Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 18. Senat | Entscheidungsdatum | 23.05.2012 | |
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Aktenzeichen | L 18 AL 385/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 183 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 3, § 615 BGB |
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. November 2010 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16. Februar 2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 5. April 2011 verurteilt wird, dem Kläger für die Zeit vom 1. Mai 2007 bis 31. Juli 2007 ein höheres Insolvenzgeld zu gewähren.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten im Verfahren vor dem Landessozialgericht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Insolvenzgeldes (Insg) für den Zeitraum 1. Mai 2007 bis 31. Juli 2007.
Der Kläger (VP 2) ist Schauspieler und Musicaldarsteller. Er schloss, vertreten durch die M – Agentur für Schauspieler - N P (P), am 6. Mai 2007 einen Vertrag mit dem G-M e. V. (VP 1) über die Rolle des „Kutte/Kleist/Manager Stange“ in der Musicalproduktion „DIE METROPOLE – das BERLIN-MUSICAL“ für die Zeit vom 1. Mai 2007 bis zum 31. Juli 2007. Die Premiere war für den 8. Juni 2007 vorgesehen. Der Vertrag vom 6. Mai 2007, auf den Bezug genommen wird, enthielt unter anderem folgende Regelungen:
„§ 1 Umfang und Geltungsdauer
… Die zweite Hauptprobe und die Generalprobe sind öffentlich und zählen als Vorstellungen. Die weiteren Vorstellungen in B sind am 10.6.2007 und vom 3.07. bis 29.07.2007. VP 1 kann die Premiere, falls erforderlich bis zu vier Wochen verschieben.
§ 4 Vergütung
VP 2 enthält ein Arbeitsentgelt, aufgerechnet auf die Vorstellungen, die mit 287,00 € vergütet werden. Es wird auf das Konto von VP 2 …………….. zum 15. des darauffolgenden Monats gezahlt. VP 1 übernimmt den gesetzlichen Anteil an der Arbeitslosen-, Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und führt die Lohnsteuer ab. Am Tage der Generalprobe ist ein Probenentgelt von pauschal 1640 € (tausendsechshundertvierzig) fällig. Damit ist der Probenzeitraum April/Mai 2007 abgegolten. Wiederaufnahmeproben werden mit 143,00 € (einhundertdreiundvierzig) vergütet. VP 1 sichert ein Ausfallgeld von 50 % der Abendgage bei Absagen am Vorstellungstag wird die volle Gage bezahlt. VP 2 werden in B 14 Vorstellungen garantiert. Er alterniert mit seiner Doppelbesetzung, der die gleiche Anzahl an Vorstellungen garantiert werden, wenn beide sich nicht anderweitig einigen. Wer eine jeweilige Vorstellung spielt, ist mit dem VP 1 eine Woche vorher zu besprechen. …“
Bei den hier kursiv wiedergegebenen Passagen des Vertrages handelt es sich um handschriftliche Änderungen bzw. Ergänzungen des von VP 1 vorformulierten Vertragstextes durch P. Für das Musical war entsprechend einem von VP 1 im Internet publizierten Spielplan die folgenden Aufführungen vorgesehen: Für Juni 2007 Generalproben am 7. und 8., Premieren am 8. und 9., eine Vorstellung am 10. des Monats. Für Juli 2007 war in der Zeit vom 3. bis 29. des Monats mit Ausnahme des 9., 16., und 23. täglich eine Vorstellung terminiert (= 24 Vorstellungen). Als Spielstätte war die Große Arena des Tempodroms vorgesehen. Zu einer Doppelbesetzung der Rolle des Klägers kam es nicht. Die Generalprobe am 7. Juni 2007 musste abgebrochen werden, weil die Musiker unter Hinweis auf unbefriedigte finanzielle Forderungen ihre Mitwirkung verweigerten. Die Treugast GmbH als Betreiber des Tempodrom untersagte VP 1 sodann die weitere Nutzung der Spielstätte. VP 1 beantragte am 10. Juni 2007 bzw. 27. Juni 2007 beim Amtsgericht (AG) Charlottenburg die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. VP 1 dankte mit einer E-Mail seiner Vorsitzenden C H (H) vom 15. Juni 2007 „allen“ für die Anstrengungen, das Musical zu produzieren, und stellte als „Zwischeninformation“ in Aussicht, sich um einen anderen Aufführungsort kümmern zu wollen. Mit E-Mail vom 29. Juni 2007 kündigte H für VP 1 dann allerdings den „Kollegen“ den „Abbruch der Arbeiten an der Wiederbelebung der Premiere in diesem Jahr“ an und stellte die Beantragung von Insg anheim, weil VP 1 über keine Insolvenzmasse verfüge. Mit Schreiben vom 7. Juli 2007 kündigte VP 1 den Vertrag vom 6. Mai 2007 mit dem Kläger mit sofortiger Wirkung „aufgrund der Einstellung des Betriebs und der Insolvenz des Vereins“. Diese Kündigung erhielt der Kläger am 18. Juli 2007. Unter dem 19. Juli 2007 stellte er bei der Beklagten den Antrag auf InsG. In dem Antrag führte er aus, dass er vom 1. Juni 2007 bis zum 31. Juli 2007 gegen ein Entgelt in Höhe von 324,46 € für das Theater an der Parkaue tätig gewesen war. Im Rahmen der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Berlin einigten sich die Parteien auf das Ende des Arbeitsverhältnisses mit Auslaufen des befristeten Vertrages zum 31. Juli 2007. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde vom AG mit Beschluss vom 11. Oktober 2007 - 36g IN 2628/07 - mangels Masse zurückgewiesen
Die Beklagte bewilligte dem Kläger zunächst mit Bescheid vom 20. Mai 2008 Insg in Höhe von insgesamt 2.756,10 € für die Zeit vom 1. Mai 2007 bis zum 18. Juli 2007 abzüglich eines Betrages in Höhe von 385,- € wegen der neuen Beschäftigung. Für den Zeitraum vom 19. Juli 2007 bis 31. Juli 2007 wurde ein Insg-Anspruch abgelehnt. Den am 20. Juni 2008 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2008 als unbegründet zurück und führte aus: Das Arbeitsverhältnis habe zum 18. Juli 2007 mit Zugang der Kündigung geendet und deshalb erstrecke sich der Insolvenzgeldzeitraum nur bis zum 18. Juli 2007.
Im Klageverfahren hat die Beklagte mit Bescheid vom 5. Dezember 2008 den Bewilligungsbescheid vom 20. Mai 2008 dahingehend geändert, dass unter Erweiterung des Insolvenzgeldzeitraums bis zum 31. Juli 2007 Insg iHv 2.880,97 € gewährt wurde. Der Kläger hat vorgetragen, der Berechnung des Insolvenzgeldes seien 100 % statt lediglich 50 % der Abendgage zugrunde zu legen, da ihm Vorstellungen garantiert worden seien. Das Sozialgericht (SG) Berlin hat mit Urteil vom 10. November 2010 den Bescheid vom 20. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2008 in der Fassung des Bescheides vom 5. Dezember 2008 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger … (Insolvenzgeld) … ohne Minderung in Höhe von 385,- € wegen der Beschäftigung am Theater an der Parkaue auf der Grundlage von 100 % der 14 Vorstellungsentgelte zu gewähren. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei begründet. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Insg ohne Anrechnung der 385,- € und auf der Grundlage von 100 % der 14 Vorstellungsentgelte zu. Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) hätten Arbeitnehmer Anspruch auf Insg, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hätten. Zutreffend sei die Beklagte davon ausgegangen, dass dem Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Insg für einen Insolvenzgeldzeitraum vom 1. Mai 2007 bis zum 31. Juli 2007 zustehe. Nach § 183 Abs. 1 Satz 3 SGB III gehörten zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt, die bei der Berechnung des Insg zu berücksichtigen seien, alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie noch offen seien und in den Insolvenzgeldzeitraum fielen. Sachlich umfasse der Anspruch auf Arbeitsentgelt alle Arten von Bezügen aus dem Arbeitsverhältnis, die als Gegenwert für geleistete Arbeit oder das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft angesehen werden könnten. Die Minderung des Insg in Höhe von 385,- € wegen der anderweitigen Beschäftigung am Theater an der Parkaue sei rechtswidrig. Ferner sei die Berechnung des Insg auf der Grundlage von 14 Vorstellungen in Höhe von lediglich 50 % ebenfalls rechtswidrig. Da die Vergütungsregelung des Arbeitsvertrages (§ 4) nicht eindeutig sei, bedürfe sie der Auslegung. Der Wortlaut der Klausel spreche noch nicht für eine volle Vergütung der Vorstellung, da dem Kläger sowohl ein Ausfallgeld von 50 % Abendgage zugesichert als auch ihm 14 Vorstellungen in B garantiert worden seien. Jedoch ergebe sich aus den Umständen der Vertragsentstehung und der vom Kläger dargestellten und in der Schauspielerbranche üblichen Vertragsgestaltung, ein Anspruch auf Vergütung von 14 Vorstellungen in voller Höhe. Es sei üblich, die Probenentgelte eher gering zu halten und im Gegenzug den Schauspielern eine bestimmte Anzahl von Vorstellungen zu garantieren, um den „Verdienstausfall“ während der Proben zu kompensieren. Danach habe der Kläger darauf vertrauen dürfen, dass ihm 14 Vorstellungen in voller Höhe vergütet würden. Da der Arbeitsvertrag für eine Vielzahl von Verträgen mit Schauspielern, Musikern und Darstellern formuliert und vom Arbeitgeber einseitig gestellt worden sei, falle er unter den Anwendungsbereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 305 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Selbst wenn sich also die volle Vergütung nicht hinreichend aus den beschriebenen Umständen ergeben sollte, würde die Regelung des § 305c Abs. 2 BGB dazu führen, dass Unklarheiten zu Lasten des Verwenders – also des Arbeitgebers – gingen und damit auch eine Vergütung für 14 Vorstellungen in voller Höhe zu bejahen wäre. Mit Beschluss vom 16. Februar 2011 hat das SG Berlin das Urteil vom 10. November 2010 berichtigt und den Urteilstenor wie folgt gefasst: Der Bescheid vom 20. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2008 in der Fassung des Bescheides vom 5. Dezember 2008 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger … (Insolvenzgeld) … ohne Minderung in Höhe von 385,- € wegen der Beschäftigung am Theater an der Parkaue auf der Grundlage von 100 % der Vorstellungsentgelte zu gewähren. Zur Begründung ist ausgeführt, soweit der Bescheid vom 20. Mai 2008 aufgehoben werde, liege ein Schreibfehler vor, da lediglich eine Änderung des Bescheides beabsichtigt gewesen sei.
Im Berufungsverfahren hat die Beklagte mit Bescheid vom 5. April 2011 dem Kläger für die Zeit vom 1. Mai 2007 bis zum 31. Juli 2007 Insg in Höhe von 3.265,97 Euro bewilligt. Die Beklagte trägt vor: Sie halte an der Minderung von 385,- Euro nicht mehr fest. Nach dem Änderungsbescheid vom 5. Dezember 2008 sei von Arbeitsentgeltansprüchen für Juni 2007 in Höhe von Brutto 1.148,- € (2 x 287,00 € volle Gage für zweite Hauptprobe und Generalprobe + vier Vorstellungen x 143,50 € Ausfallgeld) sowie für Juli 2007 in Höhe von 2.009,- € Brutto (14 garantierte Vorstellungen x 143,50 € Ausfallgeld) auszugehen. Der darüber hinausgehende Anspruch auf Insg sei nicht begründet. Da bereits die Generalprobe am 7. Juni 2007 geplatzt sei, sei die Fortführung der Musicalproduktion „Die Metropole – Das Berlinmusical“ sehr fraglich bzw. absehbar nicht mehr möglich gewesen. Jedenfalls habe der Kläger davon ausgehen müssen, dass die geplanten Vorstellungen überholt seien, solange keine ordentliche Generalprobe durchgeführt worden sei. Unter den gegebenen Umständen hätten Absagen an den Vorstellungstagen, die vereinbarungsgemäß einen Anspruch auf volle Gage herbeigeführt hätten, nicht vorgelegen. Der Kläger hätte auch andere Beschäftigungsmöglichkeiten ergreifen können, um die erkennbaren Entgeltausfälle auszugleichen und somit den finanziellen Schaden zu begrenzen. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die Beklagte den Kläger bereits begünstigt habe. Vertragsgemäß zählten auch die zweite Hauptprobe und die Generalprobe als Vorstellungen. Da bereits im Juni 2007 insgesamt sechs Vorstellungen berücksichtigt worden seien, wären im Juli 2007 nur noch acht weitere Vorstellungen mit einem Ausfallgeld von jeweils 143,50 € beachtlich gewesen. Nach § 4 des Arbeitsvertrages vom 6. Mai 2007 habe der Kläger lediglich bei einer Absage am Vorstellungstag Anspruch auf die volle Gage gehabt. Mit dieser Regelung sei berücksichtigt worden, dass bei einer Absage am Vorstellungstag in der Regel die Aufnahme einer Alternativbeschäftigung ausgeschlossen sei, so dass unvermeidlich ein Verdienstausfall eintrete. In übrigen Fällen seien sich die Parteien darüber einig gewesen, dass das Ausfallgeld lediglich 50 % der Abendgage betragen sollte. Der Abbruch der Generalprobe habe erkennbar zur Folge gehabt, dass Vorstellungen nicht hätten stattfinden können. Mit dem Kläger seien nie konkrete Abstimmungsgespräche über Vorstellungstermine geführt worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. November 2010 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16. Februar 2011 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 5. April 2011 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Mai 2007 bis 31. Juli 2007 höheres Insolvenzgeld zu gewähren.
Er trägt vor: Die Auslegung des Satzes „VP 2 werden in B 14 Vorstellungen garantiert“ in § 4 des Arbeitsvertrages sei eindeutig dahingehend vorzunehmen, dass ihm 14 Vorstellungen zu einem vollen Vorstellungshonorar in Höhe von 287,- € garantiert würden. Etwaige Zweifel gingen nach § 305c BGB zu Lasten des Arbeitgebers, welcher einen vorformulierten Arbeitsvertrag verwendet habe. Anhaltspunkte dafür, dass eine echte Individualabrede vorliege, welche die Anwendung der §§ 305 f. BGB ausschließen würde, seien trotz der geringfügigen handschriftlichen Änderungen im Arbeitsvertrag nicht gegeben. § 613 Satz 3 BGB sei nicht wirksam abbedungen worden. Der „Arbeitgeber der Beklagten“ habe sich nach der geplatzten Generalprobe in Annahmeverzug befunden. Denn ihm habe es als Gläubiger der geschuldeten Arbeitsleistung oblegen, dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung zu ermöglichen. Dazu hätte er den Arbeitseinsatz des Arbeitnehmers fortlaufend planen und Ort und Zeit der Arbeitsleistung näher konkretisieren müssen. Komme der Arbeitgeber dieser Obliegenheit - wie hier - nicht nach, gerate er in Annahmeverzug, ohne dass es eines Angebots der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer bedürfe.
Wegen des Verbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Der Senat hat durch den Berichterstatter am 25. Januar 2012 einen Erörterungstermin durchgeführt; auf die Niederschrift zu dieser Sitzung wird verwiesen.
Den Kläger betreffende Insolvenzgeldakte und die Betriebsakte (Behelfsakte) sowie die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. § 54 Abs. 4 SGG) gegen den gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 SGG allein noch Gegenstand des Verfahrens bildenden Bescheid vom 5. April 2011 zu verfolgenden Anspruch auf Gewährung höheren Insolvenzgeldes für die Zeit vom 1. Mai 2007 bis 31. Juli 2007. Über den Bescheid vom 5. April 2011 war erstinstanzlich kraft Klage zu befinden, so dass die Berufung mit der entsprechenden Maßgabe zurückzuweisen war. Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insg, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis ist hier die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des AG vom 11. Oktober 2007 anzunehmen. § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II greift hier nicht ein, weil von einer vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit angesichts der im Laufe des Monats Juni 2007 unternommenen Versuche, das Musical zur Aufführung zu bringen, jedenfalls bis Ende dieses Monats nicht auszugehen ist. Es kann dahinstehen, wann frühestens ein wirksamer Insolvenzantrag durch VP 1 gestellt worden war. Denn jedenfalls am 27. Juni 2007 lag ein derartiger, vor Betriebseinstellung gestellter Antrag vor.
Nach § 183 Abs. 1 Satz 3 SGB III gehören zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt, die bei der Berechnung des Insg berücksichtigt werden, alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie noch offen sind und in den Insolvenzgeldzeitraum fallen. Sachlich umfasst der Anspruch auf Arbeitsentgelt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) alle Arten von Bezügen aus dem Arbeitsverhältnis, die als Gegenwert für geleistete Arbeit oder als zur Verfügung gestellte Arbeitskraft angesehen werden können (BSG, Urteil vom 30. November 1977 – 12 RAr 99/76 = SozR 4100 § 141b Nr. 5; BSG, Urteil vom 17. Juli 1979 – 12 RAr 4/79 = SozR 4100 § 141b Nr. 12). Dem Kläger steht ein Anspruch auf Insg auf der Grundlage eines Arbeitsentgeltes von 287,- € für insgesamt 14 Vorstellungen zu.
Dieser Anspruch ergibt sich jedoch nicht unmittelbar aus dem zwischen dem Kläger und VP 1 geschlossenen Arbeitsvertrag vom 6. Mai 2007. Soweit ihm nach § 4 Satz 8 dieses Vertrages 14 Vorstellungen „garantiert“ werden, bedeutet dies nicht, dass ihm auch mindestens 14 volle Gagen garantiert werden. Denn die dem Kläger zustehende Vergütung wird im Arbeitsvertrag an anderer Stelle geregelt, nämlich in § 4 Satz 1 und Satz 7. Nach Satz 7 hat dem Kläger regelmäßig nur ein Ausfallgeld iHv 50 % zugestanden. Eine volle Vergütung konnte danach nur beansprucht werden, wenn eine Absage erst am Vorstellungstag, was hier nicht in Betracht kommt, ausgesprochen wurde. Wie die Bezugnahme in § 4 Satz 9 des Vertrages auf die vorgesehene Doppelbesetzung der Rolle, der die gleiche Anzahl an Vorstellungen garantiert werden sollten, erkennen lässt, war es ausschließlich Sinn dieser Bestimmung, dem Kläger eine Einsatzgarantie für eine bestimmte Anzahl von Vorstellungen zu geben. Insoweit bestehen auch keine Unklarheiten im Sinne des § 305c Abs. 2 BGB, die gegebenenfalls zu Lasten des Verwenders von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gehen würden. Es kann deshalb offen bleiben, ob diese Regel hier aufgrund des Vorrangs der Individualabrede (§ 305 b SGB) angesichts des Umstandes, dass Kläger den vorformulierten Text des Arbeitsvertrages in wesentlichen Punkten handschriftlich hat abändern lassen, überhaupt greifen könnte.
Der Kläger hat jedoch aus § 615 Satz 1 BGB einen Anspruch auf volle Vergütung von 14 im Insolvenzzeitraum vorgesehenen Vorstellungen. Ansprüche des Arbeitnehmers aus Annahmeverzug des Arbeitgebers nach § 615 BGB sind insolvenzgeldgeschützte Arbeitsentgeltansprüche (vgl. Krodel, in Niesel, SGB III, 4. Aufl. § 183 Rn. 66). Nach dieser Vorschrift kann der Verpflichtete für die in Folge eines Annahmeverzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. § 615 BGB ist vorliegend auch nicht arbeitsvertraglich abbedungen worden. Die in § 4 des Arbeitsvertrages getroffene Ausfallgeldregelung enthält keine ausdrückliche Abbedingungsklausel hinsichtlich der gesetzlichen Bestimmungen über den Annahmeverzug. Es kann offen bleiben, ob mit der Ausfallgeldregelung konkludent ein Geldanspruch wegen Annahmeverzug ausgeschlossen werden sollte, soweit die Gründe der Nichtannahme der Leistung nicht in die Sphäre des Arbeitgebers fallen. Jedenfalls enthält die Regelung keine Anhaltspunkte dafür, dass die gesetzliche Regelung über einen Vergütungsanspruch bei Annahmeverzug auch für Fälle ausgeschlossen werden sollte, bei denen –wie hier - der Annahmeverzug aus Gründen, die in die Sphäre des Arbeitgebers fallen, eintritt.
Annahmeverzug nach § 615 Satz 1 BGB erfordert zunächst, dass ein erfüllbares Arbeitsverhältnis besteht, der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat und Willens ist, die Arbeitsleistung zu erbringen und der Arbeitgeber die Arbeitsleistung tatsächlich nicht annimmt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. November 2007 – L 8 AL 78/04 -, juris). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Insbesondere sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger an dem nach dem Spielplan für Juni/Juli 2007 vorgesehenen Vorstellungsterminen nicht bereit und in der Lage gewesen wäre, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Soweit ein Annahmeverzug weiterhin grundsätzlich ein Arbeitsangebot des Arbeitnehmers voraussetzt (vgl. §§ 293 ff. BGB), gilt dies nach § 296 BGB ausnahmsweise nicht, wenn der Arbeitgeber eine Handlung, für die nach dem Kalender eine Zeit bestimmt ist, nicht rechtzeitig vornimmt. Eine derartige nach dem Kalender bestimmte Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers liegt darin, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für jeden (potentiellen) Arbeitstag einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen hat (vgl. BAG, Urteil vom 19. Januar 1999 – 9 AZR 679/97 = BAGE 90, 329). Dem Arbeitgeber obliegt es als Gläubiger der geschuldeten Arbeitsleistung, dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung zu ermöglichen. Dazu muss er den Arbeitseinsatz des Arbeitnehmers fortlaufend planen und durch Weisungen hinsichtlich Ort und Zeit näher konkretisieren. Kommt der Arbeitgeber dieser Obliegenheit nicht nach, gerät er in Annahmeverzug, ohne dass es eines Angebots der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer bedarf. So liegt der Fall hier. Der Arbeitgeber des Klägers hatte nach der geplatzten Generalprobe mitgeteilt, dass er sich um einen neuen Aufführungsort kümmern werde, um das Musical doch noch zur Aufführung zu bringen. Damit stand zugleich fest, dass der ursprüngliche Spielplan, der Vorstellungen an konkret bestimmten Tagen im Juni und Juli 2007 vorsah, in Ermangelung einer Spielstätte nicht wie vorgesehen durchführbar war. Dieser neuen Sachlage hätte der Arbeitgeber des Klägers durch eine veränderte Planung Rechnung tragen müssen. Zwar teilte H für VP 1 noch mit einer E-Mail vom 15. Juni 2007 mit, dass ein neuer Veranstaltungsort gesucht werde, was aber voraussichtlich bis Mitte Juli dauern würde. Diese Bemühungen waren aber offensichtlich erfolglos und dem Kläger wurde zu keinem Zeitpunkt ein neuer Spielort mitgeteilt. Da der Arbeitgeber des Klägers seiner Obliegenheit hinsichtlich der Benennung eines neuen Arbeitsortes nicht nachkam, bedurfte es keines Angebotes des Klägers zur Arbeitsleistung, um VP 1 in Annahmeverzug zu versetzen. Es mag zwar - wie von der Beklagten vorgetragen - sein, dass mit dem Kläger keine Gespräche über konkrete Vorstellungstermine geführt worden sind. Dies ändert jedoch nichts daran, dass es zunächst Sache von VP 1 gewesen wäre, dem Kläger einen neuen Spielplan und eine neue Spielstätte mitzuteilen und ihm so Gelegenheit zu geben, entsprechend § 4 Satz 10 des Vertrages vom 6. Mai 2007 Gespräche über den konkreten Einsatz an einem der neuen Vorstellungstage zu führen. Im Übrigen wäre angesichts der unterbliebenen Doppelbesetzung der Rolle des Klägers diese Vorbesprechung ohnehin überflüssig gewesen.
Schließlich sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger sich nach § 315 Satz 2 BGB den Wert desjenigen anrechnen lassen müsste, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Dementsprechend hat der Kläger aus § 615 BBG Anspruch auf Berechnung des Insg auf der Grundlage des vollen Arbeitsentgeltes von insgesamt 14 garantierten Vorstellungen. Neben den im hier allein noch streitgegenständlichen Bescheid vom 5. April 2011 mit der vollen Vergütung bereits berücksichtigten zweite Hauptprobe und der Generalprobe, welche nach § 1 des Vertrages vom 6. Mai 2007 als Vorstellungen zu zählen sind, hat der Kläger damit Anspruch auf Berücksichtigung weiterer 12 mit einem Arbeitsentgelt von 287,- € anzusetzenden Vorstellungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Nr. 2 und 3 SGG liegen nicht vor.