Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 12. Senat | Entscheidungsdatum | 30.01.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 12 N 72.12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | Art 12 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 100 Abs 1 GG, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 47 S 1 WiPrO, § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 5 VwGO |
§ 47 Satz 1 WPO ist auch auf Wirtschaftsprüfungsgesellschaften anwendbar. Mit dem Gebot der Leitung einer Zweigniederlassung durch einen Wirtschaftsprüfer hat der Gesetzgeber den ihm bei Berufsausübungsregelungen zustehenden Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum nicht überschritten.
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. Juli 2012 wird abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt die Klägerin.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 25 000 EUR festgesetzt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Unter Zugrundelegung des allein maßgeblichen Zulassungsvorbringens bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat in der angegriffenen Entscheidung die Auffassung vertreten, dass die Klägerin nicht berechtigt sei, in Stuttgart eine Zweigniederlassung unter der alleinigen Leitung einer vereidigten Buchprüferin zu errichten. Nach § 47 Satz 1 WPO müssten Zweigniederlassungen jeweils von wenigstens einem Wirtschaftsprüfer geleitet werden, der seine berufliche Niederlassung am Ort der Zweigniederlassung habe. Die Vorschrift gelte auch für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften; für eine vom Wortlaut abweichende Auslegung sei kein Raum. Das gesetzliche Erfordernis der Leitung durch einen Wirtschaftsprüfer begegne auch keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Es verstoße weder gegen die in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit noch sei der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.
a) Die dagegen erhobenen Einwände greifen nicht durch. Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, das Verwaltungsgericht sei fehlerhaft von einer Anwendbarkeit des § 47 Satz 1 WPO auf Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ausgegangen. Der Hinweis auf die Ausnahmeregelung in Satz 2 der Vorschrift vermag die Annahme, § 47 WPO gelte „nicht in seiner Gesamtheit für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften“, nicht zu tragen. Soweit § 3 Abs. 3 WPO ausdrücklich vorsieht, dass Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Zweigniederlassungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes begründen dürfen, fehlt es bereits im Ansatz an tragfähigen Anhaltspunkten, dass sich der Anwendungsbereich des § 47 Satz 1 WPO, der gerade die grundsätzlichen gesetzlichen Anforderungen für die Errichtung von Zweigniederlassungen regelt, nicht auf Wirtschaftsprüfungsgesellschaften erstreckt. Vielmehr spricht alles dafür, dass das in der Vorschrift normierte Leitungsgebot in Übereinstimmung mit der bis zum 31. Dezember 1994 geltenden Fassung des § 47 Abs. 1 und 2 WPO auch für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gilt. Eine Änderung ihres Anwendungsbereichs ist mit der Neufassung der Vorschrift durch das Dritte Gesetz zur Änderung der Wirtschaftsprüferordnung ausweislich der Gesetzesmaterialien nicht beabsichtigt gewesen (vgl. BT-Drs. 12/5685 S. 28). Dass der Gesetzgeber in Satz 2 der Vorschrift eine Ausnahmeregelung lediglich für in eigener Praxis tätige Wirtschaftsprüfer, nicht aber für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zugelassen hat, stellt die zutreffende Auslegung des Verwaltungsgerichts daher nicht mit Erfolg in Frage (vgl. zur Geltung des § 47 Satz 1 WPO für Buchprüfungsgesellschaften: BVerwG, Urteil vom 22. August 2000 - 1 C 9.00 - juris Rn. 14).
b) Ernstliche Richtigkeitszweifel sind auch insoweit nicht dargetan, als das Verwaltungsgericht die Regelung des § 47 Satz 1 WPO für verfassungsgemäß erachtet hat.
Auf einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit der Berufswahl kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei dem in Rede stehenden Leitungserfordernis lediglich um eine Beschränkung der Berufsausübung handelt. Der Hinweis auf die bereits erstinstanzlich vorgetragene Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit bzw. die Führung einer Zweigniederlassung im Rahmen der Partnerschaft bietet keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung. Dass es sich bei diesen Tätigkeiten um einen eigenständigen Beruf handelt, der sich wesensmäßig von der beruflichen Tätigkeit der Klägerin als Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unterscheidet, ist weder dargetan noch ersichtlich (vgl. zur Berufswahlfreiheit: BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2008 - 1 BvR 1295/07 - juris Rn. 28 ff.).
Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die streitige Vorschrift halte sich im Rahmen des dem Gesetzgeber bei Berufsausübungsregelungen zustehenden Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums, wird durch das Zulassungsvorbringen gleichfalls nicht ernsthaft in Frage gestellt. Die Antragsbegründung erschöpft sich im Wesentlichen in dem Einwand, dass die Tätigkeit von vereidigten Buchprüfern und Wirtschaftsprüfern mit Ausnahme der Prüfung großer Kapitalgesellschaften und Konzerne identisch sei und vereidigte Buchprüfer den gleichen berufsrechtlichen Regelungen wie Wirtschaftsprüfer unterlägen. Dies vermag den Vorwurf, die angegriffene Entscheidung beruhe auf einer Verkennung des Berufsbildes von vereidigten Buchprüfern und Wirtschaftsprüfern, nicht zu tragen.
In nicht zu beanstandender Weise hat das Verwaltungsgericht auf den mit der Regelung des § 47 Satz 1 WPO verfolgten legitimen Zweck abgestellt, die sachgerechte Erfüllung der Kontroll- und Bestätigungsaufgaben von Wirtschaftsprüfern und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sicherzustellen und Gefahren für den Wirtschaftsverkehr entgegenzuwirken. Dass der erkennbare Wille des Gesetzgebers, die Errichtung einer Zweigniederlassung grundsätzlich nur dann zuzulassen, wenn sie in gleicher Weise wie die Hauptniederlassung von einem Berufsangehörigen geleitet wird, diesem Zweck nicht angemessen Rechnung trägt und jedes nachvollziehbaren Grundes entbehrt, ist allein mit dem Hinweis auf die Rechte und Pflichten von vereidigten Buchprüfern nicht dargetan. Im Ergebnis stellt auch die Klägerin nicht in Abrede, dass die beruflichen Befugnisse und Qualifikationen von vereidigten Buchprüfern nicht identisch sind mit denjenigen von Wirtschaftsprüfern, und dass Wirtschaftsprüfungsgesellschaften von Wirtschaftsprüfern verantwortlich geführt werden müssen (§§ 1 Abs. 3, 28 Abs. 1 WPO). Inwieweit es dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich verwehrt sein sollte, an diese Unterschiede und gesetzlichen Vorgaben auch im Rahmen der Errichtung von Zweigniederlassungen anzuknüpfen, lässt sich dem Zulassungsvorbringen nicht entnehmen. Insbesondere zeigt der wiederholte Hinweis auf das Berufsbild des vereidigten Buchprüfers keine substantiierten Anhaltspunkte dafür auf, dass der Gesetzgeber entgegen der erstinstanzlichen Auffassung den ihm zustehenden weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum überschritten hätte.
Auf die Möglichkeit, die Erfüllung der Wirtschaftsprüfern obliegenden Berufspflichten im Wege der Standesaufsicht sicherzustellen, muss sich der Gesetzgeber nicht verweisen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 - 6 C 15.04 - BVerwGE 124, 110, zitiert nach juris Rn. 55). Der Einwand der Klägerin, die im Bundesanzeiger veröffentlichten Abschlüsse könnten von der Beklagten im Rahmen der Berufsaufsicht lückenlos durchgesehen werden, geht daher fehl. Im Übrigen hat bereits das Verwaltungsgericht zu Recht auf den Schutz der beteiligten Verkehrskreise verwiesen; dem ist der Zulassungsantrag nicht substantiiert entgegengetreten. Der bloße Hinweis, dass auch vereidigte Buchprüfer im Rahmen ihrer gesetzlichen Befugnisse berechtigt seien, von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften erteilte Bestätigungsvermerke zu unterzeichnen (§ 32 Satz 1 Halbsatz 2 WPO), genügt dafür nicht. Er lässt bereits außer Acht, dass Hauptniederlassungen von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften - anders als die von der Klägerin beabsichtigte Gestaltung der Zweigniederlassung - nicht allein von einem vereidigten Buchprüfer geführt werden dürfen. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht danach davon ausgegangen, dass auch ein von einem vereidigten Buchprüfer für die Gesellschaft unterzeichneter Bestätigungsvermerk die Erwartung begründet, von der Sachkompetenz einer unter der verantwortlichen Führung eines Berufsangehörigen stehenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaft getragen zu werden. Zu den darüber hinaus angeführten Gründen, aus denen das Verwaltungsgericht das Leitungserfordernis mit Blick auf die der Klägerin offenstehenden Gestaltungsmöglichkeiten auch im engeren Sinne als verhältnismäßig angesehen hat, verhält sich der Zulassungsantrag nicht.
Ebenso wenig tritt die Klägerin den Gründen, aus denen das Verwaltungsgericht eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes verneint hat, substantiiert entgegen. Die Behauptung, die angegriffene Entscheidung setze sich nicht mit der Gestaltung einer Wirtschaftsprüfertätigkeit im Rahmen einer überörtlichen Sozietät auseinander, trifft angesichts der erstinstanzlichen Ausführungen auf S. 13 f. der Urteilsabschrift ersichtlich nicht zu. Soweit die Klägerin im Übrigen ihre in erster Instanz erhobenen Einwände wiederholt, fehlt es bereits an einer den Darlegungsanforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Auseinandersetzung mit den tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts. Zu der berufsrechtlichen Anerkennung von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die selbst Zuordnungsobjekt gesetzlicher Rechte und Pflichten sind, verhält sich der Zulassungsantrag nicht.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen des gerügten Verfahrensmangels in Form der Verletzung des gesetzlichen Richters zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO i.V.m. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
Gegen die Garantie des gesetzlichen Richters kann zwar auch dann verstoßen werden, wenn ein Gericht die Verpflichtung zur Vorlage an ein anderes Gericht außer Acht lässt. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist in der Regel jedoch erst dann verletzt, wenn ein Gericht von der Vorlagepflicht willkürlich absieht; das gilt auch für die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 16. Juni 2009 - 1 BvR 2269/07 - juris Rn. 3 m.w.N.). Anhaltspunkte für eine derartige willkürliche Nichtvorlage zeigt der Zulassungsantrag aus den vorstehend dargelegten Gründen nicht auf.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).