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Entscheidung 10 Sa 485/16


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 10. Kammer Entscheidungsdatum 01.09.2016
Aktenzeichen 10 Sa 485/16 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 626 BGB

Leitsatz

Die Kenntnis eines nicht kündigungsberechtigten Amtsleiters ist dem Kündigungsberechtigten zuzurechnen, wenn der Amtsleiter aus eigenem Antrieb und selbständig die Kündigungsgründe ermittelt.

Tenor

I. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25. Februar 2016 - 58 Ca 5438/15 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten der Berufung trägt das beklagte Land.

III. Der Gebührenwert des BerufungsverfA. wird auf 13.800,00 EUR festgesetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien aus verhaltensbedingten Gründen.

Der Kläger ist 57 Jahre alt (geb. … 1959) und seit dem 1. April 1990 beim beklagten Land als technischer Angestellter im U.- und N. mit einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 11 mit ca. 4.200,-- EUR brutto/mtl. beschäftigt. Der Kläger ist verheiratet und hat vier zwischen 1987 und 2001 geborene Kinder. Gegenüber drei dieser Kinder ist er unterhaltspflichtig. Sein Arbeitsplatz befindet sich in der R. Str. …-… in Berlin-Treptow. Sein Aufgabengebiet umfasst den Gebiets- und Artenschutz. Das Einsatzgebiet umfasst 128 km² und dabei zahlreiche Naturschutzgebiete mit insgesamt 1800 ha. Die Entfernung zwischen Dienstsitz und Schutzgebieten umfasst 13-23 km. Vor Ort müssen weite Strecken zu Fuß zurückgelegt werden.

Im Bezirksamt gilt eine Dienstvereinbarung über die Flexibilisierung der Arbeitszeit vom 21. Dezember 2000 (DV–Flex). Nach deren § 5 muss täglich die Arbeitszeit korrekt auf einem Zeiterfassungsbogen eingetragen werden. Für Donnerstage ist im Bereich des Umwelt- und Naturschutzamtes eine Funktionszeit ab 12:00 Uhr vorgesehen. Im Bereich des Umwelt- und Naturschutzamtes beginnt die Arbeitszeit grundsätzlich im Dienstgebäude. Ausnahmsweise kann der Beginn der Arbeitszeit auch außerhalb des Dienstgebäudes liegen, wenn dieses spätestens am Vortag vom Beschäftigten im Ausgangsbuch eingetragen wurde. Im Umwelt- und Naturschutzamt wurden 30 Dienstkräfte, davon 3 im höheren Dienst, 22 im gehobenen Dienst und 5 im mittleren Dienst beschäftigt.

Im Rahmen eines Mitarbeitergespräches vom 12. November 2012 wurde zwischen den Parteien vereinbart, dass der Kläger einen Tätigkeitsnachweis führe, der dem Amtsleiter zur Abzeichnung vorzulegen sei. Arbeitsaufträge seien zusätzlich im Outlook zu registrieren und mit Terminsetzungen zu versehen. Wie konkret der Kläger das Arbeitsbuch geführt hat, und ob dieses überhaupt vom Amtsleiter des beklagten Landes kontrolliert wurde, blieb im Rahmen dieses Rechtsstreits unklar.

Im April 2014 erhielt der Kläger vom beklagten Land eine Ermahnung und im Mai 2014 eine Abmahnung wegen unzureichender Arbeitsleistung.

Am 22. Januar 2015 erschien der Kläger erst um 13:00 Uhr an seinem Arbeitsplatz in der R. Str. Um 13:30 Uhr wurde er von seinem Vorgesetzten, dem Amtsleiter Dr. M. K. auf die Abweichung von der Funktionszeit angesprochen. Was der Kläger darauf erklärt hat, ist zwischen den Parteien streitig. Im Zeiterfassungsbogen hatte der Kläger für den 22. Januar 2015 eine Arbeitszeit von 8:30 Uhr bis 18:05 Uhr dokumentiert. Im Ausgangsbuch hatte der Kläger für den 22. Januar 2015 notiert: „10-13 Spreewiesen“.

Für den 3. Februar 2015 hatte der Kläger im Ausgangsbuch „13:30 Uhr Teufelsmoor“ angegeben. Im Zeiterfassungsbogen gab der Kläger für den 3. Februar 2015 einen Arbeitsbeginn um 7:20 Uhr und ein Arbeitsende um 16:00 Uhr an.

Am 16. Februar 2015 fand zwischen dem Kläger und Herrn Dr. K. ein Gespräch zur Zeiterfassung des Klägers statt. An dem Gespräch nahm auch die stellvertretende Amtsleiterin als Protokollantin teil und fertigte ein Protokoll. Nach dem Inhalt des Protokolls fuhr der Kläger am 22. Januar 2015 von zu Hause in die Gosener Wiesen. Was er von 8:30 Uhr bis 11:00 Uhr gemacht habe, habe er nicht erklärt und was er in den Gosener Wiesen gemacht habe ebensowenig. Zum 3. Februar 2015 gab der Kläger nach dem Protokoll an, bei einer Bauberatung gewesen zu sein. Hinsichtlich des angezweifelten Arbeitsbeginns um 7:10 Uhr oder 7:20 Uhr hatte der Kläger ausweislich des Protokolls erklärt, dass er die Zeiten umrechne, wenn er abends länger bleibe. Das Protokoll hat der Kläger am 17. Februar 2015 ohne weitere Anmerkungen zur Kenntnis genommen.

Eine Baubesprechung oder -beratung fand am 3. Februar 2015 allerdings nicht statt.

Ein weiteres Personalgespräch zwischen den Parteien fand am 27. Februar 2015 nunmehr auch unter Beteiligung eines Personalreferenten des Natur- und Umweltamtes und eines Personalratsmitgliedes statt. Auch über dieses Gespräch fertigte die stellvertretende Amtsleiterin ein Protokoll. Das Protokoll hat der Kläger am 18. März 2015 mit einer Anmerkung zur Kenntnis genommen. Nach dem Inhalt des Protokolls hatte der Kläger erklärt, dass er am 22. Januar 2015 gleich früh nach Müggelheim gefahren sei, erst in den Gosener Wiesen gewesen sei, danach eine Runde über die Müggelheimer Wiesen und den Müggelturm gemacht habe und dann ins Amt zurückgekehrt sei. Am 3. Februar 2015 habe er nicht an einer Bauberatung teilgenommen, sondern sich die Baustelle angesehen, weil er am 28. Januar 2015 bei der Beratung nicht dabei gewesen sei. Das beklagte Land hielt dem Kläger in dem Personalgespräch vor, dass er ausweislich des Protokolls am 28. Januar 2015 bei der Besprechung dabei gewesen sei, worauf der Kläger erwidert habe, dass er auch schon mal trotz Abwesenheit im Protokoll aufgeführt gewesen sei.

Wie in dem Protokoll über das Personalgespräch weiter ausgeführt ist, hat der Kläger auf seinen Arbeitsbeginn angesprochen eingeräumt, dass er Beginn und Ende nivelliert habe ohne dafür eine nähere Begründung zu geben.

Der Kündigungsantrag des Vorgesetzten des Klägers vom Donnerstag, dem 19. März 2015 ging am Montag, dem 23. März 2015 bei der Leiterin der Serviceeinheit Personal und Finanzen ein. Mit Schreiben vom 24. März 2015, am selben Tag zugegangen, beteiligte das beklagte Land den Personalrat zu einer außerordentlichen Kündigung des Klägers. In der Anhörung ist unter anderem ausgeführt:

„Zum Nachweis Ihrer Arbeit wurden Sie mit der Führung eines Arbeitsbuches beauftragt. Dieses führten Sie völlig oberflächlich und beendeten diese Auflage eigenmächtig ohne Absprache mit ihrem Vorgesetzten.“

Der Personalrat stimmte der Kündigung unter der Bedingung, eine Formulierung in dem Kündigungsschreiben zu ändern zu. Dieser Bedingung kam das beklagte Land nach.

Da die Frauenvertreterin seit dem 16. März 2015 langfristig erkrankt war und sich deren Stellvertreterin urlaubsbedingt nicht im Dienst befand, wurde deren Beteiligung unter dem 2. April 2015 nachgeholt.

Mit Schreiben vom 26. März 2015, dem Kläger zugegangen am 27. März 2015, kündigte die Leiterin der Serviceeinheit Personal und Finanzen das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung. In dem Kündigungsschreiben ist u.a. ausgeführt:

„Sie haben die Ihnen obliegenden arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. Dazu gehört die Einhaltung der bestehenden Dienstvereinbarung über die Flexibilisierung der Arbeitszeit (DV – Flex). Gemäß § 5 dieser Dienstvereinbarung führt jede/r Beschäftigte eigenverantwortlich einen Arbeitszeitbogen, in dem täglich Beginn und Ende der Arbeitszeit einzutragen sind.

Ihre Dienststelle hat mir am 23.03.2015 mitgeteilt, dass Sie am 22.01.2015 erst nach Beginn der Funktionsarbeitszeit (12.00 Uhr) gegen 13.00 Uhr an ihrem Arbeitsplatz erschienen sind. Auf Nachfrage Ihres Vorgesetzten Herrn Dr. K. erklärten Sie, ab 11.00 Uhr einen Ortstermin auf den Gosener Wiesen wahrgenommen zu haben. Hierbei soll es sich um ein Treffen mit dem Bauer und Pächter Herrn M. gehandelt haben. Der Arbeitsbeginn im Zeiterfassungsbogen weist jedoch für diesen Tag einen Arbeitsbeginn um 8.30 Uhr aus. Des Weiteren ergab eine Nachfrage bei Herrn M., dass er an diesem Tag keinen Termin mit Ihnen hatte und Sie auch nicht getroffen hat.

Ebenfalls wird von Ihrer Dienststelle die Erfassung der Arbeitszeit am 03.02.2015 angezweifelt. Laut Ausgangsbuch befanden Sie sich an diesem Tag von 13.00 Uhr bis 16.00 Uhr auf einer Baubesprechung am Teufelssee. Sie gaben an, den Leiter des Forstamtes Herrn P. dort getroffen zu haben. Die Recherche ergab, dass an diesem Tag keine Baubesprechung stattfand und auch der Leiter des Forstamtes nicht vor Ort war. Es ist also davon auszugehen, dass Sie an diesem Tag ihren Dienst mit dem Verlassen des Amtes beendet haben.

Sie haben somit an beiden genannten Tagen Beginn bzw. Ende Ihrer Arbeitszeit nicht korrekt erfasst. Insgesamt weist der Arbeitszeitbogen somit gegenüber Ihrer tatsächlichen Anwesenheit eine Abweichung von insgesamt 420 Minuten zu Ihren Gunsten aus.

Erschwerend kommt hinzu, dass auch an weiteren Tagen im Monat Januar 2015 der Beginn Ihrer Arbeitszeit nicht korrekt erfasst wurde. Der erfasste Arbeitszeitbeginn um 7.00 Uhr bzw. 7.15 Uhr kann nach Beobachtungen durch die stellvertretende Amtsleiterin Frau A. nicht bestätigt werden.

Mit diesen Vorwürfen wurden Sie in einem Gespräch mit dem Leiter des Naturschutzamtes Herrn Dr. K., der stellvertretenden Amtsleiterin Frau A. sowie dem Gruppenleiter Personal Herrn Me. konfrontiert. Im Ergebnis dieses Gespräches zeigten Sie sich nicht einsichtig. Ihre Einlassungen zu den genannten Vorwürfen führten nicht zu einer Aufklärung sondern eher zu Widersprüchen. Nach Ansicht der Beteiligten flüchteten Sie sich in gegensätzliche Schutzbehauptungen.

Lediglich den Vorwurf der falschen Erfassung des Arbeitszeitbeginns im Januar 2015 bestätigten Sie, rechtfertigten diesen jedoch damit, als Ausgleich ein früheres Arbeitszeitende erfasst zu haben. Eine Begründung für diese Verfahrensweise blieben Sie schuldig.

Des Weiteren haben Sie erneut ihre arbeitsvertraglichen Pflichten gemäß § 3 Abs. 1 TV-L verletzt, indem wiederum Mängel in Ihrer Arbeitsleistung festzustellen sind. Mit Datum vom 05.06.2014 wurde Ihnen bereits aus diesem Grund eine Abmahnung erteilt und Sie wurden aufgefordert, die von Ihnen geschuldete Arbeitsleistung gewissenhaft und ordnungsgemäß zu erbringen. Dabei wurden Sie auf arbeitsrechtliche Konsequenzen im Wiederholungsfall hingewiesen. Zum Nachweis Ihrer Arbeit wurden Sie mit der Führung eines Arbeitsbuches beauftragt. Dieses führten Sie völlig oberflächlich und beendeten diese Auflage eigenmächtig ohne Absprache mit Ihrem Vorgesetzten.

Einen dringlichen Arbeitsauftrag (Bearbeitung eines Befreiungsantrages für die Kanalstr. 23-25) führten Sie erst nach wiederholter Aufforderung aus. Auch zu den Ortsterminen vom 22.01.2015 auf den Gosener Wiesen sowie vom 03.02.2015 am Teufelssee existieren keine Aufzeichnungen, Dokumentationen, Vermerke bzw. Fotos. Die Wahrnehmung von Außenterminen muss aber nachweislich in Verwaltungshandeln münden. Dabei gewonnene Erkenntnisse sind festzuhalten, Akten sind zu führen und Vermerke zu fertigen. Nur so kann eine Vertretung gewährleistet werden. Dieser Verpflichtung sind Sie in mehreren Fällen nicht nachgekommen.

Weitere Recherchen Ihres Amtsleiters führten nicht zu entlastenden Erkenntnissen, so dass dieser am 19.03.2015 die genannten Pflichtverletzungen als erwiesen ansehen musste.

Auf Grund der dargelegten Tatsachen stelle ich fest, dass der von Ihnen vorgenommene Arbeitszeitbetrug sowie die mangelnde Arbeitsleistung so schwerwiegende Pflichtverletzungen sind, dass diese das notwendige Vertrauen nachhaltig zerstört haben und eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist.

Der Kläger meint, dass der Vorwurf der nicht korrekten Angabe der Arbeitszeiten am 22. Januar 2015 und 3. Februar 2015 nicht zutreffe. Er stelle klar, dass „Gosener Wiesen“ und Bauer M. nichts miteinander zu tun hätten. Der Kläger sei für die Gosener Wiesen nur als Ordnungsbehörde zuständig. Regelmäßige Kontrollen würden dort nicht durchgeführt. Spreewiesen und Gosener Wiesen seien nicht identisch. Für „Spreewiesen“ würden auch die Begriffe „Müggelwiesen“ oder „Müggelspreewiesen“ verwendet.

Bei dem Vorwurf für den 22. Januar 2015 handele es sich offenbar um ein Missverständnis. Auf Nachfrage von Herrn Dr. K. am 22. Januar 2015 habe er erklärt, ab 11:00 Uhr „beim Bauern M.“ gewesen zu sein. Ein Treffen mit diesem sei nicht geplant gewesen und habe auch nicht stattgefunden. Tatsächlich habe er von 11:00 Uhr bis 13:00 Uhr den Außentermin auf den Spreewiesen wahrgenommen. Der Kläger habe geplant gehabt, die Flächen von Bauer M. an der Straße zum Spreeheim/Schönhorster Str. ab 10:00 Uhr zu besichtigen. Denn es habe ein Antrag auf Entbuschung der Wiesen und Durchführung der Verkehrssicherungspflicht (Gefahrenbäume) an der Straße zum Spreeheim auf den Bauer M. gehörenden Grundstücken vorgelegen. Soweit in der Klageschrift die „Gosener Wiesen“ benannt worden seien, habe es sich um ein Missverständnis der Klägervertreterin gehandelt. Sie habe die fehlerhafte Bezeichnung aus dem Kündigungsschreiben übernommen.

Nachdem der Kläger seine Tochter wegen deren Unwohlsein um 7:50 Uhr zur Schule gefahren habe, habe er gegen 8:30 Uhr den Bereich Schönhorster Str./Zu den Müggelheimer Wiesen erreicht und deshalb diese Uhrzeit als Arbeitszeitbeginn dokumentiert. Bis ca. 10:30 Uhr/11:00 Uhr sei dann die Begehung der Gebiete hinter Straße 41, Schönhorster Str. erfolgt. Anschließend sei der Kläger zur kleinen Pelzlaake zur Besichtigung der Moorrenaturierung gefahren und von dort zu Fuß zum Seeadlerhorst. Gegen 12:15 Uhr habe er sich mit dem PKW zum Dienstsitz begeben und sei dort gegen 13 Uhr eingetroffen. Bei der Nachfrage des Amtsleiters habe er erklärt, dass er in den Müggelwiesen beim Bauer M. gewesen sei. Damit habe er aber lediglich das Gelände, nicht aber ein Treffen gemeint. Es mache auch durchaus Sinn, Ortstermine ohne die Eigentümer oder Nutzer durchzuführen, um überflüssige Diskussionen zu vermeiden. Das praktiziere Dr. K. auch. Am Müggelturm sei er am 22. Januar 2015 nicht gewesen.

Am 3. Februar 2015 habe der Kläger einen Außentermin im Teufelsmoor wahrgenommen. Grund der Fahrt sei der Einsatz neuer Technik im Teufelsmoor und der Ausfall der geplanten Bauberatung in der Woche vom 2. Februar 2015 - 6. Februar 2015 gewesen. Eine Baubesprechung sei für den 3. Februar 2015 nicht vorgesehen gewesen. Die ursprüngliche Behauptung des Klägers habe auf einem Irrtum des Klägers beruht, da es in jener Zeit nahezu wöchentlich Baubesprechungen gegeben habe. Der Kläger habe auch nicht behauptet, Herr P. dort getroffen zu haben. Er habe aber die Eheleute Al. gegen 15:00 Uhr getroffen, welche eine Videodokumentation über die Regeneration des Teufelsmoors erstellen würden. Anschließend habe der Kläger die Baustelle am Müggelturm und die Flüchtlingsunterkunft Alfred-Randt-Str. 19 besichtigt. Das sei dienstlich veranlasst gewesen, weil es ständig Beschwerden von Bürgern unter anderem wegen der dort lebenden Zauneidechsen und Fledermäuse gegeben habe. Auch der Müggelturm sei unter Naturschutzaspekten ein Brennpunkt. Der Kläger sei regelmäßig zu Stellungnahmen und Ortsterminen konsultiert worden. Die Arbeiten am Teufelsmoor hätten ein Testlauf für Arbeiten in anderen Schutzgebieten sein sollen.

Er sei insgesamt 2 ½ Stunden unterwegs gewesen. Im Ausgangsbuch habe er 13:30 Uhr und nicht 13:00 Uhr eingetragen. Wegen forstlicher Maßnahmen habe er an der Gaststätte R. parken müssen und etwa 500 m Fußweg zurücklegen müssen. Arbeitgeberseitige Weisungen zur Dokumentation der Aktivitäten habe es nicht gegeben. Rückrufe in der Dienststelle habe es nur bei Problemen mit Folgeterminen gegeben. Der Kläger hätte sich den früheren Arbeitsbeginn nicht genehmigen lassen müssen.

Das Protokoll vom 16. Februar 2015 habe er nicht berichtigt, da er es lediglich „zur Kenntnis genommen“ habe. Einen Arbeitszeitbetrug habe der Kläger nicht eingeräumt. Auf Nachfrage habe er aber die Klarstellung am 27. Februar 2015 vorgenommen.

Der Kläger bestreitet eine unkorrekte Erfassung des Arbeitsbeginns im Januar 2015. Wenn er 7:00 Uhr oder 7:15 Uhr erfasst habe, habe er auch so seine Arbeitszeit begonnen. Er verlasse regelmäßig gegen 6:30 Uhr die Wohnung und begebe sich mit Öffentlichen Verkehrsmitteln in die R. Str. 13. Deshalb treffe er seit Jahren zwischen 7:00 Uhr und 7:30 Uhr ein. Teilweise begebe er sich aber auch sogleich ins Archiv im Keller, bevor er seinen Schreibtisch erreiche, um notwendige Akten mitzunehmen. Das Nivellieren der Arbeitszeit habe sich auf lange Abendtermine bezogen. Die dabei anfallenden Überstunden seien an andere Tage angehängt worden. Das habe nach Kenntnis des Klägers auch seine Kollegin Frau Pr. so gemacht und habe einer internen Absprache entsprochen.

Den Vorwurf der mangelhaften Arbeitsleistung weise er zurück. Die allgemeinen Vorwürfe in der Abmahnung vom 5. Juni 2014 bestreite er. Auch der Vorwurf der Schlechtarbeit (mangelnde Aufzeichnungen, Dokumentationen, Vermerke, Fotos etc.) sei unbegründet und zurückzuweisen. Sofern eine solche doch einmal aufgetreten sein sollte, sei dieses dem Kläger nicht schuldhaft zuzurechnen. Sein Aufgabengebiet sei derart umfangreich, dass einfach nicht alles zu schaffen sei.

Die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten. Am 21. Januar 2015 sei der Kläger erstmals von seinem Vorgesetzten angesprochen worden. Danach sei erst am 16. Februar 2015 das nächste Gespräch durchgeführt worden. Alle kündigungsrelevanten Tatsachen seien an diesem Tag bekannt gewesen. Das nächste Gespräch am 27. Februar 2015 habe keine weiteren Erkenntnisse erbracht. Am 16. Februar 2015 sei der Kläger erstmals auf den 3. Februar 2015 angesprochen worden, obwohl dem Amtsleiter bereits seit dem 4. Februar 2015 bekannt gewesen sei, dass der Kläger um 16:30 Uhr zu Hause gewesen sei. Die Kenntnis des Dr. K. sei dem beklagten Land zuzurechnen. Es handele sich um ein Organisationsverschulden, dass die Serviceeinheit Personal und Finanzen nicht vorher beteiligt worden sei. Jedenfalls nach dem 27. Februar 2015 sei ein weiteres Zuwarten nicht mehr erforderlich gewesen, da die Protokolle im Amt frei zugänglich gewesen seien. In diesen seien die Kontaktdaten der Teilnehmer leicht zu finden gewesen. Und am 27. Februar 2015 habe bereits der Gruppenleiter Personal des Umwelt- und Naturschutzamtes Me. teilgenommen.

Das beklagte Land erwidert, dass Bauer M. Weideland in den Gosener Wiesen besitze und der Kläger für das Naturschutzgebiet in den Gosener Wiesen zuständig sei. Dem beklagten Land sei bekannt, dass Spreewiesen und Gosener Wiesen nicht identisch seien.

Das beklagte Land meint, dass die verschiedenen Versionen des Klägers nicht allesamt richtig sein könnten. Es sei unplausibel, dass der Kläger weder bei der Ansprache durch seinen Vorgesetzten am 22. Januar 2015 noch bei den Anhörungen am 16. Februar 2015 oder 27. Februar 2015 die jetzt behauptete Darstellung der Ereignisse vorgebracht habe. Er habe die Protokolle jeweils ohne Berichtigungsvorschläge zur Kenntnis genommen. Er habe am 22. Januar 2015 klar ein Treffen mit Bauer M. erwähnt. Aus dem Wortlaut habe geschlossen werden müssen, dass der Kläger und Bauer M. zur selben Zeit am selben Ort gewesen seien. Es mache auch keinen Sinn, einen Ortstermin ohne den Bewirtschafter durchzuführen. Hätte der Kläger tatsächlich am 22. Januar 2015 einen früheren Vor-Ort-Termin durchgeführt als geplant, hätte er dieses telefonisch in der Dienststelle anzeigen sollen. Auch das Unwohlsein seiner Tochter habe der Kläger in den Anhörungen nicht erwähnt. Dienstliche Notwendigkeiten für einen Vor-Ort-Termin habe es weder an der Flüchtlingsunterkunft noch am Müggelturm oder wegen des Einsatzes „neuer Technik am Teufelsmoor“ gegeben.

Fehlende Hinweise im Abwesenheitsbuch, eine fehlende Rücksprache mit dem Vorgesetzten und der wechselnde sowie widersprüchliche Vortrag würden nur den Schluss zulassen, dass der Kläger am 22. Januar 2015 vor 13:00 Uhr nicht für das beklagte Land tätig geworden sei. Gleiches gelte für den 3. Februar 2015 mit der angeblichen Bauberatung sowie den fehlenden dienstlichen Notwendigkeiten, den Müggelturm und die Alfred-Randt-Str. 19 zu besuchen.

Das beklagte Land habe die Aufklärung auch nicht verschleppt. Vielmehr habe der Kläger noch am 27. Februar 2015 behauptet, zum Teil nicht an Besprechungen teilgenommen zu haben und dennoch im Protokoll aufgeführt worden zu sein. Dieses habe Herr Dr. K. aufklären wollen. Da die Mitarbeiterin Frau Pr., die über die Kontaktdaten des Protokollerstellers Herrn Sch. von der Fa. d. verfügt habe, bis einschließlich 8. März 2015 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei, habe Herr Dr. K. danach mehrfach vergeblich versucht, Herrn Sch. zu erreichen. Der Kontakt sei erst wenige Tage vor dem 19. März 2016 erfolgt. Herr Sch. habe jedoch Auskünfte verweigert. Für den Lauf der 2-Wochen-Frist komme es nicht auf die Kenntnis von Herrn Dr. K. an, sondern auf die der Leiterin der Serviceeinheit Personal und Finanzen bzw. des Bezirksbürgermeisters.

Mit Urteil vom 25. Februar 2016 hat das Arbeitsgericht Berlin die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Dem beklagten Land sei die Weiterbeschäftigung bis zur (fiktiven) Kündigungsfrist auch bei Unterstellung des - streitigen - Beklagtenvortrages als richtig zumutbar. Zumindest im Rahmen der Interessenabwägung sei ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nicht anzunehmen. Den schwer zu kontrollierenden Arbeitszeiten des Klägers und seiner chaotischen Arbeitsweise in der Verwaltung stünden die 25jährige Dienstzeit und das Lebensalter von 55 Jahren sowie die Unterhaltsverpflichtung gegenüber Ehefrau und drei Kindern gegenüber. Es falle die wirtschaftliche Existenzgrundlage der Familie weg.

Gegen dieses am 21. März 2016 zugestellte Urteil legte das beklagte Land am 23. März 2016 Berufung ein und begründete diese nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist mit am 21. Juni 2016 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage.

Das Arbeitsgericht habe fehlerhafte die fiktive Kündigungsfrist mit der fiktiven weiteren Laufzeit des Arbeitsverhältnisses verwechselt. Denn es handele sich hier um einen Dauertatbestand mit Wiederholungsgefahr. Da komme es nicht nur auf die Dauer der Kündigungsfrist an. Auch habe das Arbeitsgericht die Schwere der Verfehlung ebenso nicht ausreichend gewürdigt wie die Vertuschungs- und Verschleierungsversuche des Klägers in den Anhörungen. Die Unterhaltspflichten des Klägers hätten bei einer verhaltensbedingten Kündigung nicht zu Gunsten des Klägers berücksichtigt werden dürfen. Auch seien diese Unterhaltspflichten streitig. Das höhere Lebensalter des Klägers sei formelhaft zu seinen Gunsten verwendet worden, ohne auf seine Qualifikation und die damit verbunden Chancen auf dem Arbeitsmarkt abzustellen. Auch generalpräventive Aspekte im Bereich der Arbeiten mit hoher Eigenverantwortung könne das beklagte Land für sich reklamieren.

Das Arbeitsgericht habe auch die mangelnde Führung des Arbeitsbuches und der Tätigkeitsnachweise nicht berücksichtigt.

Insgesamt habe der Kläger an 13 Tagen im Januar 2015 einen Arbeitsbeginn zwischen 7:05 Uhr und 7:15 Uhr angegeben, den die Beklagte aufgrund der Wahrnehmungen der Zeugin A. bestreite. Im Februar 2015 seien es entsprechend 6 Arbeitstage mit einem bestrittenen Arbeitsbeginn zwischen 7:10 Und 7:15 Uhr gewesen. Die Umrechnung von Arbeitszeit sei nicht Praxis bei der Beklagten gewesen. Das beklagte Land bestreite die familiäre Situation und wirtschaftliche Lage des Klägers mit Nichtwissen. Herr Me. sei im Umwelt- und Naturschutzamt für das Personalwesen zuständig, sei aber nicht Teil der Serviceeinheit Personal und Finanzen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25. Februar 2016 - 58 Ca 5438/15 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger erwidert unter Verteidigung der erstinstanzlichen Entscheidung, dass er die behaupteten Pflichtverletzungen nicht begangen habe. Bezüglich der Arbeitsleistung am 3. Februar 2015 nachmittags habe er das Ehepaar Al., bezüglich der betriebsüblichen Nivellierung der Arbeitszeit Frau Pr. und bezüglich des tatsächlichen Erscheinens zu den dokumentierten Zeiten am Morgen in der Dienststelle Frau Z. benannt. Im Übrigen seien die Vorwürfe gegen den Kläger nicht konkret vorgetragen worden. Das Arbeitsbuch sei dem Kläger zwar im Jahre 2014 auferlegt worden, jedoch ohne Vorgaben bezüglich Form, Intervallen und Zeitdauer. Eine Kontrolle habe bis zum 16. Februar 2015 nicht stattgefunden, obwohl der Kläger mit einer selbst erstellten Stichwortliste die jeweiligen Aktivitäten jederzeit hätte belegen können. Welche konkrete Vorgabe der Kläger nicht erfüllt habe, sei offen geblieben. Seine umfangreichen Bemühungen um eine neue Beschäftigung seien erfolglos geblieben. Nach wie vor sei die Kündigung verfristet, da dem beklagten Land in Person des Amtsleiters und des Gruppenleiters Personalservice am 27. Februar 2015 vollständig der Kündigungssachverhalt bekannt gewesen sei.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des beklagten Landes ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt und begründet worden.

Die zulässige Berufung des beklagten Landes ist aber nicht begründet.

1.

Im Kündigungsschutzprozess obliegt dem kündigenden Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes. Den Arbeitgeber trifft die Darlegungs- und Beweislast auch für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen. Zwar kann den Arbeitnehmer im Falle einer außerordentlichen Kündigung schon auf der Tatbestandsebene des wichtigen Grundes eine sekundäre Darlegungslast treffen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber als primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs steht, während der Arbeitnehmer aufgrund seiner Sachnähe die wesentlichen Tatsachen kennt. In einer solchen Situation kann der Arbeitnehmer gehalten sein, dem Arbeitgeber durch nähere Angaben weiteren Sachvortrag zu ermöglichen. Kommt er in einer solchen Prozesslage seiner sekundären Darlegungslast nicht nach, gilt das tatsächliche Vorbringen des Arbeitgebers - soweit es nicht völlig „aus der Luft gegriffen“ ist - iSv. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Dabei dürfen an die sekundäre Behauptungslast des Arbeitnehmers aber keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Sie dient lediglich dazu, es dem kündigenden Arbeitgeber als primär darlegungs- und beweispflichtiger Partei zu ermöglichen, weitere Nachforschungen anzustellen und sodann substantiiert zum Kündigungsgrund vorzutragen und ggf. Beweis anzutreten (BAG, Urteil vom 17. März 2016 - 2 AZR 110/15).

Da das beklagte Land eine „Tatkündigung“ und nicht eine Verdachtskündigung ausgesprochen hat, muss sich aus dessen Vortrag ergeben, dass der Kläger eine oder mehrere Pflichtverletzungen begangen hat, die einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen.

Aus dem Vortrag des beklagten Landes ergibt sich aber bereits nicht, dass der Kläger die von ihm behauptete Arbeitszeit am Vormittag des 22. Januar 2015 und am Nachmittag des 3. Februar 2015 nicht erbracht hat.

1.1

Zwar geht das beklagte Land davon aus, dass der Kläger am 22. Januar 2015 erst gegen 13:00 Uhr den Dienst angetreten habe und nicht wie im Zeiterfassungsbogen angegeben um 8:30 Uhr. Der Kläger hat jedoch erläutert, was er am 22. Januar 2015 vormittags gemacht hat. Im Abwesenheitsbuch war eine geplante auswärtige Tätigkeit von 10:00 Uhr bis 13:00 Uhr eingetragen. Der Kläger hat zwar seinen Vortrag in den verschiedenen Gesprächen teilweise etwas verändert, aber er hat doch von Anfang an erklärt, an diesem Tag im Außendienst tätig gewesen zu sein. Er hatte sich gemäß der Weisungslage am Vortag im Ausgangsbuch eingetragen, wenn auch von 10:00 Uhr bis 13:00 Uhr, jedoch nicht wie von der Beklagten in den Vermerken vom 16. Februar 2015 und 27. Februar 2015 angegeben ab 11:00 Uhr. Er hat erläutert, dass er aufgrund eines Unwohlseins seiner Tochter außerplanmäßig bereits um 7:50 Uhr sein Wohnhaus verlassen habe und um 8:30 Uhr an den Spreewiesen eingetroffen sei. Weiter hat er erläutert, am Gelände des Bauer M. gewesen zu sein und nicht bei der Person des Bauer M.. Dass eine solche Äußerung „bei Bauer M.“ missverständlich aufgefasst werden kann, erscheint nicht unglaubhaft.

Zwar hat das beklagte Land den Vortrag des Klägers weitgehend bestritten, doch übersieht das beklagte Land, dass es den Kündigungsgrund beweisen muss. Der Kläger hat seiner sekundären Behauptungslast entsprochen. Zwar hat der Kläger keine Dokumentation des Außendienstes am 22. Januar 2015 vorgenommen, dass er dazu vom beklagten Land angewiesen worden wäre, ist dem Beklagtenvortrag allerdings nicht zu entnehmen. Insofern ist angesichts des streitigen Vortrags das beklagte Land beweisfällig geblieben. Der Beweis war auch nicht entbehrlich, denn der klägerische Vortrag war für die Kammer plausibel.

1.2

Ähnlich verhält es sich mit der vorgeworfenen Pflichtverletzung der fehlerhaften Angabe der Arbeitszeit am 3. Februar 2015. Weshalb sich aus dem Umstand, dass der Kläger um 16:30 Uhr zu Hause in W. erreichbar war ergeben soll, dass er nicht bis 16:00 Uhr in K. gearbeitet hat, ist nicht nachvollziehbar. Zwar hat der Kläger fehlerhaft angegeben, an diesem Tag zu einer Bauberatung gewesen zu sein, doch hat er diesen Vortrag am 27. Februar 2015 klargestellt. Dass die Tätigkeitsschilderung des Klägers für den 3. Februar 2015 am 27. Februar 2015 falsch gewesen wäre, ergibt sich aus dem Beklagtenvortrag nicht. Denn der Kläger hatte bereits zuvor im Ausgangsbuch notiert, dass er sich an diesem Tag ab 13:30 Uhr zum Teufelsmoor begeben wolle. Zwar hat er dort nicht angegeben, dass er sich auch noch zum Müggelturm und zur Liegenschaft in der Alfred-Randt-Str. begeben wolle, doch sind die Angaben in dem Ausgangsbuch des beklagten Landes soweit es in diesem Verfahren vorgelegt wurde, weitgehend nichtssagend. Der Kläger hat seiner sekundären Behauptungslast entsprochen. Zwar ist der dienstliche Bedarf der vom Kläger behaupteten Besuche am Müggelturm und an der Liegenschaft in der Alfred-Randt-Str. allenfalls allgemein und nicht konkret nachvollziehbar und der Kläger hat auch keine Dokumentation des Außendienstes am 3. Februar 2015 vorgenommen. Dass er vom beklagten Land zu einer Dokumentation angewiesen worden wäre, ist dem Beklagtenvortrag allerdings nicht zu entnehmen. Insofern ist angesichts des streitigen Vortrags das beklagte Land beweisfällig geblieben. Der Beweis war auch nicht entbehrlich, denn der klägerische Vortrag war für die Kammer nicht unplausibel. Wenn er sich aus dienstlichem Interesse wie vom Kläger beschrieben zu den verschiedenen Orten begeben hat, hat das beklagte Land keine entgegenstehende Weisungslage dargelegt.

1.3

Soweit das beklagte Land die Kündigung damit begründet, dass der Kläger an weiteren Tagen im Monat Januar 2015 den Beginn seiner Arbeitszeit nicht korrekt erfasst habe, da der erfasste Arbeitszeitbeginn um 7:00 Uhr bzw. 7:15 Uhr nach Beobachtungen durch die regelmäßig ab 6:30 Uhr im Dienst befindliche stellvertretende Amtsleiterin nicht bestätigt werden könne, hat der Kläger sich einerseits dahin eingelassen, dass die stellvertretende Amtsleiterin dieses von ihrem Arbeitsplatz aus gar nicht habe beobachten können. Andererseits hat er erklärt, dass er die Arbeitszeit nivelliert habe, also bei längerem Arbeiten außerhalb der Rahmenzeit nach § 2 Nr. 3 DV - Flex diese Zeit an anderen Tagen innerhalb der Rahmenzeit notiert habe. Während das beklagte Land sich zu dem ersten Aspekt, wie die stellvertretende Amtsleiterin die Feststellungen getroffen haben will, überhaupt nicht geäußert hat, hat das beklagte Land gemeint, dass der Kläger zunächst die Tage mit längeren Arbeiten hätte mitteilen müssen, damit das beklagte Land den Sachverhalt weiter aufklären müsse. Dieses sah die Kammer anders. Denn nach § 3 Nr. 1 DV - Flex obliegt die Globalplanung der Arbeitszeit dem Amtsleiter und nach der dortigen Nr. 2 erfolgt die monatlichen Detailplanung auf Ebene der Arbeitsgruppe. Letztere muss für die gesamte Gruppe jederzeit transparent sein. Dass dieses in der Praxis nicht beachtet würde, hat der dazu in der Berufungsverhandlung informatorisch befragten Amtsleiter Dr. K. nicht erklärt. Insofern lagen die erforderlichen Informationen zu den Arbeitszeiten, so auch zu den Abendeinsätzen des Klägers vor. Das beklagte Land hätte ausführen können, dass es solche nicht oder nicht in einem entsprechenden Umfang gegeben hätte. Einer weiteren sekundären Darlegungslast des Klägers bedurfte es angesichts des diesbezüglich knappen Vortrags des beklagten Landes und in Anbetracht der dort vorliegenden Informationen nicht.

2.

Selbst wenn man annehmen würde, dass die gegenüber dem Kläger erhobenen Vorwürfe des „Arbeitszeitbetrugs“ zutreffend sein sollten, wäre die Kündigung nicht gerechtfertigt, da die Beklagte mildere Mittel ergreifen könnte.

2.1

Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber alle milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Einer Abmahnung bedarf es auch in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (vgl. BAG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 2 AZR 865/13).

Dabei gilt ein objektiver Maßstab. Nach § 626 Abs. 1 BGB bestimmt sich der wichtige Grund anhand des Vorliegens von Tatsachen. Maßgeblich ist nicht, ob ein bestimmter Arbeitgeber meint, ihm sei die Einhaltung der Kündigungsfrist nicht zuzumuten, und ob er weiterhin hinreichendes Vertrauen in einen Arbeitnehmer hat. Es kommt darauf an, ob die Weiterbeschäftigung dem Kündigenden aus der Sicht eines objektiven und verständigen Betrachters unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 13. Mai 2015 – 2 AZR 531/14).

2.2

Dem beklagten Land obliegt nach § 3 Nr. 1 DV-Flex die Globalplanung der Arbeitszeit durch den Amtsleiter und nach der dortigen Nr. 2 der monatlichen Detailplanung auf Ebene der Arbeitsgruppe. Letztere muss nach den Festlegungen in der DV-Flex für die gesamte Gruppe jederzeit transparent sein. Insofern ist schon nicht ersichtlich, dass der Kläger, wie das beklagte Land andeutet, tun und lassen kann, was er will. Der Inhalt der Arbeitsleistung unterfällt dem Direktionsrecht des beklagten Landes (§ 106 GewO). Gerade bei einem hohen Grad an Selbstorganisation ist der Arbeitgeber auch berechtigt, eine Dokumentation des Arbeitsinhalts zu verlangen. Weshalb das nicht in einer konkret vorgegebenen Struktur eines Arbeitsbuches möglich sein soll, ist der Kammer nicht ersichtlich. Dem Kläger könnte aufgegeben werden, seine geplanten Arbeitsaufgaben und seine erledigten Arbeitsaufgaben jeweils nach Datum, Uhrzeit, örtlichem und inhaltlichem Ziel sowie beteiligten Personen sowie etwaige besondere Vorkommnisse zu notieren. Zwar hat der Kläger bereits eine Arbeitsbuchauflage vom beklagten Land erhalten, wie konkret diese gestaltet war, hat das beklagte Land jedoch nicht vorgetragen. Dem unwidersprochenen Hinweis des Klägers, dass ihm nicht bekannt sei, wie der Amtsleiter dieses kontrolliert habe, ist jedenfalls zu entnehmen, dass offenbar ein Gespräch mit dem Kläger dazu, also eine systematische Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktion im Umwelt- und Naturschutzamt, entwicklungsfähig ist. Insofern kann die Kammer auch noch keine gescheiterte Arbeitsbuchauflage erkennen.

Wenn der Kläger das Arbeitsbuch beispielsweise wöchentlich persönlich dem Leiter des Umwelt- und Naturschutzamtes vorgelegt und von diesem nebst Datum und Uhrzeit durch Unterschrift jeweils bestätigt würde, könnten unklare Situationen sehr zeitnah und eindeutig geklärt werden.

Soweit der Kläger die Arbeitszeit nivelliert hat, dürfte das zwar bei einer ordnungsgemäßen Arbeitszeitplanung im Sinne der DV-Flex eigentlich gar nicht anfallen. Jedenfalls ging die Kammer aber davon aus, dass dieser Pflichtenverstoß abgemahnt werden könnte. Es könnte klar daran erinnert werden, was § 5 DV-Flex beinhaltet, nämlich Eintragen des Beginns der Arbeitszeit und Eintragen des Endes der Arbeitszeit ohne jede Abweichung. Das eine diesbezügliche Abmahnung von vornherein aussichtslos wäre konnte dem Vortrag der Parteien nicht entnommen werden. Auch die Fortführung des bisherigen Arbeitsbuches könnte mittels Abmahnung erreicht werden, auch wenn das angesichts der Unbestimmtheit des Arbeitsbuchinhaltes weniger hilfreich wäre. Dennoch ist nicht ersichtlich, dass der Kläger sich an eine diesbezüglich klare Weisung nicht halten würde.

3.

Selbst wenn die Kammer davon ausginge, dass der Kläger Pflichtverstöße begangen hätte, die einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen würden und auch mildere Mittel als eine außerordentliche Kündigung dem beklagten Land unzumutbar wären, könnte die Kündigung nicht als wirksam angesehen werden. Denn die Kündigung wurde außerhalb der 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochen.

3.1

Neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und Körperschaften gehören zu den Kündigungsberechtigten auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Dagegen ist die Kenntnis anderer Personen für den Lauf der Ausschlussfrist grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt auch dann, wenn ihnen Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind. Ausnahmsweise muss sich der Arbeitgeber aber auch deren Kenntnis nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Dazu müssen diese Personen eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder in der Verwaltung innehaben sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, den Sachverhalt so umfassend zu klären, dass mit ihrem Bericht an den Kündigungsberechtigten dieser ohne weitere Nachforschungen seine (Kündigungs-)Entscheidung abgewogen treffen kann. Voraussetzung dafür, dem Arbeitgeber solche Kenntnisse zuzurechnen, ist ferner, dass die Verspätung, mit der er in eigener Person Kenntnis erlangt hat, auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs oder der Verwaltung beruht (BAG, Urteil vom 16. Juli 2015 – 2 AZR 85/15). Beide Voraussetzungen - ähnlich selbständige Stellung und schuldhafter Organisationsmangel - müssen kumulativ vorliegen (BAG, Urteil vom 23. Oktober 2008 – 2 AZR 388/07).

3.2

Unklar ist bereits, weshalb nach dem Anfangsverdacht am 22. Januar 2015, spätestens aber nach einem verstärkten Verdacht am 4. Februar 2015 erst am 16. Februar 2015 ein Personalgespräch mit dem Kläger geführt wurde. Jedenfalls hielt die Amtsleitung aber für den Freitag, den 27. Februar 2015 die Hinzuziehung eines Personalverantwortlichen und eines Personalratsmitglieds für erforderlich. Damit hat der Amtsleiter deutlich gemacht, dass ihm bewusst ist, dass das Gespräch der Vorbereitung einer Kündigung dient. Dem Vermerk vom 27. Februar 2015 kann entnommen werden, dass im Fachbereich „erst vor 2 Jahren eine Mitarbeiterin wegen Arbeitszeitbetrug entlassen wurde“, so dass dem Amtsleiter auch die inhaltliche Dimension der Vorwürfe gegenüber dem Kläger bewusst gewesen sein muss. Aber auch unabhängig davon hat der Amtsleiter mit seinem Verhalten deutlich gemacht, dass ihm die Bedeutung des Inhalts und das Ziel der Kündigungsvorwürfe klar bewusst sind. Diese mündeten in einem deutlichen „Antrag auf fristlose Kündigung“ wegen Arbeitszeitbetruges wegen zwei konkreter Vorfälle und erschwerender Umstände. Auch wenn das beklagte Land behauptet hat, dass es aufgrund des Inhalts des Gespräches am 27. Februar 2015 einen weiteren Aufklärungsbedarf gegeben habe, hätte dieser unverzüglich (am Montag, dem 2. März 2015 oder unmittelbar danach) erledigt werden müssen. Dieses wäre auch ohne weiteres möglich gewesen, da sich die Protokolle der Bauberatungen im Amt befanden. Der Amtsleiter muss bereits anhand des Protokolls vom 28. Januar 2015 festgestellt haben, dass der Kläger in diesem Protokoll aufgeführt war. Denn das wurde dem Kläger ausweislich des Vermerkes vom 27. Februar 2015 an diesem Tage vorgehalten. Insofern lagen die Kontaktdaten des Protokollerstellers Sch. von der Fa. d. mit hoher Wahrscheinlichkeit vor. Selbst wenn das nicht der Fall gewesen sein sollte, wäre es eine wenige Sekunden dauernde Suche im Internet gewesen, um die Daten von Herrn Sch. zu erhalten. Deshalb hätte eine zügige Ermittlung am 2. März 2015 oder kurz danach abgeschlossen sein müssen. Dass das aus irgendwelchen Gründen nicht möglich gewesen wäre, ist dem Beklagtenvortrag nicht zu entnehmen. Das Abwarten der Rückkehr einer erkrankten Mitarbeiterin sowie des weiteren Zuwartens um nochmals 10 Kalendertage ist durch keinerlei Tatsachen gerechtfertigt. Mit dem Zugang der Kündigung vom 26. März 2015 am 27. März 2015 war die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB deutlich überschritten.

3.3

Auch wenn der Amtsleiter, wie das beklagte Land behauptet, zur rechtlichen Beurteilung der Vorfälle nicht in der Lage gewesen sein sollte, hat er doch den Sachverhalt aus seiner Sicht und auch aus Sicht der Serviceeinheit Personal vollständig ermittelt. Die Beteiligung des Personalrates und der Ausspruch der Kündigung erfolgten durch die Serviceeinheit Personal unverzüglich. Das Kündigungsbegehren ging am Donnerstag, dem 19. März 2015 bei der Serviceeinheit Personal ein. Am Dienstag, dem 24. März 2015 wurde der Personalrat zu der beabsichtigten Kündigung beteiligt. Über die Ermittlungen des Dr. K. hinaus hat es keine weiteren der Serviceeinheit Personal gegeben.

Herr Dr. K. hat die Ermittlungen initiiert und unmittelbar selbst durchgeführt. Er hat deren Inhalt und die Gesprächsteilnehmer in eskalierender Art und Weise selbständig bestimmt. Er hat den Kläger am 22. Januar 2015 persönlich angesprochen, im Personalgespräch am 16. Februar 2015 seine Stellvertreterin hinzugezogen und am 27. Februar 2015 den Teilnehmerkreis um einen Personalreferenten des Natur- und Umweltamtes und ein Personalratsmitglied erweitert. Damit hat er klar und eindeutig die erforderliche selbständige Stellung innegehabt und wahrgenommen.

3.4

Der schuldhafte Organisationsmangel besteht darin, dass das beklagte Land einerseits die Ermittlungstätigkeit zur Feststellung von kündigungsrelevanten Sachverhalten vollständig vom Amtsleiter durchführen lässt, dazu aber keinerlei Hinweise erteilt, wie eine zügige Sachverhaltsermittlung zu führen ist. Selbst wenn ein Amtsleiter sich außerstande sehen sollte, derartige Ermittlungen bis zum Ende zu führen, bedürfte es einer organisatorischen Festlegung, dass in Fällen wichtiger Gründe im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB die Angelegenheit bei Verzögerungen umgehend an die Serviceeinheit Personal abzugeben wäre. Dass es für solche Fälle keine konkreten Festlegungen gibt, ist der schuldhafte Organisationsmangel.

III.

Die Kostenentscheidung folgt § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO. Das beklagte Land hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben.