Gericht | FG Berlin-Brandenburg 10. Senat | Entscheidungsdatum | 16.12.2010 | |
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Aktenzeichen | 10 K 10283/08 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Die Klägerin ist ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform einer GbR mit mehr als 50 Beteiligten, die mit einem im Jahr 1990 fertig gestellten Mehrfamilienhaus in G Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Sinne von § 21 Einkommensteuergesetz erzielt. Der Gesellschaft sind noch während der Herstellungsphase vier Beteiligte beigetreten, die neben der anteiligen Abschreibung aus der gemeinsamen Überschussbeteiligung zusätzliche Anschaffungskosten nach § 14a Abs.1 BerlinFG geltend machen konnten. Die im Rahmen einer Betriebsprüfung im Jahr 1991 ermittelten Abschreibungen betragen im Jahr der Herstellung und im Folgejahr 10%, reduzieren sich in den folgenden 10 Jahren auf 3 % und sind ab dem 13. Jahr nach dem Restwert zu bemessen. Die Umstellung auf den Restwert ist seitens der Klägerin für die Jahre 2002 bis 2006 unterblieben, so dass weiterhin 3 % der zusätzlichen Anschaffungskosten als Mehrabschreibung erklärt wurden. Eine Änderung seitens des Beklagten im Rahmen der Veranlagung erfolgte nicht.
Ein weiterer Anteil über nominell 30.000 DM wurde mit Wirkung zum 1. Januar 1995 vom Beteiligten H auf den Zweiterwerber F übertragen. Die Klägerin ermittelte unter Berücksichtigung des vereinbarten Kaufpreises und der übernommenen Verbindlichkeiten Anschaffungskosten in Höhe von 86.711 DM für den Erwerber und bei einem Abschreibungssatz von 2% auf die Gebäudeanschaffungskosten eine Minderabschreibung in Höhe von 519 DM für das Jahr 1995. Im Rahmen der Veranlagung wurde keine Veränderung vorgenommen. Der Bescheid vom 9. April 1998 enthält jedoch folgenden Vorläufigkeitsvermerk: „Die Feststellung erfolgt gemäß § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Sie ist vorläufig im Hinblick auf die noch ausstehende Entscheidung der Senatorin für Finanzen (schriftliche Anfrage vom … betreffend Aufteilung des Mehrpreises auf Grund und Boden sowie Gebäude bei Gesellschafterwechsel bei geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform von Gesellschaften bürgerlichen Rechts mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung) hinsichtlich der aufgrund der Anteilserwerbe erklärten Sonderwerbungskosten (Mehr –AfA bzw. Minder –AfA).
In der Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für das Jahr 1997 wurde die Minderabschreibung für den Beteiligten F in der Weise geändert, dass die Abschreibung auf die Restnutzungsdauer des Gebäudes verteilt, hierbei auf den Zeitpunkt der Vollabschreibung für die übrigen Beteiligten abgestellt (Erhöhung des Abschreibungssatzes auf 2,3%) und mithin eine einheitliche Nutzungsdauer für alle Beteiligten berücksichtigt wurde. Das ergab nunmehr für den Zweiterwerber F eine Minderabschreibung in Höhe von 338 DM bzw. 173 € ab dem Jahr 2002. Auch insoweit erfolgte seitens des Beklagten keine Änderung.
Sämtliche Veranlagungen ab dem Jahr 2000 erfolgten jedoch wie folgt vorläufig: „Der Bescheid ist nach § 165 Abs.1 Abgabenordnung teilweise vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, und zwar soweit es die vorzunehmende Aufteilung des Mehrpreises auf Grund und Boden und Gebäude im Falle eines Gesellschafterwechsels bei geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung betrifft, hinsichtlich der aufgrund der Anteilserwerbe erklärten Sonderwerbungskosten (Mehr-/ Minder AfA). Insoweit besteht Übereinstimmung, dass der Ausgang des hierzu anhängigen Musterverfahrens zunächst abgewartet werden soll.“ (Anlage zum Feststellungsbescheid 2000).
Nach Eingang der Feststellungserklärung 1999 holte der Beklagte beim Finanzamt I Auskünfte wegen der Aufteilung der Kaufpreise auf Gebäude und Grund und Boden ein, nahm eine hierauf beruhende Aufteilung des Kaufpreises auf das Gebäude und den Grund und Boden im sogenannten vereinfachten Verfahren vor, stellte dementsprechend mit Bescheid vom 12. Juni 2001 im Rahmen der Sonderwerbungskosten für den Beteiligten F eine Minderabschreibung von 767 DM fest und verwies zur Ermittlung auf die Anlagen zum Feststellungsbescheid. Entsprechend den Erläuterungen in den Anlagen erließ der Beklagte weiter – ebenfalls am 12. Juni 2001 - geänderte Feststellungsbescheide für die Jahre 1995 bis 1998 und stellte für den Beteiligten F für 1995 eine Minderabschreibung in Höhe von 780 DM und für die Jahre 1996 bis 1998 in Höhe von 767 DM fest. Mit dem gegen die geänderten Feststellungsbescheide eingelegten Einspruch beantragte der Bevollmächtigte die Berücksichtigung einer Mehrabschreibung für den Beteiligten F, die analog aus den Regelungen für Gesellschafterwechsel bei Mitunternehmerschaften hergeleitet wurde. Dabei sollten die Buchwertansätze für die Vermögensgegenstände der Gesellschaft zum Zeitpunkt des Erwerbs für den eintretenden Gesellschafter fortgeführt und nur für den übersteigenden Mehrpreis sinngemäß eine Ergänzungsbilanz erstellt werden, in der dieser wegen vorhandener stiller Reserven auf Grund und Boden einerseits und das Gebäude andererseits aufzuteilen wäre. Materiell sollte aus Sicht der Klägerin damit erreicht werden, dass die hohen Abschreibungen der „Gesamthandsbilanz“ für den eintretenden Gesellschafter erhalten bleiben und für den das „steuerliche Kapitalkonto“ übersteigenden Kaufpreisanteil eine gesonderte zusätzliche Abschreibung ermittelt wird. Der Beklagte hat im Einverständnis mit dem Bevollmächtigten das Ruhen des Rechtsbehelfsverfahrens angenommen, bis „über das in gleicher Sache anhängige Rechtsbehelfsverfahren der J Immobilienfonds GbR wegen Einkünftefeststellung 1999 entschieden ist.“.
Für den J Immobilienfonds wurde ein Musterverfahren 10 K 5086/04 B vor dem Finanzgericht Berlin betrieben. Bei den übrigen Fondsgesellschaften wurde diese Abschreibungsvariante in den Erklärungen nicht angewandt. Nach dem Vorbringen der Klägerin sollten bei erfolgreicher Klage im Musterverfahren über den Vorläufigkeitsvermerk entsprechende Änderungen der Feststellungen bewirkt werden können und im Falle der Klageabweisung sollte es bei den bisherigen Feststellungen bleiben. Die Geschäftsbesorgerin der Fondsgesellschaften konnte sich im Musterverfahren mit ihrer Auffassung nicht durchsetzen. Insoweit wird auf das Urteil des Senats vom 11. Oktober 2007 im Verfahren 10 K 5086/04 Bezug genommen.
Der Beklagte nahm das ruhende Rechtsbehelfsverfahren der Klägerin für die Jahre 1995 bis 1999 wegen der Erhöhung der Mehrabschreibung des Gesellschafters F mit Schreiben vom 28. März 2008 wieder auf und teilte unter Verweis auf § 367 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) mit, dass er die angefochtenen Bescheide zum Nachteil zu ändern gedenke, weil die Minderabschreibung unzutreffend berücksichtigt sei. Gleichzeitig kündigte der Beklagte die entsprechende Änderung der Feststellungsbescheide für die Jahre 2000 bis 2006 an. Die Klägerin nahm die Einsprüche für die Jahre 1995 bis 1999 hierauf zurück.
Der Beklagte erließ unter dem 10. April 2008 nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2000 bis 2006, wobei er bei den Beteiligten B (15), C (16), D (17) und E (46) ab dem Jahr 2002 den Fehler aus der Erstveranlagung wegen der zusätzlichen Abschreibung nach § 14a BerlinFG beseitigte und auf die Restwertabschreibung umstellte. Für den Beteiligten F (42) wurden die Anschaffungskosten - wie schon bei den Änderungsbescheiden für die Vorjahre - neu ermittelt und der Prozentsatz der Abschreibungen herabgesetzt. Den dagegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 17. Juni 2008 als unbegründet zurück.
Die Klägerin macht geltend, es bestünden schon Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit des Vorläufigkeitsvermerks, so dass dieser bereits infolge dieses Mangels nichtig sei. Jedenfalls habe sie nach der Formulierung nicht davon ausgehen können, dass sowohl die absolute Höhe der gesamten Anschaffungskosten als auch deren neue Aufteilung und vor allem der Abschreibungsprozentsatz geändert werden könnten. Der Beklagte habe sich lediglich die Aufteilung eines Mehrpreises mit einer möglichen Auswirkung auf die Abschreibung vorbehalten wollen. Da hier - wie in allen anderen Fällen der Fondsgesellschaften - gar kein Mehrpreis ermittelt und in die Bemessung der Mehr- oder Minderabschreibungen eingeflossen sei, gehe diese Bestimmung des Vorläufigkeitsvermerks aus ihrer Sicht ins Leere, wenn damit Änderungen zu ihren Lasten vorbehalten werden sollten. Damit könne schon gar nicht die Möglichkeit zur Beseitigung der fehlerhaften Veranlagung im Falle der Abschreibungen gemäß § 14 a BerlinFG eröffnet werden. Die Änderung sei im Übrigen auch aus anderen Gründen unzulässig. Eine vorläufige Festsetzung sei nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO nur zulässig, soweit ungewiss ist, ob der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Zweifel bei der Auslegung des Steuergesetzes reichten nach dem BFH-Beschluss vom 8. Juli 1998 (I B 111/97) nicht aus. Demgemäß könne eine Steuerfestsetzung nur im Hinblick auf ungewisse Tatsachen, nicht aber im Hinblick auf die steuerliche Beurteilung von Tatsachen vorläufig erklärt werden (BFH vom 24. April 1985- IV R 64/83). Gerade aber die rechtliche Würdigung des Sachverhalts habe sich der Beklagte vorbehalten wollen. Das belege bereits der Verweis auf eine erwartete Entscheidung der Senatorin für Finanzen sowie das Musterverfahren vor dem Finanzgericht. Im letzteren sei es ausschließlich um die steuerrechtliche Beurteilung der Abschreibungsmethode beim Gesellschafterwechsel in einem geschlossenen Immobilienfonds, der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, gegangen. Weder der Senatsentscheidung noch dem Urteil des Finanzgerichts im Musterverfahren hätten neue Tatsachenermittlungen zu Grunde gelegen. Vielmehr sei es lediglich darum gegangen, welche steuerrechtlichen Folgen aus den bereits ermittelten Tatsachen zu ziehen waren. Dass im vorliegenden Fall keine Ungewissheit über Tatsachen bestand, werde auch dadurch offenbar, dass keine Maßnahmen zur weiteren Aufklärung solcher ungewisser Tatschen vorgenommen worden seien, die nicht schon bei der Veranlagung möglich gewesen wären. Es sei auch nicht erkennbar, welche Umstände die Beseitigung einer Ungewissheit bewirkt haben könnten. Der Vorläufigkeitsvermerk in den Ursprungsbescheiden sei daher eindeutig unzulässig. Auch wenn die zumindest rechtswidrigen Bescheide nicht angefochten wurden, dürften diese weder zu Gunsten noch zu Ungunsten des Steuerpflichtigen geändert werden, wenn sich die Ungewissheit ausschließlich auf bloße Rechtsungewissheit bezieht (BFH vom 24. April 1985). Der Beklagte habe nicht erklärt, welche ungewissen Tatsachen er noch einer weiteren Prüfung unterziehen wollte. Die Aufteilung eines feststehenden Mehrpreises auf Grund und Boden sowie Gebäude stelle keine ungewisse Tatsache dar, sondern sei rechnerisch nach dem Verhältnis der jeweiligen Verkehrswerte vorzunehmen. Selbst wenn man die Formulierung des Vorläufigkeitsvermerks dahingehend auslege, dass damit die Ungewissheit der Verkehrswerte gemeint sein sollte, ginge dieser Grund ins Leere. Denn die Verkehrswerte hätten ohne jede weitere Ermittlung jederzeit festgestellt werden können. Es hätten in dem vom Beklagten angewandten vereinfachten Verfahren auch keine weiteren Ermittlungen stattgefunden. Die Unsicherheit des Beklagten habe sich allein auf die Frage bezogen, ob der Erwerber von Gesellschaftsanteilen eines Immobilienfonds mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die Buchwerte des Veräußerers und die Abschreibungen fortsetzen kann und nur für einen ggf. über die Buchwerte hinaus gezahlten Mehrpreis eine Aufteilung vorzunehmen sei, aus der sich entsprechende zusätzliche Abschreibungsbeträge ergeben würden. Allein hierüber sei die Senatsverwaltung um Auskunft ersucht und das Finanzgericht angerufen worden. Die Begründung eines Vorläufigkeitsvermerks gemäß § 165 Abs.1 Satz 1 AO mit einer ungewissen Rechtsfrage sei nach dem Gesetzeswortlaut unzulässig und der Vorläufigkeitsvermerk des Beklagten daher rechtswidrig. Den Umfang und damit den quantitativen Rahmen der Vorläufigkeit habe der Beklagte dagegen zutreffend und ausreichend formuliert. Er beziehe sich auf die Höhe von Mehr- oder Minderabschreibungen von Anteilserwerbern in Fällen, in denen Mehrpreise gegenüber Buchwerten ermittelt und aufgeteilt würden. Diese Einschränkung sei vom Beklagten ausdrücklich festgestellt und von ihr – der Klägerin – auch so verstanden und gewollt worden. Es seien in den vorliegenden Fällen aber keine Mehrpreise ermittelt worden. Damit gehe die vom Beklagten bestimmte Vorläufigkeit auch hinsichtlich des Umfangs ins Leere und Änderungen seien selbst bei Wirksamkeit des Vorläufigkeitsvermerks ausgeschlossen. Die vom Beklagten vorgenommene Ausdehnung der Änderung auf nicht vom Vorläufigkeitsvermerk gedeckte Fehler bei der Erstveranlagung durch Hinweis auf BFH - IV R 48/97 sei weder durch das Gesetz noch durch Rechtsprechung begründet. Die Möglichkeit der Fehlerberichtigung bei Änderungsbescheiden aufgrund § 165 Abs. 2 AO sei durch § 177 Abs. 4 AO ausdrücklich ausgeschlossen. Aber auch eine nach § 177 AO zulässige Korrektur finde ihre Grenze im Änderungsrahmen, die weder zu Gunsten noch zu Lasten des Steuerpflichtigen überschritten werden könne. Eine darüber hinausgehende zusätzliche Verböserung sei auch nicht durch § 177 AO gedeckt. Das vom Beklagten zitierte Urteil lasse auch nur die sonst übliche Saldierung innerhalb dieses Rahmens zu.
Die Klägerin beantragt,
die geänderten Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2000 – 2006 vom 10. April 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Juni 2008 aufzuheben und die ursprünglichen Bescheide für endgültig zu erklären
sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären und
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Vorläufigkeitsvermerk sei nach Grund und Umfang ausreichend bestimmt (BFH vom 12. Juli 2007 X R 22/05). Der Steuerpflichtige solle wissen, welche Umstände der endgültigen Festsetzung entgegenstehen und hinsichtlich welcher als ungewiss betrachteten Tatsachen sich das Finanzamt eine weitere Prüfung vorbehalte. Diesen Ansprüchen genüge der jeweils in den Anlagen zu den Ursprungsbescheiden angebrachte Vorläufigkeitsvermerk. Die noch nicht abschließende Prüfung der vorzunehmenden Aufteilung des Mehrpreises auf Grund und Boden und Gebäude stelle den Grund der Vorläufigkeit dar, während die Ermittlung der aufgrund der Anteilserwerbe erklärten Sonderwerbungskosten (Mehr-/Minder-AfA) den Umfang bezeichneten. Der Vorläufigkeitsvermerk umfasse dabei im Rahmen der Übertragung des Anteils auf den Zweiterwerber F auch die Aufteilung der Anschaffungskosten des Erwerbers auf den Grund und Boden und das Gebäude, da diese Aufteilung Grundlage für die AfA und mithin auch für die Mehr-/Minder AfA sei. Mit dem Vorläufigkeitsvermerk habe sich das Finanzamt auch die genauere Überprüfung des Aufteilungsmaßstabs vorbehalten wollen. Dies müsse der Klägerin bewusst gewesen sein. Da die vorläufigen Bescheide bereits geändert seien, könne sich die Klägerin nicht mehr auf die Rechtswidrigkeit der Vorläufigkeit berufen (FG Sachsen Anhalt v. 15. September 2008 1 V 1704/07, TK Rz. 25 zu § 165). Im Zusammenhang mit der Änderung nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO seien auch solche Fehler zu berichtigen, die nicht mit dem Grund der Vorläufigkeit in Zusammenhang stünden (AEAO zu § 165 Nr. 6). Im Rahmen der geänderten Feststellung seien – wie auch in allen anderen Fällen der Korrektur von Steuerbescheiden – Fehler, die bei der ursprünglichen vorläufigen Steuerfestsetzung unterlaufen sind, zu berichtigen (BFH v. 2.3.2000 VI R 48/97). Da für die Jahre ab 2002 gemäß den Feststellungen der Betriebsprüfung (Bericht vom 20. Dezember 1991) eine Änderung bzgl. des Abschreibungsprozentsatzes zu erfolgen hatte, sei dies im Rahmen der Änderung nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO berichtigt worden. Auch ohne Rückgriff auf § 177 AO seien die Änderungen ab 2002 vom Umfang und Grund des Vorläufigkeitsvermerks erfasst.
Die Klage ist unbegründet.
Die geänderten Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2000 bis 2006 vom 10. April 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Juni 2008 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin bzw. die Beigeladenen nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung –FGO-). Die geänderten Feststellungen sind durch die zwar rechtwidrigen, aber bestandskräftigen Vorläufigkeitsvermerke gedeckt.
Nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde die Steuerfestsetzung aufheben oder ändern, soweit sie eine Steuer vorläufig festgesetzt hat. Eine Steuer kann nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO vorläufig festgesetzt werden, soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für ihre Entstehung eingetreten sind. Die Regelung gilt sinngemäß auch für Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO). Umfang und Grund der Vorläufigkeit sind anzugeben (§ 165 Abs. 1 Satz 3 AO). Regelmäßig werden Grund und Umfang der Vorläufigkeit dadurch angegeben, dass eine einzelne Besteuerungsgrundlage als ungewiss gekennzeichnet wird. Die materielle Bestandkraft des Bescheides bleibt in diesem Umfang (zunächst) offen. Für die Rechtswirksamkeit reicht es aus, dass die Nebenbestimmung hinreichend bestimmt ist. Soweit das Finanzamt eine Steuer vorläufig festgesetzt hat, kann sie die Festsetzung gemäß § 165 Abs. 2 Satz 1 AO aufheben oder ändern.
Die Ungewissheit im Sinne von § 165 Abs.1 Satz 1 AO muss sich auf Tatsachen beziehen. Eine Unsicherheit in der steuerrechtlichen Beurteilung eines feststehenden Sachverhalts rechtfertigt die Anordnung der Vorläufigkeit nicht (BFH, Urteil vom 4. September 2008 IV R 1/07, BStBl. II 2009, 335 m.w.N.).
Hiernach war der Beklagte nicht befugt, die Feststellungsbescheide allein wegen der ausstehenden steuerrechtlichen Klärung der Frage der Ermittlung der Abschreibungen beim Gesellschafterwechsel eines geschlossenen Immobilienfonds mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung insoweit vorläufig zu erlassen. Die unzulässige Beifügung des Vorläufigkeitsvermerks steht der auf § 165 Abs. 2 Satz 1 AO gestützten Änderung der bestandskräftigen Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2000 bis 2006 jedoch nicht entgegen.
Hat das Finanzamt eine Steuer nach § 165 Abs.1 AO vorläufig festgesetzt, obwohl die in der Vorschrift vorausgesetzte Ungewissheit nicht besteht, ist der Bescheid nicht nichtig, sondern nur rechtswidrig, wenn sich der Umfang der Vorläufigkeit aus dem Wortlaut der Erläuterung oder den sonstigen Umständen ergibt und die Nebenbestimmung somit hinreichend bestimmt ist (§§ 119 Abs.1, 125 AO).
Vorliegend waren Grund und Umfang der Vorläufigkeit aus der Formulierung des Vermerks und den Umständen, die zur Anordnung für die streitigen Feststellungsbescheide führten, eindeutig ersichtlich.
§ 165 Abs. 1 Satz 3 verlangt, dass Grund und Umfang der Vorläufigkeit für den Steuerpflichtigen ausreichend erkennbar gemacht werden. Ein Vorläufigkeitsvermerk wird als unselbständige Nebenbestimmung zu einem Verwaltungsakt in gleicher Weise wie dieser selbst mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird (§§ 120, 122, 124 Abs. 1 AO). Das bedeutet, dass die Reichweite der Vorläufigkeit dem dafür im Bescheid angeführten Grund zu entnehmen oder aus sonstigen Umständen im Wege der Auslegung zu ermitteln ist. Dabei ist entscheidend, wie der Adressat den Vorläufigkeitsvermerk nach den ihm bekannten Umständen - seinem "objektiven Verständnishorizont" - unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (BFH, Urteil vom 16. September 2004 X R 22/01, BFH/NV 2005, 322 m.w.N.). Beide in § 165 Abs.1 Satz 3 AO genannte Umstände – Grund und Umfang -, zeigen die Grenze für eine endgültige Festsetzung. Bei der endgültigen Steuerfestsetzung können auch die von der tatsächlichen Ungewissheit nicht betroffenen, aber zunächst hingenommenen rechtlichen Fehlbeurteilungen geändert werden (BFH, Urteil vom 12. Juli 2007 X R 22/05, BStBl. II 2008, 2 m.w.N; Beschluss vom 24. Februar 2009 IX B 176/08, BFH/NV 2009, 889).
Grund der Vorläufigkeit war die zwischen den Beteiligten ungeklärte Frage, ob im Falle des Gesellschafterwechsels der neu eingetretene Gesellschafter die Abschreibungen des Rechtsvorgängers fortführt und eine Mehr- oder Minderabschreibung nur hinsichtlich des den Buchwert der Beteiligung über- oder unterschreitenden Kaufpreises zu ermitteln ist oder für die Mehr- oder Minderabschreibung des eintretenden Gesellschafters allein auf die Höhe der Anschaffungskosten und die entsprechende Aufteilung auf den Grund und Boden und das Gebäude abzustellen ist. Eine steuerrechtliche Klärung sollte ursprünglich durch ein Anfrage an die Senatorin für Finanzen und später durch das Musterverfahren vor dem Finanzgericht in beiderseitigem Einvernehmen abgewartet werden. Im Hinblick hierauf ist die Feststellung der aufgrund der Anteilserwerbe erklärten Mehr- bzw. Minderabschreibungen vollumfänglich – auch für die 1990 beigetretenen Gesellschafter - vorläufig ergangen. Insoweit konnte die Klägerin gerade nicht davon ausgehen, dass nach Klärung dieser Frage keine weitere Prüfung der erklärungsgemäß vorgenommenen Feststellungen der Sonderwerbungskosten beigetretener Gesellschafter mehr erfolgen würde. Das gilt umso mehr für die Höhe der Sonderwerbungskosten des Beteiligten F, da der Beklagte schon im Rahmen der zeitlich vorausgehenden geänderten Feststellungsbescheide für die Jahre 1995 bis 1999 vom 12. Juni 2001 die Aufteilung des Kaufpreises im sogenannten „vereinfachten Verfahren“ vorgenommen und insoweit Minderabschreibungen – abweichend von den Erklärungen und den ursprünglichen Feststellungen - ermittelt und festgestellt hatte. Die Klägerin musste hiernach wegen der vorläufigen Feststellung damit rechnen, dass der Beklagte nach Wegfall der rechtlichen Ungewissheit auch für die Folgejahre ab 2000 entsprechend verfahren würde.
Wird der vorläufige Bescheid – wie vorliegend - nicht angefochten, kann sich der Steuerpflichtige bei der Änderung aufgrund des Vorläufigkeitsvermerks nicht darauf berufen, dass der Vermerk rechtswidrig war (BFH, Urteile vom 22. August 2007 II R 44/05, BFH/NV 2007; vom 29. August 2001 VIII R 1/01, BFH/NV 2002, 465; vom 25. Juli 2000 IX R 93/97, BStBl. II 2001, 9; vom 7. Februar 1995 IX R 68/92, BFH/NV 1995, 939; vom 10. August 1994 II R 103/93, BStBl. II 1994, 951; vom 30. Juni 1994 V R 106/91, BFH/NV 1995, 466; vom 23. September 1992 X R 10/92, BStBl. II 1993, 338; vom 12. März 1992 V R 43/87, BFH/NV 1992, 703; vom 11. Dezember 1991 III R 59/89, BFH/NV 1992, 464; vom 12. März 1991 IX R 282/87, BFH/NV 1991, 506; Urteil vom 15. Juli 1987 X R 19/80, BStBl. II 1987, 746; Beschluss vom 5. Februar 1992 V B 60/91, BFH/NV 1992, 579).
Die bloße Rechtswidrigkeit der zu Unrecht mit einem Vorläufigkeitsvermerk versehenen, aber bestandskräftigen Steuerfestsetzung oder Feststellung der Besteuerungsgrundlagen steht einer späteren Änderung nach § 165 Abs. 2 AO grundsätzlich nicht entgegen (so auch Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Rz. 33 zu § 165 AO sowie Seer in Tipke/Kruse; Rz. 39 zu § 165 AO). Nach § 165 Abs.1 Satz 1 AO kann das Finanzamt eine Steuerfestsetzung aufheben oder ändern, soweit es die Steuer vorläufig festgesetzt hat. Dabei kommt es nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der vorläufigen Steuerfestsetzung nicht darauf an, ob und in welchem Umfang das Finanzamt die Vorläufigkeit aussprechen durfte oder musste. Maßgebend ist vielmehr, welchen Umfang der Vorläufigkeitsvermerk tatsächlich hat (BFH, Urteil vom 14. April 1999 XI R 24/96, BFH/NV 1999, 1438; weiter BFH, Urteile vom 26. Juli 2001 VI R 12/99, BStBl. II 2002, 84; vom 7. Februar 1995 IX R 68/92, BFH/NV 1995, 939; vom 30. Juni 1994 V R 106/91; vom 23. September 1992 X R 10/92; vom 12. März 1991, IX R 282/87 a.a.O.; vom 25. Oktober 1973 IV R 80/72, BStBl. II 1974, 142; FG Köln, Urteil vom 10. Januar 2006 9 K 3460/05, EFG 2006, 539; FG Berlin, Urteil vom 30. März 1989 IV 129/87, EFG 1989, 516). Die Bestandskraft hat zur Folge, dass zwar Einwendungen gegen die Wirksamkeit, nicht aber gegen die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Steuerfestsetzung erhoben werden können (BFH Urteil vom 16. September 2004 X R 22/01, BFH/NV 2005, 322).
Die anderslautende Rechtsprechung, wonach durch einen Bescheid, der allein im Hinblick auf (steuerrechtliche) Unklarheiten für vorläufig erklärt wurde, die Änderungsbefugnis der Finanzbehörde nicht über den gesetzlich vorgegebenen Rahmen hinaus erweitert werden kann, überzeugt nicht (BFH, Urteile vom 25. April 1985 IV R 64/83, BStBl. II 1985, 648 sowie Beschlüsse vom 8. Juli 1998 I B 111/97, BStBl. II 1998, 702; vom 9. Oktober 1991 II B 717, BFH/NV 1992, 719; FG Köln, Beschluss vom 6. Mai 1998 10 V 2394/98, EFG 1998, 1234; ebenso Bucieck in Beermann/Gosch; Rz. 104 zu § 165 AO; kritisch Rüsken in Klein, Rz. 39 zu § 165 AO). Ist der betreffende Bescheid nicht nichtig und bestandskräftig geworden, entfaltet er mit der Bekanntgabe die entsprechenden Rechtswirkungen. Die Vorschrift des § 165 Abs. 2 Satz 1 AO stellt nicht darauf ab, ob die Vorläufigkeit zu Recht oder zu Unrecht angeordnet wurde (so auch Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Rz. 33 zu § 165 AO – eher die Nichtigkeit bei einer Anordnung wegen rechtlicher Unsicherheit annehmend; ebenso Seer in Tipke/Kruse; Rz. 39 zu § 165 AO; a.A. Frotscher in Schwarz, Rz. 33: Der Vorläufigkeitsvermerk ginge ins Leere. Es könne von ihm kein Gebrauch gemacht werden, wenn es nicht um Tatsachen gehe.).
In anderen Entscheidungen war der Bundesfinanzhof einer Stellungnahme zur Frage, ob bei einer Anordnung der Vorläufigkeit allein wegen der steuerlichen Beurteilung eines feststehenden Sachverhaltes die Möglichkeit der Änderung nach § 165 Abs.2 Satz 1 AO eröffnet ist, enthoben, weil auch ein Vorliegen ungewisser Tatsachen bejaht wurde (BFH, Urteil vom 29. August 2001 VIII R 1/01 a.a.O. – Vorläufigkeit hinsichtlich der Einkünfte nach § 17 EStG; Urteil vom 12. März 1991 IX R 282/87 a.a.O - wegen Kaufpreisaufteilung - neues Gutachten als neue Schätzungsgrundlage; ausdrücklich offen lassend BFH, Urteile vom 16. September 2004 X R 22/01a.a.O.; vom 11. Dezember 1991, III R 59/89 a.a.O. beide gewerblichen Grundstückshandel betreffend).
Die durch die vorläufige Steuerfestsetzung bewirkte Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 8 AO tritt auch dann ein, wenn die vorläufige Steuerfestsetzung rechtswidrig war, es sei denn sie wurde vom Steuerpflichtigen mit Erfolg angefochten. Dies folgt – ebenso wie die Befugnis, einen Änderungsbescheid auf einen rechtwidrigen, jedoch nicht mit Erfolg angefochtenen Vorläufigkeitsvermerk zu stützen – aus dem allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsatz, dass fehlerhafte (Steuer-) Verwaltungsakte, sofern sie nicht nichtig sind (§ 124 Abs.3 AO) oder mit Erfolg angefochten wurden, die in ihnen ausgesprochenen oder – wie die Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 8 AO – mit ihnen verbundenen Rechtswirkungen entfalten (Urteil vom 25. Juli 2000 IX R 93/97 a.a.O.; vom 14. April 1999, XI R 24/96 a.a.O.; vom 7. Februar 1995 IX R 68/92 a.a.O.). Die Festsetzungsfrist endet nicht vor Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde davon Kenntnis erhalten hat.
Der Beklagte hat die Jahresfrist von einem Jahr nach Bekanntgabe der Entscheidung des Senats im Musterverfahren 10 K 5086/04 B vom 11. Oktober 2007 mit den Änderungsbescheiden vom 10. April 2008 gewahrt.
Die Vorläufigkeit konnte vorliegend objektiv nur im Sinne des Offenhaltens der abschließenden Beurteilung der erklärten Mehr- oder Minder AfA der beigetretenen Gesellschafter verstanden werden. Darauf, dass die Klägerin subjektiv ggf. nur die Sonderwerbungskosten des Gesellschafters F und insoweit auch nur eine Änderung zu dessen Gunsten im Blick hatte, kommt es nicht an. Auch die Klägerin konnte die abschließende rechtliche Beurteilung und mithin den angebrachten Vorläufigkeitsvermerk nur zu ihren Gunsten nutzen, wenn die Ermittlung der Mehr – oder Minder AfA hierdurch insgesamt offen blieb.
Folgt das Finanzamt mit der vorläufigen Festsetzung zunächst den rechtlichen Vorstellungen des Steuerpflichtigen, kann es aber nachrangige Ermittlungen und Nachprüfungen zurückstellen, solange offen ist, ob ihnen bei der Steuerfestsetzung Bedeutung zukommt. In diesem Rahmen kann das Finanzamt auch Fehlbeurteilungen des Steuerpflichtigen vorläufig hinnehmen und zwar unabhängig davon, ob die betreffenden Besteuerungsgrundlagen mit Ungewissheiten behaftet waren oder nicht. In nachrangigen Einzelfragen kann der Steuerpflichtige auch dann nicht mit einem Fortbestand der rechtlichen Beurteilung rechnen, wenn sich das Finanzamt in der vorrangigen Hauptfrage nach Beseitigung der tatsächlichen Ungewissheit anders entscheidet (BFH, Urteil vom 17. März 2010 IV R 60/07, BFH/NV 2010, 1646 m.w.N).
Angesichts der sämtliche im Rahmen der Sonderwerbungskosten der beigetretenen Gesellschafter erklärten Mehr- oder Minderabschreibungen umfassenden Vorläufigkeit bedarf die Frage einer möglichen Fehlerberichtigung im Sinne von § 177 AO und des dabei zu beachtenden Änderungsrahmens für den hier vorliegenden Sachverhalt keiner Erörterung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war angesichts der Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung – insbesondere zur Frage, inwieweit ein allein wegen der offenen steuerrechtlichen Beurteilung vorläufig ergangener Bescheid nach § 165 Abs. 2 AO geändert werden kann - zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).