Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 15.11.2011 | |
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Aktenzeichen | L 3 U 88/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 2 SGB 7, § 6 SGB 7, § 7 SGB 7, § 8 SGB 7, § 26 SGB 7, § 44 SGB 10 |
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 2009 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Neufeststellung von Unfallfolgen und die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der geborene Kläger erlitt als Eisenbahnbediensteter am 06. Februar 1976 gegen 12.00 Uhr einen Arbeitsunfall, indem er beim Verladen von Gleisschwellen von einem Eisenbahnwaggon aus mehr als drei Metern Höhe rückwärts auf den Boden fiel. Der Kläger wurde ins St.-Krankenhaus eingeliefert. Dort stellte der Durchgangsarzt Dr. F ausweislich des Durchgangsarztberichts nach der am Unfalltag um 12.15 Uhr vorgenommenen Untersuchung fest, dass sich am Hinterkopf rechts eine etwa zwei cm große Platzwunde befunden habe, die Pupillen leicht erweitert seien und schwach auf Licht reagierten. Der Kläger sei benommen und das Bewusstsein getrübt. Die Ansprechbarkeit sei ebenfalls gestört. Es bestünden keine sichtbaren neurologischen Ausfälle. Am Thorax ventral bestehe eine starke Druckschmerzhaftigkeit sowie ein Thoraxkompressionsschmerz ohne sichtbare Verletzungen. Am Übergang von der Brustwirbelsäule (BWS) zur Lendenwirbelsäule (LWS) bestehe eine starke Druckschmerzhaftigkeit ohne Hautverletzungen und Schwellung. Die Röntgenaufnahmen hätten keinen sicheren Hinweis für frische Knochenverletzungen ergeben. Der Durchgangsarzt diagnostizierte multiple Prellungen an Thorax, BWS und LWS, Commotio cerebri mit Hinterkopfplatzwunde. Der weitere Behandlungsverlauf wird unter anderem durch folgende ärztliche Äußerungen dokumentiert:
- Nachschauberichte vom 13. Februar 1976 (Dr. F), 20. Februar 1976 (Dr. N; Röntgenbefund: „Re. Schulter in 2 E.: Kein pathologischer Befund am Schultergelenk. Kein Anhalt für Fraktur oder Luxation. HWS in 2 E.: Unauffällig konturierte u. strukturierte Wirbelkörper. Kein Anhalt für traumat. Veränderungen. Sternum-Spezial-Aufn.: Keine Fraktur.“), 27. Februar 1976 (Dr. N), 08. März 1976 (Dr. N) nebst Augenarztbericht vom 05. März 1976 („Objektiv erkennbare Krankheitserscheinungen: Keine“), 15. März 1976 (Dr. N), 02. April 1976 (Dr. N), 08. November 1976 (Dr. N), 13. Dezember 1976 (Dr. N) mit Röntgenuntersuchung („Im Bereich der ges. dargestellten WS-Abschnitte vielleicht geringe Verspannung in Fehlhaltung mit flacher links-rechtskonvexer Skoliose lumbodorsal und etwas mangelhafter Lendenlordose. Keine pathol. Form- oder Strukturveränderungen der WK und Fortsätze.“),
- Berichte des Facharztes für Chirurgie Dr. N vom 06. Mai 1976 („Eindeutige objektivierbare Befunde liegen nicht mehr vor.“) und 10. Mai 1976,
- fachärztlicher Bericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik F am M vom 17. Mai 1976,
- Stellungnahmen des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. F aus April 1976, vom 17. Dezember 1976 und 06. April 1977 („Die in meinem Befund vom 17.12.1976 beschriebene Mydriasis und Verdacht auf Klivuskantensyndrom bzw. Hämatom entfällt.“),
- Fachärztliches Gutachten des Facharztes für Nerven- und Gemütsleiden Dr. K vom 07. Februar 1977.
Die Beklagte erkannte hiernach mit Bescheid vom 15. Februar 1977 als bis dahin abgeklungene Unfallfolgen Prellungen am Thorax, an BWS und LWS sowie eine Kopfprellung mit Platzwunde an. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 1977 bestandskräftig zurück. In der Folgezeit blieben Verschlimmerungs- und Überprüfungsanträge des Klägers, in deren Zuge unter anderem das neurologische Zusammenhangsgutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. M vom 25. August 1981 eingeholt wurde, ohne Erfolg.
Der Kläger beantragte bei der Beklagten mit Schreiben vom 11. Juli 2008 die Neufeststellung von Unfallfolgen und die Gewährung einer Kur. Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 22. Juli 2008 ab und wies den hiergegen gerichteten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2009 zurück.
Der Kläger hat sein Begehren mit der am 29. Mai 2009 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage mit dem Begehren weiterverfolgt, seiner Behauptung gemäß die persistierenden Beschwerden im Bereich der rechten Schulter, der BWS, der rechten Brustkorbseite, beider großen Zehen sowie das mydriatische Auge als Folge des Arbeitsunfalls vom 06. Februar 1976 anzuerkennen und Leistungen nach den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Er hat an seinem im Widerspruchsverfahren geäußerten Vorbringen festgehalten. Er hat zur Untermauerung seines Vorbringens unter anderem auf die Befunde von Dr. F, ein fachorthopädisches Gutachten Dr. Js vom 12. November 1979 und den Nachschaubericht des Arztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. G vom 28. September 2005 verwiesen. Das SG hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 18. November 2009 abgewiesen.
Der Kläger hat gegen den ihm am 27. November 2009 zugestellten Gerichtsbescheid am 30. April 2010 Berufung eingelegt. Er vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und verweist unter anderem auf ein Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin W vom 21. Mai 2008, ein Laborblatt des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. L vom 10. Mai 2010, Notfallbehandlungsberichte des Bundeswehrkrankenhauses einschließlich einer Nachdokumentation über Notfallaufnahmen am 16. Dezember 2009 und 24. März 2010, eine Brillenverordnung vom 10. Februar 1987, ein Attest des Augenarztes Dr. G vom 18. November 2010 („Schädigung erkennbar, Nachweis auf AU 06.02.1976 kaum möglich“), den Entlassungsbrief der O Kliniken GmbH vom 25. März 2011, einen augenärztlichen Untersuchungsbogen vom 12. Mai 2011, ein Attest des Augenarztes Dr. G 22. August 2011, einen Befund des Schlafmedizinischen Zentrums des Klinikums B, einen Ambulanzbrief der D Kliniken B vom 17. September 2010, einen Arztbrief der Klinik B vom 13. Mai 2011, einen CT-Bericht der Gemeinschaftspraxis für Radiologie/ Neurologie & Zentrum für Minimal Invasive Therapie vom 30. Mai 2011 und eine Körpervermessung (Schulterschiefstand von vier cm) der C vom 09. Februar 2010.
Dem klägerischen Begehren lässt sich der Antrag entnehmen,
unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 2009 Berlin und unter Abänderung des Bescheids der Beklagten vom 22. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. April 2009 sowie des Bescheids der Beklagten vom 23. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. November 2010 den Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. April 1977 zu ändern und festzustellen, dass die persistierenden Beschwerden im Bereich der rechten Schulter, der Brustwirbelsäule, der rechten Brustkorbseite und beider großen Zehen sowie ein mydriatisches Auge Folgen des Arbeitsunfalls vom 06. Februar 1976 sind, und die Beklagte zu verurteilen, ihm Entschädigungsleistungen wegen der Unfallfolgen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und tritt mit Schriftsatz vom 01. September 2011 einer Einbeziehung des Bescheids vom 23. September 2010 und des Widerspruchsbescheids vom 22. Oktober 2010 entgegen.
Die Beteiligten haben - die Beklagte mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2010 und der Kläger mit Schriftsätzen vom 20. und 27. Januar sowie 16. August 2011 - ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter anstelle des Senats erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.
Der Berichterstatter kann anstelle des Senats im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, vgl. §§ 155 Abs. 3 und 4, 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Berufung ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
Der Zulässigkeit der Berufung steht indes nicht entgegen, dass der Kläger sie erst am 30. April 2010 und damit mehr als fünf Monate nach Zustellung des angefochtenen Gerichtsbescheids am 27. November 2009 eingelegt hat. Grundsätzlich beträgt die Berufungsfrist gemäß § 151 Abs. 1 SGG zwar einen Monat nach Zustellung der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung. Diese Frist gilt gemäß § 66 Abs. 1 SGG jedoch nicht, wenn - wie hier - die Rechtsmittelbelehrung fehlerhaft ist. Die Rechtsmittelbelehrung ist vorliegend in der Tat fehlerhaft, weil in ihr kein Hinweis auf die in Brandenburg ab 01. November 2007 bestehende und für das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg geltende Möglichkeit einer elektronischen Berufungseinlegung gemäß § 65a SGG in Verbindung mit § 1 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr im Land Brandenburg vom 14. Dezember 2006 enthalten ist (vgl. zu den Folgen eines unterbliebenen Hinweises auf die Möglichkeit einer elektronischen Beschwerdeeinlegung Bundessozialgericht <BSG>, Beschluss vom 9. Februar 2010 – B 11 AL 194/09 B -, zitiert nach juris Rn. 5). In diesem Fall gilt gemäß § 66 Abs. 2 S. 1 SGG ab Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung eine einjährige Frist (vgl. BSG a.a.O.), welche vorliegend im Zeitpunkt der Berufungseinlegung bei Weitem noch nicht verstrichen war.
Die Berufung ist allerdings unzulässig, soweit der Kläger auch den Bescheid der Beklagten vom 23. September 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 22. November 2010 anficht. Hierin ist eine unzulässige Klageänderung zu sehen. Nach § 99 Abs. 1 SGG, welcher gemäß § 153 Abs. 1 SGG auch im Berufungsverfahren Anwendung findet, ist die Änderung einer Klage nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich erachtet. Weder das Eine noch das Andere ist der Fall. Die Beklagte hat der Einbeziehung dieser Bescheide mit Schriftsatz vom 01. September 2011 ausdrücklich widersprochen, und der erkennende Senat erachtet die in der Einbeziehung der vorgenannten Bescheide liegende erweiternde Klageänderung nicht für sachdienlich, weil die Streitsache im Übrigen entscheidungsreif erscheint und mit der Einbeziehung der vorgenannten Bescheide teilweise auf eine neue Grundlage gestellt würde, welche weitere, das Verfahren verzögernde Ermittlungen des Gerichts auslösen würde (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG – Kommentar, 9. Aufl. 2008, Rn. 10a).
Die Berufung ist im Übrigen unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Soweit der Kläger über die von ihm mit Schreiben vom 11. Juli 2008 geltend gemachte Gewährung medizinischer Rehabilitationsleistungen in Form einer Kur hinaus pauschal Entschädigungsleistungen wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 06. Februar 1976 begehrt, ist die Klage bereits unzulässig. Insofern wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen, weil die Berufung aus den zutreffenden, im letzten Absatz auf Seite 3 des angefochtenen Gerichtsbescheids enthaltenen Gründen als unbegründet zurückzuweisen ist.
Das SG hat auch im Übrigen die Klage zu Recht abgewiesen.
Zunächst ist der Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. April 2009, mit welchem eine Neufeststellung der Unfallfolgen unter Änderung des Bescheids vom 15. Februar 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. April 1977 abgelehnt wurde, rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht. Die Voraussetzungen einer Neufeststellung im Wege einer Überprüfung nach der hierfür einzig in Betracht zu ziehenden Rechtsgrundlage aus § 44 Abs. 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) liegen nicht vor, wonach, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, es sei denn, dass der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
Hieran gemessen kommt eine Neufeststellung nicht in Betracht. Die im Bescheid vom 15. Februar 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. April 1977 enthaltene Feststellung von Unfallfolgen ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat insbesondere keinen Anspruch darauf, dass nun anders als damals festgestellt wird, dass die persistierenden Beschwerden im Bereich der rechten Schulter, der BWS, der rechten Brustkorbseite und beider großer Zehen sowie ein mydriatisches Auge anhaltende Folgen des Arbeitsunfalls vom 06. Februar 1976 sind.
Nach § 8 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle der Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Nach § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Der Gesetzgeber bringt mit der Formulierung „infolge“ in § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII das Erfordernis eines Zusammenhangs zum Ausdruck. Es muss eine kausale Verknüpfung des Unfalls mit der betrieblichen Sphäre bestehen, mithin eine rechtliche Zurechnung für besonders bezeichnete Risiken der Arbeitswelt beziehungsweise gleichgestellter Tätigkeiten, für deren Entschädigung die gesetzliche Unfallversicherung als spezieller Zweig der Sozialversicherung einzustehen hat, und zwar nicht nur im Sinne einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, sondern auch im Sinne der Zurechnung des eingetretenen Erfolges zum Schutzbereich der unfallversicherungsrechtlichen Norm als eines rechtlich wesentlichen Kausalzusammenhangs (Zurechnungslehre der wesentlichen Bedingung, ständige Rechtsprechung, etwa BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Die Frage nach diesem Zurechnungszusammenhang stellt sich auf drei Ebenen, nämlich als Unfallkausalität zwischen ausgeübter Tätigkeit und Unfallereignis, als haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden und als haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheitserstschaden und längerandauernden Unfallfolgen (BSG, a.a.O., Rn. 10; Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, 1.4, S. 21 f.). Die vorgenannten Merkmale der versicherten Tätigkeit und des Unfallereignisses müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R –, zitiert nach juris Rn. 15). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O., auch Rn. 18 und 20).
Hiervon ausgehend ist der Senat nicht im nach § 128 Abs. 1 S. 1 SGG gebotenen Maße überzeugt, dass die vom Kläger behaupteten Beschwerden Folgen des Unfalls vom 06. Februar 1976 sind. Dabei geht der Senat zwar anders als das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zunächst davon aus, dass die Klage auch hinsichtlich der vom Kläger begehrten Feststellung, dass sein mydriatisches Auge Unfallfolge sei, zulässig ist. Anhaltspunkte für eine hinreichend wahrscheinliche Verursachung einer Mydriasis durch den Arbeitsunfall vom 06. Februar 1976 vermag der Senat jedoch nicht zu erkennen. Der Augenarztbericht vom 05. März 1976 zum Nachschaubericht vom 08. März 1976 verneinte objektiv erkennbare Krankheitserscheinungen; insbesondere waren keine Doppelbilder nachzuweisen und war der Augenhintergrund beider Augen normal. Auch der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. F hielt ausweislich seines Zwischenberichts vom 06. April 1977 die ursprünglich gestellte Diagnose einer Mydriasis ausdrücklich nicht mehr aufrecht, nachdem ihm der Kläger mitgeteilt hatte, dass er bei der vorangegangenen Untersuchung trotz wiederholter Frage unerwähnt gelassen hatte, dass ihm bei einer wiederum vorangegangenen augenärztlichen Untersuchung ins rechte Auge ein Mydriaticum eingeträufelt worden war. Auch hält der den Kläger aktuell behandelnde Augenarzt Dr. G ausweislich seines Attests vom 18. November 2010 die Verursachung einer von ihm festgestellten Augenschädigung durch den Arbeitsunfall vom 06. Februar 1976 nicht für nachweisbar. Hinsichtlich der übrigen vom Kläger behaupteten Unfallfolgen wird von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG abgesehen, weil die Berufung aus den zutreffenden, ab dem vorletzten Absatz auf Seite 5 des angefochtenen Gerichtsbescheides genannten Gründen als unbegründet zurückzuweisen ist. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die erst im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen Unterlagen zwar die verschiedenen Leiden und Beschwerden des Klägers ausreichend beschreiben, jedoch keine Anhaltspunkte für eine hinreichend wahrscheinliche Verursachung durch den Arbeitsunfall vom 06. Februar 1976 vermitteln. Vor diesem Hintergrund war der Senat auch eingedenk der ihm nach § 103 SGG obliegenden Amtsermittlungspflicht nicht zu weiteren Ermittlungen gehalten.
Hiernach ist der angefochtene Bescheid vom 22. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. April 2009 auch insoweit rechtmäßig, als die Erbringung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation abgelehnt wird. Es liegt nach dem zuvor Gesagten nichts für fortbestehende Unfallfolgen vor, derentwegen der Kläger von der Beklagten aus den hierfür als Anspruchsgrundlage in Betracht zu ziehenden § 26 i.V.m. §§ 27 Abs. 1 Nr. 6, 33 SGB VII bzw. i.V.m. §§ 27 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII, 26 des Neunten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB IX). eine medizinische Rehabilitation in Form einer Kur verlangen könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst. Die Revision ist mangels Zulassungsgrunds nach § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.