Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 8. Kammer | Entscheidungsdatum | 14.12.2012 | |
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Aktenzeichen | 8 Sa 979/12, 8 Sa 1272/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 164 SGB 5 |
Keine Auflösung des Arbeitsverhältnisses einer ordentlich unkündbaren Arbeitnehmerin bei der C. BKK bei unangemessenem Übernahmeangebot
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10. Mai 2012 - 58 Ca 8085/11 - wird zurückgewiesen, die Berufung der Klägerin wird verworfen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits haben bei einem Streitwert von 56.148,30 EUR die Klägerin zu 6/13 und die Beklagte zu 7/13 zu tragen.
III. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen, für die Klägerin wird sie nicht zugelassen.
Die Parteien streiten u. a. über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes zum 30. Juni 2011 und über die Rechtswirksamkeit einer vorsorglich ausgesprochenen arbeitgeberseitigen Kündigung vom 19. Mai 2011.
Die am …. 1951 geborene Klägerin war ursprünglich bei dem Land Berlin im Bereich der Betriebskrankenkasse (BKK) beschäftigt. Zum 1. Januar 1999 ging das Arbeitsverhältnis auf die BKK B. als Körperschaft des öffentlichen Rechts über, die zum 1. Januar 2004 mit der BKK H. zur C. BKK fusionierte. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Betriebskrankenkassen vom 15. /24. März 2010 Anwendung, nach dessen § 20 die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Beschäftigten ausgeschlossen ist, wenn dieser das 50. Lebensjahr vollendet hat und über eine Betriebszugehörigkeit von mindestens zehn Jahren verfügt.
Die Klägerin war als Sachbearbeiterin in der Buchhaltung eingesetzt und bezog zuletzt ein monatliches Grundgehalt von 3.629,46 EUR brutto.
Mit dem Bescheid vom 4. Mai 2011 ordnete das Bundesversicherungsamt (BVA) nach Anzeige der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Beklagten durch deren Vorstand die Schließung der Beklagten mit Ablauf des 30. Juni 2011 und die sofortige Vollziehung der Verfügung an. Mit dem Schreiben vom 9. Mai 2011 (Anlage K 3, Bl. 18 bis 19 d. A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2011 enden werde.
Mit dem Schreiben vom 19. Mai 2011 (Anlage K 4, Bl. 20 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis vorsorglich außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30. Juni 2011, höchst vorsorglich mit sozialer Auslauffrist zum nächstmöglichen Termin, nach ihrer Berechnung zum 31. Dezember 2011.
Ein Landesverband der Betriebskrankenkassen hatte der Klägerin mit dem Schreiben vom 13. Mai 2011 ein – von ihr nicht angenommenes – Angebot unterbreitet, sie bei der R + V BKK am Standort Wiesbaden als Sachbearbeiterin im Geschäftsbereich „Beiträge/Mitgliedschaft“ zu einer Vergütung von 2.200,00 EUR bis 2.800,00 EUR zu beschäftigen.
Die Beklagte, die seit der Schließung als „C. BKK Körperschaft des öffentlichen Rechts in Abwicklung“ firmiert, beschäftigt für Abwicklungsarbeiten einen Teil der früheren Belegschaft auf der Grundlage befristeter Arbeitsverträge. Die Klägerin war ebenfalls auf der Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrags vom 22. Juni 2011 (Anlage K 5, Bl. 197 ff. d. A.) nebst Nebenabrede vom 4. März 2012 (Anlage K9, Bl. 279 d.A.) bis zum 31. Juli 2012 bei der Beklagten als Sachbearbeiterin beschäftigt.
Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis erneut vorsorglich zum 31. Dezember 2012 gekündigt. Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage ist Gegenstand eines anderen Rechtsstreits.
Mit der am 29. Mai 2011 bei dem Arbeitsgericht Berlin eingegangenen und am 17. Februar 2012 und am 20. März 2012 erweiterten Klage hat sich die Klägerin gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes bzw. durch die Kündigung bzw. die Befristungsabreden gewandt und ihre vorläufige Weiterbeschäftigung beansprucht. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Schließung kraft Gesetzes, jedenfalls aufgrund der Kündigung für beendet gehalten.
Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils abgesehen.
Durch das Urteil vom 10. Mai 2012 hat das Arbeitsgericht Berlin wie folgt erkannt:
I. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß dem Arbeitsvertrag vom 06.05.1998 über den 30.06.2011 hinaus fortbesteht und durch die Kündigung der Beklagten vom 19.05.2011 weder zum 30.06.2011 noch zum 31.12.2011 aufgelöst worden ist.
II. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu den im Anstellungsvertrag vom 06.05.1998 festgelegten Arbeitsbedingungen als Angestellte in Berlin bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutz- und Entfristungsklage weiterzubeschäftigen, aber nicht über den 31.12.2012 hinaus.
Die Klage im Übrigen wird abgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Klägerin zu 3/10, die Beklagte zu 7/10.
IV. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 43.191,90 EUR festgesetzt,
und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei angesichts der Streitgegenstände gemäß § 50 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V parteifähig, die Klage nach § 17 TzBfG sei unzulässig, weil das Angebot der Beklagten auf Abschluss eines befristeten Vertrags zumindest unter dem konkludenten Vorbehalt gestanden habe, dass das Arbeitsverhältnis nicht ohnehin fortbestehe. Da das Arbeitsverhältnis weder aufgrund eines gesetzlichen Beendigungstatbestands noch aufgrund der Kündigung geendet habe, sei der befristete Arbeitsvertrag für das Arbeitsverhältnis nicht maßgeblich. Da somit keine verbindliche Befristungsvereinbarung zwischen den Parteien bestehe, sei die Entfristungsklage mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Auch die Klage nach § 21 TzBfG und der Antrag auf nachträgliche Zulassung seien unzulässig, weil der Arbeitsvertrag der Parteien nicht unter einer auflösenden Bedingung geschlossen sei. Das Arbeitsverhältnis der Parteien habe aber weder aufgrund der Schließung der Beklagten zum 30. Juni 2011 noch durch die Kündigung der Beklagten vom 29. Mai 2011 zum 30. Juni 2011 oder zu einem späteren Zeitpunkt geendet. Der ordentlich unkündbaren Klägerin sei keine zumutbare Stellung im Sinne des § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V angeboten worden, da dem Angebot nicht entnommen werden könne, ob die Übernahme zu denselben oder mindestens gleichwertigen Bedingungen unter Wahrung ihres Besitzstandes habe erfolgen sollen. Damit liege keine Unterbringung im Sinne des gesetzlichen Beendigungstatbestands des § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V vor. Für die Kündigung fehle es an einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 ZPO, da die Beklagte nicht dargelegt habe, dass der Beschäftigungsbedarf für die Klägerin zum 30. Juni 2011 bzw. zum 31. Dezember 2011 entfallen sei. Der Klägerin stehe ferner ein Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung – wegen der erneuten Kündigung allerdings nicht über den 31. Dezember 2012 hinaus – zu. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 307 bis 314 d. A.) verwiesen.
Gegen das der Beklagten am 23. Mai und der Klägerin am 4. Juni 2012 zugestellte Urteil richten sich die am 29. Mai 2012 und am 4. Juli 2012 bei dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangenen Berufungen der Parteien, die die Beklagte mit einem am 23. Juli 2012 eingegangenen, die Klägerin mit einem innerhalb der bis zum 4. September 2012 verlängerten Frist am 21. August 2012 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründen.
Die Beklagte und Berufungsklägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und rügt weiterhin die fehlerhafte Auslegung der §§ 155, 164 SGB V und meint, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits aufgrund des mit der Schließung der C. BKK verbundenen Arbeitgeberwegfalls, jedenfalls aber gemäß § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V zum 30. Juni 2011 geendet habe. Aufgrund des Wegfalls der C. BKK zum Schließungszeitpunkt sei auch die Kündigung rechtswirksam.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10.05.2012, Aktenzeichen 58 Ca 8085/11, teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin, Berufungsklägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen
und
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10.05.2012, Az.: 58 Ca 8085/11 – hinsichtlich der Abweisung der Entfristungsanträge sowie hinsichtlich der Abweisung des Feststellungsantrages (keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Schließung) sowie hinsichtlich des Antrages auf nachträgliche Zulassung – zu ändern,
2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung mit der C. BKK KdöRiA vom 22.06.2011 am 31.03.2012 geendet hat, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht,
3. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung mit der C. BKK KdöRiA vom 04.03.2012 am 31.07.2012 geendet hat, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht,
4. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch Schließung mit Ablauf des 30.06.2011 beendet worden ist,
5. den Antrag zu 4. nachträglich zuzulassen.
Die Klägerin verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil, soweit es der Klage stattgegeben hat.
Aus ihrer Sicht, so trägt die Klägerin zur Begründung ihrer Berufung vor, seien die Rechtsausführungen des Arbeitsgerichts, dass das Angebot der C. BKK KdöRiA auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags zumindest unter dem konkludenten Vorbehalt gestanden habe, dass das zwischen ihnen vor dem 30. Juni 2011 bestehende Arbeitsverhältnis nicht ohnehin fortbestehe, zutreffend. Lediglich vorsorglich für den Fall, dass das Gericht anderer Auffassung sei, würden die Anträge erneut gestellt. Auch soweit das Arbeitsgericht den Feststellungsantrag nach § 21 TzBfG als unzulässig angesehen habe, teile sie die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts und stelle den Antrag nur vorsorglich erneut.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründungen der Beklagten vom 23. Juli 2012 und der Klägerin vom 21. August 2012 (Bl. 355 bis 376, 512 bis 515 d. A.) und der Berufungsbeantwortungen der Klägerin vom 8. August 2012 und der Beklagten vom 4. Oktober 2012 (Bl. 476 bis 504, 535 bis 536 d. A.) nebst Anlagen verwiesen.
I.
1. Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
2. Die an sich statthafte und rechtzeitig eingelegte Berufung der Klägerin war als unzulässig zu verwerfen, denn die Klägerin hat ihre Berufung nicht in einer den Vorschriften gemäß §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO entsprechenden Weise begründet.
Die Berufungsbegründung muss nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BAG, Urt. vom 17.01.2007 – 7 AZR 20/06 – NZA 2007, 506), der sich das Berufungsgericht anschließt, auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher und tatsächlicher Art sowie aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll. Dafür ist zwar keine schlüssige und rechtlich zutreffende Begründung erforderlich, der Vortrag des Berufungsführers muss sich aber jedenfalls mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des Urteils befassen, wenn er dieses bekämpfen will.
Die Berufungsbegründung der Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen nicht, denn sie führt nicht auf, aus welchen Gründen das angefochtene Urteil, soweit es die Klage als unzulässig abgewiesen hat, fehlerhaft sein soll. Vielmehr führt die Klägerin aus, sie teile die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts in Bezug auf das fehlende Rechtsschutzinteresse für ihre Entfristungsklage, wolle den Antrag aber erneut für den Fall stellen, dass das Berufungsgericht anderer Auffassung sei. Damit fehlt es bereits an der Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil ergeben sollte. Dazu hätte es Ausführungen der Klägerin bedurft, aus denen sich hätte ergeben müssen, aus welchen Gründen sie ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Befristung nicht aufgelöst worden ist. Auch soweit sich die Klägerin mit ihren Berufungsanträgen zu 3. und 4. gegen die Abweisung ihrer Klageanträge zu 3. und 4. wendet, begründet sie ihre Berufung nicht in ausreichender Weise, denn sie hält auch insoweit die Rechtsausführungen des Arbeitsgerichts für zutreffend und verfolgt ihr Begehren lediglich vorsorglich für den Fall weiter, dass das Berufungsgericht anderer Auffassung sein sollte.
II.
Die Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder kraft Gesetzes noch durch die Kündigung vom 19. Mai 2011 geendet hat. Dabei hat das Arbeitsgericht die Feststellung zu Recht gegen die Beklagte gerichtet, die mit der C. BKK identisch ist, und weder eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Auflösung der Betriebskrankenkasse noch kraft Gesetzes angenommen sowie die streitgegenständliche Kündigung für rechtsunwirksam erachtet. Das Arbeitsgericht hat seiner Entscheidung den ihm von den Parteien unterbreiteten Sachverhalt vollständig und fehlerfrei zugrunde gelegt und ist unter Auslegung der gesetzlichen Vorschriften nach Maßgabe der anerkannten Auslegungsregeln zu dem rechtlichen Ergebnis gelangt, das auch das Berufungsgericht erzielt. Das Berufungsgericht schließt sich deshalb den Ausführungen des Arbeitsgerichts in dem angefochtenen Urteil an und sieht von einer Wiederholung ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
Die Angriffe der Berufung sind nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht geeignet, die Rechtslage anders zu beurteilen.
1. Zu Recht hat die Klägerin ihre Klage gegen die Beklagte gerichtet, denn diese ist als Abwicklungskörperschaft mit der C. BKK personenidentisch. Dies ergibt sich bereits aus der Regelung in § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V, wonach die geschlossene Betriebskrankenkasse als fortbestehend gilt, soweit es der Zweck der Abwicklung erfordert. Dass zu den unmittelbaren Aufgaben einer Abwicklungskörperschaft auch das Führen von Rechtsstreitigkeiten mit den Arbeitnehmern der geschlossenen Kasse gehört, bedarf keiner weiteren Begründung und wird von der Beklagten auch nicht mit nachvollziehbaren Argumenten angegriffen.
2. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin hat nicht gemäß §§ 155 Abs. 4 Satz 9, 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V mit dem Tag der Schließung der C. BKK am 30. Juni 2011 geendet.
Dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil bereits festgestellt und dabei zu Recht darauf verwiesen, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Beschäftigten, dessen Arbeitsverhältnis nicht durch ordentliche Kündigung beendet werden kann, nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V nur in Frage kommt, wenn ihm zuvor eine angemessene Unterbringung im Sinne des § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V angeboten worden ist. Dafür ist erforderlich, dass es sich um eine Stellung handelt, die dem Beschäftigten unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten und bisherigen Dienststellung zuzumuten ist.
Da die Klägerin nach Lebensalter und Beschäftigungszeit zu den Arbeitnehmern gehörte, deren Arbeitsverhältnis nicht durch ordentliche Kündigung beendet werden konnte, war ihr ein angemessenes Unterbringungsangebot zu unterbreiten. Das der Klägerin mit dem Schreiben vom 13. Mai 2011 unterbreitete Beschäftigungsangebot genügt diesen Anforderungen bereits deshalb nicht, weil eine Beschäftigung der Klägerin zu einem Bruttomonatseinkommen von 2.200,00 EUR bis 2.800,00 EUR bezogen auf ihr bisheriges Grundgehalt von 3.629,46 EUR eine Einkommenseinbuße von 829,46 EUR bis zu 1.429,46 EUR bedeutet hätte. Bei einer derart hohen Einkommenseinbuße von bis zu 39 % kann von einer Berücksichtigung der bisherigen Dienststellung der Klägerin nicht gesprochen werden, so dass das Unterbringungsangebot nicht angemessen ist. Damit sind bereits deshalb die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin gemäß § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V nicht erfüllt, so dass es entscheidungserheblich nicht darauf ankam, ob das Beschäftigungsangebot auch aus weiteren Gründen den Anforderungen gemäß § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V nicht genügte.
Soweit die Beklagte geltend macht, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V trete unabhängig vom Vorliegen bzw. von der Ausgestaltung des Beschäftigungsangebotes ein, so soll nur darauf hingewiesen werden, dass gegen dieses Verständnis neben dem Wortlaut der Norm, die auf eine Unterbringung „nach Absatz 3“ mithin unter Wahrung der in § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V genannten Voraussetzungen verweist, auch die Entstehungsgeschichte der Verweisungsnorm des § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V spricht, nach der „auch im Bereich der Betriebskrankenkassen die Beschäftigungsansprüche der übrigen Beschäftigten in unkündbaren Arbeitsverhältnissen insoweit gesichert (werden), als ihnen bei den anderen Betriebskrankenkassen eine ihrer bisherigen Stelle entsprechende Stelle anzubieten ist“ (BT-Drucksache 16/9559, S. 19, vgl. dazu mit ausführlicher Begründung LAG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 12.04.2012 – 5 Sa 2554/11 – zitiert nach juris).
3. Die Klägerin kann auch die Feststellung beanspruchen, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten weder zum 30. Juni 2011 noch zum 31. Dezember 2011 geendet hat.
3.1 Für diese Feststellung rechtlich unerheblich ist der Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags vom 22. Juni 2011, denn die Parteien haben nicht das hier in Streit stehende Arbeitsverhältnis befristet verlängern, sondern ein neues Arbeitsverhältnis begründen wollen (so auch LAG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 24.08.2012 – 6 Sa 878/12 -, a. A. LAG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 11.05.2012 – 13 Sa 2486/11 – zitiert nach juris).
Dies ergibt sich – unabhängig von der Vereinbarung eines entsprechenden Vorbehalts – bereits aus der Präambel des Arbeitsvertrags vom 22. Juni 2011 (Anlage K 5, Bl. 197 ff. d. A.), in der es heißt:
„Die Arbeitgeberin ist eine eigenständige Körperschaft des öffentlichen Rechts in Abwicklung, die mit den Abwicklungsarbeiten der mit Ablauf des 30. Juni 2011 geschlossenen C. BKK betraut ist. Die Arbeitgeberin ist nicht Rechtsnachfolgerin der C. BKK.“
Angesichts dieser eindeutigen Erklärung der Beklagten haben die Parteien durch den Abschluss des befristeten Vertrags ihr Rechtsverhältnis nicht auf eine neue Rechtsgrundlage stellen wollen, auch wenn zwischen der Beklagten und der C. BKK Personenidentität besteht.
3.2 Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat auch nicht durch die Kündigung vom 19. Mai 2011 geendet, weil im Hinblick auf die weitere Beschäftigung der Klägerin mit Abwicklungsarbeiten auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 22. Juni 2011 und der Nebenabrede vom 4. März 2012 bis zum 31. Juli 2012 ein Beschäftigungsbedürfnis offensichtlich bereits zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung sowohl über den 30. Juni 2011 als auch über den 31. Dezember 2011 hinaus bestanden hat, so dass ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nicht festgestellt werden kann.
4 Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Beklagte nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch zur vorläufigen – im Hinblick auf die Folgekündigung auf den 31. Dezember 2012 begrenzten – Weiterbeschäftigung verurteilt und keine Umstände erkennen können, aus denen sich eine Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit ergeben sollte.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Zulassung der Revision für die Beklagte beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, denn die Kammer hat der Auslegung der streitentscheidenden Vorschriften grundsätzliche Bedeutung beigemessen. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vor. Die Entscheidung hat insoweit keine grundsätzliche Bedeutung und ist allein an den Besonderheiten des Einzelfalls orientiert. Eine Divergenz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen ist nicht erkennbar.