Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 1 Ws 53/11


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Strafsenat Entscheidungsdatum 11.04.2011
Aktenzeichen 1 Ws 53/11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Leitsatz

Zur Bestimmtheit und Zumutbarkeit von Therapieweisungen nach § 68 b Abs. 2 StPO in der Führungsaufsicht.

Tenor

Die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Potsdam (Strafvollsteckungskammer) vom 13. Januar 2011 wird verworfen.

Der Verurteilte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

I.

Der bereits mehrfach wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern vorbestrafte Beschwerdeführer hat die gegen ihn erkannte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in fünf Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Schutzbefohlenen aus dem Urteil des Landgerichts Potsdam vom 22. Mai 2006 -22 KLs 18/05-, rechtkräftig seit dem 26. Mai 2006, am 20. Januar 2011 vollständig verbüßt.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam festgestellt, dass die von Gesetzes wegen eintretende Führungsaufsicht nicht entfällt und deren gesetzliche Dauer nicht abgekürzt. Für die Dauer der Führungsaufsicht hat das Landgericht den Verurteilten der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt. Außerdem hat es ihn unter anderem angewiesen, „im ersten Halbjahr einmal wöchentlich und danach monatlich das begonnene Behandlungsprogramm in der Sozialtherapeutischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel fortzusetzen. Zusätzliche Gespräche zur Förderung der Straftataufarbeitung und Sozialtherapie hat er auf Anordnung des Behandlungsteams der Sozialtherapeutischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt wahrzunehmen. Die Nachsorge hat mindestens zwei Jahre zu umfassen.“

Gegen diese Weisung wendet sich der Verurteilte mit seiner Beschwerde vom 28. Januar 2011, mit dem Ziel der „Abänderung und Ergänzung“ der genannten Weisung. Er beanstandet, dass sich aus dem Beschluss nicht ergebe, ob die Weisung gem. § 68 b Abs.1 StGB oder § 68 b Abs.2 StGB erfolgt sei. Ferner sei ihm die Erfüllung der Weisung nicht zumutbar, weil er auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen sei und mit diesen zweieinhalb Stunden Fahrzeit bis zur Sozialtherapeutischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel benötige. Auch sei es ihm nicht zuzumuten, das Behandlungsprogramm innerhalb der Gefängnismauern gemeinsam mit Strafgefangenen zu absolvieren. Darüber hinaus sei die Weisung zu unbestimmt und deshalb rechtswidrig, weil nicht ein bestimmter Arzt oder Therapeut bezeichnet werde. Schließlich beanstandet er, dass die Strafvollstreckungskammer keine Regelung hinsichtlich der Kosten der Behandlung getroffen hat. Er lebe von Sozialhilfe und könne die Kosten der Behandlung nicht aufbringen.

II.

Die gem. §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 Satz 1 StPO zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Die Beschwerde kann gemäß § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO nur darauf gestützt werden, dass die getroffenen Anordnungen gesetzwidrig sind. Gesetzwidrig ist eine Anordnung oder die Entscheidung über das Absehen von einer Anordnung, wenn die getroffene Anordnung im Gesetz nicht vorgesehen, wenn sie unverhältnismäßig oder unzumutbar ist oder sonst die Grenzen des dem erstinstanzlichen Gericht eingeräumten Ermessens überschreitet (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 15. April 2010 -2 Ws 50/10- m.w.N.; Appl in Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Aufl., § 453, Rn. 12; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 453, Rn. 12).

Aus dem Wortlaut der beanstandeten Weisung ergibt sich eindeutig, dass es sich um eine Weisung nach § 68 b Abs. 2 StPO handelt, auch wenn diese Vorschrift nicht ausdrücklich genannt wird.

Die beanstandete Weisung ist weder unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit noch der Zumutbarkeit zu beanstanden und lässt auch keine Ermessensfehler erkennen. Sie ist in Anbetracht der Delinquenzgeschichte des Beschwerdeführers vielmehr geboten, um die notwendige Unterstützung und erforderliche Kontrolle zu gewährleisten.

Aus dem Inhalt des angefochtenen Beschlusses ergibt sich im Zusammenhang mit dem Protokoll der mündlichen Anhörung vom 13. Januar 2011, dass die Strafvollstreckungskammer ihr Ermessen ausgeübt und aufgrund welcher Tatsachen sie die in dem angefochtenen Beschluss getroffenen Weisungen erlassen hat. Die Weisungen sind mit dem Beschwerdeführer in der mündlichen Anhörung gemeinsam mit Herrn …, dem Leiter der Sozialtherapeutischen Abteilung, und Frau …. von der Sozialtherapeutischen Abteilung erörtert worden. Noch am selben Tag wurde der angefochtene Beschluss aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Anhörung erlassen, was sich aus dem Inhalt des angefochtenen Beschlusses auch ergibt. In dem angefochtenen Beschluss ist ferner ausgeführt, dass die im Vollzug begonnene Behandlung und Förderung des Beschwerdeführers noch nicht abgeschlossen sei.

Die angefochtene Weisung ist auch nicht deshalb gesetzwidrig, weil sie zu unbestimmt wäre. Aufgrund des Bestimmtheitsgebotes sind die Einrichtung, in der die Therapie durchzuführen ist, sowie deren organisatorische Gestaltung und insbesondere die dem Verurteilten obliegenden Pflichten möglichst genau zu bestimmen (vgl. Fischer, StGB, 58. Auflage, § 68 b Rnr. 15). Diesen Anforderungen wird die Weisung gerecht. Die Einrichtung, in der der Beschwerdeführer die begonnene Therapie fortzusetzen hat, nämlich die Sozialtherapeutische Abteilung der Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel, ist eindeutig bestimmt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist die Benennung eines bestimmten Therapeuten nicht erforderlich. Der Beschwerdeführer hat selbst vorgetragen, dass die Behandlung bislang von unterschiedlichen Therapeuten durchgeführt wurde. Gleichwohl handelte es sich um eine einheitliche Therapie. Nach dem Inhalt der Weisung soll die Behandlung gerade durch ein Behandlungsteam erfolgen. Die vorherige Festlegung durch die Strafvollstreckungskammer, an welchem Tag welcher Therapeut zuständig sein wird, ist weder möglich noch erforderlich. Auch den Umfang der dem Beschwerdeführer obliegenden Pflichten hat die Strafvollstreckungskammer ausreichend bestimmt, indem sie ihn angewiesen hat, die Therapie im ersten Halbjahr einmal wöchentlich und danach einmal monatlich durchzuführen. Die Dauer der Therapie hat sie auf mindestens zwei Jahre festgesetzt. Bereits jetzt ein Therapieende festzulegen war weder möglich noch erforderlich, weil das Therapieende vom Erfolg und der Mitarbeit des Beschwerdeführers abhängt und nicht exakt vorhersehbar ist. Soweit dem Beschwerdeführer ferner aufgegeben wurde, zusätzliche Gespräche zur Förderung der Straftataufarbeitung und Sozialtherapie auf Anordnung des Behandlungsteams der Sozialtherapeutischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt wahrzunehmen, verstößt dies ebenfalls nicht gegen das Bestimmtheitsgebot. Zwar verlangt die einheitliche Oberlandesgerichtliche Rechtsprechung (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 15. April 2010 -2 Ws 50/10- m.w.N.; KG, Beschluss vom 27. Januar 2010 -2 Ws 19/10-), dass die Pflichten des Verurteilten in den Weisungen möglichst genau zu bestimmen sind, insbesondere darf die Entscheidung darüber, ob eine Therapie fortzudauern hat, nicht dem Ermessen eines Therapeuten überlassen bleiben (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 6. September 2007 -2 Ws 423/07- zitiert nach Juris). Dies bedeutet allerdings nicht, dass der exakte Therapieverlauf in allen Einzelheiten durch die Strafvollstreckungskammer im Voraus vorgegeben werden muss. Denn eine Therapie ist ein dynamischer Prozess, in dem der Therapeut auch auf die konkrete Behandlungssituation reagieren können muss. Diese Reaktionsmöglichkeit hat die Strafvollstreckungskammer dem Behandlungsteam der Sozialtherapeutischen Abteilung im Rahmen der von ihr konkret genug bestimmten Therapieweisung ermöglicht. Es würde bereits aufgrund der hierdurch jeweils eintretenden zeitlichen Verzögerung dem Sinn der Therapie zuwiderlaufen, wenn die behandelnden Therapeuten stets, wenn sie aufgrund des jeweiligen Therapiestandes und der psychischen Verfassung des Beschwerdeführers die Notwendigkeit eines zusätzlichen Gesprächs zur Förderung der Straftataufarbeitung erkennen würden, bei der Strafvollstreckungskammer um eine Ergänzung der Weisung zum Zweck der Durchführung eines zusätzlichen Gesprächs nachsuchen müssten.

Die erteilte Weisung ist dem Beschwerdeführer auch zumutbar. Die räumliche Entfernung zwischen dem Wohnsitz des Beschwerdeführers und der Sozialtherapeutische Abteilung der Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel ist mit ihm im Anhörungstermin ausdrücklich erörtert worden. Dort hat er erklärt, die Wegstrecke mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen zu können. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer nicht erwerbstätig ist und auch sonst keine Verpflichtungen hat, die ihn zeitlich in erheblichem Umfang einschränken, ist ihm die lange Anfahrzeit zur Therapie auch zumutbar. Dies gilt insbesondere, da er zunächst nur einmal wöchentlich und nach sechs Monaten sogar nur einmal monatlich zur Sozialtherapeutischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel fahren muss. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, es existiere mit Sicherheit die Möglichkeit einer Behandlung näher bei seiner Wohnung, so hat es die Strafvollstreckungskammer erkennbar für erforderlich angehalten, dass der Beschwerdeführer die bereits begonnene Therapie fortsetzt. Vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer 30 von 90 Therapiestunden und damit ein Drittel der Therapie bereits durchgeführt hat und die Therapeuten der Sozialtherapeutischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel im Umgang mit Straftätern besonders erfahren sind, ist diese Entscheidung nicht zu beanstanden. Ebenfalls vor diesem Hintergrund sowie in Anbetracht der erheblichen einschlägigen Vorverurteilungen und der Tatsache, dass die Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel von einem erhöhten Rückfallrisiko des Beschwerdeführers ohne therapeutische Unterstützung ausgeht, ist es dem Beschwerdeführer auch zumutbar, die Therapie in der Sozialtherapeutische Abteilung der Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel fortzusetzen.

Schließlich ist es weder gesetzwidrig noch unzumutbar, dass die Strafvollstreckungskammer die Kosten für die Erfüllung der Weisung nicht der Landeskasse auferlegt hat. Grundsätzlich hat der Verurteilte aufgrund des Veranlassungsprinzips die Kosten, die durch Führungsaufsichtsmaßnahmen entstehen, selbst zu tragen. Ob ihm dies vorliegend zuzumuten ist, kann dahin stehen, denn nach den bisherigen Erkenntnissen handelt es sich hier um eine kostenlose therapeutische Maßnahme.