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(Gesetzliche Unfallversicherung - Verletztenrente - Arbeitsunfall - haftungsausfüllende Kausalität - wesentliche Teilursache - unfallfremdes Motiv - Nichtvorliegen von Anknüpfungstatsachen - Gesundheitsstörung - Funktionsbeeinträchtigung - Beweismaß - Vollbeweis - hinreichende Wahrscheinlichkeit - klinische Auswirkung - Posttraumatische Belastungsstörung - phobische Ängste im Sinne einer Klaustrophobie und Agoraphobie)


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 31. Senat Entscheidungsdatum 25.02.2010
Aktenzeichen L 31 U 458/08 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 56 SGB 7, § 8 Abs 1 S 2 SGB 7

Leitsatz

Wird geltend gemacht, der letzte Arbeitsunfall sei deshalb die wesentliche Ursache der vorliegenden Gesundheitsstörungen, weil bereits eine Vielzahl von anderen Arbeitsunfällen/Verkehrsunfällen zu Gesundheitsschäden geführt hätten, so ist nach den Regeln des Vollbeweises festzustellen, dass sich diese Unfälle tatsächlich ereignet haben, dass es sich um versicherte Ereignisse gehandelt hat und dass sie tatsächlich Gesundheitsstörungen hinterlassen haben.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 20 v. H. ab dem 14. Mai 2002.

Am 14. November 2000 erlitt der 1950 geborene Kläger als Lkw-Fahrer der Firma O einen Verkehrsunfall, als ein anderer Lkw mit seinem Lkw im Rahmen eines Überholmanövers kollidierte. Der Kläger hielt an und stürzte bei dem Versuch, aus dem Lkw zu steigen, auf den Asphalt, da der Einstieg bei der Kollision abgebrochen war. Dem Durchgangsarztbericht des Dr. S vom 15. November 2000 sind als Unfallfolgen eine leichte Verstauchung der Halswirbelsäule (HWS), eine Verstauchung der Lendenwirbelsäule (LWS) sowie eine Prellung des rechten Vorfußes zu entnehmen. Die Röntgenuntersuchung der LWS ergab keinen Anhalt für eine Fraktur oder Luxation. Bewusstlosigkeit, Erbrechen und Erinnerungslücken bestanden nicht, wohl aber eine Übelkeit auf der Weiterfahrt mit dem Lkw zum Betriebshof. Eine später durchgeführte Röntgenuntersuchung von Schädel und Vorfuß blieb ohne Befund (D-Arzt-Bericht Dr. K vom 20. November 2000). Wegen fortbestehender Übelkeit erfolgte die Einweisung in das Klinikum B. Nach stationärer Überwachung, engmaschigen Kreislaufkontrollen und Anfertigung eines EEG wurde der Kläger bei unauffälligem Verlauf und wiederhergestelltem Wohlbefinden entlassen (Bericht vom 23. November 2000 über den stationären Aufenthalt vom 20. bis 24. November 2000).

Unter dem 08. Dezember 2000 führte der behandelnde Arzt für Chirurgie Dr. K aus, der Kläger sei wegen des erlittenen Schädelhirntraumas weitgehend beschwerdefrei. Allerdings sei es durch den Unfall zu einer Angst vor dem Fahren eines Lkw gekommen, zumal der Kläger in den letzten Jahren vor dem Unfall insgesamt vier Lkw-Unfälle erlitten habe.

Die Beklagte ermittelte daraufhin, konnte aber keine weiteren gemeldeten Arbeitsunfälle feststellen.

Der behandelnde Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dipl. med. B führte unter dem 17. Januar 2001 aus, der Kläger leide unter einer Paniksymptomatik im Auto, Arbeitsunfähigkeit bestehe noch für mindestens sechs Wochen, Behandlungsbedürftigkeit über drei Monate.

In seiner Stellungnahme vom 29. März 2001 führte der Facharzt für Nervenheilkunde Dr. Dr. aus, angesichts von wenigstens zwei Lkw-Unfällen vor dem streitigen Geschehen könne ohne Kenntnis der staatsanwaltlichen Ermittlungsakten nicht von einer minderschweren Bagatelle ausgegangen werden, vielmehr sei die Behandlung zu intensivieren.

Auf die Anfrage der Beklagten teilte die Verkehrspolizeiinspektion H unter dem 23. April 2001 mit, der Unfall sei lediglich als Kleinunfall aufgenommen worden. Als Maßnahmen seien nur ein Personalienaustausch durchgeführt und der Unfallgegner verwarnt worden.

Die Beklagte bewilligte eine stationäre Reha-Maßnahme in der Klinik am R, B, vom 17. Mai bis 28. Juni 2001. Im Entlassungsbericht vom 29. Juni 2001 ist ausgeführt, dass der Kläger unter überschießendem Blutdruck bei Fahrexposition leide. Nachdem er verhaltenstherapeutische Interventionen versäumt habe, habe er auf Nachfrage angegeben, nicht mehr Lkw fahren zu wollen. Er habe mehrere Unfälle erlebt und sehe dies nun als Gelegenheit, einen anderen Beruf zu ergreifen. Hieran ändere auch die durchgeführte Motivationstherapie nichts. Eine ambulante Psychotherapie sei lediglich im Hinblick auf das Mitfahren im privaten Pkw sinnvoll. Bezüglich der von ihm geschilderten Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) sei ein Veränderungswille nicht erkennbar. Der Medikamentenspiegel habe laborchemisch unter dem Nachweisspiegel gelegen, so dass davon ausgegangen werden müsse, dass er die verordneten Medikamente nicht einnehme. Da die geschilderten Symptome der PTBS sich im klinischen Alltag nicht zeigten, sei diese nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit diagnostizierbar. Er sei nicht in der Lage, Pkw oder Lkw zu fahren, wohl aber Motorrad, wobei es ihm auch keine Probleme bereite, zwischen Lkws hindurch zu fahren.

Der Dipl.-Psych. B, Klinik am R, führte im Bericht vom 07. Juli 2001 aus, der Kläger habe angegeben, sechs Lkw- und zusätzlich vier Pkw-Unfälle gehabt zu haben und nun nicht mehr fahren zu können. Die Fahrphobie habe durch einen Test objektiviert werden können. Allerdings habe er auch ausgeführt, im Leben sehr viel gearbeitet und viele Überstunden gemacht zu haben. Nachdem seine Frau sich von ihm getrennt habe, sehe er keinen Sinn mehr darin, eine 70-Stunden-Woche als Lkw-Fahrer zu absolvieren. Der Dipl.-Psych. B empfahl eine ambulante Psychotherapie bei der Psychologischen Psychotherapeutin W.

Mit Schreiben vom 30. Juli 2001 brach die Beklagte die Heilbehandlung aufgrund des Berichts der Klinik am R vom 29. Juni 2001 ab. Da eine PTBS nicht habe diagnostiziert werden können, der Wille des Klägers bestanden habe, nicht mehr als Lkw-Fahrer tätig zu sein, und auch ein unfallbedingter psychischer Körperschaden nicht habe festgestellt werden können, müsse die Behandlung der Fahrphobie unfallfremd erfolgen.

Die von der AOK R eingeholte Auflistung früherer Erkrankungen vom 25. Juli 2001 für die Zeit von August 1995 bis Juni 2000 ergab keinen Hinweis auf Behandlung von Folgen der geltend gemachten Unfälle mit Lkw und Pkw.

In der Stellungnahme vom 15. August 2001 wies Dr. Dr. W auf die brüchige Motivation des Versicherten hin. Es habe eine erhebliche Diskrepanz zwischen geklagten Beschwerden und beobachtetem Verhalten bestanden. So habe eine Motivation für eine berufliche Teilnahme am Straßenverkehr nicht bestanden, andererseits sei der Kläger als mehr oder weniger schutzloser Zweiradfahrer trotz hoher Lkw-Dichte auf der A 2 in der Lage gewesen, zwischen diesen nach Hause ins Brandenburgische zu fahren.

In der Folge machte der Kläger weitere Angaben zu den zuvor erlittenen Unfällen. Zirka 1993 sei er auf der A 61 verunfallt und in die Unfallklinik L gebracht worden. Im Jahre 1995 sei er auf der A 1 unverschuldet mit einem Pkw zusammengestoßen. 1996 habe es in F einen Unfall mit Sachschaden gegeben, der auf ein Bremsversagen des Lkw bei 12 % Gefälle zurückzuführen gewesen sei. Er sei mit einem Honda und einer Straßenbeschriftungsmaschine kollidiert. Er habe unter schwerem Schock gestanden.

Im Schreiben vom 12. September 2001 wies Frau Dipl.-Psych. W darauf hin, dass der Kläger geäußert habe, nicht mehr als Lkw-Fahrer arbeiten zu wollen, da er 80 - 90 Stunden wöchentlich ohne Erholungsmöglichkeit habe arbeiten müssen. Freundschaften und die Familie seien dabei kaputtgegangen. Bei den Unfällen sei er jeweils mit der Begrenztheit des Lebens konfrontiert worden. Seine Ängste bestünden zu Recht. Nur wenn er die Möglichkeit hätte, nach einer Woche Fahrdienst eine Regenerationsphase von ebenfalls einer Woche ohne Fahrdienst zu durchlaufen, hätte er Zeit, überhaupt Mensch zu sein. Dieses Recht zu leben, müsse auch Lkw-Fahrern zugestanden werden.

Mit Schreiben vom 15. Oktober 2001 übernahm die Beklagte die bisherigen Kosten der Behandlung bei Frau Dipl.-Psych. W sowie die Kosten für 15 weitere Stunden.

In den Berichten vom 19. November 2001/30. Januar 2002 führte Frau Dipl.-Psych. W aus, der Kläger komme mit Fahrrad, Zug und Bus zur Therapie, wenn er nicht mit dem Motorrad anreisen könne. Bei der Vorstellung, als Lkw-Fahrer wieder im Fahrerhaus schlafen zu müssen, bekomme er Panikattacken. Denkbar sei, dass er in drei Monaten wieder arbeitsfähig sei.

Unter dem 03. Mai 2002 führte Frau Dipl.-Psych. W aus, der Kläger sei mittlerweile in der Lage, kurze Strecken mit dem Pkw zu fahren. Durch die lange Zeit der Erkrankung habe er zum ersten Mal erfahren, was Leben überhaupt heiße. Der notwendige Ausgleich zwischen Freizeit und Arbeit habe in der Tätigkeit als Lkw-Fahrer nicht bestanden, so dass er Freunde und Familie verloren habe. Insofern seien seine Ängste berechtigt gewesen.

Die Beklagte holte ein Zusammenhangsgutachten auf psychiatrisch-psychosomatischem Fachgebiet von Frau Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin Dr. F vom 01. Mai 2002 ein. Sie gab an, der Kläger habe von zwei Privatunfällen mit dem Pkw - jeweils Totalschaden - und vier Lkw-Unfällen berichtet, die nicht mehr genauer hätten zugeordnet werden können. Wegen sich widersprechender Aussagen des Klägers sei die Exploration schwierig. Er habe gehofft, wegen der hohen Belastung als Lkw-Fahrer umgeschult zu werden. Die Bewältigung des Übungsprogramms in der Klinik in Bad habe er als wenig sinnvoll erachtet, da er nicht vor dem Lkw-Fahren Angst habe, sondern vor der Übernachtung in der engen Lkw-Kajüte. Er habe sein Leben lang „geschuftet“ mit dem Ergebnis, seine Familie verloren zu haben (Scheidung 1998). Er halte sich für die Tätigkeit als Lkw-Fahrer nicht mehr belastbar, insbesondere wegen der Überstunden. Er habe gehofft, über die Unfallrente finanzielle Defizite abfangen zu können. Das Problem sei Angst in geschlossenen Räumen, bezogen auf den Lkw das Schlafen in der engen Kajüte. Zur Untersuchung sei er fünf Stunden mit dem Fahrrad angereist. Er leide unter leichter Erschöpfbarkeit und unter einer allgemeinen Minderung des psychophysischen Belastungsniveaus. Die Symptome einer klassischen posttraumatischen Belastungsstörung seien aber nicht zu explorieren gewesen. Es habe sich eine vorwiegend depressiv-zwanghafte Persönlichkeitsstruktur entwickelt. Für eine PTBS finde sich kein Anhalt, zumal das Ereignis weder in seiner Art (nicht unvorbereitet, keine länger andauernde Hilflosigkeit) noch in seiner Schwere (keine Todesgefahr) geeignet gewesen sei, diese hervorzurufen. Chronifizierungen resultierten z. B. aus sozialen Konfliktsituationen, die hier vorlägen. Der prämorbid psychisch stabile Mensch entwickle Anpassungsleistungen an das Unfallereignis. In dem psychometrischen Testverfahren habe sich die depressiv-zwanghafte Persönlichkeitsstruktur bestätigt. Es bestehe eine isolierte Phobie im Sinne einer Klaustrophobie. Primär könne dem Unfallereignis die Bedeutung einer rechtlich wesentlichen Teilursache zugesprochen werden. Die Symptomatik sei aber mittlerweile durch unfallfremde Faktoren überdeckt. Ab dem Zeitpunkt der Entlassung aus der Klinik in Bad sei der Kläger arbeitsfähig, eine MdE bestehe nicht, da die Chronifizierung als unfallfremd eingeschätzt werden müsse.

Mit Bescheid vom 17. Mai 2002 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 14. November 2000 als Arbeitsunfall an, gewährte Verletztengeld bis 28. Juni 2001 (Entlassung aus der Klinik am R) und lehnte die Gewährung einer Verletztenrente ab.

Dem Widerspruch, u. a. begründet mit einem Attest der Frau Dipl.-Psych. W vom 22. Juli 2002, zu dem Frau Dr. F eine ergänzende Stellungnahme vom 08. August 2002 abgab, in der sie an ihrer Auffassung festhielt, blieb mit zurückweisendem Widerspruchsbescheid vom 20. September 2002 der Erfolg versagt.

Hiergegen hat sich der Kläger mit der am 17. Oktober 2002 zum Sozialgericht Potsdam erhobenen Klage gewandt, die er u. a. mit einem neurologisch-psychiatrischem Gutachten der Dr. L vom 29. August 2002 für die gesetzliche Rentenversicherung begründete. Danach seien eine posttraumatische Belastungsstörung, Angst und eine gemischte depressive Stimmung festgestellt worden und das Leistungsvermögen seit dem Unfall im November 2002 in der bisherigen Tätigkeit als Kraftfahrer als aufgehoben betrachtet worden. Mit Beschluss vom 24. Juni 2003 hat das Sozialgericht den Praktischen Arzt und Dipl.-Psych. B zum Sachverständigen bestellt. Unter dem 23. Oktober 2003 teilte der Sachverständige mit, der Kläger habe bereits zum vierten Mal einer Einladung zur Untersuchung nicht Folge geleistet und sich mit gesundheitlichen Gründen entschuldigt. Er habe angegeben, unter verschiedenen unfallbedingten psychischen Erkrankungen zu leiden, die es ihm nicht möglich machten, sich beim Gutachter in Berlin vorzustellen. Bei seinen Fahrradtouren (etwa 500 km die Woche, 140 km zur Begutachtung durch die Rentenversicherung) sei er am 10. Oktober 2002 von einem Auto gestreift worden. Er habe eine Retraumatisierung, eine Knieverletzung, einen Muskelfaserriss und eine Thrombose erlitten. Das Sozialgericht beauftragte Herrn B daraufhin mit einem Gutachten nach Aktenlage vom 15. März 2004. Im Ergebnis führte er aus, es bestehe eine spezifische Phobie und eine narzisstisch akzentuierte Persönlichkeit. Keine dieser Gesundheitsstörungen sei mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen.

Mit Urteil vom 28. Oktober 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, weder Frau Dr. F noch der Dipl.-Psych. B, noch der Gerichtssachverständige B seien von einer posttraumatischen Belastungsstörung ausgegangen. Der Unfall selbst habe keinen größeren Gesundheitsschaden verursacht. Es sei daher unwahrscheinlich, dass dieser eher alltägliche Verkehrsunfall den Kläger in psychische Traumata gestürzt habe, die nicht innerhalb eines halben Jahres hätten überwunden seien müssen. Dies belege, dass einschneidende persönliche Erlebnisse die durch den Unfall ausgelösten Beschwerden unterhalten hätten. Hier sei die Ehescheidung zu nennen, ebenso wie der Umzug von A nach B zum pflegebedürftigen Vater. Hinzukomme die jahrelange als Überlastung empfundene Tätigkeit als Berufskraftfahrer sowie die durch die Trennung von Frau und Familie entfallene Motivation, unter den ungünstigen Arbeitsbedingungen als Kraftfahrer weiter zu arbeiten.

Gegen das ihm am 14. Dezember 2004 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung vom 03. Januar 2005. Die Schwere des Unfallereignisses sei verkannt worden, insbesondere weil er bereits vorher Verkehrsunfälle erlitten habe. Die Korrelation zwischen der Schwere eines Traumas und der entstehenden psychischen Störung sei gering. In der Klinik am R sei eine Fahrphobie objektiviert worden. Wie groß seine Abneigung gegen geschlossene Fahrzeuge sei, zeigten die ausgedehnten Fahrradtouren.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 28. Oktober 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit ab 14. Mai 2002 Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf den Inhalt ihrer Bescheide, die von ihr eingeholten Gutachten sowie das vom Gericht eingeholte Gutachten des Dr. M.

Das Landessozialgericht hat eine erneute Auskunft der Verkehrspolizeiinspektion H vom 12. Mai 2005 zur Schwere des Unfalls eingeholt, in welcher die der Beklagten gegebene Auskunft bestätigt wurde.

Im Befundbericht vom 21. Februar 2006 führte die Ärztin für Innere Medizin J aus, der Kläger habe angegeben, im Oktober 2004 auf dem Fahrrad erneut von einem Auto angefahren worden zu sein. Seitdem bestünden wieder Ängste.

Mit Beweisanordnung vom 12. September 2006 wurde der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M mit der Erstattung eines nervenärztlichen Fachgutachtens beauftragt.

In seinem Gutachten vom 26. Februar 2007 (Datum der Begutachtung) führte er im Ergebnis aus, die Arbeitsunfähigkeit nach Entlassung aus der Klinik am R sei nicht als Unfallfolge anzusehen, eine MdE sei nicht festzustellen, da psychische Unfallfolgen nicht vorlägen. Im Gegensatz zum Abschlussbericht der Klinik am R bejahe er allerdings das Vorliegen einer PTBS, konkrete klinische Erscheinungen seien damit aber nicht verbunden, was in der Klinik am R zur Formulierung der Verdachtsdiagnose geführt habe. Er halte es für richtiger, die Diagnose anzuführen, ihr aber keine klinischen Gesundheitsstörungen zuzuweisen. Außerdem bestünden die phobischen Ängste, zunächst in Form der Klaustrophobie, nun auch in Form einer Agoraphobie. Die Ängste seien zwar unspezifisch, könnten aber trotzdem Folge des Unfalls sein. Im Übrigen seien die sonstigen Lebensumstände für das Hervorbringen solcher Ängste aber mindestens ebenso geeignet. Zum Zeitpunkt des Unfalls habe eine psychosoziale Risikosituation bestanden, die nur eines geringen Anstoßes bedurft habe, um zu dekompensieren. Die komplette Veränderung der Lebenssituation wenige Monate vor dem Unfall (Umzug von Westdeutschland in das Elternhaus nach B, Scheidung von der Ehefrau, belastende Umstände im Haus mit dem kranken Vater und die unmittelbar nach dem Unfall einsetzenden Streitigkeiten mit dem Arbeitgeber) hätten die Vulnerabilität (psychische Verletzbarkeit) des Klägers erhöht und insofern als unfallfremder Mechanismus an der Entstehung der Unfallfolgen mitgewirkt. Darüber hinaus seien diese aber nicht gravierend, fassbare Unfallfolgen ergäben sich nicht, die MdE betrage Null. Die Wegefähigkeit für öffentliche Verkehrsmittel und Individualverkehr sei in ihrer Kernkompetenz erhalten. So habe sich der Kläger zur Begutachtung mit dem Pkw bringen lassen. Für die phobischen Ängste habe der Unfall den Stellenwert als Auslöser im Sinne einer Gelegenheitsursache.

Auf Antrag des Klägers hat das Landessozialgericht ein Fachgutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. F eingeholt. Dieser hat unter dem 31. März 2008 ausgeführt, es läge ein komplexes posttraumatisches Belastungssyndrom vor, daneben eine generalisierte Angsterkrankung mit spezifischen Phobien, eine Anpassungsstörung, eine Persönlichkeitsveränderung sowie eine Migräne mit auffälligem Hirnsstrombild in Form von Supkortexzeichen. Der Unfall vom 14. November 2000 sei auf ein so genanntes traumatisiertes vorbereitetes Netz im ZNS aufgrund der vorangegangenen Unfälle gefallen, habe als Teilursache eine Retraumatisierung hervorgerufen und zu einer wesentlichen Verschlimmerung der damals verdrängten und unbewussten tiefenpsychologischen Problematik geführt. Außerdem müsse von einem Schädelhirntrauma ersten Grades ausgegangen werden. Die Psychotraumatologie sei aus neurologischer Sicht bisher unterrepräsentiert, die soziale Konfliktsituation zu sehr verdeutlicht und überinterpretiert. Die MdE betrage 20 v. H.

In der dazu eingeholten nervenärztlichen Stellungnahme vom 10. Juni 2008 hat Dr. M an seiner Auffassung festgehalten.

Der Senat hat wegen der weiteren geltend gemachten Unfälle in den Jahren von 1989 – 1996 bei der AOK R (Auskunft vom 6. März 2009) und der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L (Auskunft vom 23. Dezember 2008) ermittelt. Hinweise auf die behaupteten Unfälle ergaben sich nicht. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 12. August 2009 weitere Unterlagen vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung und der Rechtsausführungen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten Bezug genommen. Diese haben im Termin vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet, da der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente ab dem 14. Mai 2002 nach einer MdE von 20 v. H. hat, weil nach dem Zeitpunkt der Entlassung aus der Klinik am R keine Unfallfolgen mehr vorlagen.

Nach § 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Siebtes Buch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf Rente. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist es erforderlich, dass sowohl zwischen der unfallbringenden Tätigkeit und dem Unfallereignis als auch zwischen dem Unfallereignis und der Gesundheitsschädigung ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, der Arbeitsunfall und die Gesundheitsschädigung im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung für die Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (BSG SozR Nr. 41 zu § 128 Sozialgesetzbuch - SGG -; BSG SozR Nr. 20 zu § 542 Reichsversicherungsordnung - RVO - a. F.; BSGE 19, 52, 56; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 67, Urteil vom 02. Mai 2001, Az.: B 2 U 16/00, SozR 3-2200 § 551 RVO Nr. 16). Eine solche Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn nach vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Faktoren ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass die richterliche Überzeugung hierauf gestützt werden kann (vgl. BSGE 19, 52; 32, 203, 209, 45, 285, 287: BSG, Urteil vom 06. April 1989, Az.: 2 RU 69/87, zitiert nach juris). Als wesentliche Teilursache im Sinne der im Sozialrecht herrschenden Theorie von der wesentlichen Bedingung kann eine solche im Rahmen des Vollbeweises festzustellende Ursache nur dann in Betracht kommen, wenn diese nach der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens als wesentlich angesehen werden muss (so schon BSGE 1, 72, 76; 1, 150; 13, 175).

Danach steht für den Senat fest, dass vorliegend zumindest keine PTBS in rentenberechtigendem Grade beim Kläger vorliegt und auch die phobischen Ängste im Sinne einer Klaustrophobie und Agoraphobie nicht über den Zeitpunkt der Entlassung aus der Klinik am R hinaus ihre wesentliche Teilursache mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Unfallgeschehen vom 14. November 2000 haben.

Nach den im Ergebnis überzeugenden Gutachten der Frau Dr. F und des Herrn Dr. M steht für den Senat fest, dass zwar formal die Kriterien der Bejahung einer PTBS vorliegen, diese aber keine klinischen Auswirkungen zeigt. Dabei kann dahinstehen, ob es medizinisch eher zutreffend ist, so vorzugehen wie die Ärzte der Klinik am R, die bei Nichtvorliegen klinischer Anzeichen die PTBS als Verdachtsdiagnose diagnostiziert haben, oder ob Dr. M zuzustimmen ist, der eine klinisch stumme PTBS festgestellt hat, während Dr. F eine solche nicht festgestellt hat. Denn entscheidend für die Gewährung einer Verletztenrente ist nicht die Feststellung einer bestimmten Diagnose, sondern damit zusammenhängender Funktionsbeeinträchtigungen. Klinische Beeinträchtigungen konnten aber weder von Frau Dr. F noch von Herrn Dr. M festgestellt werden. Letzterer hat überzeugend ausgeführt, dass zumindest zum Zeitpunkt der Untersuchung die Wegekompetenz noch erhalten war. So hat auch Frau Dipl.-Psych. W schon zu Beginn ihrer Behandlung ausgeführt, dass der Kläger es schaffe, öffentliche Verkehrsmittel wie Bus und Zug zu benutzen, um anzureisen. Daneben benutzte er schon während der Phase der Behandlung in der Klinik am R ein Motorrad im öffentlichen Straßenverkehr.

Zu Recht hat Frau Dr. F schon im Widerspruchsverfahren zu den Einwänden der Frau Dipl.-Psych. W ausgeführt, dass der Kläger auch nach eigenen Angaben keine Angst vor Lkws habe, da er mit dem Motorrad als ungeschützter Zweiradfahrer zwischen diesen hindurch fahre, wie dies auch Dr. Dr. W und Dipl.-Psych. B beschrieben haben, sich aber vor der Enge der Kabine im Lkw fürchte, wenn er darin schlafen müsse. Dies stimmt auch mit den vom Kläger zuerst geklagten Beschwerden überein, als er direkt nach dem Unfall auf dem Betriebshof im Lkw übernachten sollte oder wollte. Dies spricht überzeugend gegen das Vorliegen eine PTBS.

Ebenso überzeugend war es für den Senat, dass der Unfall durchaus die Qualität eines auslösenden Faktors für die klinisch festzustellenden klaustrophobischen und agoraphobischen Ängste hatte. Dies folgern Dr. F und Dr. M nachvollziehbar aus dem zeitlichen Zusammenhang des Auftretens der Beschwerden. Allerdings haben beide überzeugend darauf hingewiesen, dass beim Kläger weitere einschneidende Ereignisse stattgefunden haben, die bei der Beurteilung des Vorliegens der Folgen einer PTBS oder auch weiterer Ängste nicht außer Betracht gelassen werden dürfen. So ist mit der Scheidung von der Ehefrau und der Trennung von der Familie nach den Angaben des Klägers die Motivation entfallen, unter ungünstigen Bedingungen 70 - 80 Stunden in der Woche Lkw zu fahren, um den Lebensstandard der Familie aufrecht zu erhalten. Dies ist auch für den Senat ohne weiteres nachvollziehbar und wurde auch von Frau Dipl.-Psych. W in ihren Stellungnahmen zu den Leiden des Klägers immer wieder in den Vordergrund gerückt. So überzeugend dieser Sachverhalt nach den Darlegungen der Gutachter und der behandelnden Dipl.-Psych. W ist, so wenig kann er mit dem Unfallereignis in einen hinreichend wahrscheinlichen Ursachenzusammenhang gebracht werden. Zwar mag der Unfall mit dem Lkw ein Auslöser dafür gewesen sein, dass eine weitere Motivation für das Fahren mit dem Lkw nicht bestand und so die Ängste vor dem Übernachten in der kleinen Kabine in den Vordergrund rückten. Damit zeigt sich aber, dass die wesentliche Ursache der Ängste nicht der Unfall war, sondern die durch die Trennung von der Familie entfallene Motivation, diese zu überwinden, was dem Kläger im Übrigen ja seit 1993 gelungen war.

Damit steht fest, dass die noch bestehenden klaustrophobischen und agoraphobischen Ängste von unfallfremden Motiven unterhalten werden, auch wenn sie von dem Unfall ausgelöst worden sind.

Im Ergebnis ergibt sich auch nichts anderes aus dem Gutachten des Dr. F. Auch dieser vermochte die jetzt noch bestehende psychiatrische Störung des Klägers, die er immerhin mit einer MdE von 20 v. H. bewertet hat, nicht allein auf das Unfallereignis vom 14. November 2000 zu beziehen. Er hat insoweit ausgeführt, dass dieser Unfall auf ein so genanntes traumatisiertes vorbereitetes Netz im zentralen Nervensystem gefallen sei, das durch die vorangegangenen Unfälle geschaffen worden sei. Dieser Argumentation ist schon rechtlich die Grundlage entzogen. Denn auch Anknüpfungstatsachen, die zur Bejahung eines Ursachenzusammenhanges i. S. der Kausalitätstheorie von der wesentlichen Bedingung herangezogen werden sollen, bedürfen des Nachweises i. S. des Vollbeweises. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, wie für den Ursachenzusammenhang selbst, ist nicht ausreichend (vgl. BSG, Beschluss vom 23. September 1997, Az.: 2 BU 194/97) zitiert nach juris). Vorliegend haben sich aber weder weitere Unfälle noch darauf beruhende Gesundheitsstörungen feststellen lassen.

Der Beklagten und dem Gericht ist es trotz Ermittlungen nicht gelungen, weitere Unfälle zu ermitteln. Aus den vielfältig beigezogenen Unterlagen der behandelnden Ärzte und auch aus dem Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse, das für die Zeit seit August 1995 vorliegt und daher die Unfälle spätestens ab dem angegebenen Unfall in F abdecken müsste, ergeben sich keine Aufzeichnungen über ärztliche Behandlungen wegen dieser Unfälle. Die Richtigkeit der Angaben zu den Unfallgeschehen unterstellt, kann der Senat daraus nur den Schluss ziehen, dass damals gravierende Gesundheitsschäden, die ärztlicher Behandlung bedurft hätten, nicht vorgelegen haben, worauf es nur ankäme, wenn diese Unfälle überhaupt versichert gewesen wären. Hat ein Unfall aber nicht einmal eine gesundheitliche Folge, so erscheint es wenig nachvollziehbar, wenn Dr. F aus diesen Fakten ein so genanntes traumatisiertes vorbereitetes Netz im ZNS konstruiert. Einer solchen These hat im Übrigen Dr. M in seiner nervenärztlichen Stellungnahme vom 10. Juni 2008 widersprochen. Darüber hinaus steht wegen verschiedener Angaben des Klägers die Anzahl dieser nur behaupteten Unfälle nicht fest. Soweit der Kläger von zwei Privatunfällen mit Totalschaden im Pkw berichtet hat, haben diese bei der hier anzustellenden Kausalitätsbetrachtung außer Betracht zu bleiben.

Überzeugungskraft fehlt dem Gutachten des Dr. F auch deshalb, weil er sich mit den schwerwiegenden übrigen Einschnitten in das Leben des Klägers neben dem Unfallgeschehen als Krankheitsursache nicht beschäftigt hat. Insoweit ist es wenig überzeugend, wenn er in seinem Gutachten in einem Satz schreibt, die Scheidung von der Ehefrau und die entfallene Motivation für die Tätigkeit als Lkw-Fahrer für die nun vorliegenden Beschwerden seien überinterpretiert. Genau das Gegenteil ergibt sich bereits aus den Darlegungen der behandelnden Dipl.-Psych. W, auf die Dr. Fischer sich aber des Öfteren bezieht. Denn diese hatte gerade die Arbeitsbedingungen als Lkw-Fahrer, die der Kläger meiden wolle, als Hauptursache der aus ihrer Sicht zu Recht bestehenden Ängste herausgearbeitet. Dr. F bleibt insoweit unschlüssig, wenn er von einer Überinterpretation der privaten Ereignisse spricht, sich zum Beweis aber auf Frau Dipl.-Psych. W bezieht, die zwar formal ebenfalls eine PTBS bejaht hat, aber im Übrigen die Angst des Klägers vor dem Übernachten im Lkw im Rahmen der schweren Arbeitsbedingungen in den Vordergrund gestellt hat.

Nach alledem stand für den Senat fest, dass eine unfallbedingte MdE aufgrund des versicherten Ereignisses vom 14. November 2000 nicht festzustellen war.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorlagen.