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Einkommensteuer 2007


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 16.02.2012
Aktenzeichen 7 K 7063/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 63 Abs 2 BauO BE, § 7 Abs 5 EStG

Leitsatz

Im Rahmen der zeitlichen Anwendung des § 7 Abs. 5 EStG kommt es für die Errichtung von Gebäuden, die dem Genehmigungsfreistellungsverfahren unterliegen, auch dann auf den Zeitpunkt der Einreichung der Bauunterlagen an, wenn der Errichtung der genehmigte Abriss eines Altgebäudes vorausging.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob die zeitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der degressiven Absetzungen für Abnutzung -AfA- nach § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe c Einkommensteuergesetz –EStG– gegeben sind.

Die Kläger werden für das Streitjahr zusammenveranlagt.

Die Kläger erzielen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Angestellte einer GmbH des Elektrohandwerks, deren Geschäftsführer der Kläger, ein Elektromeister, ist. Ferner erzielen die Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, die entweder im Norden C… oder in einer der anliegenden Umlandgemeinden belegen sind.

Am 23.06.2005 erwarb der Kläger das Grundstück …weg … in C…, das mit einem Einfamilienhaus bebaut war.

Am 08.11.2005 beantragte er eine Abbruchgenehmigung für dieses Bauwerk, die ihm am 11.11.2005 erteilt wurde und von der er in der Folge Gebrauch machte.

Bereits am 25.07.2005 hatten die Berliner Stadtreinigungsbetriebe dem Kläger bestätigt, dass für den Neubau eines Wohnhauses mit vier Wohnungen ausreichende Stellflächen für Entsorgungsbehälter vorgesehen seien. Am 01.12.2005 unterbreitete die BEWAG dem Kläger ein Angebot für einen Hausanschluss für das Grundstück …weg .., das umgehend angenommen wurde.

Vom 14.03.2006 bis 02.05.2006 legte der Kläger dem Bezirksamt … von Berlin – Bau-, Grundstücks- und Gebäudemanagement, Bau- und Wohnungsaufsicht – Bauvorlagen im Rahmen der Genehmigungsfreistellung gemäß § 63 der Bauordnung Berlin –BauO Bln– vom 29.09.2005 (Gesetz- und Verordnungsblatt Berlin -GVBl Bln- 2005, 494) vor.

Ausgehend von diesen Planungen begann der Kläger ab dem 06.06.2006 mit der Errichtung eines Doppelhauses (…weg … und … ) und eines Zweifamilienhauses (…weg …), die am 30.11.2006 fertig gestellt wurden. Nach der Durchführung von Restarbeiten vermietete der Kläger die vier Wohneinheiten ab dem Frühjahr 2007. Bis dahin entstanden dem Kläger Herstellungskosten in Höhe von 653.662,- €.

Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung 2007 machten die Kläger für das Objekt …weg … bis … AfA auf die Herstellungskosten nach § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe c EStG in Höhe von 4 % der Herstellungskosten (26.147,- €) geltend. Davon abweichend berücksichtigte der Beklagte in seinem Einkommensteuerbescheid 2007 vom 17.10.2008 nur die lineare reguläre AfA in Höhe von 2 % (13.073,- €) und ermittelte davon ausgehend Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem Objekt ….weg in Höhe von 601,- €. Dementsprechend setzte er die Einkommensteuer 2007 auf 15.290,- € fest.

Dagegen legten die Kläger am 21.10.2008 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 23.02.2009 als unbegründet zurückwies. Daraufhin haben die Kläger am 20.03.2009 Klage erhoben.

Sie machen geltend, der Beklagte versage zu Unrecht die degressive Abschreibung nach § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe c EStG. Da für das Streitobjekt ein Bauantrag nicht erforderlich gewesen sei, müsse es ausreichen, dass bereits vor dem im Gesetz genannten Stichtag (01.01.2006) mit den Herstellungsarbeiten begonnen worden sei. Dies sei der Fall gewesen, da der Kläger bereits im November 2005 einen Antrag auf Abbruchgenehmigung gestellt, die Rodungsarbeiten durchgeführt und einen Elektrohausanschluss bestellt habe. Der Abbruch des Gebäudes sei die zwingende Voraussetzung für die Errichtung der neuen Gebäude gewesen. Unter diesen Umständen sei anerkannt, dass Abbruchkosten zu den Herstellungskosten des Neubaus gehörten. Da das Gesetz den Fall des genehmigungsfreien Baues nicht erwähne, bestehe eine Gesetzeslücke, die dadurch zu füllen sei, dass auf den Herstellungsbeginn abzustellen sei. Im Übrigen stelle baurechtlich auch der Abrissantrag einen Bauantrag dar und das Abrissverfahren ein Baugenehmigungsverfahren. In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger ihr Vorbringen dahin gehend ergänzt, dass in Fällen, in denen bereits ein Altobjekt auf dem Grundstück vorhanden sei, nicht auf die Einreichung von Bauunterlagen nach § 63 BauO, sondern auf den Antrag auf Erteilung der Abrissgenehmigung abzustellen sei. Ein Rückgriff auf die Bauunterlagen sei nur bei unbebauten Grundstücken sachgerecht.

Die Kläger beantragen,

abweichend von dem Einkommensteuerbescheid 2007 vom 17.10.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.02.2009 die Einkommensteuer unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten in Höhe von 13.074,- € festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält die Klage für unbegründet, da in Fällen, in denen nach dem maßgebenden Landesrecht für die Errichtung eines Bauwerks kein Bauantrag, sondern ein Genehmigungsfreistellungsverfahren erforderlich sei, auf den Zeitpunkt der Einreichung der Bauunterlagen abzustellen sei. Dies habe der Bundesfinanzhof –BFH– zum Investitionszulagerecht bereits entschieden. Im Streitfall seien erst ab dem 14.03.2006 die für eine Genehmigungsfreistellung erforderlichen Unterlagen vorgelegt worden. Daran ändere die im November 2005 erteilte Abrissgenehmigung nichts, weil diese allein die Durchführung des Neubauvorhabens nicht legitimiert hätte.

Dem Gericht haben ein Band Einkommensteuerakten, die vom Beklagten für die Kläger unter der Steuernummer … geführt werden, sowie drei Bände Einheitswertakten, die vom Beklagten für das Streitgrundstück unter den Steuernummern …., … und … geführt werden, vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Kläger werden im Sinne des § 100 Abs. 1 und 2 Finanzgerichtsordnung –FGO– durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt. Der Beklagte hat zu Recht der Einkommensteuerveranlagung lediglich die lineare AfA nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG und nicht die degressive AfA nach § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe c EStG zugrunde gelegt.

Nach der letztgenannten Vorschrift können abweichend von § 7 Abs. 4 EStG als Absetzung für Abnutzung im Jahr der Fertigstellung und in den folgenden neun Jahren jeweils 4 von Hundert der Herstellungskosten abgezogen werden, wenn das Gebäude Wohnzwecken dient und aufgrund eines nach dem 31.12.2003 und vor dem 01.01.2006 gestellten Bauantrags hergestellt worden ist.

Die Beteiligten gehen zu Recht einvernehmlich davon aus, dass für die Streitobjekte keine Baugenehmigung im Sinne der §§ 64 ff. BauO Bln erforderlich war, da das Bauvorhaben nach § 63 Abs. 2 BauO Bln genehmigungsfrei gestellt war. Dabei ist das Gericht davon überzeugt, dass für das Streitobjekt bei Inkrafttreten der BauO Bln vom 29.09.2005 am 01.02.2006 (Artikel VI Abs. 1 Satz 1 Bauvereinfachungsgesetz Berlin – BauVG Bln – vom 29.09.2005, GVBl Bln 2005, 495) noch kein Genehmigungsfreistellungsverfahren gemäß § 56 a Bauordnung Berlin vom 03.09.1997 (GVBl Bln 1997, 422 -BauO Bln 1997-) eingeleitet worden war, weil nach den unbestrittenen Darlegungen des Beklagten erst ab dem 14.03.2006 Unterlagen zur Genehmigungsfreistellung eingereicht worden waren. Im Übrigen hätte sich nach § 56 a BauO Bln 1997 keine andere Rechtslage ergeben.

Zu Recht weisen die Kläger darauf hin, dass § 7 Abs. 5 EStG keine Regelungen für den Fall enthält, dass ein Bauvorhaben genehmigungsfrei (ggf. im Genehmigungsfreistellungsverfahren) errichtet werden kann. Zur Schließung dieser Lücke ist in erster Linie auf solche Vorschriften abzustellen, in denen eine solche Lücke geschlossen wurde. Dies ist in vielfacher Weise geschehen, da der Gesetzgeber in § 52 Abs. 16 Satz 8, Abs. 21 b Satz 2, Abs. 26 Satz 7, Abs. 27 Satz 2, Abs. 27 a Satz 2, Abs. 28 Satz 2 und Abs. 29 Satz 2 EStG sowie in § 19 Abs. 5 Eigenheimzulagegesetz -EigZulG- als Bau- oder Herstellungsbeginn bei Objekten, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, den Zeitpunkt, in dem der Bauantrag gestellt wird, und bei baugenehmigungsfreien Objekten, für die Bauunterlagen einzureichen sind, den Zeitpunkt, in dem die Bauunterlagen eingereicht werden, bestimmt hat.

Im Einklang damit hat das Bundesministerium der Finanzen –BMF– in Abschnitt R 7.2 der Einkommensteuer-Hinweise 2005 und 2006, soweit es in § 7 Abs. 4 und 5 EStG auf den Bauantrag ankommt, für Fälle baugenehmigungsfreier Bauvorhaben, für die Bauunterlagen einzureichen sind, den Zeitpunkt als maßgebend angesehen, zu dem die Bauunterlagen eingereicht werden. Lediglich dann, wenn keine Bauunterlagen einzureichen sind, tritt nach Auffassung des BMF an die Stelle des Bauantrags der Beginn der Herstellung.

Auch der BFH hat für das Investitionszulagerecht entschieden, dass in Fällen, in denen eine Baugenehmigung nicht erforderlich ist, statt auf den Bauantrag auf die Bauanzeige abzustellen ist (BFH, Urteil vom 18.04.1990 III R 12/88, Sammlung der Entscheidungen des BFH –BFHE– 160, 383, Bundessteuerblatt –BStBl.– II 1990, 754). Dabei hat der BFH entscheidend darauf abgestellt, dass bei der Errichtung von Bauwerken die Herstellung regelmäßig erst nach Erteilung der ordnungsbehördlichen Genehmigung bzw. dem Verstreichen der Untersagungsfrist (hier nach § 63 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Satz 2 BauO Bln) begonnen wird. Der Steuerpflichtige soll für die Frage, ob er eine steuerliche Subvention erhält, nicht vom Verhalten der ordnungsbehördlichen Verwaltung abhängig sein. In gleicher Weise hat der BFH die in § 9 Abs. 3 und 4 EigZulG bestehende Regelungslücke geschlossen, indem er für Objekte, die wie das hiesige Streitobjekt dem Genehmigungsfreistellungsverfahren unterlagen, auf die Einreichung der Bauunterlagen abgestellt hat (BFH, Urteil vom 24.08.2006 IX R 67/04, BFH/NV 2007, 212).

Auch in der Literatur wird übereinstimmend die Auffassung vertreten, dass die in § 7 Abs. 4 und 5 EStG genannten, an die Stellung eines Bauantrags geknüpften Zeitpunkte in Fällen baugenehmigungsfreier Vorhaben in der Weise zu verstehen sind, dass es dann auf die Einreichung der Bauunterlagen ankommt (Nolde in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 7 Rz. 388; Blümich/Brandis, EStG, § 7 Rz. 64; Schmidt/Kulosa, EStG, 26. Auflage 2007, § 7 Rz. 172 a.E.).

Zu Unrecht berufen sich die Kläger auf die Rechtsprechung des BFH im Beschluss vom 12.06.1978 GrS 1/77 (BFHE 125, 516, BStBl. II 1978, 620 D. II. 2. a) bb); vergleiche auch Oberfinanzdirektion –OFD– Frankfurt/Main, Verfügung vom 27.03.1995, Deutsches Steuerrecht 1995, 1112). Denn die genannten Quellen sind nicht zu § 7 Abs. 5 EStG ergangen. Der BFH-Beschluss ist zu der Frage ergangen, ob Abbruchkosten zu Herstellungskosten eines Neubaus gehören können, die Verfügung der OFD zur Vorschrift des § 6 b Abs. 3 Satz 3 EStG, der nicht auf einen Bauantrag oder die Einreichung von Bauunterlagen, sondern auf den Beginn der Herstellung abstellt. Davon abweichend stellt § 7 Abs. 5 EStG nicht auf den Beginn der Herstellung ab, sondern auf den Bauantrag. Dabei mögen die Erwägungen maßgeblich gewesen sein, wie sie der BFH in seinem Urteil vom 18.04.1990 III R 12/88 (BFHE 160, 383, BStBl. II 1990, 754) angestellt hat, dass nämlich die steuerliche Förderung nicht vom Gang des Genehmigungsverfahrens abhängig sein soll. Überdies bietet das Abstellen auf den Bauantrag oder die Einreichung von Bauunterlagen den Vorteil, dass damit der Beginn der Herstellung bzw. die Frage, welche Fassung des § 7 Abs. 5 EStG ggf. in Betracht kommt, eindeutig nachvollziehbar ist, während die Frage, wann aufgrund von Baumaßnahmen o. ä. mit dem Beginn der Herstellung begonnen wurde, vielfach Anlass zu Zweifeln gibt (vgl. z. B. das Senatsurteil vom 05.09.2007 7 K 5535/04 B, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2008, 568 zu der abweichend formulierten Vorschrift des § 27 Abs. 2 Umsatzsteuergesetz -UStG-).

Entgegen dem Vortrag der Kläger erscheint die Anknüpfung an die Vorlage der Bauunterlagen auch sachgerecht, wenn das Baugrundstück bereits mit einem Altgebäude bebaut ist, das zur Verwirklichung der Neubaupläne abgebrochen werden muss. Denn die Einholung einer Abbruchgenehmigung verpflichtet den Grundstückseigentümer in der Regel nicht zur Neubebauung, schon gar nicht zur Errichtung eines konkreten Gebäudes. So war es nach der Einlassung der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch im Streitfall. Jedenfalls haben die Kläger nichts dafür dargelegt, dass sie im Streitfall weiter gehenden Bindungen unterlegen haben. Mit wachsendem zeitlichen Abstand zwischen der Abbruchgenehmigung und der Errichtung des neuen Gebäudes wird zunehmend streitanfällig, ob die erforderliche Beziehung zwischen der Abbruchmaßnahme und der Herstellung des neuen Gebäudes besteht. Daher besteht auch beim Bestehen eines Altgebäudes ein Bedürfnis, auf die Einreichung der Bauunterlagen abzustellen, die ein nach außen tretendes, auch noch Jahre später nachvollziehbares Anzeichen für den Investitionsbeginn darstellt.

Jedenfalls kann das Gericht die vom Gesetzgeber offenkundig bewusst gewählte, von anderen Stichtagsregelungen (wie z. B. § 6 Abs. 3 Satz 3 EStG oder § 27 Abs. 2 UStG) abweichende Formulierung für die zeitliche Anwendung des § 7 Abs. 5 EStG nicht ignorieren.

Davon ausgehend hat der Beklagte bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Grundstück …weg … bis … die zu berücksichtigende AfA zu Recht nach § 7 Abs. 4 EStG ermittelt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Zwar gibt es zu der hier streitigen Frage noch keine Rechtsprechung, die § 7 Abs. 5 EStG betrifft. § 7 Abs. 5 EStG ist jedoch ausgelaufenes Recht. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Kläger mit ihrer Auffassung – soweit ersichtlich – allein stehen und keine Stimme aus Rechtsprechung, Verwaltung oder Literatur für sie spricht.