Gericht | OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 08.08.2019 | |
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Aktenzeichen | 9 UF 107/19 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2019:0808.9UF107.19.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1.
Die Beschwerde des Kindesvaters vom 13. Mai 2019, gerichtet gegen den Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 6. Mai 2019 (Aktz. 5 F 380/18), wird zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kindesvater.
3.
Der Beschwerdewert beträgt bis zu 4.000 €.
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthafte und in zulässiger Weise eingelegte Beschwerde des Kindesvaters bleibt ohne Erfolg, sie ist unbegründet.
Insoweit wird zunächst erneut auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts in der angefochtenen Entscheidung sowie auf die Gründe der Senatsentscheidung vom 27. Mai 2019, innerhalb derer der Senat auch bereits zur Sache selbst Stellung genommen hat, Bezug genommen. An diesen Gründen ist auch angesichts des weiteren Vorbringens des Antragstellers insbesondere mit Schriftsatz vom 4. Juli 2019 weiterhin uneingeschränkt festzuhalten.
I.
1.
Soweit der Kindesvater ausweislich der Begründung seines Schriftsatzes vom 4. Juli 2019 letztendlich eine Betreuung im Wechselmodell anstrebt, steht dies allerdings im Widerspruch zu seinem mit der Beschwerde einleitend verfolgten Antrag, ihm das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für den betroffenen Sohn zu übertragen. Letztendlich kommt es darauf aber nicht an, weil beidem nicht nachzukommen ist.
2.
Die gemeinsame elterliche Sorge ist aufzulösen, wenn sich die Eltern in einen derartigen Konflikt befinden, dass aus Kindeswohlaspekten ein Festhalten an der gemeinsamen elterlicher Sorge nicht mehr gerechtfertigt ist. Diese Voraussetzungen für die Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge liegen erkennbar vor.
Nach § 1671 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB ist dem Antrag eines Elternteils auf Übertragung des Sorgerechts oder eines Teiles der elterlichen Sorge stattzugeben, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge bzw. eines Teilbereichs von dieser und die Übertragung auf den antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Eine das Kindeswohl wahrende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt neben einem Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge insbesondere eine insgesamt tragfähige soziale Beziehung zwischen den beiden Eltern voraus (BVerfG FamRZ 2004, 354; BGH FamRZ 2008, 592), die eine Kommunikationsfähigkeit beider Eltern und damit zugleich auch eine objektive und subjektive Kooperationsbereitschaft erfordert.
Zwar ist davon auszugehen, dass es für das Wohl von Kindern grundsätzlich am besten ist, wenn sich die Eltern auch nach Trennung und Scheidung einvernehmlich um sie kümmern und sie in dem sicheren Gefühl aufwachsen können, weiter zwei verlässliche Eltern zu haben, die nicht um sie konkurrieren und sie nicht in Loyalitätskonflikte stürzen. Wenn aber Eltern im Zusammenhang mit oder infolge ihrer Trennung zerstritten sind, emotionale Konflikte offensichtlich nicht lösen können und ihrer Pflicht, eine Einigung zu suchen, nicht mit Erfolg nachkommen können oder wollen, entspricht es dem Kindeswohl selbstverständlich nicht, durch Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge die Eltern in ständige, von ihnen in angemessener oder zumutbarer Weise nicht zu bewältigende Konfliktsituationen zu zwingen, die zwangsläufig nachteilige Auswirkungen mindestens auf die seelisch-emotionale Entwicklung des Kindes haben würden. Vielmehr müssen dann die Konfliktmöglichkeiten, also die Abstimmungserfordernisse so gering wie möglich gehalten werden. Es kann Kindern nicht zugemutet werden, erhebliche emotionale Konflikte der Eltern ertragen zu müssen, die diese schon als Erwachsene nicht lösen können und in die ein Kind zwangsläufig einbezogen wird (Senat FamRZ 2014, 1653; OLG Frankfurt FamRZ 2014, 317; KG FamRZ 2000, 504).
Dies gilt auch und sogar verstärkt für ein sog. Wechselmodell (vgl. BGH FamRB 2017, 136). Die beim Wechselmodell auftretenden regelmäßigen Aufenthaltswechsel stellen insbesondere im Schulalltag höhere Anforderungen an die Eltern als ein Umgang lediglich in der Freizeit bzw. im Rahmen einer gelegentlichen Hausaufgabenbetreuung und Lernwiederholung. Insoweit müssen beide Eltern ein möglichst einheitliches Erziehungskonzept entwickeln und zugleich die Erziehungsfähigkeit des anderen anerkennen. Das Wechselmodell verlangt damit deutlich mehr als nur ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen bzw. eine tragfähige soziale Beziehung. Darüber hinaus müssen die Eltern in der Lage sein, bestehende Konflikte einzudämmen und sich hochmotiviert an den Bedürfnissen des Kindes zu orientieren.
Die Notwendigkeit der Auflösung der elterlichen Sorge betreffs des Aufenthaltsbestimmungsrechts folgt bereits aus dem Umstand, dass die Kindeseltern dazu widerstreitende Anträge gestellt haben. Dass die gemeinsame elterliche Sorge insoweit aufzulösen ist, steht letztendlich auch zwischen den Kindeseltern außer Streit. Die Kindeseltern sind heillos zerstritten, sie können sich faktisch in keinem wesentlichen Punkt für das gemeinsame Kind einigen. Dies gilt auch, soweit sie nunmehr den Umgang des Kindesvaters – zumal vom Kindesvater selbst als Mindestumgang aufgefasst – einvernehmlich geregelt haben. Zum einen betrifft dies allein die Frage des Umgangsrechtes, zum anderen handelt es sich offenbar lediglich um eine vorläufige – zumal befristete – Einigung.
Von daher liegen erkennbar weder die Voraussetzungen für ein gemeinsames elterliche Sorgerecht noch diejenigen für ein Wechselmodell vor.
3.
Bei der prognostischen Beurteilung im Rahmen des § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB sind die Gesichtspunkte der Erziehungseignung und Bindungstoleranz der Eltern, der Bindungen der Kinder, des Kontinuitätsgrundsatzes, des Förderungsprinzips und schließlich auch der Kindeswille von entscheidender Bedeutung, wobei die Gewichtung im konkreten Einzelfall dem Gericht überlassen ist (st. Rspr. des Senats, vgl. bereits FamRZ 2003, 1953).
Wie bereits in der Senatsentscheidung vom 27. Mai 2019 ausgeführt, sprechen die zugrunde zu legenden sorgerechtlichen Kriterien nach derzeitigem Stand für den Verbleib von J… bei der Kindesmutter, was wiederum die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts für J… auf die Kindesmutter zur Folge hat.
Ein wesentlicher Kritikpunkt an der Bindungstoleranz der Kindesmutter ist jedenfalls zunächst im Zusammenhang mit der vereinbarten Gewährung von Umgang nunmehr beseitigt worden, mag diese auch allein vorläufig wirken.
An der Gesamteinschätzung ändern auch die weiteren Ausführungen des Kindesvaters in seinem Schriftsatz vom 4. Juli 2019 nichts. Soweit der Kindesvater darin Gründe betreffend des Gesundheitszustands von J… heranzieht, stellt er diese erneut allein in einen Kontext: Dass es J… bei der Mutter (auch aufgrund der Entscheidung des Amtsgerichtes) schlecht gehe. Dies betrifft sowohl seinen Hinweis darauf, dass er in drei Monaten rund 1,6 kg an Gewicht verloren habe, obgleich er fast 4 cm gewachsen sei, als auch die letzte Auflistung aktueller Verletzungen des Sohnes (März 2019: Hämatome im Bereich des Hüftknochens mit verschorfter Wunde; Mai 2019: Tritte durch T… gegen den Kopf; Ende Mai 2019: älteres Hämatom im Bauchraum, Platzwunde am Kinn). Dass solche Verletzungen – so sie denn in überhaupt vorliegen, da die Kindesmutter dies bestreitet – insbesondere auch im Spiel zwischen Kindern entstehen können, dass ein Gewichtsverlust von Kindern allein auch im Zusammenhang mit deren Wachstumsschüben stehen kann, kommt dem Kindesvater scheinbar überhaupt nicht in den Sinn. Der Kindesvater stellt all dies einseitig in einen Kontext mit der Kindesmutter, sei es, dass sich J… dort – was der Kindesvater mindestens suggeriert – nicht wohl fühlt, sei es, dass er dort von dem weiteren Sohn T… – ohne dass dies J… selbst für sämtliche seiner Verletzung angeführt hat – angegangen werde. All dies kann aber auch aufgrund weiterer Ermittlungen nicht festgestellt werden. Im Gegenteil geht aus dem Bericht des Verfahrensbeistandes vom 19. Juli 2019 hervor, dass J… letztendlich (weiterhin) unauffällig ist (insb. Befragung der Kitaleiterin Ende Juni 2019). Letztere stellte zudem den Gewichtsverlust in Zusammenhang mit dem Wachstumsschub, was lebensnah ist. Die negativen Gefühle, die der Kindesvater J… zuschreibt, konnten dort im Kindergarten gerade nicht festgestellt werden (vergleiche den Hinweis auf den von J… nicht eingestellten traurigen Kobold). Eine Zunahme von Verletzungen (blaue Flecken) konnten die Mitarbeiterinnen nicht feststellen, erst recht keine gravierenden. J… selbst hat sich im Übrigen dergestalt, dass er von der Mutter unterversorgt oder von T… etwa drangsaliert werde, in keiner Weise eingelassen; im Gegenteil hat er gemäß dem Bericht des Verfahrensbeistandes mitgeteilt, er wolle lieber bei seiner Mutter sein. Dies stellt eine Verfestigung des Willens des Kindes jedenfalls im Vergleich zu vorherigen Befragungen (vergleiche auch die Ausführungen im Senatsbeschluss vom 27. Mai 2019, dort S. 4) dar.
Es drängt sich zudem anhand der Äußerung des betroffenen Sohnes dahingehend, sein Vater habe deswegen gemeckert und gemeint, dass er sein zu Hause verliere, verstärkt auf, dass der Kindesvater den Sohn in einen noch tieferen Loyalitätskonflikt hineindrängt, was die erheblichen Bedenken an der Bindungstoleranz und Erziehungsfähigkeit des Kindesvaters (vergleiche erneut den vorgenannten Senatsbeschluss, dort S. 4 ff.) noch vertieft. Dem Kindesvater kommt es dabei scheinbar in keiner Weise in den Sinn, dass auch sein eigenes Verhalten für J… Belastungssituationen auszulösen vermag (siehe beispielsweise den vom Verfahrensbeistand geschilderten Auftauchen des Vaters im Kindergarten oder sein zuvor dargestelltes Meckern). Gerade von derartigen einseitigen Maßnahmen ist aber abzusehen, da es für das betroffene Kind immens wichtig ist, geregelten Strukturen zu unterliegen und insbesondere zu wissen, welcher Elternteil ihn besucht bzw. unter Umständen mit zu sich nimmt. In diesem Zusammenhang ist auch dem Kindesvater vorzuwerfen, dass er am 20. Mai 2019 aufgrund einseitiger Entscheidung zunächst das kranke Kind bei sich behalten wollte, obgleich eine Transportunfähigkeit des kranken Kindes – und nur eine solche würde eine derartige Maßnahme rechtfertigen – nach derzeitigem Stand erkennbar nicht vorlag.
Nach alledem hat es bei der angefochtenen Entscheidung zu verbleiben.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die maßvolle Erhöhung des Regelwertes für das Beschwerdeverfahren (gemäß §§ 40, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG sind dies grundsätzlich 3.000 €) beruht auf § 45 Abs. 3 FamGKG und dem Umstand, dass das Verfahren mittlerweile einen Umfang von über 600 Seiten einnimmt und auch aufwändige Amtsermittlungstätigkeit – insbesondere die Einholung eines Sachverständigengutachtens – geboten war.
Gründe für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde bestehen nicht.