Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 14.09.2010 | |
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Aktenzeichen | OVG 3 B 2.08 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 25 Abs 5 AufenthG, Art 8 MRK |
Für geduldete Palästinenser mit ungeklärter Staatsangehörigkeit aus dem Libanon ist der Erhalt eines Laissez-Passer zur Einreise in den Libanon nicht von vornherein erkennbar aussichtslos. Ihnen ist daher zuzumuten, sich beharrlich um die Ausstellung eines solchen Heimreisedokuments zu bemühen.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 31. Juli 2007 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der aus dem Libanon stammende Kläger palästinensischer Volkszugehörigkeit begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen.
Er reiste nach eigener Angabe am 28. September 1998 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag. Gegenüber dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) bekundete er, er habe ein palästinensisches Reisedokument besessen, das ihm der Schlepper in der Ukraine abgenommen habe. Seine Identitätskarte befinde sich noch im Libanon. Das Bundesamt führte ihn als Asylbewerber mit ungeklärter Staatsangehörigkeit und lehnte seinen Asylantrag mit im Mai 2004 unanfechtbar gewordenem Bescheid ab. Im Bundeszentralregister sowie bei der Berliner Ausländerbehörde ist der Kläger ohne Staatsangehörigkeit verzeichnet. Bei dem Beklagten legte er eine von der Generaldirektion für die Verwaltung der Angelegenheiten palästinensischer Flüchtlinge des libanesischen Innenministeriums ausgestellte Geburtsurkunde vor, aus der sich unter anderem ergibt, dass seine Eltern Palästinenser mit einem Sonderausweis sind bzw. waren. Ferner präsentierte er ein von der Sûreté Générale am 16. September 1993 ausgestelltes Document de Voyage (DDV) für palästinensische Flüchtlinge.
Durch Urteil vom 14. Januar 2000 verhängte das Amtsgericht Tiergarten gegen den Kläger wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln einen Dauerarrest von zwei Wochen. Am 9. April 2003 verurteilte ihn das Landgericht Berlin wegen gemeinschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 13 Fällen sowie unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren.
Durch Bescheid vom 12. Juli 2004 wies das Landeseinwohneramt Berlin den Kläger während der Strafhaft mit Rücksicht auf die genannten Verurteilungen aus der Bundesrepublik Deutschland aus. Am 28. Mai 2005 wurde für ihn in Beirut ein Internationaler Führerschein ausgestellt, der zu seiner Staatsangehörigkeit nichts besagt. Anlässlich seiner Vorsprache bei der Berliner Ausländerbehörde am 30. Juni 2005 legte er ein mit seinem Namen und Geburtsjahr sowie einem Stempel der Botschaft des Libanon und dem Datum des 13. Juni 2005 versehenes Formular vor, in dem die Botschaft darauf hinwies, dass ein Antrag auf Ersatz eines verlorengegangenen DDV nur bei Vorlage eines deutschen Aufenthaltstitels oder einer Bescheinigung über dessen Erteilung bearbeitet werde. Ferner präsentierte er das Original einer im Februar 2005 für ihn und andere Mitglieder seiner Familie ausgestellten Registrierungskarte der UNRWA.
Die Berliner Ausländerbehörde erteilt dem Kläger seit dem 30. Juni 2005 fortlaufend Duldungen. Am 15. September 2005 wurde er aus der Strafhaft entlassen. Am 20. September 2005 erstellte die Generaldelegation Palästinas eine nicht unterzeichnete Bescheinigung, in der es heißt der Kläger sei Palästinenser, die Generaldirektion könne für ihn jedoch kein Reisedokument ausstellen, da er nicht in den palästinensischen Selbstverwaltungsgebieten lebe und dort nicht registriert sei.
Unter dem 7. November 2005 - erneuert durch Schreiben vom 26. Januar 2006, 14. März 2006 und 18. Mai 2006 - beantragte der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten lehnte den Antrag durch Bescheid vom 9. Juni 2006 ab. Zur Begründung führte es an, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis komme nicht in Betracht, da der Kläger nach § 53 AufenthG ausgewiesen sei. Angesichts des großen Gewichts der Ausweisungsgründe werde die Aufenthaltserlaubnis selbst dann nicht erteilt, wenn die Abschiebung des Klägers 18 Monate ausgesetzt und daher die Soll-Vorschrift des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG auf ihn anwendbar sei.
Dagegen hat der Kläger Klage mit dem Antrag erhoben,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 9. Juni 2006 zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Durch Urteil vom 31. Juli 2007 hat das Verwaltungsgericht Berlin den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 9. Juni 2006 verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Anspruchsgrundlage sei § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG. Die Ausreise sei ihm als palästinensischem Volkszugehörigen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit auf absehbare Zeit unmöglich, wie sich schon aus der Weisung E.Lib.3 des Beklagten ergebe. Die Verstöße des Klägers gegen das Betäubungsmittelgesetz begründeten keinen Ausnahmefall, der dem Beklagten ein Versagungsermessen nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG eröffnete. Ein solcher Ausnahmefall setze voraus, dass der Gesetzgeber an die betreffende Fallkonstellation nicht gedacht habe. Das Problem des Vorliegens von Ausweisungsgründen habe der Gesetzgeber indes gesehen und in § 5 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 AufenthG geregelt. Das Verwaltungsgericht hat offen gelassen, ob die Straftaten des Klägers im Rahmen der Prüfung des § 5 AufenthG überhaupt zu berücksichtigen sind. Jedenfalls setze § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG eine gegenwärtige Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung oder sonstiger Interessen des Staates voraus. Eine solche sei in Bezug auf den Kläger nicht ersichtlich. Die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG sei erfüllt, da er seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreite. § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG stehe der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen, da die Erfüllung der Passpflicht von dem Kläger nicht verlangt werden könne. Gegen das Urteil hat der Beklagte die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt.
Mit Schreiben vom 14. März 2008 hat die Ausländerbehörde den Kläger aufgefordert, sich intensiv um ein Personaldokument zu bemühen und seine Bereitschaft zur Ausreise gegenüber der Libanesischen Botschaft bzw. der Rückkehrberatung des Landesamtes für Gesundheit und Soziales zu erklären. Daraufhin hat der Kläger ein Formblatt der Libanesischen Botschaft vorgelegt, wonach er am 3. April 2008 dort vorgesprochen habe und zur Beantragung bzw. Verlängerung eines DDV ein deutscher Aufenthaltstitel bzw. die schriftliche Zusage eines solchen erforderlich sei. In einem Bescheid vom 14. April 2009, mit dem der Beklagte es abgelehnt hat, die Auflage „Beschäftigung nicht gestattet“ in der Duldung des Klägers zu streichen, hat er diesen erneut auf die Rückkehrhilfe des Landesamtes für Gesundheit und Soziales hingewiesen, ferner auf die Rückkehrberatungsstelle im Hause der Berliner Ausländerbehörde.
Im hiesigen Verfahren macht der Beklagte geltend, der Kläger sei nicht i.S.v. § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG unverschuldet an der Ausreise gehindert, da ihm die Beschaffung eines Heimreisedokuments nicht unmöglich sei.
Er hat zunächst darauf verwiesen, die Clearingstelle der Berliner Ausländerbehörde habe von Juli 2007 bis April 2008 in acht Fällen Reisedokumente für libanesische Staatsangehörige beschafft, die sich zu Unrecht als palästinensische Volkszugehörige ungeklärter Staatsangehörigkeit ausgegeben hätten. Aus einer zu den Gerichtsakten gereichten tabellarischen, sich überwiegend auf Vorgänge im Jahre 2005 beziehenden Übersicht ergebe sich, dass in neun Fällen palästinensischer Volkszugehöriger die Berliner Ausländerbehörde, in sechs Fällen das Landesamt für Gesundheit und Soziales ein Heimreisedokument beschafft habe.
Zuletzt hat der Beklagte unter Einreichung einer Dokumentation des bundesweiten Ausländer-Informationsportals (ZAIPort) über die Ausreise von Personen mithilfe eines selbst beschafften Personaldokuments (Dokumentation Pass) auf vier Fälle aus der jüngeren Vergangenheit hingewiesen, in denen der Berliner Ausländerbehörde Personaldokumente seitens staatenloser Palästinenser vorgelegt worden seien. Ferner hat er eine ZAIPort-Dokumentation über die Beschaffung von Heimreisedokumenten durch Behörden (Dokumentation PEP) eingereicht. Hieraus hat er fünf Fälle palästinensischer Volkszugehöriger benannt, in denen der Berliner Ausländerbehörde die Beschaffung eines Laissez-Passer gelungen sei. Hinsichtlich der jeweiligen Einzelheiten wird auf die Streitakte Bezug genommen. Nach Mitteilung des Beklagten handelt es sich bei den angeführten Fällen aus den Dokumentationen Pass und PEP um eine abschließende Aufzählung der in der jüngeren Vergangenheit im Bereich der Berliner Ausländerbehörde vorgekommenen Dokumentenbeschaffung für Palästinenser mit illegalem Aufenthalt ohne Aussicht auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels. Soweit in den Dokumentationen weitere Berliner Fälle aufgeführt seien, betreffe dies staatenlose Palästinenser oder libanesische Staatsangehörige mit konkreter Aussicht auf eine Aufenthaltserlaubnis.
Ergänzend hat der Beklagte vorgetragen, im Jahre 2009 habe seine Ausländerbehörde insgesamt 92 Anträge auf Ausstellung von Heimreisedokumenten bei der Libanesischen Botschaft gestellt. Erteilt worden seien 24 Zusagen, aufgrund derer bisher 12 Laissez-Passer ausgestellt worden, und zwar sowohl für straffällig gewordene libanesische Staatsangehörige als auch für Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit mit palästinensischer Volkszugehörigkeit (darunter auch Straftäter) sowie kurdischer Volkszugehörigkeit. Der Kläger könne im Übrigen im Rahmen der Einbürgerungswellen der Jahre 1994 und 1996 trotz der von ihm vorgelegten UNRWA-Bescheinigung und der Auskunft der Generaldelegation Palästinas libanesischer Staatsangehöriger geworden sein; er habe bei der Libanesischen Botschaft bislang nicht einmal einen vollständigen Passantrag gestellt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. Januar 2008 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er gibt an, er habe am 6. September 2010 im dritten Stock der Libanesischen Botschaft vorgesprochen, Fingerabdrücke und vier Fotos abgegeben sowie ein Formular zur Ausstellung eines Laissez-Passer ausgefüllt. Der zuständige Botschaftsmitarbeiter, Herr A., habe seiner Prozessbevollmächtigten auf telefonische Nachfrage mitgeteilt, mit einer Antwort aus dem Libanon sei in etwa drei Monaten zu rechnen.
Der Berichterstatter des Senats hat den bei der Ausländerbehörde des Beklagten mit der Passbeschaffung befassten Herrn M. sowie die in der Rückkehr- und Weiterwanderungsberatungsstelle beim Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales tätige Frau B. als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 11. Mai 2010 verwiesen. Ferner hat der Senat eine Auskunft zur Ausstellung von Personaldokumenten bei der Libanesischen Botschaft eingeholt. Wegen deren Inhalts wird auf das Schreiben der Botschaft vom 18. März 2010 Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.
Die Ausländerakten des Klägers haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Die Berufung, die sich in der Sache gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 31. Juli 2017 richtet, ist nach ihrer Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig sowie begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht entsprochen.
I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 AufenthG.
1. Ein Anspruch gemäß § 25 Abs. 1 bis 3 AufenthG besteht nicht. Der Kläger ist weder unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt (§ 25 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) noch hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (bzw. das ehemalige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge unanfechtbar das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG) festgestellt (§ 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Ein Abschiebungsverbot i.S.v. § 25 Abs. 3 AufenthG ist schon deswegen nicht ersichtlich, weil das Bundesamt bestandskräftig festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für ein Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Diese Feststellung ist, besonders was den hier allein in Betracht kommenden § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG (jetzt § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) betrifft, auch im Rahmen des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zugrunde zu legen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006 - 1 C 14.05 -, BVerwGE 126, 192, 195, Rn. 12). Da der Kläger der Sache nach einen Daueraufenthalt im Bundesgebiet anstrebt, kommt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage von § 25 Abs. 4 AufenthG ebenfalls nicht in Betracht.
2. Auch nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG kann der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nicht beanspruchen. Nach dieser Vorschrift soll einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Die Vorschrift stellt keine eigenständige Anspruchsgrundlage dar, die einem Ausländer bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzung - Aussetzung der Abschiebung für den genannten Zeitraum - einen „Soll“-Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vermitteln würde. Vielmehr ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang des § 25 Abs. 5 AufenthG, dass die Erteilung des entsprechenden Aufenthaltstitels stets auch an die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG gebunden ist (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006, a.a.O., S. 200, Rn. 22; Urteil des Senats vom 14. Juni 2007 - OVG 3 B 34.05 -, juris, Rn. 35). Hiernach muss die Ausreise eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen sein, wobei die Sperrwirkung der Ausweisung (§ 11 Abs. 1 AufenthG) der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht entgegensteht.
a) Der Kläger ist zwar, wie von § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG vorausgesetzt, aufgrund seiner unanfechtbaren Ausweisung vollziehbar ausreisepflichtig (§ 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Seine Abschiebung ist seit mehr als 18 Monaten ausgesetzt, der Beklagte erteilt ihm seit dem 30. Juni 2005 fortlaufend Duldungen.
b) Der Ausreise des Klägers - worunter sowohl die Abschiebung als auch die freiwillige Ausreise zu verstehen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006, a.a.O., Rn. 15) - steht auch der tatsächliche Umstand entgegen, dass er derzeit nach eigener Angabe - gegenteilige Anhaltspunkte liegen nicht vor - nicht im Besitz eines gültigen Reisepasses, Passersatzpapiers oder Heimreisedokuments ist.
c) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist indes aufgrund § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift darf eine Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist.
aa) Zugunsten des Klägers mag unterstellt werden, dass er staatenloser Palästinenser aus dem Libanon ist. Er ist im Bundesgebiet stets mit ungeklärter Staatsangehörigkeit geführt worden und verfügt über ein von der libanesischen Sûreté Générale am 16. September 1993 ausgestelltes Document de Voyage (DDV) für palästinensisches Flüchtlinge, eine Geburtsurkunde der Generaldirektion für die Verwaltung der Angelegenheiten palästinensischer Flüchtlinge des libanesischen Innenministeriums, aus der sich unter anderem ergibt, dass seine Eltern Palästinenser mit einem Sonderausweis waren, sowie über eine im Februar 2005 für ihn und andere Mitglieder seiner Familie ausgestellte Registrierungskarte der UNRWA. Der Senat lässt dahinstehen, was aus dem Hinweis des Beklagten auf einen in der Dokumentation PEP (Reg.OM 001121100741) verzeichneten Fall folgt, in dem ein Palästinenser ebenfalls eine UNRWA-Registrierungskarte vorgelegt, sich jedoch bei Beschaffung eines Laissez-Passer herausgestellt habe, dass er zwischenzeitlich libanesischer Staatsangehöriger geworden sei. Auf sich beruhen kann auch, dass die am 20. September 2005 erstellte Bescheinigung der Generaldelegation Palästinas, wonach der Kläger Palästinenser sein soll, nicht unterzeichnet ist.
bb) Es ist weder von dem Beklagten dargelegt worden noch sonst erkennbar, dass der Libanon staatenlose Palästinenser ohne Heimreisedokument einreisen lässt (so auch VGH Mannheim, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 13 S 2483.07 -, InfAuslR 2009, 109, 110; Auswärtiges Amt, Lagebericht Libanon, Stand Februar 2010, S. 25).
cc) Der Kläger ist jedoch nicht unverschuldet an der Ausreise gehindert. Ein Verschulden des Ausländers liegt gemäß § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG unter anderem vor, wenn er zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Ausreisehindernisses nicht erfüllt. Dies ist bei dem Kläger der Fall.
(1) Über die Zumutbarkeit der einem Ausländer insoweit obliegenden Handlungen ist unter Berücksichtigung aller Umstände und Besonderheiten des Einzelfalles zu entscheiden. Besteht - wie hier - das Ausreisehindernis im Fehlen des erforderlichen Heimreisedokuments, kann von dem Betreffenden in aller Regel gefordert werden, dass er diejenigen Handlungen vornimmt, die zur Beschaffung des Dokuments notwendig sind und nur von ihm persönlich vorgenommen werden können. Hierzu zählen vor allem die Herstellung und Vorlage von Passfotos, das Ausfüllen von Antragsformularen und die persönliche Vorsprache bei der Auslandsvertretung des Heimatstaates, sofern diese es verlangt. Von dem Ausländer sind insoweit gesteigerte Anstrengungen zu erwarten, denn das Gesetz weist ihm den Besitz eines gültigen Passes als Obliegenheit zu (§ 3 Abs. 1 AufenthG) und verpflichtet ihn, falls er einen gültigen Pass oder Passersatz nicht besitzt, unter anderem an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken (§ 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Daraus ergibt sich zugleich, dass von dem Ausländer verlangt werden kann, es nicht bei der Einreichung der erforderlichen Unterlagen und einer Vorsprache bei der Auslandsvertretung seines Heimatstaates zu belassen, sondern darüber hinaus, falls ihm das Identitätspapier nicht in angemessener Zeit ausgestellt wird, regelmäßig nachzufragen, sich nach den Gründen für die Bearbeitungsdauer zu erkundigen und beharrlich um die Ausstellung des Papiers nachzusuchen. Ferner ist er gehalten, soweit er nicht anerkennenswerte entgegenstehende Gründe für sich in Anspruch nehmen kann, die Bereitschaft zu einer freiwilligen Ausreise zu bekunden, sofern hiervon die Ausstellung des Reisedokumentes abhängig gemacht wird oder dies geeignet ist, eine sonst nicht absehbare Bearbeitungsdauer deutlich zu verkürzen. Zwar schreibt das Aufenthaltsgesetz eine dahingehende Mitwirkungspflicht des Ausländers nicht ausdrücklich vor, doch folgt eine solche Obliegenheit unmittelbar aus der Ausreisepflicht, in der er sich befindet. Auf einen entgegenstehenden inneren Willen des Ausländers kommt es dabei nicht an. Anderenfalls hätte es ein ausreisepflichtiger Ausländer in der Hand, allein durch die Behauptung eines - der Nachprüfung naturgemäß nicht zugänglichen - bestimmten Willens und durch sein Handeln die Voraussetzungen eines humanitären Aufenthaltsrechts selbst zu schaffen. Dies entspricht nicht Zweck und Ziel des § 25 Abs. 5 AufenthG. Mithin ist die Abgabe einer Freiwilligkeitserklärung einem ausreisepflichtigen Ausländer grundsätzlich zumutbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2009 - 1 C 19.08 -, AuAS 2010, 74; zu allem Urteil des Senats vom 14. Juni 2007, a.a.O., Rn. 53 ff.). Der Begriff der Zumutbarkeit in § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG schließt es lediglich aus, einem Ausländer von vornherein erkennbar aussichtslose Handlungen abzuverlangen (BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2006 - 1 B 54.06 -, Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 4, Rn. 4; Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 8.98 -, BVerwGE 108, 21, 29, zu § 30 Abs. 4 AuslG; Urteil des Senats vom 15. Juni 2007, a.a.O., Rn. 47; VGH Mannheim, Urteil vom 3. Dezember 2008, a.a.O., S. 111). Dabei trifft den Ausländer die Darlegungs- und Nachweislast dafür, dass er die erforderlichen und zumutbaren Anstrengungen, ein Heimreisedokument zu erhalten, unternommen hat. Dies ist gerechtfertigt, weil es um seine Mitwirkungspflichten und um Geschehnisse geht, die typischerweise ausschließlich seinem Einflussbereich zugeordnet und der Kenntnisnahmemöglichkeit der Ausländerbehörde entzogen sind (vgl. Urteil des Senats vom 14. Juni 2007, a.a.O., Rn. 58, m.w.N.).
(2) Nach dem Ergebnis der gemäß § 87 Abs. 3 VwGO von dem Berichterstatter durchgeführten Zeugenvernehmung ist es für einen ausreisepflichtigen staatenlosen Palästinenser aus dem Libanon und im Einzelfall auch für den Kläger nicht von vornherein erkennbar aussichtslos, bei der Libanesischen Botschaft ein Dokument für die Heimreise zu erhalten; dahingehende Bemühungen sind ihm daher zumutbar.
Wie der Zeuge S. und die Zeugin B. nachvollziehbar bekundet haben, können Palästinenser ein Heimreisedokument (Laissez-Passer) bei der Libanesischen Botschaft in Berlin erhalten. Hierfür müssen sie einen - möglichst mehrere - Identitätsnachweis(e) vorlegen. Dazu ist der Kläger mithilfe der von ihm im hiesigen Verfahren präsentierten Dokumente (abgelaufenes DDV, Geburtsurkunde, UNRWA-Registrierungskarte) imstande. Ferner müssen Bewerber für die Ausstellung eines Heimreisedokuments ein Flugticket präsentieren, um ihren Ausreisewillen zu dokumentieren. Die Kosten hierfür - sowie für die Ausstellung des Laissez-Passer - trägt nach Angabe der Zeugin B. der Beklagte. Sie hat bekundet, die Bearbeitung von Anträgen durch die Libanesische Botschaft erfolge deutlich schneller, wenn die Betreffenden sich selbst um die Beschaffung des Heimreisedokuments bemühten und bei wiederholten Vorsprachen auf die Ausstellung eines Laissez-Passers drängten, während die Beantragung eines Personaldokuments durch den Beklagten nicht in gleicher Weise erfolgreich sei. Die Erfolgsaussichten eines von einem Palästinenser selbst gestellten Antrags seien offen, wobei sie hinzugesetzt hat, sie bearbeite nur wenige Fälle und besitze daher keinen größeren Überblick. In den Jahren 2008 und 2009 ist nach ihrer Angabe in mehreren Fällen die Beschaffung von Heimreisedokumenten gelungen. So hätten 2008 sechs Palästinenser freiwillig in den Libanon zurückkehren wollen. Zwei seien ausgereist, ein Verfahren schwebe noch, drei Verfahren seien eingestellt worden, weil die Betreffenden nicht mehr vorgesprochen oder ihren Antrag zurückgenommen hätten. Im Jahre 2009 habe es sieben Anträge gegeben; zwei Antragsteller seien ausgereist, zwei Verfahren schwebten noch, drei seien eingestellt worden. Der Zeuge S. hat bekundet, es gebe kein klar vorhersehbares Schema, nach dem die libanesischen Behörden entschieden, ob sie ein Laissez-Passer ausstellen. In denjenigen Fällen, in denen er ein Laissez-Passer für Palästinenser beantrage, erteile die Libanesische Botschaft das Dokument eher, wenn es sich - wie bei dem Kläger - um einen Straftäter handele.
Aus der im Nachgang zu der Beweisaufnahme von ihm eingereichten Dokumentation des Ausländerinformationsportals ZAIPort hat der Beklagte mehrere Fälle aus der jüngeren Vergangenheit benannt, in denen es staatenlosen Palästinensern aus dem Libanon gelungen ist, ein Heimreisedokument zu beschaffen (ZAIPort Dokumentation Pass). Teilweise hat auch die Berliner Ausländerbehörde ein Laissez-Passer für den Betreffenden erlangt (ZAIPort Dokumentation PEP), und zwar gerade nach Begehung erheblicher Straftaten (Reg.OM 003060200501; Reg.OM 099011403511; Reg.OM 001121100741) und obwohl die Zeugin B. angegeben hat, die behördliche Beschaffung eines Heimreisedokuments sei deutlich schwieriger, als wenn sich die palästinensischen Volkszugehörigen selbst um die Beschaffung eines solchen Dokuments kümmerten.
Auf die von dem Beklagten zunächst eingereichten Unterlagen über die erfolgreiche Beschaffung von Personaldokumenten in früheren Jahren kommt es demgegenüber nicht an, da sie wenig über die maßgebliche gegenwärtige Praxis der libanesischen Behörden besagen.
Der pauschale Hinweis in den - für den Senat ohnehin nicht verbindlichen - Verfahrenshinweisen der Ausländerbehörde Berlin (Stand 15. Juni 2010), Abschnitt E.Lib.3., derzeit sei grundsätzlich von einer tatsächlichen Unmöglichkeit der freiwilligen Ausreise und Abschiebung für palästinensische Volkszugehörige ungeklärter Staatsangehörigkeit aus dem Libanon auszugehen und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses sei regelmäßig auch in absehbarer Zeit nicht zu rechnen, führt schon deswegen nicht zu dem Schluss, die Ausstellung eines Heimreisedokuments durch die Libanesische Botschaft sei von vornherein erkennbar aussichtslos, weil gemäß Ziffer II.1. der Weisung E.Lib.3. für Personen, die Ausweisungsgründe nach § 53 AufenthG gesetzt haben, die Beschaffung einer Rückkehrberechtigung vorgesehen ist; zu diesem Zweck sei ein etwa vorhandenes Personaldokument einzuziehen und möglichst mit einem ausgefüllten Passantrag und vier Lichtbildern der Clearingstelle der Berliner Ausländerbehörde zuzuleiten. Demnach geht (auch) die Weisung bei Straftätern davon aus, dass die Rückführung nicht ausgeschlossen ist. Zudem hat der Beklagte im hiesigen Verfahren nachvollziehbar erläutert, die Weisung sei entstanden, als im Jahre 2005 für eine Vielzahl sich als palästinensische Volkszugehörige aus dem Libanon bezeichnender Personen äußerst geringe Abschiebungsmöglichkeiten bestanden hätten. Ihm sei bereits bei Erlass der Weisung bekannt gewesen, dass Betroffene in Einzelfällen Heimreisedokumente erhielten, der Verwaltungsaufwand habe jedoch durch die Weisung vermindert werden sollen.
Zu dem Ergebnis, dass dem Kläger der Erhalt eines Heimreisedokuments von vornherein erkennbar aussichtslos sei, führen nicht die von ihm vorgelegten Formulare der Libanesischen Botschaft über seine dortigen Vorsprachen, in denen für die Beantragung eines DDV vom Erfordernis der Vorlage eines deutschen Aufenthaltstitels oder einer entsprechenden Bescheinigung die Rede ist. Zwar entspricht der wesentliche Inhalt der Formulare dem Formblatt, das die Libanesische Botschaft in ihrer Auskunft vom 18. März 2010 auf Anfrage des Senats zu den Gerichtsakten gereicht hat. Er bezieht sich jedoch nur auf die - hier nicht in Rede stehende - Ausstellung eines DDV. Insoweit hat der Zeuge S. schlüssig erläutert, das Formular werde in der Konsularabteilung im Erdgeschoss des Botschaftsgebäudes (nur) solchen Personen ausgehändigt, die in Deutschland einen legalen Aufenthalt hätten oder bei denen ein solcher zu erwarten sei. Dies bedeutet, dass sich der Kläger höchstens um die Ausstellung eines DDV für legal im Bundesgebiet befindliche Personen bemüht hat. Wie der Zeuge S. sowie die Zeugin B. übereinstimmend bekundet haben, gibt es jedoch im dritten Stock des Gebäudes der Libanesischen Botschaft - wo der Kläger nach eigener Angabe in dem Beweistermin am 11. Mai 2010 bis dahin nicht vorgesprochen hatte - eine gesonderte Stelle, die für die Ausstellung eines Personaldokuments für Personen ohne einen deutschen Aufenthaltstitel zuständig ist. Dort wird ein besonderes Antragsformular vorgehalten, das der Zeuge S. anlässlich seiner Vernehmung zu den Gerichtsakten gereicht hat. Nach einem deutschen Aufenthaltstitel wird in dem Formular mit der Bezeichnung „Beantragung eines Rückreisedokumentes für eine sich illegal in Deutschland aufhaltende Person“ nicht gefragt; er ist nach den Angaben des Zeugen S. nicht erforderlich. Auch die Zeugin B. hat einen deutschen Aufenthaltstitel nicht zu den für die Beantragung eines Heimreisedokuments erforderlichen Unterlagen gezählt (undifferenziert insoweit VGH Mannheim, Urteil vom 3. Dezember 2008, a.a.O.). Dass der Kläger keinen deutschen Aufenthaltstitel besitzt, steht mithin der Beschaffung eines Laissez-Passer nicht entgegen.
Schließlich hat der Kläger selbst angegeben, er habe zuletzt im Jahre 1998 ein fünf Jahre gültiges DDV erhalten, was erkennen lässt, dass die libanesischen Behörden bereit waren, ihm ein Personaldokument auszustellen.
(3) Die ihm hiernach zumutbaren Bemühungen zur Beschaffung eines Laissez-Passer hat der Kläger bis unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung des Senats nicht unternommen.
Ausweislich der von ihm vorgelegten Bescheinigungen hat er sich innerhalb der letzten fünf Jahre nur dreimal, nämlich am 13. Juni 2005, 3. April 2008 und 29. Juni 2010, in die Libanesische Botschaft begeben; er selbst hat vage angegeben, er sei seit seinem Zuzug nach Berlin vier oder fünf Mal zur Beschaffung eines Personaldokuments in der Libanesischen Botschaft gewesen. Dies sind keine nachhaltigen Bemühungen um den Erhalt eines Heimreisedokuments. Zudem hat er sich ausweislich der vorgenannten Bescheinigungen höchstens nach den Voraussetzungen für die Ausstellung eines DDV erkundigt. Dem schriftsätzlichen Vortrag des Beklagten vom 28. Juni 2010, nach Auskunft des zuständigen Mitarbeiters der Libanesischen Botschaft, Herrn A., habe er bis dahin weder einen Pass noch ein Rückkehrdokument beantragt, ist er nicht entgegengetreten. Er wäre auch nicht entlastet, wenn er von der für die Ausstellung eines Laissez-Passer zuständigen Stelle im dritten Stock des Botschaftsgebäudes nichts gewusst hätte. Der Beklagte hat ihn nämlich durch Schreiben vom 14. März 2008 darauf hingewiesen, er könne seine Bereitschaft zur Ausreise (auch) bei der Rückkehrberatung des Landesamtes für Gesundheit und Soziales erklären. In dem Bescheid vom 14. April 2009 betreffend die Ablehnung des Antrags auf Streichung der Auflage „Beschäftigung nicht gestattet“ in der Duldung des Klägers hat der Beklagte erneut auf die Rückkehrhilfe des Landesamtes für Gesundheit und Soziales hingewiesen, ferner auf die Rückkehrberatungsstelle im Hause der Berliner Ausländerbehörde. Hierdurch wusste der Kläger seit langem, dass er von dem Beklagten Unterstützung bei der Beschaffung eines Personaldokuments erhalten wird, der im Übrigen durch seine Hinweise etwa bestehende Mitwirkungspflichten (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 3. Dezember 2008, a.a.O., S. 112) erfüllt hat. Ihm wäre dann auch bekannt geworden, bei welcher Stelle der Libanesischen Botschaft er vorzusprechen hat. Der Kläger hat die ihm angebotene Hilfestellung bei der Dokumentenbeschaffung jedoch nach eigenem Eingeständnis nicht in Anspruch genommen. Sein Versäumnis muss er sich zurechnen lassen. Soweit er im Übrigen bei seiner Anhörung durch den Berichterstatter am 11. Mai 2010 erklärt hat, er habe gegenüber der Libanesischen Botschaft bei dem Versuch der Beantragung eines DDV auch seine Bereitschaft zur freiwilligen Rückkehr in den Libanon bekundet, überzeugt dies nicht. Der Zeuge S. hat schlüssig darauf hingewiesen, es sei damit zu rechnen, dass ein aus dem Libanon stammender Palästinenser, der seine Bereitschaft zu freiwilliger Ausreise bekunde, von der für die Ausstellung eines DDV zuständigen Konsularabteilung an die für illegal in Deutschland aufhältliche Personen zuständige Stelle im dritten Stock des Botschaftsgebäudes verwiesen werde. Diese Stelle hatte der Kläger indes nach eigener Angabe bis dahin nicht aufgesucht. Selbst mit Schriftsatz vom 3. August 2010 hat er erneut nur ein Formblatt mit Hinweisen zur Ausstellung eines DDV sowie ein entsprechendes Antragsformular vorgelegt und angegeben, die Unterlagen am 29. Juni 2010 von der Libanesischen Botschaft erhalten zu haben. Dabei war ihm spätestens seit dem Beweistermin am 11. Mai 2010 bekannt, dass und bei welcher Stelle der Botschaft er ein Formular zum Erhalt eines Laissez-Passer auszufüllen hat.
Allerdings hat der Kläger zuletzt vorgetragen, er habe am 6. September 2010 und damit in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu der mündlichen Verhandlung vor dem Senat im dritten Stock der Libanesischen Botschaft vorgesprochen. Damit hat er erstmals eine grundsätzlich erfolgversprechende Verfahrensweise zur Erlangung eines Heimreisedokuments eingeschlagen. Er hat jedoch bekundet, er sei dort empfangen worden, habe ein auf die Ausstellung eines Laissez-Passer zielendes Formular ausgefüllt sowie vier Fotos und seine Fingerabdrücke abgegeben. Herr A. habe seiner Prozessbevollmächtigten auf telefonische Nachfrage erklärt, mit einer Antwort der libanesischen Behörden sei in etwa drei Monaten zu rechnen. Hiernach kann keine Rede davon sein, dass die Beschaffung eines Laissez-Passer für den Kläger zum gegenwärtigen Zeitpunkt erkennbar aussichtslos ist.
II. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104 a AufenthG steht dem Kläger schon aufgrund seiner letzten Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe wegen Betäubungsmittelvergehens nicht zu, § 104 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG.
III. Der Schutz des Privatlebens im Sinne von Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK gebietet nicht die Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis. Der 1975 geborene Kläger ist in Deutschland nicht in schützenswerter Weise verwurzelt. Er reiste erst im Jahre 1998 hier ein, wurde also maßgeblich durch die Verhältnisse im Libanon geprägt. Zwar hat er sich seither im Bundesgebiet aufgehalten, aber ohne entsprechende aufenthaltsrechtliche Genehmigung. Eine Verwurzelung im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kommt grundsätzlich - und so auch hier - nur auf der Grundlage eines rechtmäßigen Aufenthalts und eines Vertrauens auf den Fortbestand des Aufenthalts in Betracht (vgl. EGMR, Urteil vom 8. April 2008 - 21878/06 - Rn. 72 bis 78, Nnyanzi; BVerwG, Urteil vom 30. April 2009 - 1 C 3.08 -, NVwZ 2009, 1239, 1241, Rn. 20).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.