Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 16. Senat | Entscheidungsdatum | 07.09.2011 | |
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Aktenzeichen | L 16 R 423/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 43 SGB 6 |
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitig ist die Gewährung von Versichertenrente wegen voller Erwerbsminderung (EM) für die Zeit ab 1. Juni 2008.
Der 1965 geborene Kläger hatte keine Berufsausbildung absolviert. Es war zuletzt seit 5. September 2001 bis zum Eintritt krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit (AU) am 26. Januar 2006 in Berlin als Parkraumbewirtschafter bei der Q GmbH & Co. Kommanditgesellschaft (KG) versicherungspflichtig beschäftigt. Nach dem Auslaufen der Entgeltfortzahlung bezog der Kläger vom 9. März 2006 bis 27. Juni 2007 Krankengeld und anschließend vom 28. Juni 2007 bis 27. Juni 2008 Arbeitslosengeld. Seit 28. Juni 2008 erhält der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Im Mai 2006 hatte der Kläger einen Antrag auf Gewährung von EM-Rente gestellt. Die Beklagte zog Entlassungsberichte der V GmbH (stationäre Behandlung vom 29. Januar 2006 bis 11. Februar 2006 wegen Pneumozystose bei HIV-Erkrankung) und des A-Krankenhauses B (stationäre Behandlung vom 16. Februar 2006 bis 23. Februar 2006) sowie einen Befundbericht des behandelnden Internisten Dr. D vom 12. Juni 2006 bei und ließ den Kläger durch den Internisten Dr. G untersuchen und begutachten. Dieser Arzt bescheinigte dem Kläger in seinem Gutachten vom 30. Juli 2006 noch ein tägliches Leistungsvermögen in einem Umfang von sechs Stunden und mehr für körperlich leichte Tätigkeiten (chronische HIV-Erkrankung, Verdacht auf chronisch-obstruktive Bronchitis bei jahrelangem Nikotinabusus, klinisch nicht relevanter Verdacht auf Steatosis hepatis alkoholtoxischer Genese, leichte makrozytäre Anämie, gemischte Hyperlipidämie und leichte Thrombozytopenie). Mit Bescheid vom 21. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2006 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Volle bzw. teilweise EM liege nicht vor.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Berlin einen Entlassungsbericht des A-Krankenhauses (teilstationäre Behandlung des Klägers vom 12. Februar 2006 bis 15. Februar 2006 und vom 24. Februar 2006 bis 5. April 2006), ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vom 2. November 2006 (Arzt G) beigezogen und Befundberichte von den behandelnden Ärzten des Klägers erstatten lassen, und zwar von dem Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten Dr. K vom 3. Juli 2007, von dem Arzt Dr. M vom 2. Juli 2007, von Dr. D vom 14. Juli 2007 und von dem Neurologen und Psychiater B vom 24. Juli 2007. Der Kläger hat ergänzend eine Stellungnahme von Dr. D vom 30. April 2007 zu den Gerichtsakten gereicht; hierauf wird Bezug genommen. Das SG hat den Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B als Sachverständigen eingesetzt. Dieser Arzt hat in seinem Gutachten vom 18. Dezember 2007 folgende Gesundheitsstörungen des Klägers mitgeteilt: HIV-Infektion mit Anfang 2006 entwickelter Pneumocystis-Pneumonie, unter antiretroviraler Therapie seither aber gutem Immunstatus, Borderline-Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ, Anpassungsstörung mit gemischter Störung von Gefühlen und Sozialverhalten, schädlicher Gebrauch von sowohl Alkohol als auch Nikotin. Der Kläger könne täglich regelmäßig in einem Umfang von mindestens sechs Stunden noch körperlich leichte bis vereinzelt mittelschwere Arbeiten in allen Haltungsarten unter Beachtung der aufgezeigten qualitativen Einschränkungen sowie geistige Tätigkeiten unter Berücksichtigung seines Ausbildungsniveaus verrichten. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Übliche Pausenregelungen seien ausreichend. Der Beurteilung von Dr. D könne für den aktuellen Befund und auch für die Zeit ab Juni 2006 nicht gefolgt werden. Eine überdauernde Aufhebung der Leistungsfähigkeit habe sich aus der Lungenerkrankung nicht ergeben. Auf Grundlage der Befunde seit Ende Juni 2006 und des aktenkundigen Immunstatus bis Ende Mai 2007 habe sowohl klinisch als auch eigenanamnestisch unter Berücksichtigung der seither bis zur Untersuchung vergangenen eineinhalb Jahre aus der Tatsache und Entwicklung der HIV-Infektion eine Aufhebung oder quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit nicht abgeleitet werden können.
Das SG hat ferner die Fachärztin für Innere Medizin und Infektiologie Dr. L mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Diese Ärztin hat in ihrem Gutachten vom 10. April 2008 (Untersuchung am 31. März 2008) folgende Diagnosen mitgeteilt: HIV-Infektion CDC C 3 (Vollbild Aids) bei Zustand nach Pneumocystis-Pneumonie im Februar 2006, HAART-assoziierte chronische Diarrhöe, rezidivierende Myogelose der Rückenstreckmuskulatur, Bewegungseinschränkungen der rechten Schulter bei Zustand nach Klavikulafraktur rechts 1999, Anpassungsstörungen mit emotionaler Symptomatik. Die psychische und somatische Gesamtsituation des Klägers erscheine nicht geeignet, um einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Allein die nebenwirkungsbedingte Diarrhöe, die einen chronischen Charakter habe, und die damit verbundene Angst, das Haus zu verlassen, sowie Schlafstörungen und soziale Kontaktängste ließen es als unwahrscheinlich erscheinen, dass der Kläger einer geregelten Arbeit, ob körperlicher oder geistiger Natur, nachgehen könne. Die Schwere der Grunderkrankung sei mit allgemein-internistischen bzw allgemein-psychiatrischen Kriterien nur schwer zu erfassen, müsse aber bei der Leistungsbeurteilung berücksichtigt werden. Das SG hat schließlich noch einen ergänzenden Befundbericht von Dr. D vom 8. September 2008 insbesondere zur Stuhlgangsfrequenz des Klägers und der insoweit verordneten Medikation eingeholt; hierauf wird Bezug genommen.
Mit Urteil vom 13. Februar 2009 hat das SG die auf Gewährung von Rente wegen voller EM, hilfsweise wegen teilweiser EM, gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch wegen Rente wegen voller EM, hilfsweise wegen teilweiser EM, nach § 43 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI). Eine EM im Sinne von § 43 SGB IV liege nicht vor. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und dem Gesamtergebnis des Verfahrens stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger über ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich mit qualitativen Einschränkungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verfüge. Das Gericht stütze sich dabei in erster Linie auf das sorgfältige und nachvollziehbar begründete Sachverständigengutachten von Dr. B, das letztlich die Beurteilung von Dr. G aus dem Verwaltungsverfahren bestätigt habe. Das Gutachten von Dr. L führe nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn diese begründe ihre Leistungseinschränkung im Wesentlichen mit der psychischen und somatischen Gesamtsituation des Klägers, ohne schlüssig und nachvollziehbar konkrete Funktionseinschränkungen, die sich relevant leistungsmindernd hätten auswirken können, zu objektivieren. Zur Häufigkeit der Stuhlfrequenz habe Dr. D in seinem Befundbericht vom September 2008 angegeben, dass die Häufigkeit der bei dem Kläger vorhandenen Durchfälle sehr stark variiere und etwa in der Hälfte der Fälle ein normaler, dh einmal täglicher, Stuhlgang vorliege und in der restlichen Zeit zwei- bis sechsmal tägliche Stuhlentleerungen von breiig bis dünnflüssig erfolgten. Damit würden keine Einschränkungen aufgezeigt, die einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, etwa einer Tätigkeit als Bürohilfskraft, entgegenstehen würden. Mit der gegenteiligen Auffassung von Dr. D habe sich im Übrigen Dr. B überzeugend auseinander gesetzt.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren auf Gewährung von Rente wegen voller EM (nur) für die Zeit ab 1. Juni 2008 weiter, wobei er klargestellt hat, Rente wegen teilweiser EM bei Berufsunfähigkeit (BU) und Rente wegen teilweiser EM nicht geltend zu machen. Er trägt ergänzend vor: Er habe am 7. Juli 2009 einen Herzinfarkt erlitten, sodass die sich hieraus ergebenden Leistungseinschränkungen zusätzlich berücksichtigt werden müssten. Er sei auch nach dem Ergebnis der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme nicht in der Lage, unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein, und zwar schon deshalb nicht, weil er häufiger als es die üblichen Arbeitszeiten zuließen, die Toilette aufsuchen müsse.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Februar 2009 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 21. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2006 zu verurteilen, ihm für die Zeit ab 1. Juni 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren,
hilfsweise Beweis zu erheben durch Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens über die Frage, ob drei bis vier zusätzliche Pausen für das Aufsuchen der Toilette pro Arbeitsschicht betriebsüblich sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den Kläger auch nach dem Ergebnis der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme nach wie vor nicht für erwerbsgemindert.
Der Senat hat im Berufungsverfahren einen Entlassungsbericht des Uhauses Berlin vom 9. Juli 2009 (stationäre Behandlung des Klägers vom 7. Juli 2009 – 9. Juli 2009 wegen eines akuten transmuralen Myokardinfarktes der Hinterwand) und vom 14. August 2009 (stationäre Behandlung vom 13. August 2009 bis 15. August 2009 zur invasiven Verlaufskontrolle) zu den Akten genommen und erneut Befundberichte von den behandelnden Ärzten des Klägers erstatten lassen, und zwar von der Fachärztin für Innere Medizin, Kardiologie, Rettungsmedizin, Betriebsmedizin und Flugmedizin Dr. F vom 13. November 2009, von dem Internisten und Kardiologen Dr. W vom 24. November 2009, von Dr. D vom 19. November 2009, vom 2. Juni 2010 und vom 21. Juni 2010, von dem Kardiologen Dr. S vom 10. Mai 2010 und von den Orthopäden Drs. M/V vom 21. Mai 2010.
Der Senat hat den Facharzt für Psychiatrie und Innere Medizin F mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser hat nach Veranlassung einer neuropsychologischen Zusatzuntersuchung durch die Diplom-Psychologin Dr. K am 3. Juni 2010, einer Kernspintomografie des Kopfes und der Halswirbelsäule am 9. Juni 2010, einer Computertomographie der Lendenwirbelsäule am 31. Mai 2010 und einer Koloskopie mit Histologie am 8. Juli 2010 mit seinem Gutachten vom 25. August 2010 (Untersuchungen des Klägers am 26. April 2010 von 15:00 bis 19:00 Uhr und am 21. Juli 2010 von 15:00 Uhr bis 17:15 Uhr) folgende Diagnosen auf internistischem, orthopädisch-neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet mitgeteilt: Koronare 2-Gefäßerkrankung, Hinterwandmyokardinfarkt Juli 2009, PTCA und Stent Juli und August 2009, arterieller Hypertonus, gemischte Hyperlipidämie, HIV-Infektion (Aids), Störung durch Nikotin, nicht infektionsbedingte Diarrhöe, nicht näher bezeichnete Hyperglykämie, rezidivierende Lumboischialgie, mittelständiger Bandscheibenvorfall TH2/3 ohne Myelonkompression, Arthralgie beider Kniegelenke, Hörleistungsminderung links, Enzephalopathie infolge HIV-(Aids)-Krankheit, DD: Enzephalopathie als Komplikation durch Arzneimittel, Persönlichkeitsstörung nicht näher bezeichnet, DD: Borderline-Persönlichkeitsstörung, impulsiver Typ, nicht näher bezeichnete Sensibilitätsstörung, schädlicher Gebrauch von Alkohol und Nikotin. Der Kläger könne täglich regelmäßig noch über sechs Stunden körperlich leichte Tätigkeiten mit Heben und Tragen von maximal fünf Kilogramm im Wechsel der Haltungsarten unter Beachtung der aufgezeigten qualitativen Leistungseinschränkungen ausführen. Aufgrund des milden HIV-assoziierten kognitiven Defizites sowie der damit einhergehenden affektiven Störung bestehe eine eingeschränkte affektive Reagibilität und eine verlangsamte Informationsverarbeitung. Das Umstellungsvermögen des Klägers sei erschwert und gehe mit Konzentrationsstörungen einher. Das Erlernen neuer Aufgaben sei als Ausdruck einer Fundamentalfunktion als gestört zu betrachten. Der Kläger könne aber noch intellektuell anspruchslose Tätigkeiten vollschichtig verrichten. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Seit etwa 2008 habe sich die kognitive Leistungsfähigkeit zunehmend verschlechtert. Die kognitiven Leistungseinbußen seien von Dauer.
Der Kläger hat noch ein arbeitsamtsärztliches Gutachten vom 24. November 2010 eingereicht (Allgemeinmedizinerin L), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, sowie ein Attest von Dr. D vom 19. April 2011 zur Medikation der geklagten Durchfälle.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, wegen der medizinischen Feststellungen auf die zum Verfahren eingeholten bzw eingereichten Befund- und Entlassungsberichte sowie die Sachverständigengutachten von Dr. B, Dr. L und von dem Arzt F Bezug genommen.
Die Arbeitslosengeld II-Akten des Jobcenters M, die Verwaltungsakte der Beklagten (Verwaltungsteil und Gutachtenheft) und die Gerichtsakten (2 Bände) haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Die Berufung des Klägers, mit der dieser seinen geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen voller EM (nur) für die Zeit ab 1. Juni 2008 weiter verfolgt, ist nicht begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen voller EM (§ 43 Abs. 2 SGB VI) für die Zeit ab 1. Juni 2008. Er war und ist im streitigen Zeitraum nicht voll erwerbsgemindert.
Die Vorschrift des § 43 Abs. 2 SGB VI setzt zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 SGB VI) sowie das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EM voraus (vgl § 43 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI). Darüber hinaus muss volle EM vorliegen (vgl § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI).
Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl § 43 Abs. 3 SGB VI).
Der Kläger war und ist in dem streitigen Zeitraum ab 1. Juni 2008 nicht voll erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI. Denn er verfügte und verfügt auch derzeit noch über ein mindestens sechsstündiges Restleistungsvermögen zumindest für leichte körperliche und intellektuell anspruchslose einfache geistige Arbeiten, mit dem er regelmäßig einer vollschichtigen und damit auch mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen konnte und kann. Dass der Kläger über ein derartiges Leistungsvermögen verfügte und auch derzeit noch verfügt, folgt zur Überzeugung des Senats aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere aus dem vorliegenden Gutachten des als Sachverständigen eingesetzten Arztes F. Denn dieser Arzt, der den Kläger am 26. April 2010 und 21. Juli 2010 eingehend – unter Einbeziehung einer neuropsychologischen Zusatzuntersuchungung, einer Koloskopie und von CT/MRT-Untersuchungen des Kopfes und der Hals- und Lendenwirbelsäule - untersucht und begutachtet hat, hat dem Kläger ein derartiges mindestens sechsstündiges Restleistungsvermögen bescheinigt, und zwar durchgehend für den gesamten streitigen Zeitraum.
Das mindestens sechsstündige Restleistungsvermögen des Klägers war und ist nach den von dem genannten Sachverständigen festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen auch nicht derart reduziert, dass es einem Arbeitseinsatz des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter betriebsüblichen Bedingungen entgegenstünde (vgl § 43 Abs. 3 SGB VI). Der Kläger konnte und kann zwar nach den von dem genannten Sachverständigen getroffenen Feststellungen wegen seiner Leiden jedenfalls nur noch körperlich leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten in geschlossenen Räumen oder im Freien verrichten. Ausgeschlossen sind Arbeiten unter erschwerten Expositionsbedingungen (Hitze, Kälte, Staub, Feuchtigkeit und Zugluft) und Arbeiten unter Publikumsverkehr. In geistiger Hinsicht waren und sind dem Kläger wegen der eingeschränkten Konzentrations- und Umstellungsfähigkeit noch einfache, intellektuell anspruchslose Tätigkeiten zumutbar.
Bei Beachtung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen bestand und besteht aber weder eine spezifische Leistungsbehinderung noch lag oder liegt eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor (vgl BSG, Urteil vom 18. Februar 1998 -B 5/4 RA 58/97 R -juris). Es lagen und liegen zwar bei dem Kläger Leistungseinschränkungen vor, die teilweise über den Rahmen dessen hinausgehen, was inhaltlich vom Begriff der körperlich leichten Tätigkeiten umfasst wird. Dies gilt besonders hinsichtlich der Notwendigkeit, bestimmte äußere Einwirkungen wie zB Hitze und Kälte zu vermeiden (vgl BSG, Urteil vom 11. Mai 1991 -B 13 RJ 71/97 R - juris). Die bei dem Kläger festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen sind aber nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Denn die vorliegenden Leistungseinschränkungen wie der Ausschluss von schweren bzw mittelschweren körperlichen Arbeiten und von Arbeiten in Hitze, Kälte, Feuchtigkeit und Zugluft sowie unter Publikumsverkehr zählen nicht zu den ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen und schon gar nicht zu den schweren spezifischen Leistungsbehinderungen (vgl dazu die auf die Vorlagebeschlüsse des 13. Senats ergangenen Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 - GS 1 bis 4/95 - GS 2/95 = SozR-3600 § 44 Nr. 8). Das Gleiche gilt hinsichtlich der geistigen Fähigkeiten des Klägers, die zwar eingeschränkt sind, aber keine nennenswerten Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz mit einer intellektuell anspruchslosen Tätigkeit erkennen lassen; nur eine darüber hinausgehende besondere Einschränkung der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit auch für die genannten geistig anspruchslosen Tätigkeiten, die nicht vorliegt, könnte aber eine spezifische schwere Leistungsbehinderung darstellen (vgl BSG SozR-2200 § 1246 Nr. 104, 117). Insgesamt betreffen die bei dem Kläger festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen jedenfalls lediglich einen kleinen Teilbereich des allgemeinen Arbeitsmarktes, lassen aber ein weites Feld von Beschäftigungsmöglichkeiten unberührt.
So konnte und kann der Kläger mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen etwa noch leichte Bürohilfstätigkeiten verrichten. Das Gleiche gilt für Sortier- und Verpackungstätigkeiten. Die Umstellungsfähigkeit des auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Klägers reicht jedenfalls noch aus, körperliche Verrichtungen (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken, einfaches Zusammensetzen von Teilen) auszuführen, die in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen (vgl BSG SozR 3-2600 § 44 Nr 8; BSG, Urteil vom 4. November 1998 – B 13 RJ 13/98 R = SozR 2200 § 1246 Nr 62). Im Hinblick darauf, dass nach der Leistungsbeurteilung des gerichtlichen Sachverständigen jedenfalls für derart leichte und geistig anspruchslose Tätigkeiten keine relevanten Einschränkungen bezüglich der Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit, der Auffassungsgabe und der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit bestehen, konnte und kann der Kläger auch noch derart einfache Tätigkeiten nach einer Zeit der Einarbeitung bis zu drei Monaten vollwertig verrichten. Der für den Kläger in Betracht kommende Arbeitsmarkt ist diesem auch nicht deshalb verschlossen, weil er nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes (vgl § 43 Abs. 1 Satz 2 bzw Abs. 2 Satz 2 SGB VI) erwerbstätig sein könnte. Insbesondere folgt dies nicht aus der von dem Kläger geklagten gehäuften Stuhlfrequenz.
Es ist zur Überzeugung des Senats schon nicht hinreichend feststellbar, dass der Kläger regelmäßig derart häufig durchfallbedingt die Toilette aufsuchen muss, dass dies Anlass für die Annahme geben könnte, er sei wegen dieser Häufigkeit nicht mehr unter betriebsüblichen Bedingungen einsetzbar. Der Senat hat bereits die durchschnittliche regelmäßige Stuhlgangshäufigkeit des Klägers nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen können. Der behandelnde Arzt Dr. D (vgl Äußerung vom 8. September 2008) hat hierzu ausgeführt, dass „in der Hälfte der Zeit“ der Stuhlgang völlig normal sei. Im Übrigen käme es zu zwei bis sechs Stuhlentleerungen täglich, dh nicht nur auf eine Arbeitszeit von sechs Stunden bezogen. Der Sachverständige F hat diesbezüglich keine sicheren Feststellungen treffen können. Unter Gabe von entsprechenden Medikamenten können die Durchfälle zudem „eingedämmt“ werden (Attest von Dr. D vom 19. April 2011), so dass allenfalls in Ausnahmefällen die von Dr. D angegebene höchste Tagesfrequenz zum Tragen kommen dürfte. Selbst bei einer zugunsten des Klägers anzunehmenden täglichen (!) Stuhlgangsfrequenz von zwei bis sechs Toilettengängen wäre angesichts der Dauer eines Tages nicht ersichtlich, dass hierfür während einer Arbeitsschicht durchschnittlich mehr als ein oder zwei Toilettengänge anfielen. Die hierfür ggf erforderlichen Arbeitsunterbrechungen wären nicht als betriebsunüblich anzusehen, zumal nach Maßgabe der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) in zumutbarer Entfernung Toilettenräume an jedem Arbeitsplatz vorzuhalten sind (vgl § 6 Abs. 2 ArbStättV). Nach der entsprechenden Arbeitsstättenrichtlinie 37/1 sind die Toilettenräume überdies so zu verteilen, dass sie von ständigen Arbeitsplätzen nicht mehr als 100 Meter entfernt sind. Gerade im öffentlichen Dienst, in dem etwa Arbeitsbereiche mit leichten Bürohilfstätigkeiten für den Kläger in Betracht zu ziehen sind, ist zudem zu beachten, dass Kurzpausen von weniger als 15 Minuten alle zwei Stunden nicht als Arbeitszeit verkürzende Pausen gelten (vgl LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Oktober 2010 – L 11 R 5203/09 – juris; Bayerisches LSG, Urteil vom 17. März 2011 – L 6 R 825/09 - juris). Auch die Wegefähigkeit des Klägers ist nicht eingeschränkt. Der Kläger war und ist in der Lage, täglich viermal eine Fußstrecke von mehr als 500 Metern in mindestens 20 Minuten zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen (vgl zum Ganzen: BSG, Urteil vom 21. März 2006 - B 5 RJ 51/04 R = SozR 4-2600 § 43 Nr 8 mwN). Ggf gelegentlich vorkommenden unfreiwilligen Stuhlabgängen kann der Kläger mit entsprechenden Hilfsmitteln begegnen. Dem hilfsweise gestellten Beweisantrag des Klägers war schon deshalb nicht zu entsprechen, weil er von Anknüpfungstatsachen ausgeht, die zur Überzeugung des Senats nicht im erforderlichen Vollbeweis feststellbar waren. Es sind – wie bereits dargelegt - keine hinreichenden Anhaltspunke oder gar Tatsachen dafür ersichtlich, dass der Kläger – worauf sein Beweisantrag aber beruht – „während einer Arbeitsschicht“ drei- bis viermal die Toilette aufsuchen müsste und hierfür zusätzliche Pausen benötigte. Sind aber bereits diese Anknüpfungstatsachen nicht feststellbar, bedarf es keiner weitergehenden Ermittlungen oder einer Beweiserhebung dahingehend, ob ein Versicherter mit derartigen Einschränkungen, zu denen der Kläger ersichtlich nicht zählt, noch unter „betriebsüblichen“ Bedingungen einsetzbar ist. Die unter Beweis gestellten Tatsachen sind damit vorliegend nicht entscheidungserheblich und bedürfen keiner weiteren Klärung.
Durchgreifende Einwendungen gegen das Gutachten des Sachverständigen F hat der Kläger nicht erhoben. Seine letztlich insoweit einzig erhobene Rüge, der Sachverständige habe sich zur Pausenhäufigkeit wegen der Toilettengänge nicht geäußert, trifft nicht zu. Vielmehr hat der Sachverständige sich damit eingehend befasst (S. 23 des Gutachtens) und dargelegt, dass insoweit sichere Feststellungen nicht möglich seien. Auch das im Berufungsverfahren vorgelegte arbeitsamtsärztliche Gutachten vom 24. November 2010 rechtfertigt keine andere Beurteilung. Weder werden dort neue, bislang nicht berücksichtigte Gesundheitsstörungen noch Verschlimmerungen bekannter Leiden mitgeteilt. Eine umfassende und schlüssige Erläuterung der gesehenen Leistungsminderung enthält das Gutachten nicht. Auch das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten von Dr. L vermag ungeachtet dessen, dass die Untersuchung dort am 31. März 2008 erfolgte und daher für den hier noch streitigen Zeitraum ohnehin keine sicheren Feststellungen zuließe, die Überzeugungskraft des im Berufungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens nicht zu erschüttern. Denn die von dieser Sachverständigen abgegebene Leistungsbeurteilung ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil sie nicht plausibel aus erhobenen medizinischen Befunden hergeleitet worden ist, sondern im Wesentlichen auf die Tragweite der schwerwiegenden Grunderkrankung (HIV/Aids) abhebt. Gerade insoweit haben aber sowohl der Sachverständige F und auch der behandelnde Arzt Dr. D (vgl dessen Befundberichte vom 2. Juni 2010 und 21. Juni 2010) betont, dass der Immunstatus unter antiretroviraler Therapie stabil sei. Der Sachverständige F hat mit Hinweis auf die von ihm und den behandelnden Ärzten erhobenen Befunde – insbesondere auch die von Dr. D ergänzend eingeholten Verlaufsbefunde der letzten zwölf Monate vor der Begutachtung - überzeugend dargelegt, weshalb diese die Annahme einer quantitativen Leistungsminderung in rentenberechtigendem Umfang nicht zu begründen vermögen. Dies gilt insbesondere auch für die Folgen des im Juli 2009 erlittenen Myokardinfarkts, der keine wesentliche Einschränkung der kardialen Leistungsfähigkeit zur Folge hatte (vgl schon die Beurteilung des Zentrums für ambulante kardiologische Rehabilitation und Prävention B vom 13. November 2009). Weitergehende Einschränkungen durch die koronare Herzerkrankung auch für körperlich leichte Arbeiten haben sich durch den anlässlich der Herzkatheteruntersuchung vom 9. März 2010 erhobenen Befund nach den Feststellungen des Sachverständigen F bislang nicht ergeben. Im Übrigen hat der Kläger keine ergänzenden ärztlichen Befunde bzw Unterlagen vorgelegt, die hinsichtlich der Einschätzung seines Leistungsvermögens durch den Arzt F Anhaltspunkte für abweichende Beurteilung ergeben hätten. Sämtliche Gesundheitsstörungen des Klägers sind von diesem gerichtlichen Sachverständigen umfassend gewürdigt und die sich hieraus ergebenden objektivierbaren Leistungseinschränkungen nachvollziehbar und schlüssig aus den erhobenen Befunden hergeleitet worden.
Da nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens – wie dargelegt - eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische schwere Leistungsbehinderung nicht vorlagen und auch nicht vorliegen, war die konkrete Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit nicht erforderlich. Für den Kläger in Betracht kommende Tätigkeitsfelder sind bereits aufgezeigt worden.
Darauf, ob der Kläger einen seinem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz tatsächlich erhalten hätte oder erhalten kann, kommt es nicht an. Denn die jeweilige Arbeitsmarktlage, die für leistungsgeminderte Arbeitnehmer wie den Kläger derzeit kaum entsprechende Arbeitsplatzangebote zur Verfügung stellt, ist für die Feststellung von EM - wie der Gesetzgeber klargestellt hat - unerheblich (vgl § 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.