Gericht | FG Berlin-Brandenburg 12. Senat | Entscheidungsdatum | 22.04.2015 | |
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Aktenzeichen | 12 K 12140/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Der Kläger ist bulgarischer Staatsbürger. Seit dem 18. März 2010 wohnt er zusammen mit seiner am 4. Januar 2004 geborenen Tochter B… in D…. Im November 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Kindergeld für seine Tochter. Im Antragsformular teilte er dabei mit, er sei weder unselbständig noch selbständig erwerbstätig noch in Deutschland sozialversichert. Die Beklagte erbat daraufhin vom Kläger die Vorlage weiterer Unterlagen sowie unter anderem die Mitteilung, wovon er seit seiner Einreise seinen Lebensunterhalt bestreite. Der Kläger gab hierzu zunächst keine Erklärung ab. Am 23. Januar 2011 wurde der Sohn C… des Klägers geboren; für diesen beantragte der Kläger im Februar 2011 ebenfalls Kindergeld. Auf eine erneute Nachfrage der Beklagten teilte die Ehefrau des Klägers mit Schreiben vom 11. März 2011 mit, dass ihre Schwiegermutter für den Unterhalt der Familie sorge; diese habe ein Gewerbe als Raumpflegerin. Zur Wohnsituation der Familie teilte der Kläger ergänzend mit, dass er, seine Ehefrau, die beiden Kinder sowie seine Mutter zu fünft in einer Einzimmerwohnung (ca. 37 m² Wohnfläche) wohnten. Hauptmieterin der Wohnung sei seine (des Klägers) Mutter.
Am 22. Mai 2012 stellte das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten D… dem Kläger eine Freizügigkeitsbescheinigung gemäß § 5 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) aus.
Mit Bescheid vom 1. Februar 2013 setzte die Beklagte Kindergeld für B… und C… für die Zeit ab Mai 2012 in Höhe von jeweils 184 € pro Monat fest. Mit Bescheiden vom selben Tag lehnte sie außerdem den Antrag für die Zeiträume März 2010 bis April 2012 (B…) bzw. Januar 2011 bis April 2012 (C…) unter Hinweis auf die seinerzeit noch fehlende Freizügigkeitsbescheinigung ab: Unionsbürger, die nicht freizügigkeitsberechtigt im Sinne des FreizügG/EU seien, hätten unter den Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Anspruch auf Kindergeld. Nach den vorliegenden Unterlagen erfülle der Kläger diese Voraussetzungen nicht.
Der Kläger erhob gegen die beiden Ablehnungsbescheide am 7. Februar 2013 Einspruch, den die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 7. Juni 2013 als unbegründet zurückwies. Der Kläger hat daraufhin am 25. Juni 2013 Klage erhoben und zugleich beantragt, ihm unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren. In den dem Antrag beigefügten Unterlagen hat der Kläger angegeben, „selbständig (Reinigung)“ tätig zu sein.
Der Berichterstatter hat den Klägerbevollmächtigten mit Verfügung vom 1. August 2013 darauf hingewiesen, dass über die Erfolgsaussichten der Klage und des Antrags auf PKH auf der Grundlage des bisherigen Vortrags noch nicht entschieden werden könne; erforderlich sei ergänzender Vortrag zu den tatsächlichen Voraussetzungen für eine Freizügigkeit gemäß § 2 Abs. 2 FreizügG/EU. Der Kläger hat darauf erwidert, jedenfalls die beantragte PKH müsse ihm gewährt werden; seine Klage habe hinreichende Erfolgsaussichten, da die Frage der Freizügigkeitsberechtigung bulgarischer Staatsbürger höchstrichterlich ungeklärt sei.
Der Senat hat dem Antrag auf Gewährung von PKH durch Beschluss vom 28. Oktober 2014, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, entsprochen.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 3. Februar 2015 die seiner Auffassung nach unangemessen lange Verfahrensdauer gerügt, auf den richterlichen Hinweis vom 1. August 2013 jedoch keine weiteren Tatsachen vorgetragen.
Der Kläger ist der Auffassung, er habe für die streitgegenständlichen Monate einen Anspruch auf Kindergeld. Hierzu sei ausreichend, dass er im Inland seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe. Der Einschränkung des § 62 Abs. 2 EStG unterliege er nicht: Als bulgarischer Staatsbürger sei er auch für die Zeit vor der Erteilung der entsprechenden Bescheinigung freizügigkeitsberechtigt gewesen. Das Bundesozialgericht (BSG) habe entschieden, dass einer solchen Bescheinigung lediglich deklaratorische Bedeutung zukomme, weil sich das Freizügigkeitsrecht unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergebe. Nach den Bestimmungen des Vertrages über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumänien zur EU sei zwar die Arbeitnehmerfreizügigkeit (aber eben auch nur diese) für eine Übergangsphase beschränkt worden. Der Aufenthalt eines bulgarischen oder rumänischen Staatsbürgers in Deutschland könne aber auch während dieser Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen der §§ 5 Abs. 5, 6 und 7 FreizügG/EU wegen des Wegfalls, des Verlustes oder des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts – also jedenfalls erst nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens – beendet werden. Das Aufenthaltsrecht bestehe, solange der Aufnahmemitgliedstaat nicht durch einen nationalen Rechtsakt festgestellt habe, dass der Unionsbürger bestimmte Bedingungen nicht erfülle.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 1. Februar 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Juni 2013 zu verpflichten, Kindergeld für den Zeitraum März 2010 bis April 2012 für das Kind B… und für den Zeitraum Januar 2011 bis April 2012 für das Kind C… festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klage für unbegründet. Die finanzgerichtliche Rechtsprechung (Finanzgericht [FG] Münster, Urteil vom 22. März 2013 – 14 K 4343/11) bestätige ihre, der Beklagten, Rechtsauffassung; danach könne – soweit eine Arbeitnehmerfreizügigkeit mangels Arbeitserlaubnis bzw. Arbeitsberechtigung nicht einschlägig sei – eine Freizügigkeit nur nach einer der anderen in § 2 Abs. 2 (Nr. 2 bis 7) FreizügG/EU aufgeführten Alternativen in Betracht kommen. Hierfür fehle es im Streitfall jedoch an jeglichem Anhaltspunkt.
Die Beteiligten haben jeweils schriftsätzlich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung erklärt.
I. Die Klage, über die der Senat gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Kindergeld für die streitgegenständlichen Monate. Der ablehnende Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht im Sinne von § 101 Satz 1 FGO in seinen Rechten.
1. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG regelt dessen § 62. Freizügigkeitsberechtigte Ausländer sind danach – ebenso wie Inländer – bereits dann anspruchsberechtigt, wenn sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer müssen dem gegenüber zusätzlich eine der Voraussetzungen gemäß § 62 Abs. 2 EStG erfüllen; sie erhalten Kindergeld nur, wenn sie entweder eine Niederlassungserlaubnis (Abs. 2 Nr.1) besitzen oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzen, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt und nicht nach §§ 16, 17, 18 Abs. 2, 23 Abs. 1, 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG erteilt wurde (Abs. 2 Nr. 2), oder wenn sie eine Aufenthaltserlaubnis nach §§ 23 Abs. 1, 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG besitzen und sich zusätzlich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhalten und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig sind, laufende Geldleistungen nach dem SGB III beziehen oder Elternzeit in Anspruch nehmen (Abs. 2 Nr. 3).
Bürger eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union (EU), zu denen im streitgegenständlichen Zeitraum auch der Heimatstaat des Klägers (Bulgarien) zählt, genießen innerhalb der EU allgemeine Freizügigkeit nach Maßgabe des FreizügG/EU. § 2 Abs. 2 FreizügG/EU benennt als Nr. 1 bis Nr. 7 sieben alternative Voraussetzungen, unter denen ein Unionsbürger bzw. dessen Familienangehörige unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind. Freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen haben nach Maßgabe des FreizügG/EU das Recht auf Einreise und Aufenthalt (§ 2 Abs. 1 FreizügG/EU). Gemäß § 5 Abs. 1 des FreizügG/EU in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung wird freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern von Amts wegen unverzüglich eine Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht ausgestellt. Die zuständige Ausländerbehörde kann verlangen, dass die Voraussetzungen des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU drei Monate nach der Einreise glaubhaft gemacht werden (§ 5 Abs. 3 Satz 1 FreizügG/EU). Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU sind Unionsbürger und ihre Familienangehörigen ausreisepflichtig, wenn die Ausländerbehörde festgestellt hat, dass das Recht auf Einreise und Aufenthalt nicht besteht.
Für Staatsangehörige der der EU zum 1. Januar 2007 beigetretenen Staaten Rumänien und Bulgarien (Vertrag vom 25.04.2005, BGBl. II 2006, S. 1146) sind allerdings die konkreten Beitrittsbedingungen zu beachten, welche in Bezug auf das Recht auf Freizügigkeit Übergangsbestimmungen vorsehen. Nach Art. 1 Abs. 3 des EU-Beitrittsvertrages zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Republik Bulgarien und Rumänien (Amtsblatt der EU vom 21. Juni 2005, L 157/11) sind die Bedingungen und Einzelheiten der Aufnahme in dem diesem Vertrag beigefügten Protokoll festgelegt, dessen Bestimmungen Bestandteil des EU-Beitrittsvertrages sind. Abweichend von den Artikeln 1 bis 6 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und bis zum Ende eines Zeitraums von 2 Jahren nach dem Tag des Beitritts durften danach die seinerzeitigen Mitgliedstaaten nationale oder sich aus bilateralen Abkommen ergebende Maßnahmen anwenden, um den Zugang bulgarischer und rumänischer Staatsangehöriger zu ihren Arbeitsmärkten zu regeln. Hiervon hat die Bundesregierung für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2013 Gebrauch gemacht: Nach § 284 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch (SGB III) durften die Staatsangehörigen der Staaten Bulgarien und Rumänien in diesem Zeitraum eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit ausüben (sog. Arbeitserlaubnis-EU bzw. Arbeitsberechtigung-EU). Das FreizügG/EU trägt dem in § 13 FreizügG/EU Rechnung, wonach das FreizügG/EU für diesen Zeitraum Anwendung finden soll, wenn die Beschäftigung durch die Bundesagentur für Arbeit gem. § 284 Abs. 1 SGB III genehmigt wurde.
2. Der Kläger fällt in den Anwendungsbereich des § 62 Abs. 2 EStG. Der Senat vermag nicht positiv festzustellen, dass der Kläger eine der alternativen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nrn. 1 bis 7 FreizügG/EU für ein Freizügigkeitsrecht erfüllt. Dies beruht maßgeblich auf der Nichtaufklärbarkeit des Sachverhalts infolge der Weigerung des Klägers, weitere Auskünfte über die Umstände zu erteilen, auf die er sein Freizügigkeitsrecht stützt.
a) Dem Kläger ist allerdings darin zuzustimmen, dass ein etwaiges Recht auf Freizügigkeit unabhängig von der Erteilung einer entsprechenden Bescheinigung gemäß § 5 Abs. 1 FreizügG/EU besteht. Eine solche Bescheinigung hat keinen rechtsbegründenden Charakter, sondern ist lediglich deklaratorischer Natur, da sich das Freizügigkeitsrecht unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergibt (ebenso BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R, juris). Ein Anspruch des Klägers auf Kindergeld kann deshalb nicht bereits mit dem Hinweis auf die erst im Mai 2012 erteilte Freizügigkeitsbescheinigung in Abrede gestellt werden. Soweit der Kläger die allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen für ein Freizügigkeitsrecht bereits vor diesem Zeitpunkt erfüllte, unterlag sein Kindergeldanspruch auch insoweit ausschließlich den Voraussetzungen gemäß § 62 Abs. 1 EStG.
Ebenso ist dem Kläger darin zu folgen, dass § 13 FreizügG/EU in Verbindung mit den besonderen Bedingungen in der Übergangsphase bis zum 31. Dezember 2013 für Staatsbürger der beitretenden Staaten Bulgarien und Rumänien das Freizügigkeitsrecht nicht in Gänze, sondern nur in seiner Ausprägung als Arbeitnehmerfreizügigkeit (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU) beschränkt. Ein Freizügigkeitsrecht kann deshalb auch in der Übergangsphase ohne weiteres auf einen der in § 2 Abs. 2 Nrn. 2 bis 7 FreizügG/EU genannten Tatbestände gestützt werden.
b) Nicht zu folgen ist dem Kläger indes darin, dass er sich unabhängig von der Erfüllung eines der in § 2 Abs. 2 FreizügG/EU genannten Tatbestände auf ein allgemeines Freizügigkeitsrecht berufen könne, so lange nicht die zuständige Ausländerbehörde nach Durchführung eines entsprechenden Verwaltungsverfahrens das Nichtbestehen des Rechts ausdrücklich festgestellt habe. Zu Unrecht beruft sich der Kläger insoweit auf die Rechtsprechung des BSG. Die Ausführungen des BSG in dem vom Kläger zitierten Urteil vom 30. Januar 2013 (B 4 AS 54/12 R) befassen sich unmittelbar nicht mit dem Freizügigkeitsrecht, sondern vielmehr mit dem aus diesem Recht folgenden Aufenthaltsrecht. Das BSG führt aus, dass das Aufenthaltsrecht bestehe, solange der Aufnahmemitgliedsstaat nicht durch einen nationalen Rechtsakt festgestellt habe, dass der Unionsbürger bestimmte vorbehaltene Bedingungen im Sinne des Art. 21 AEUV nicht erfülle. Dem entspricht es, wenn § 7 Abs. 1 FreizügigG/EU die Ausreisepflicht von Unionsbürgern nicht (materiell) an die Nichterfüllung der Voraussetzungen für ein Freizügigkeitsrecht, sondern (formal) an eine diesbezügliche Feststellung seitens der Ausländerbehörde knüpft.
Dem gegenüber geht es im Streitfall nicht um einen Akt der Eingriffsverwaltung im Sinne einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, sondern um eine vom Kläger begehrte Steuervergütung gemäß § 31 Satz 3 EStG. Entsprechend knüpft § 62 Abs. 2 EStG das Erfordernis, für den Anspruch auf Kindergeld zusätzliche Voraussetzungen zu erfüllen, ausdrücklich nicht an das Aufenthaltsrecht, sondern an das diesem zugrunde liegende Freizügigkeitsrecht des Anspruchstellers. Die maßgeblich die Rechtssicherheit betreffenden Erwägungen, die in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung dafür sprechen mögen, ein Aufenthaltsrecht gegebenenfalls bis zu einer ausdrücklichen Feststellung seines Nichtbestehens zu fingieren, sind nach Auffassung des Senats auf das Freizügigkeitsrecht als Voraussetzung für eine begehrte Steuervergütung nicht übertragbar. Vielmehr ist es hier Sache des Anspruchstellers, das Erfüllen der tatsächlichen Anspruchsvoraussetzungen nachzuweisen.
Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzen, unmittelbar aufgrund des Gemeinschaftsrechts (und mithin ohne weitere Voraussetzungen) freizügigkeitsberechtigt wären. Aus Artikel 21 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union -AEUV- (früher: Artikel 18 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft -EGV-), wonach jeder Unionsbürger das Recht hat, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ergibt sich nämlich zugleich, dass dieses Recht nur vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen besteht. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Amtsblatt [ABl.] L 158 vom 30. April 2004, S. 77), stellt eine solche beschränkende Vorschrift dar. Die Regelung macht das Aufenthaltsrecht des Unionsbürgers, soweit der Aufenthalt drei Monate überschreitet, von bestimmten Voraussetzungen abhängig. Der deutsche Gesetzgeber hat die dort vorbehaltenen Beschränkungen und Bedingungen in § 2 Abs. 2 FreizügigG/EU in nationales Recht umgesetzt. Ein darüber hinaus gehendes, voraussetzungsloses Freizügigkeitsrecht der Unionsbürger besteht daneben nicht (ebenso im Ergebnis FG Münster, Urteil vom 22. Februar 2013 – 14 K 4342/11 Kg, Entscheidungen der Finanzgerichts [EFG] 2013, 803; dort wird ein Kindergeldanspruch einer rumänischen Staatsbürgerin u.a. mit der Erwägung abgelehnt, dass keine der in § 2 Abs. 2 FreizügigG/EU genannten Voraussetzungen für das Entstehen eines Freizügigkeitsrechts vorlagen).
c) Dafür, dass der Kläger im Streitzeitraum aus einem der in § 2 Abs. Abs. 2 Nr. 1 – 7 FreizügG/EU genannten Tatbestände freizügigkeitsberechtigt war, liegen dem Senat keinerlei Anhaltspunkte vor. Ausweislich der Angaben in der vorliegenden Kindergeldakte waren im streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls die Voraussetzungen der Nrn. 2 und 3 nicht erfüllt, da der Kläger keiner selbständigen Tätigkeit nachging. Als nicht erwerbstätiger Unionsbürger wäre der Kläger gemäß § 4 FreizügG/EU nur unter der weiteren Voraussetzung freizügigkeitsberechtigt gewesen, dass er über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügte. Auch diese Voraussetzung war nach den vorliegenden Angaben des Klägers – ebenso ausweislich seines Antrags auf Gewährung von PKH – nicht erfüllt. Auch ein Daueraufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 7 in Verbindung mit § 4a FreizügG/EU hatte der Kläger offenkundig noch nicht erworben, da er sich in dem streitgegenständlichen Zeitraum noch nicht seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hatte.
Soweit sich der Sachverhalt darüber hinaus nicht aufklären lässt, gereicht dies dem Kläger zum Nachteil. Der Kläger hat auf die ausdrückliche Aufforderung des Berichterstatters, substantiiert zu den Voraussetzungen gemäß § 2 Abs. 2 FreizügigG/EU vorzutragen, lediglich erwidert, die Kindergeldberechtigung für bulgarische Staatsangehörige sei bislang nicht höchstrichterlich geklärt. Zuvor hatte der Kläger auf das vorgenannte Urteil des BSG verwiesen und damit der Sache nach vorgetragen, sein Freizügigkeitsrecht müsse von der Beklagten und vom Finanzgericht ohne weitere Prüfung unterstellt werden, so lange die zuständige Ausländerbehörde dessen Nichtbestehen nicht ausdrücklich festgestellt habe. Damit hat der Kläger von weiterem, seitens des Gerichts für entscheidungserheblich gehaltenem Sachvortrag bewusst abgesehen. Er hat hierdurch seine aus § 90 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) folgende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, erheblich verletzt. Diese bewusste Pflichtverletzung wiegt auch deshalb besonders schwer, weil es dem Kläger auch bei weiterem Sachvortrag unbenommen gewesen wäre, an seiner Rechtsauffassung, wonach es auf diese Umstände bei der Entscheidung des Streitfalles nicht ankommen dürfe, festzuhalten. Die Mitwirkung war dem Kläger deshalb ohne weiteres zumutbar.
Die Verletzung der Mitwirkungspflicht des Klägers führt zu einer Begrenzung der Aufklärungs- und Ermittlungspflicht der Beklagten und des Gerichts. Da die mangelnde Mitwirkung Tatsachen oder Beweismittel aus dem alleinigen Verantwortungsbereich des Klägers betrifft, können aus dessen Verhalten auch für ihn nachteilige Schlüsse gezogen werden (vgl. BFH, Urteil vom 9. Juni 2005 – IX R 75/03, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs [BFH/NV] 2005, 1765, m.w.N.).
3. War der Kläger im Streitzeitraum nicht freizügigkeitsberechtigt, stünde ihm das beantragte Kindergeld nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 EStG zu. Dass diese Voraussetzungen im Streitzeitraum vorlagen, hat der Kläger nicht geltend gemacht; hierfür ist auch aus den dem Gericht vorliegenden Akten nichts ersichtlich. Soweit der diesbezügliche Sachverhalt nicht weiter aufklärbar war, gelten die vorstehenden Ausführungen zur Verletzung der Mitwirkungspflicht des Klägers entsprechend.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
III. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Die Frage, ob das Freizügigkeitsrecht eines Unionsbürgers im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen für den Kindergeldanspruch nach § 62 Abs. 1, Abs. 2 EStG ohne weiteres unterstellt werden muss, so lange nicht die zuständige Ausländerbehörde das Nichtbestehen dieses Rechts ausdrücklich festgestellt hat, hat grundsätzliche Bedeutung.