geschäftsgrundlage geltend und kündigte den Arbeitsvertrag sogleich außerordentlich fristlos hilfsweise ordentlich.
Mit der am 7. Januar 2011 eingegangenen und am 21. Januar 2011 dem Beklagten zugestellten zugestellten Klage verlangt die klagende Arbeitgeberin die Vertragsstrafe in Höhe von 5.250,-- EUR netto nebst Zinsen.
Im Protokoll der Güteverhandlung vom 14. März 2011 (Bl. 64 d. A.) ist festgehalten:
„Die Parteien erklären, dass seitens des Beklagten nur Provisionsansprüche in Höhe von ca. 6.500,00 Euro brutto geltend gemacht werden, während von der Klägerseite Schadenersatzansprüche in Höhe von 4.900,00 Euro brutto geltend gemacht werden.“
Weiter Sachvortrag oder eine irgendwie geartete Erwähnung der Provisionsansprüche erfolgte nicht mehr. Im Kammertermin am 17. August 2011 erörterten die Parteien ausweislich des Protokolls der Sitzung (Bl. 131-132 d.A.) zunächst den Rechtsweg und sodann eine vergleichsweise Erledigung des Rechtsstreits. Nachdem die Klägerin einen Vergleich abgelehnt hatte, erklärte der Beklagtenvertreter, dass er keinen Antrag stellen wolle.
Auf einen entsprechenden Antrag des Klägervertreters verkündete das Arbeitsgericht am 2. September 2011 ein klagestattgebendes Urteil nach Lage der Akten. Das Arbeitsgericht begründete in dem Urteil, weshalb eine Entscheidung nach Lage der Akten zulässig sei, das Vertragsstrafenversprechen wirksam und deshalb die Klage begründet sei.
Zu diesem dem Beklagtenvertreter am 21. Oktober 2011 zugestellten Urteil ging am 16. Oktober 2011 um 22:55 Uhr ein Telefax in der Briefannahmestelle des LAG Berlin-Brandenburg ein (Bl. 153-154 d.A.). Dieses trug das Datum 16. November 2011 und wies von dem absendenden Fax eine Sendezeit vom 16. Oktober 2011 um 23:25 Uhr sowie als Absenderbezeichnung P. G.-W. aus. Auf der zweiten Seite dieses Faxes waren oberhalb und seitlich der letzten beiden Zeilen, die einmal „M.“ und einmal „Rechtsanwalt“ lauten, wenige nicht zusammenhängende Striche bzw. Punkte zu erkennen, die jedoch beim besten Willen nicht als Unterschrift zu identifizieren waren.
Auch wenn dieses Telefax auf Seite 1 unterhalb des Adressfeldes den Zusatz enthielt „Vorab per Fax:“, traf ein Original dazu beim Landesarbeitsgericht bis zum 15. Dezember 2011 nicht ein.
Auf Nachfrage seitens des Landesarbeitsgerichtes (Bl. 159 R) ging dort, nachdem beim ArbG Potsdam ein Empfangsbekenntnis seitens des Beklagtenvertreters nicht eingegangen war, am Freitag, dem 18. November 2011 ein Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 16. November 2011 im Original ein. Mit diesem Schriftsatz wurde das Empfangsbekenntnis für eine Ausfertigung des Urteils des ArbG Potsdam vom 2. September 2011 im Verfahren 6 Ca 309/11. übersandt (Bl. 161 u. B. 150b d.A.). Dieses Schreiben enthielt zwar unterhalb des Adressfeldes den Zusatz „Vorab per Fax:“, ein Telefax dazu war beim Landesarbeitsgericht aber nicht eingegangen.
Nachdem der Vorsitzende der 10. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg am Montagmorgen, dem 21. November 2011 von der Zustellung des Urteils am 21. Oktober 2011 Kenntnis erlangt hatte, verfügte er, den Beklagtenvertreter über die unzureichende Unterzeichnung des Telefaxes vom 16. Oktober 2011 in Anbetracht des Ablaufs der Berufungsfrist per Telefax zu informieren. Da das dortige Fax um 11:26 Uhr „besetzt“ meldete, wurde versucht, das Büro des Beklagtenvertreters telefonisch zu erreichen. Da niemand das Gespräch entgegennahm, erfolgten um 11:46 Uhr, 14:23 Uhr und 15:32 Uhr weitere - erfolglose - Versuche einer Faxübermittlung. Danach wurde das Schreiben des Landesarbeitsgerichts um 16:04 Uhr per E-Mail an die im Briefkopf des Beklagtenvertreters genannte E-Mail-Adresse h…..@ra-m…..de gesandt. Nach einer zwischenzeitlichen Sachstandsanfrage des Gerichts unter dem 28. November 2011 ging am Donnerstag, dem 15. Dezember 2011 ein Wiedereinsetzungsgesuch des Beklagtenvertreters ein (Bl. 174-175 d.A.). Diesem Gesuch wurde das Original der Berufung beigefügt (Bl. 176-177 d.A.). In dem Wiedereinsetzungsgesuch führt der Beklagtenvertreter aus, dass er erst durch einen Anruf beim Landesarbeitsgericht von der unzureichenden Unterschrift erfahren habe.
In der am 21. Dezember 2011 im Original eingegangenen Berufungsbegründung vom 19. Dezember 2011, die entgegen dem Aufdruck unterhalb des Adressfeldes auf der ersten Seite nicht „Vorab per Fax“ übermittelt wurde, führt der Beklagte und Berufungskläger zunächst aus, dass eine Entscheidung nach Lage der Akten nicht hätte ergehen dürfen. Die Gründe der angefochtenen Entscheidung werden nur im Zusammenhang mit der Entscheidung nach Lage der Akten erwähnt.
Ansonsten führt der Beklagtenvertreter weiter aus, dass dem Beklagten „nicht bezahlte aufrechenbare Provisionsansprüche“ in Höhe von 6.782,68 € zur Seite stünden. Der Berufungsbegründung war sodann eine handschriftliche Liste als Anlage B 1 sowie ein im Text der Berufungsbegründung nicht erwähntes Anlagenkonvolut B 2 (Bl. 183- 192 d.A.) beigefügt. Beide Anlagen wurden in der Berufungsbegründung nicht schriftsätzlich aufbereitet. Nach Hinweisen des Gerichts vom 3. Januar 2012 unter anderem hinsichtlich einer wohl anzunehmenden Unzulässigkeit der Berufung sowie bezüglich der mangelnden Aufbereitung (Bl. 213-214 d.A.) ging am 31. Januar 2012 ein Schriftsatz des Beklagtenvertreters mit umfangreichen Unterlagen ein (Bl. 228-331 d.A.) ein. In diesem Schriftsatz trägt er vor, dass die ehemalige Prozessbevollmächtigte des Beklagten die Provisionsforderungen in der ersten Verhandlung zur Aufrechnung gestellt habe. Da für 321,17 EUR keine Urkunden vorliegen würden, reduziere sich der Aufrechnungsbetrag auf 6.461,51 EUR. Gemäß § 3 Abs. 3 des Arbeitsvertrages vom 24. Juni 2008 werde der Provisionsanspruch einen Monat nach der Fakturierung der Arbeitsaufträge mit dem Grundgehalt fällig.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 19. August 2010 zugestellte Urteil mit einem am Montag, dem 20. September 2010 beim Landesarbeitsgericht per Telefax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese bisher nicht begründet. Eine Anhörung der Beklagten unter dem 21. Oktober 2010 blieb ohne jede Reaktion gegenüber dem Gericht.
Die Klägerin hat darauf verwiesen, dass sowohl die Berufung wie auch das Wiedereinsetzungsgesuch unzulässig seien.
II.
Die Berufung ist demnach nicht innerhalb der nach §§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG am 21. Oktober 2011 abgelaufenen Frist eingelegt und auch nicht innerhalb der danach am 21. Dezember 2011 abgelaufenen Frist gesetzmäßig begründet worden und war gemäß §§ 66 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, 522 Abs. 1 ZPO mit der sich aus § 97 ZPO ergebenden Kostenfolge als unzulässig zu verwerfen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 77 ArbGG lagen nicht vor.
1.
Nach § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 519 Abs. 4 ZPO und § 130 Nr. 6 ZPO ist eine Berufung grundsätzlich nur dann ordnungsgemäß eingelegt, wenn der Schriftsatz der Berufung die eigenhändige Unterschrift des Einreichers trägt. Erfolgt die Einlegung mittels Telefax, ist sie nur dann wirksam, wenn die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie erfolgt § 130 Nr. 6 ZPO. Dieses war hier nicht der Fall.
Nachdem der Beklagtenvertreter im Rahmen des Wiedereinsetzungsgesuches das Original der Berufungsschrift eingereicht hat, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die am 16. Oktober 2011 eingegangene Berufungsschrift von diesem Original stammt. Jedoch kann das auch dahinstehen, weil die zu diesem Zeitpunkt die Frist für die Einlegung der Berufung (§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) seit langem verstrichen war. Von dem grundsätzlichen Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift haben die Gerichte stets Ausnahmen zugelassen, wenn eine Unterschrift aufgrund der technischen Besonderheiten des Übermittlungsweges nicht möglich war. Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben. Das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift auf dem Original des verfahrensbestimmenden Schriftsatzes vermag am wirkungsvollsten sicherzustellen, dass der Berechtigte das Schreiben autorisiert hat. Die eigenhändige Unterschrift gewährleistet, dass der Schriftsatz dem Berechtigten vor der Übermittlung vorgelegen hat und er diesen überprüfen konnte.
Soweit der Beklagtenvertreter meint, dass er als Betreiber einer Einzelkanzlei ohne Mitarbeiter immer als Urheber identifiziert werden könne, führt das zu keinem anderen Ergebnis. Es begegnet keinen Bedenken, als Differenzierungskriterium auf die technische Möglichkeit der Beifügung einer eigenhändigen Unterschrift abzustellen. Dieses Kriterium bewirkt einerseits, dass dem technischen Fortschritt auch dann Rechnung getragen werden kann, wenn das mit gewissen Abstrichen an der Zielrichtung des § 130 Nr. 6 ZPO verbunden ist. Die damit mögliche Verwendung neuer Technologien erleichtert die Kommunikation mit dem Gericht und dient letztlich auch den Zielen des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Andererseits aber begrenzt das Differenzierungskriterium die Ausnahmen von der Regel des § 130 Nr. 6 ZPO auf diejenigen Fälle, in denen dem Unterschriftserfordernis tatsächlich nicht genügt werden kann. Diese Differenzierung ist sachgerecht, weil sie Ausnahmen und damit Abstriche an der Zielsetzung des § 130 Nr. 6 ZPO auf das unumgängliche Mindestmaß begrenzt (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18. April 2007 - 1 BvR 110/07).
2.
Auch das Wiedereinsetzungsgesuch des Beklagtenvertreters wegen Versäumung der Berufungsfrist war als unzulässig zu verwerfen.
Zum einen hat der Beklagtenvertreter versäumt darzulegen, wann er von der fehlenden Wiedergabe der Unterschrift auf der Telefaxkopie erfahren hat. Er hat dazu zwar ein Telefonat mit dem Landesarbeitsgericht angegeben, ohne dieses aber zeitlich einzuordnen. Auch fehlt jegliche Angabe dazu, weshalb er nicht auf die E-Mail des Gerichts vom 21. November reagieren konnte, denn spätestens mit der Kenntnisnahme dieser E-Mail, die in einem Rechtsanwaltsbüro in der Regel am gleichen, spätestens aber am Folgetag zu erwarten gewesen wäre, wäre das Hindernis zur ordnungsgemäßen Berufungseinlegung entfallen. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Lauf der Zwei-Wochen-Frist des § 234 Abs. 1 ZPO beginnen müssen.
Zum anderen hat der Beklagtenvertreter es versäumt, in dem Wiedereinsetzungsantrag die nach § 236 Abs. 2 ZPO notwendigen Angaben der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen anzugeben. Hierzu hätte neben dem zeitlichen Ablauf auch die Darlegung seiner Büroorganisation gehört, da das Landesarbeitsgericht am 21. November 2011 vielfach per Telefax, Telefon und schließlich per E-Mail versucht hatte, den Beklagtenvertreter zu erreichen, um ihn auf die unzureichende Unterschrift hinzuweisen. Auf das Verschulden des Beklagtenvertreters durch die verspätete Rücksendung des Empfangsbekenntnisses nach Mahnung durch das Landesarbeitsgericht zu dem angefochtenen Urteil muss an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden.
3.
Selbst wenn die Berufung rechtzeitig eingelegt worden wäre oder rechtzeitig ein ordnungsgemäß begründetes Wiedereinsetzungsgesuch eingereicht worden wäre, ist die Berufung dennoch als unzulässig zu verwerfen.
Die Berufungsbegründung muss sich hinreichend mit dem angefochtenen Urteil auseinandersetzen. Sie muss dabei aufzeigen, welche rechtlichen Fehler im Urteil gesehen werden (§ 520 Abs.3 Satz 2 Nr.2 ZPO) oder inwieweit und weshalb das Urteil z.B. durch vorangegangene Verfahrensfehler den Sachverhalt falsch festgestellt hat (§ 520 Abs.3 Satz 2 Nr.3 ZPO) und so zu einem fehlerhaften Urteil geführt haben. Denn das Berufungsverfahren hat durch die Zivilprozessreform 2002 die Aufgabe der bloßen Fehlerkontrolle erhalten. Für die Zulässigkeit der Berufung ist allein zu prüfen, ob derartige Berufungsangriffe geführt worden sind. Die Berufungsbegründung muss, wie auch schon nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den Regelungen der Zivilprozessordnung in der alten Fassung (vgl. nur BAG, Urteil vom 11. März 1998 – 2 AZR 497/97 m.w.N.) die bestimmte Bezeichnung der im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung sowie die neuen Tatsachen, Beweismittel und Beweiseinreden enthalten, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung anführt.
Die Rechtsmittelbegründung muss – im Fall ihrer Berechtigung – geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen. Beinhaltet das Urteil für sein Ergebnis mehrere Gesichtspunkte, die unabhängig voneinander die Entscheidung tragen, müssen alle angegriffen werden. Es reicht nicht aus, das Urteil lediglich pauschal in Frage zu stellen oder die Rechtsauffassung als irrig zu bezeichnen: Die Angriffe müssen gezielt und in einer konkreten Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen vorgetragen werden.
Mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung setzt sich die Berufung - mit Ausnahme des Aspektes der Entscheidung nach Lage der Akten - überhaupt nicht auseinander. Vielmehr hält der Beklagte das Urteil offenbar materiell für zutreffend, denn er macht nur seine Aufrechnung geltend, ohne auch nur mit einem einzigen Wort die Begründung des Urteils zum Vertragsstrafenversprechen in Frage zu stellen.
Selbst wenn es zutreffend sein sollte, dass das Arbeitsgericht nicht nach Lage der Akten hätte entscheiden dürfen, ergibt sich aus der Berufungsbegründung nicht, dass das Urteil mit den in erster Instanz vorgebrachten Tatsachen ohne eine Aktenlageentscheidung zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.
Wenn aber der Berufungskläger nur einen formalen Mangel des angefochtenen Urteils aufzeigt ohne darzulegen, dass ohne diesen Mangel mit den in erster Instanz vorgebrachten Tatsachen ein anderes Ergebnis zu erfolgen hätte, kann die Berufung keine Aussicht auf Erfolg haben.
Daran ändert auch die Aufrechnung nichts.
Die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Berufung setzt voraus, dass der Angriff des Rechtsmittelführers (auch) auf die Beseitigung der im vorinstanzlichen Urteil enthaltenen Beschwer gerichtet ist (BGH, Beschluss vom 29. September 2011 - IX ZB 106/11 m.w.N.). Das Rechtsmittel ist mithin unzulässig, wenn mit ihm lediglich im Wege der Klageänderung ein neuer, bislang nicht geltend gemachter Anspruch zur Entscheidung gestellt wird; vielmehr muss zumindest auch der in erster Instanz erhobene Klageanspruch wenigstens teilweise weiterverfolgt werden. Die Erweiterung oder Änderung der Klage kann nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein, sondern nur auf der Grundlage eines zulässigen Rechtsmittels verwirklicht werden. Deshalb muss nach einem Unterliegen das vorinstanzliche Ergebnis zumindest teilweise angegriffen werden. Eine Berufung, welche die Richtigkeit der vorinstanzlichen Entscheidung nicht in Frage stellt und ausschließlich einen neuen - bisher noch nicht geltend gemachten - Anspruch zum Gegenstand hat, ist unzulässig (BGH, Beschluss vom 29. September 2011 - IX ZB 106/11 m.w.N.). Ein solcher Anspruch ist auch die Aufrechnung.
4.
Auch unabhängig davon führt die Aufrechnung des Beklagten mit Provisionsansprüchen zu keinem anderen Ergebnis. Entgegen der Annahme des Beklagtenvertreters hat die ehemalige Prozessbevollmächtigte des Beklagten die Provisionsforderungen in der ersten Verhandlung nicht zur Aufrechnung gestellt. Sie wurden lediglich zur Einleitung der Vergleichsgespräche pauschal beziffert.
Aber selbst wenn sie bereits in erster Instanz gegenüber der Klägerin zur Aufrechnung gestellt worden sein sollten, fanden sie in den Ausführungen der Parteien in erster Instanz keinerlei Erwähnung. Insbesondere der Beklagtenvertreter hat in erster Instanz nach der Mandatsübernahme - abgesehen von den Ausführungen zu einer Entscheidung nach Lage der Akten - überhaupt nichts vorgetragen. Insofern gibt es keinerlei Prozessstoff erster Instanz, der im Rahmen der Aufrechnung in zweiter Instanz berücksichtigt werden könnte.
Eine erstmalige Aufrechnung in der Berufungsinstanz soll zwar im Allgemeinen großzügig als sachdienlich angesehen werden (BGH, Urteil vom 30. März 2011 - IV ZR 137/08), doch gilt dieses nur solange, wie nicht ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann (BGH, Urteile vom 30. März 2011 - IV ZR 137/08; 27. September 2006 - VIII ZR 19/04). Da der Vortrag der Parteien bis zur Berufungsbegründung keinerlei Ausführungen zu den Provisionsansprüchen des Beklagten beinhaltete, war selbst bei großzügigster Auslegung eine Sachdienlichkeit der „widerklageerweiternden“ Aufrechnung nicht gegeben. Die Klägerin hatte bereits mitgeteilt, dass sie mit einer Ausweitung dieses Streitstoffs nicht einverstanden sei.