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Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats


Metadaten

Gericht ArbG Cottbus 5. Kammer Entscheidungsdatum 19.06.2013
Aktenzeichen 5 BV 73/12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 14 Abs 3 S 1 AÜG, § 99 Abs 2 Nr. 1 BetrVG

Leitsatz

Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn der Leiharbeitnehmer ohne berechtigtes Flexibilisierungsinteresse vom Einsatzarbeitgeber auf einen Dauerarbeitsplatz eingesetzt wird.

Tenor

1. Das Verfahren bezüglich der Leiharbeitnehmer A.xxx und B.xxx wird eingestellt.

2. Die Zustimmungsersetzungsanträge werden zurückgewiesen.

3. Es wird festgestellt, dass die vorläufigen Einstellungen der Leiharbeitnehmer C.xxx, D.xxx, E.xxx, F.xxx, G.xxx, H.xxx, J.xxx, K.xxx, L.xxx, M.xxx, N.xxx, O.xxx, P.xxx und Q.xxx offensichtlich aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich waren.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die Ersetzung der vom Beteiligten zu 2. verweigerten Zustimmung zu befristeten Einstellungen von mehreren Leiharbeitnehmern.

Die Parteien streiten weiter darüber, ob die vorläufige Einstellung der Leiharbeitnehmer aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

Bei der Antragstellerin und Beteiligten zu 1. (im Weiteren Arbeitgeberin genannt) handelt es sich um ein Unternehmen des Gesundheitswesens, das unter anderen in R.xxx ein Fachklinikum für Psychiatrie und Neurologie betreibt. In diesem Klinikum sind ca. 280 Mitarbeiter beschäftigt. Darüber hinaus sind dort ca. 132 Leiharbeitnehmer tätig.

Der Beteiligte zu 2. (im Weiteren Betriebsrat genannt) ist der im Fachklinikum gewählte Betriebsrat.

Die Arbeitgeberin beschäftigt insbesondere Leiharbeitnehmer von der Firma S.xxx sowie von der Firma T.xxx. Die Firma S.xxx und die Firma T.xxx sind hundertprozentige Töchter des Asklepios Konzerns.

Im Zeitraum von Mai 2012 bis November 2012 beantragte die Arbeitgeberin mit entsprechenden Anhörungsschreiben die Zustimmung des Betriebsrates zu befristeten Einstellungen einer Reihe von Arbeitnehmern. Die Einstellungen sollten im Zeitrahmen von zehn Monaten bis zu 22 Monaten über die Firma S.xxx und die Firma T.xxx erfolgen.

Darüber hinaus unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat jeweils mit entsprechenden Schreiben darüber, dass die Einstellungen als vorläufige Maßnahme gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 BetrVG durchgeführt werden sollten. Die Einstellungen von Leiharbeitnehmern sei zur optimalen Patientenversorgung bzw. hinsichtlich der Arbeitnehmerin N.xxx zur Entlastung des medizinischen Personals von verwaltungstechnischen Tätigkeiten und hinsichtlich der Arbeitnehmerin O.xxx zur Absicherung aller verwaltungstechnischen Tätigkeiten dringend erforderlich.

Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung zu den Einstellungen mit der Begründung, dass ein Verstoß gegen §§ 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG, 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG vorliege, da es sich um Schein- und Dauerleihe handele und damit gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG verstoßen werde.

Im Weiteren bestritt der Betriebsrat, dass die vorläufige Durchführung der personellen Maßnahmen aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist.

Mit der am 09.07.2012 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift und den Antragserweiterungen vom 08.10.2012, 08.11.2012 und 05.12.2012 begehrt die Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung zu den personellen Einzelmaßnahmen sowie die Feststellung, dass die vorläufige Einstellung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich gewesen sei.

Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, der Betriebsrat besitze bezüglich der begehrten Einstellungen keine Zustimmungsverweigerungsgründe im Sinne von § 99 Abs. 2 BetrVG. Insbesondere bestehe kein Zustimmungsverweigerungsgrund gemäß § 99 Abs. 2 Ziff. 1 BetrVG, da mit den befristeten Einstellungen der Leiharbeitnehmer nicht gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG (in Kraft getreten am 01.12.2011) verstoßen werde. Der insoweit geänderte Gesetzeswortlaut habe keine Veränderung des bestehenden Systems der deutschen Arbeitnehmerüberlassung zur Folge. Mit der Einführung des Begriffs „vorübergehend“ habe der Gesetzgeber eine Rechtsfolge, die an eine nicht nur vorübergehende Überlassung zu knüpfen gewesen wäre, nicht verbunden.

Auch die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern auf einem Dauerarbeitplatz stelle keinen Verweigerungsgrund für den Betriebsrat dar.

Der dauerhafte Einsatz der Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb widerspreche somit nicht dem AÜG.

Die vorläufige Durchführung der Maßnahmen nach § 100 BetrVG sei aus sachlichen Gründen dringend erforderlich und somit unaufschiebbar, da ohne die Einstellung der Leiharbeitnehmer die personelle Situation bei der Arbeitgeberin dazu führen würde, dass die jeweils zwingend anfallenden Aufgaben nicht in vollem Umfang abgesichert werden könnten bzw. andere Mitarbeiter gegebenenfalls zusätzlich Mehrarbeit leisten müssten.

Die Arbeitgeberin hat zuletzt beantragt:

1a) Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin C.xxx für die Dauer vom 01.07.2012 bis 30.06.2013 zu ersetzen;

1b) festzustellen, dass die am 01.07.2012 vorgenommene vorläufige Durchführung der befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin C.xxx aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

2a) Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin D.xxx für die Zeit vom 01.07.2012 bis 31.03.2014 zu ersetzen;

2b) festzustellen, dass die am 01.07.2012 vorgenommene vorläufige Durchführung der befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

3a) Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur befristeten Einstellung des Leiharbeitnehmers E.xxx für die Zeit vom 01.07.2012 bis 30.04.2014 zu ersetzen;

3b) festzustellen, dass die am 01.07.2012 vorgenommene vorläufige Durchführung der befristeten Einstellung des Leiharbeitnehmers E.xxx aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

4a) Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur befristeten Einstellung des Leiharbeitnehmers F.xxx für die Zeit vom 01.07.2012 bis 30.09.2013 zu ersetzen;

4b) festzustellen, dass die am 01.07.2012 vorgenommene vorläufige Durchführung der befristeten Einstellung des Leiharbeitnehmers F.xxx aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

5a) Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur befristeten Einstellung des Leiharbeitnehmers G.xxx für die Zeit vom 01.10.2012 bis 31.07.2013 zu ersetzen;

5b) festzustellen, dass die am 01.10.2012 vorgenommene vorläufige Durchführung der befristeten Einstellung des Leiharbeitnehmers G.xxx aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

6a) Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin H.xxx für die Zeit vom 01.10.2012 bis 31.05.2014 zu ersetzen;

6b) festzustellen, dass die am 01.10.2012 vorgenommene vorläufige Durchführung der befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin H.xxx aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

7a) Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin J.xxx für die Zeit vom 01.10.2012 bis 31.05.2014 zu ersetzen;

7b) festzustellen, dass die am 01.10.2012 vorgenommene vorläufige Durchführung der befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin J.xxx aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

8a) Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin K.xxx für die Zeit vom 01.10.2012 bis 31.05.2014 zu ersetzen;

8b) festzustellen, dass die am 01.10.2012 vorgenommene vorläufige Durchführung der befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin K.xxx aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

9a) Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur befristeten Einstellung des Leiharbeitnehmers L.xxx für die Zeit vom 01.10.2012 bis 31.05.2014 zu ersetzen;

9b) festzustellen, dass die am 01.10.2012 vorgenommene vorläufige Durchführung der befristeten Einstellung des Leiharbeitnehmers L.xxx aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

10a) Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin M.xxx für die Zeit vom 01.10.2012 bis 30.09.2013 zu ersetzen;

10b) festzustellen, dass die am 01.10.2012 vorgenommene vorläufige Durchführung der befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin M.xxx aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

11a) Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin N.xxx für die Zeit vom 01.10.2012 bis 30.09.2013 zu ersetzen;

11b) festzustellen, dass die am 01.10.2012 vorgenommene vorläufige Durchführung der befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin N.xxx aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

12a) Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin O.xxx für die Zeit vom 01.10.2012 bis 30.09.2013 zu ersetzen;

12b) festzustellen, dass die am 01.10.2012 vorgenommene vorläufige Durchführung der befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin O.xxx aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

13a) Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur befristeten Einstellung des Leiharbeitnehmers P.xxx für die Zeit vom 01.11.2012 bis 31.05.2014 zu ersetzen;

13b) festzustellen, dass die am 01.11.2012 vorgenommene vorläufige Durchführung der befristeten Einstellung des Leiharbeitnehmers P.xxx aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

14a) Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin Q.xxx für die Zeit vom 01.12.2012 bis 30.06.2014 zu ersetzen;

14b) festzustellen, dass die am 01.12.2012 vorgenommene vorläufige Durchführung der befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin Q.xxx aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

Durch den beteiligten Betriebsrat wird beantragt,

die Anträge sämtlichst zurückzuweisen.

Der Betriebsrat ist unter anderem der Auffassung, der Zustimmungsverweigerungsgrund gemäß § 99 Abs. 2 Ziff. 1 BetrVG bestehe bereits wegen des Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG. Die vorgesehenen Einstellungen erfolgten punktgenau auf bestimmten Arbeitsplätzen, die von Leiharbeitnehmern dauerhaft ausgefüllt werden sollen. Insofern handele es sich um Einstellungen auf Arbeitsplätzen, für die ein dauerhafter Bedarf bestehe.

Die Anträge nach § 100 BetrVG seien zurückzuweisen, denn die Arbeitgeberin habe eine hohe Personalfluktuation durch ihr Konzept, Dauerarbeitplätze über die konzerneigenen Leiharbeitsfirmen zu besetzen, selbst herbeigeführt. Insofern sei die personelle Situation durch die von der Arbeitgeberin selbst gesetzten Umstände vorhersehbar gewesen und sie hätte Sorge dafür tragen müssen dem entgegenzuwirken.

Die Beteiligten haben mit ergänzenden Schriftsätzen das Verfahren bezüglich der Arbeitnehmer A.xxx und B.xxx für erledigt erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt gemäß § 313 Abs. 2 ZPO Bezug genommen.

II.

A)

Die Anträge sind zulässig.

1. Der Rechtswege zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG gegeben, da sich die Beteiligten in den Anträgen über Mitbestimmungsrechte aus dem Betriebsverfassungsgesetz streiten.

2. Die Arbeitgeberin ist antragsbefugt. Verweigert der Betriebsrat zu einer beabsichtigten Einstellung seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung beantragen (§ 99 Abs. 4 BetrVG).

Nimmt der Arbeitgeber, wie vorliegend, dennoch die Einstellung vor und bestreitet der Betriebsrat, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, so muss der Arbeitgeber zur Aufrechterhaltung der vorläufigen personellen Maßnahme innerhalb von drei Tagen bei dem Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates und die Feststellung, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, beantragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 und 3 BetrVG).

B)

Die Anträge der Arbeitgeberin sind jedoch unbegründet.

1. Der Betriebsrat hat die Zustimmung zu den Einstellungen der Leiharbeitnehmer zurecht gemäß §§ 14 Abs. 2 Satz 1 AÜG, 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrV i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG verweigert, mit der Folge, dass die Zustimmung des Betriebsrates nicht gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen war.

Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG bedarf die Übernahme eines Leiharbeitnehmers der Zustimmung des Betriebsrates des Entleiherbetriebes. Der Betriebsrat kann seine Zustimmung zu einer personellen Maßnahme nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nur dann verweigern, wenn die Maßnahme selbst gegen ein Gesetz, einen Tarifvertrag oder eine sonstige Norm verstößt. Geht es wie vorliegend um die Übernahme eines Leiharbeitnehmers in den Betrieb des Entleihers und damit um eine Einstellung im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, so muss diese als solche untersagt sein. Dazu bedarf es zwar keiner Verbotsnorm im technischen Sinne die unmittelbar die Unwirksamkeit der Maßnahme herbeiführt. Der Zweck der betreffenden Norm, die Einstellung selbst zu verhindern, muss aber hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen. Der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist bei Einstellungen lediglich dann gegeben, wenn der Zweck der Verbotsnorm nur dadurch erreicht werden kann, dass die Einstellung insgesamt unterbleibt (vgl. BAG v. 21.07.2009, 1 ABR 35/08; BAG v. 25.01.2005, 1 ABR 61/03).

2. Gemessen daran verstoßen die beabsichtigten Einstellungen der Leiharbeitnehmer gegen das nunmehr in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG neue Fassung normierte Gebot der lediglich vor-übergehenden Überlassung von Arbeitnehmer an Entleiher.

2.1 Zwar handelt es sich nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht um eine Verbotsnorm im technischen Sinn. Ein technisches Verbotgesetz ist aber auch nicht erforderlich (vgl. BAG v. 22.06.2010 – 7 ABR 3/09). Maßgeblich ist, dass in der Auslegung der Norm im Lichte des Unionsrechts (RL 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Leiharbeit – nachfolgend: RL 2008/104/EG) eine Arbeitnehmerüberlassung nur noch vorübergehend gestattet ist.

Für die Auslegung des Begriffs „vorübergehend“ im Sinne der RL 2008/104/EG muss daher auf den Schutzzweck der Regelungen abgestellt werden.

Artikel 2 der RL 2008/104/EG beschreibt das Ziel wie folgt:

„Ziel der RL ist es, für den Schutz der Leih-AN zu sorgen und die Qualität der Leiharbeit zu verbessern, indem die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Leih-AN gemäß Art. 5 gesichert wird und die Leiharbeitsunternehmen als AG anerkannt werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass ein angemessener Rahmen für die Einsatz von Leiharbeit festgelegt werden muss, um wirksam zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Entwicklung flexibler Arbeitsformen beizutragen.“

Dabei spricht für die Bedeutung des Merkmals „vorübergehend“ als begrenzte Zeit die Auslegung in allen anderen europäischen Vorschriften (vgl. Brors, ArbuR 2013, 108-113). Entscheidend (so Brors a.a.O.) sei „aber letztlich die Frage, ob Leiharbeit nach den europäischen Vorgaben jeglichem Flexibilisierungsinteresse (also auch Lohnflexibilisierung i.S.v. Kostensenkung) dienen kann oder es auf ein im Einzelfall berechtigtes Einsatzinteresse des Entleihers ankommt. Aus der Systematik und der Entstehungsgeschichte der RL spricht vieles dafür, dass ein besonderes Einsatzinteresse des Entleihers an einem „vorübergehenden“ Einsatz gegeben sein muss. …

Diese Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte der RL und das Abstellen auf das Flexibilisierungsinteresses des Unternehmers (Entleihers) in Art. 2 der RL bestätigt. Die RL soll einer weiteren Präkarisierung der Leih-AN als Beschäftigungsgruppe entgegenwirken und auf der anderen Seite flexible Arbeitsformen fördern. Das bedeutet aber, dass bei unterschiedlicher Behandlung von Leiharbeit- und Stamm-AN ein Flexibilisierungsinteresse bestehen muss, das nicht allein in der Umsetzung von simplen Kostensenkungsstrategien besteht. … Auch nach der RL kann Leiharbeit nicht ohne ein berechtigtes Flexibilisierungsinteresse des Einsatzarbeitgebers zur reinen Kostensenkung für Dauerarbeitsplätze missbraucht werden. … Danach werden als Gründe für den Einsatz von Leih-AN genannt: „Eine immer größere Flexibilität bei der Verwaltung des Personals“, da „die Aufträge rascher und stärker fluktuieren“ und bei der Ersetzung von Stammpersonal „einen Mangel an ständigem Personal oder einen vorübergehenden Anstieg des Arbeitsanfalls auszugleichen“. … Das setzt voraus, dass es überhaupt Flexibilisierungsbedarf gibt. Flexibilisierungsbedarf ergibt sich nicht aus dem Wunsch, Personalkosten zu senken.“

Ein solcher Flexibilisierungsbedarf ist bezogen auf die einzelnen Einstellungen weder dem Betriebsrat noch im konkreten Maße im Rahmen des schriftsätzlichen Vortrages dargelegt worden. Vielmehr verweist die Arbeitgeberin selbst darauf, dass sie je nach Auslastungsergebnis und Kostenstruktur der jeweiligen Abteilung jeweils über die Beibehaltung der Stellen im Personal-Kostenplan entscheidet. Das Einstellungsbegehren der Arbeitgeberin ist insofern nicht einem vorübergehenden Anstieg des Arbeitsanfalles oder einem Mangel an ständigem Personal zum Einsatz auf Stammarbeitsplätzen geschuldet.

2.2 Das innerstaatliche Gericht muss das nationale Recht soweit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auslegen, um das in der Richtlinie festgelegte Ziel zu erreichen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg v. 09.01.2013, 24 TaBV 1868/12 m.w.N.). Das LAG verweist in seiner Entscheidung darauf, dass sich mit hinreichender Deutlichkeit aus der RL 2008/104/EG entnehmen lässt, dass die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen nach dem Willen des Richtliniengebers unzulässig sein soll. Das LAG führt in diesem Zusammenhang aus:

„Dies folgt zunächst aus Art. 5 Abs. 5 S. 1 der RL 2008/104/EG. Danach ergreifen die Mitgliedsstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um eine missbräuchliche Anwendung dieses Artikels zu verhindern und um insbesondere aufeinanderfolge Überlassungen, mit denen die Bestimmungen der Richtlinie umgangen werden sollen, zu verhindern. Damit bringt der Richtliniengeber zum Ausdruck, dass Kettenüberlassungen grundsätzlich missbräuchlich und damit unzulässig sind. Dies muss dann aber erst Recht für die Besetzung eines Dauerarbeitsplatzes mit Leiharbeitnehmern gelten. Denn dadurch würden diesen die bei dem Entleiher geltenden, in der Regel besseren Arbeitsbedingungen vorenthalten, obwohl der Leiharbeitnehmer aufgrund des dauernden Beschäftigungsbedarfs bei dem Entleiher als Stammarbeitnehmer eingestellt werden könnte. …

(3) Der Wille des Richtliniengebers, die Umwandlung von Stammarbeitsplätzen in Leiharbeitsplätze zu verhindern, kommt auch in Art. 6 Abs. 1 der RL 2008/104/EG zum Ausdruck. Danach werden Leiharbeitnehmer über die im entleihenden Unternehmen offenen Stellen unterrichtet, damit sie die gleichen Chancen auf einen unbefristeten Arbeitsplatz beim Entleiher haben wie die übrigen Arbeitnehmer dieses Unternehmens. Dies setzt voraus, dass die bisher als Leiharbeitnehmer eingesetzten Beschäftigten auf freie Dauerarbeitsplätze des Entleihers übernommen werden können. Daraus ergibt sich, dass nach dem Willen des Richtliniengebers frei werdende unbefristete Dauerarbeitsplätze regelmäßig mit eigenen Arbeitnehmern und nicht mit Leiharbeitnehmern besetzt werden sollen.“

Diese Argumentation schließt sich die Kammer in der Entscheidung der Sache an.

2.3 Hinsichtlich der mit den Leiharbeitnehmern zu besetzenden Stellen hat die Arbeitgeberin ein berechtigtes Flexibilisierungsinteresse im Sinne einer im Wege der Einstellung von Leiharbeitnehmern auszugleichenden Bedarfsschwankung im Beschäftigungspersonal nicht dargelegt. Es gibt auch gegenüber dem Betriebsrat keine inhaltlichen Erklärungen, die weder dem Inhalt als auch in der zeitlichen Prognose eine Bedarfsschwankung auf dem konkreten Arbeitsplatz erkennen lassen. Insofern ist davon auszugehen, dass es sich bei den zu besetzenden Stellen schlicht und ergreifend um sogenannte Dauerarbeitsplätze handelt. In richtlinienkonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG wollte der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 17/4804, S. 8) jedoch klarstellen, dass das deutsche Modell der Arbeitnehmerüberlassung den europarechtlichen Vorgaben entspricht. Insofern entspricht das Verständnis des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG im Sinne der Vorgaben der RL 2008/104/EG dem Willen des nationalen Gesetzgebers. Eine Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt daher nicht vorübergehend im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG, wenn durch die Arbeitnehmerüberlassung ein reiner Dauerbeschäftigungsbedarf abgedeckt wird. In diesem Zusammenhang verweist Brors (a.a.O.) zutreffend auf Folgendes:

„Werden Leih-AN dagegen dauerhaft ohne ein berechtigtes Flexibilisierungsinteresse eingesetzt, umgeht der Entleiher aus Kostengründen die ansonsten eingreifenden arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften der Beschäftigung eines Stamm-AN. Es handelt sich durch das Dazwischenschalten eines Dritten um eine Gesetzesumgehung, wie dies auch bei anderen Strohmanngeschäften vorkommt. Während das rechtsmissbräuchliche Verhalten als unzulässige Rechtsausübung gem. § 242 BGB dazu führt, dass die Geltendmachung eines Rechts versagt bleibt, wird nach den Rechtsgedanken der Gesetzesumgehung zugleich die Rechtsfolge durch die anzuwendenden, umgangenen Vorschriften herbeigeführt.“ …

Danach erweisen sich die verfahrensgegenständlichen Einstellungen als gesetzeswidrig.

Der Betriebsrat war gemäß §§ 14 Abs. 3 S. 1 AÜG, 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG berechtigt, wegen des Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG die Zustimmung zur den personellen Einzelmaßnahmen zu verweigern. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG ist eine Verbotsnorm im Sinne des §§ Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, die die Einstellung als solche verhindern will (vgl. LAG Berlin-Brandenburg v. 09.01.2013 a.a.O. m.w.N.). Das LAG Berlin-Brandenburg verweist in der genannten Entscheidung darauf, dass die unionskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG zur Einordnung dieser Norm als Verbotsnorm im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG führt. Der Richtlinienzweck könne jedoch nur dadurch erreicht werden, dass der Betriebsrat der personellen Einzelmaßnahme gemäß §§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG seine Zustimmung versagt und damit die Einstellung als solche unterbleibt. Dem ist zu folgen, so dass die Zustimmungsersetzungsanträge der Arbeitgeberin zurückzuweisen sind.

3. Gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kann der Arbeitgeber, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, die personelle Maßnahmen, vorliegend die Einstellung, vorläufig durchführen, bevor der Betriebsrat sich geäußert oder wenn er die Zustimmung verweigert hat.

Die Arbeitgeberin hat zwar fristgemäß nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG bei dem Arbeitgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates und die Feststellung beantragt, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war. Die auf die einzelnen Einstellungen gerichteten Anträge zur Aufrechterhaltung der vorläufigen Maßnahmen sind jedoch unbegründet.

Der Arbeitgeberin war die Aufrechterhaltung er vorläufigen Maßnahmen bereits deshalb zu versagen, da die materiell technischen Voraussetzungen für die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zur Einstellung nicht vorliegen und deshalb der darauf gerichtete Antrag der Arbeitgeberin abgewiesen worden ist.

Ungeachtet dessen ist abgesehen von den schlagwortartigen Umschreibungen zur Patientenversorgung bzw. der Absicherung von Verwaltungstätigkeiten anhand des Vortrages der Arbeitgeberin nicht ersichtlich, dass sachliche Gründe vorliegen, die die Vorläufigkeit der Maßnahme dringend erfordern. Sachliche Gründe sind Gründe, die aus einer ordnungsgemäßen Betriebsführung erwachsen, wobei als Beurteilungsmaßstab die Sicht eines objektiven verantwortungsbewussten Arbeitgebers anzulegen ist. Soweit die Arbeitgeberin an anderer Stelle darauf verweist, dass sie je nach Auslastungsergebnis und Kostenstruktur über die Aufrechterhaltung von Stellen im Personal- und Kostenplan entscheidet, mithin sich daran auch Einstellungserfordernisse der Arbeitgeberin ausrichten sollen, so sind derartige betriebswirtschaftliche Überlegungen kein sachlicher Grund, der dringend erforderlich die vorläufige Aufrechterhaltung der Beschäftigung der Leiharbeitnehmer rechtfertigen könnte. Unter sachlichen Gründen sind betriebliche Gründe, insbesondere solche eines geregelten Betriebsablaufs zu verstehen. Die Arbeitgeberin hat nicht dargelegt, dass ihr im Falle der Nichtbesetzung der jeweiligen Stellen nicht hinnehmbare Erschwerungen des Betriebsablaufes oder sonstige erhebliche wirtschaftliche Verluste drohen würden. Insbesondere ist darauf zu verweisen, dass derartige Interessen gerade auch durch die Einstellung von Arbeitnehmern als Stammarbeiter ausgeglichen werden könnten.

Gemäß § 100 Abs. 3 Satz 1 BetrVG war deshalb festzustellen, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen offensichtlich nicht dringend erforderlich war.

4. Soweit die Beteiligten das Verfahren bezüglich der auch im Sitzungsprotokoll vom 19.06.2013 genannten Arbeitnehmer für erledigt erklärt haben, war es gemäß § 83 a Abs. 2 ArbGG einzustellen.

C)

Nach § 2 Abs. 2 GKG ist das Beschlussverfahren gerichtskostenfrei, so dass es einer Kostenentscheidung nicht bedarf.

Eine Streitwertfestsetzung erfolgt ebenfalls nicht. § 61 Abs. 1 ArbGG wird in § 84 ArbGG nicht für anwendbar erklärt. Für eine Streitwertfestsetzung im Beschluss besteht auch kein Bedürfnis, da das Rechtsmittel (Beschwerde) nicht vom Wert der Beschwer und damit von der Festsetzung eines Streitwertes abhängig ist, § 87 Abs. 1 ArbGG.