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Einstweilige Verfügung; Beschwerdefrist; Fristversäumnis; unrichtige Rechtsmittelbelehrung; Wiedereinsetzung von Amts wegen; vorbeugend Unterlassung begehrt; Verfügungsanspruch (verneint); (Kurz-)Abordnung; Kettenabordnungen; Mitbestimmungsrecht des Personalrats; Mitbestimmungspflichtigkeit (verneint); Verfügungsgrund (verneint)


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg Fachsenat für Personalvertretungssachen Entscheidungsdatum 24.08.2011
Aktenzeichen OVG 61 PV 1.11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 63 Abs 1 Nr 13 PersVG BB, § 74 PersVG BB, § 95 Abs 2 PersVG BB, § 85 Abs 2 ArbGG, § 233 ZPO, § 236 Abs 2 ZPO, § 569 Abs 1 ZPO, § 920 Abs 2 ZPO, §§ 935ff ZPO

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 16. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Mit Erlassen vom 23. November und 8. Dezember 2010 forderte das Ministerium für Finanzen des Landes Brandenburg die Vorsteher der Finanzämter auf, zur Personalverstärkung des mittleren Dienstes vor allem beim Finanzamt (FA) Brandenburg a.d. Havel Ketten einjähriger Abordnungen von Beschäftigten besser ausgestatteter Finanzämter zu bilden, u.a. vom FA Frankfurt (Oder) an das FA Fürstenwalde, von dort an das FA Potsdam und von dort an das FA Brandenburg a.d. Havel. Bei Ablehnung einer Abordnung durch den Personalrat sei ein/e andere/r Beschäftigte/r aus demselben Einsatzgebiet für drei Monate zu dem in der Kette vorgesehenen Finanzamt abzuordnen.

Der vom Beteiligten beabsichtigten einjährigen Abordnung des Herrn W. an das FA Fürstenwalde stimmte der Antragsteller nicht zu. Daraufhin leitete der Beteiligte das Stufenverfahren ein und ordnete anstelle von Herrn W. Frau S. zum 1. Januar 2011 für längstens drei Monate an das FA Fürstenwalde ab. Nachdem der Hauptpersonalrat der Abordnung von Herrn W. zugestimmt und der Beteiligte die Abordnung von Frau S. mit Wirkung vom 28. Februar 2011 aufgehoben hatte, hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Potsdam beantragt, dem Beteiligten im Wege einstweiliger Verfügung vorläufig zu untersagen, weitere Kurzabordnungen von Mitarbeitern der Dienststelle Frankfurt (Oder) vorzunehmen. Er hege die Befürchtung, dass es nach Ablauf der ersten drei Monate zu weiteren kurzfristigen Abordnungen komme, die als Kettenabordnungen in missbräuchlicher Weise sein Mitbestimmungsrecht unterliefen.

Das Verwaltungsgericht Potsdam hat diesen Antrag - wegen der geltend gemachten Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter - durch Beschluss vom 16. Mai 2011 mit folgender Begründung zurückgewiesen: Der Antragsteller habe einen Verfügungsanspruch schon deshalb nicht glaubhaft gemacht, weil das Gesetz der Personalvertretung auch bei Verletzung von Beteiligungsrechten keinen Anspruch gegen den Dienststellenleiter auf Unterlassung beabsichtigter Personalmaßnahmen einräume. Das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren sei seinem Charakter nach ein „objektives Verfahren“, das nicht der Verfolgung von Individualinteressen diene. Es sei daher in der Regel auf die Feststellung des Verstoßes des Dienststellenleiters gegen ein Beteiligungsrecht des Personalrates und die selbständige Befolgung der gerichtlichen Feststellung durch den Dienststellenleiter aufgrund der Bindung an Recht und Gesetz beschränkt.

Gegen den am 19. Mai 2011 zugestellten Beschluss richtet sich die am Montag, dem 20. Juni 2011 eingelegte Beschwerde, mit der der Antragsteller der Rechtsauffassung der Fachkammer unter Hinweis auf eine neuere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht. Vom Senat mit Schreiben vom 28. Juli 2011 darauf hingewiesen, dass es sowohl an einem (vorbeugenden) Unterlassungsanspruch als auch an einem Verfügungsgrund fehlen dürfte, trägt der Antragsteller ergänzend vor, er halte auch eine Kette von mehreren zeitgleichen Abordnungen innerhalb des Landes für mitbestimmungspflichtig.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 16. Mai 2011 zu ändern und dem Beteiligten im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufig bis zur Rechtskraft einer Entscheidung in der Hauptsache VG 21 K 217/11.PVL zu untersagen, weitere Kurzabordnungen von Mitarbeitern der Dienststelle Frankfurt (Oder) vorzunehmen.

Der Beteiligte hat sich im Beschwerdeverfahren nicht schriftsätzlich geäußert.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig, obwohl sie verspätet erhoben worden ist.

Nach der Rechtsprechung des Senats kann gegen einen ablehnenden Beschluss, der im einstweiligen Verfügungsverfahren ohne mündliche Anhörung der Beteiligten ergangen ist, Beschwerde nur innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung der Entscheidung gemäß § 95 Abs. 2 PersVG Bbg i.V.m. § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingelegt werden (hierzu vgl. etwa Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Februar 2011 - OVG 61 PV 1.10 -, vom 7. Februar 2011 - OVG 61 PV 3.10 -, vom 31. Januar 2011 - OVG 61 PV 5.10 - und vom 8. Dezember 2010 - OVG 61 PV 1.10 -). Da der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 19. Mai 2011 zugestellt worden ist, ist die am 20. Juni 2011, einem Montag, eingegangene Beschwerde verspätet. Dem Antragsteller ist jedoch wegen der Versäumung der Frist von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (vgl. §§ 233, 236 Abs. 2 Satz 2, 2. HS ZPO). Das Verwaltungsgericht hat in der Rechtsmittelbelehrung der angefochtenen Entscheidung dahingehend belehrt, dass die Beschwerde innerhalb der - vom Antragsteller gewahrten - Frist eines Monats beim Beschwerdegericht einzulegen sei. Die Versäumung der maßgeblichen zweiwöchigen Beschwerdefrist ist unter diesen Umständen nicht verschuldet.

2. Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Es kann offen bleiben, ob im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Mai 2011 - BVerwG 6 P 4.10 -, juris, zu § 63 Satz 2 des Niedersächsischen Personalvertretungsgesetzes an der Rechtsprechung festzuhalten ist, wonach § 74 PersVG Bbg der Personalvertretung, deren Beteiligungsrecht verletzt worden ist, keine Ansprüche auf Unterlassung der beabsichtigten oder auf Rücknahme der vollzogenen Maßnahme einräumt (vgl. z.B. Beschluss des 6. Senats des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg vom 10. Dezember 1998 - 6 A 210/97.PVL -, juris Rn. 22 ff., und dem folgend Beschluss des erkennenden Senats vom 26. Februar 2009 - OVG 61 PV 1.09 -, juris Rn. 30 ff.). Denn es fehlt schon aus anderen Gründen an der Glaubhaftmachung von Verfügungsanspruch und -grund i.S.v. § 920 Abs. 2 i.V.m. §§ 935 ff. ZPO. Das ergibt sich aus folgendem:

a) Der vom Antragsteller geltend gemachte vorbeugende Unterlassungsanspruch setzt zum einen eine Mitbestimmungspflicht hinsichtlich der streitgegenständlichen - für die Zukunft befürchteten - Maßnahmen und zum anderen das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr voraus. An beidem fehlt es vorliegend. Insoweit hat die Berichterstatterin bereits in ihrem rechtlichen Hinweis an den Antragstellervertreter vom 28. Juli 2011 ausgeführt:

„Begehrt wird mit dem vorliegenden Antrag die Untersagung „weiterer Kurzabordnungen“. (Kurz-)Abordnungen bis zu 3 Monaten sind unstreitig nicht mitbestimmungspflichtig (§ 63 Abs. 1 Nr. 13 PersVG Bbg), so dass der Antrag bereits vom reinen Wortlaut her abzulehnen wäre.

Für die Befürchtung des Antragstellers, eine etwaige Kurzabordnung der jeweiligen Person könnte ggfs. – unter Umgehung der Mitbestimmungspflicht des Antragstellers – verlängert werden (sog. Kettenabordnung), dürfte es nach Aktenlage an Anhaltspunkten fehlen. Der Beteiligte hat erklärt, Derartiges nicht zu beabsichtigen. Auch die einzig bisher erfolgte (Kurz-)Abordnung von Frau S. ist vor Ablauf von 3 Monaten beendet worden. Die vom Antragsteller befürchtete (im Übrigen zunächst nicht mitbestimmungspflichtige) Kurzabordnung eines weiteren Mitarbeiters als Ersatz für Herrn W. (Elternzeit vom 24. Mai bis 23. Juni 2011) war nach Mitteilung des Beteiligten (vgl. Schriftsätze vom 6. April und vom 10. Mai 2011) nicht beabsichtigt und ist nach heutiger telefonischer Rücksprache mit dem Beteiligten auch nicht erfolgt. Ebenso wenig beabsichtigt der Beteiligte ausweislich des heutigen Telefonats mit Frau L., Herrn W. bei weiteren Ausfällen, etwa durch Urlaub oder Krankheit, durch einen anderen Mitarbeiter zu ersetzen.

Bei der im Ministerialerlass angesprochenen „Kettenabordnungen“ handelt es sich nach Angaben des Beteiligten im Übrigen nicht um eine zeitliche Aneinanderreihung von kurzfristigen Einzelabordnungen, sondern ortsbezogen um eine Kette von mehreren kurzfristigen zeitgleichen Einzelabordnungen innerhalb eines Landes, deren Ziel es ist, eine gleiche Personalverteilung in allen Finanzämtern zu gewährleisten.(s. auch das Schreiben des Ministeriums der Finanzen des Landes Brandenburg an die Vorsteher der Finanzämter vom 23. November 2010, in dem zugleich um Beteiligung der örtlichen Gremien gebeten wird; vgl. ferner Schreiben vom 20. Dezember 2010). Mithin bietet auch der Erlass – ebenso wenig wie die tatsächliche Handhabung durch den Beteiligten (s.o). – keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beteiligte plant, die (unbestrittene) Mitbestimmungspflichtigkeit von 1-Jahres-Abordnungen gezielt durch die Aneinanderreihung kurzfristiger Abordnungen zu umgehen. Im Gegenteil ist vom Beteiligten hinsichtlich der Abordnung von Herrn W. ein Stufenverfahren eingeleitet worden.

Eine „ständige Wiederholungsgefahr“, bezogen auf mögliche Verlängerungen etwaiger Kurzzeitabordnungen – nur diese wären mitbestimmungspflichtig – dürfte daher sehr zweifelhaft sein, so dass schon aufgrund dessen ein vorbeugender Unterlassungsanspruch ausscheiden dürfte. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass die personelle Unterstützungsmaßnahme zunächst lediglich für das Jahr 2011 vorgesehen ist, Herr W. mit Zustimmung des Hauptpersonalrates bis zum Jahresende abgeordnet worden ist und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Beteiligte für den Fall eines (erneuten) Ausfalls von Herrn W. eine drei Monate übersteigende Abordnung bzw. eine Kettenabordnung eines anderen Mitarbeiters ohne Zustimmung des Antragstellers beabsichtigt.“

Diese Ausführungen macht sich der Senat nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage zu Eigen. Soweit der Antragsteller nunmehr - konzidierend, dass der Begriff der Kettenabordnung vorliegend ortsbezogen eine Kette von mehreren zeitgleichen Abordnungen innerhalb des Landes bezeichnet - erstmalig die Auffassung vertritt, bei einer solchen Abordnungskette handele es sich um eine atypische Form der Abordnung, die mitbestimmungspflichtig sei, verkennt er u.a., dass eine Mitbestimmungspflicht bei der Abordnung nur personen- bzw. dienststellenbezogen geltend gemacht werden kann. Auch vermag der Senat dieses neue Vorbringen des Antragstellers nur schwerlich in Einklang mit seinem auf die Untersagung weiterer kurzfristiger Abordnungen gerichteten Antrag zu bringen.

Im Übrigen sieht der Senat keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme eines wie auch immer gearteten Rechtsmissbrauchs im Zusammenhang mit den verfügten Abordnungsketten. Diese sollten nach der Intention des Ministeriums der Finanzen grundsätzlich für die Dauer eines Jahres, und zwar unter Wahrung der Mitbestimmungsrechte der jeweils zuständigen Personalräte, in Gang gesetzt werden. Hieran anknüpfend sind ausweislich des Schreibens des Landes Brandenburg an das Ministerium für Finanzen vom 20. Dezember 2010 alle örtlichen Personalräte beteiligt worden, wobei diese lediglich in zwei Fällen zunächst nicht zugestimmt hatten, woraufhin vorübergehend - wie hier - ein/e andere/r Bedienstete/r abgeordnet wurde, so dass die Abordnungsketten zustande gekommen sind. Diese Vorgehensweise ist personalvertretungsrechtlich nicht zu beanstanden, ins-besondere vor dem Hintergrund, dass - wie ausgeführt - auch und gerade im Bereich des Finanzamtes Frankfurt (Oder) keineswegs eine (mitbestimmungspflichtige) einjährige Abordnung eines Mitarbeiters durch mehrere Kurzabordnungen ersetzt worden ist und auch nicht ersetzt werden soll. Dem vom Antragsteller angesprochenen Erlass des Ministeriums für Finanzen vom 8. Dezember 2010, wonach der Vorsteher bei Ablehnung der vorgelegten Abordnung durch den örtlichen Personalrat eine Übergangsregelung für die Dauer von längstens drei Monaten treffen sollte, lag erkennbar die Intention zugrunde, dass die Mitbestimmungsverfahren für die geplanten einjährigen Abordnungen voraussichtlich nach 3 Monaten abgeschlossen sein würden.

b) Der Antragsteller hat ferner aus den genannten Gründen nicht glaubhaft gemacht, dass es ihm im jetzigen Zeitpunkt unzumutbar sein sollte, ein Hauptsacheverfahren, für das im Übrigen das Beschleunigungsgebot des § 9 Abs. 1 ArbGG gilt, abzuwarten.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG).