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Zulassungsantrag; ernstliche Richtigkeitszweifel; Rückbauanordnung; Grundstücksteilung; baurechtswidriger Zustand; unzulässige Grenzbebauung; zivilrechtliche Wirksamkeit der Teilung; Bestandsschutz; Ermessen; Unmöglichkeit des Rückbaus; Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens; Darlegungserfordernis


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 2. Senat Entscheidungsdatum 03.08.2012
Aktenzeichen OVG 2 N 74.10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124a Abs 4 S 4 VwGO, § 17 SOG BE, § 7 Abs 1 BauO BE, § 79 S 1 BauO BE, § 19 Abs 2 BauGB, § 134 BGB

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. Juni 2010 wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 35.000 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der sinngemäß allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Derartige Zweifel setzen voraus, dass ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 2009 – 1 BvR 812/09 -, NJW 2010, 1062, 1063). Das im Zulassungsantrag Dargelegte (vgl. § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) erfüllt diese Anforderungen nicht.

a. Ohne Erfolg beanstandet die Klägerin, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass der Beklagte den Bescheid unter falschen Voraussetzungen erlassen habe, indem er die streitgegenständliche Rückbauverfügung unzutreffend auf § 79 Satz 1 BauOBln gestützt habe. Die Klägerin übersieht, dass der Beklagte lediglich im Ausgangsbescheid vom 22. April 2008 § 79 Satz 1 BauO Bln als Rechtsgrundlage der Rückbauanordnung angeführt hat, im Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 2008 jedoch § 17 ASOG i.V.m. §§ 7 Abs. 1, 79 Satz 1 BauO Bln. Da Gegenstand der Anfechtungsklage der ursprüngliche Bescheid in der Gestalt ist, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), ist maßgebend für die gerichtliche Überprüfung die im Widerspruchsbescheid herangezogene Rechtsgrundlage. Im Übrigen setzt sich die Klägerin nicht mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts auseinander, das Heranziehen unterschiedlicher Rechtsgrundlagen im Ausgangs- und Widerspruchsbescheid sei unschädlich, denn Grund und Zielrichtung des behördlichen Einschreitens nach § 79 Satz 1 BauOBln und nach § 17 ASOG sei in Fällen wie dem vorliegenden identisch.

b. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils werden nicht aufgezeigt mit der Rüge, das Verwaltungsgericht hätte den Einwand der Klägerin, es liege eine unwirksame Grundstücksteilung vor, nicht als unbeachtlich ansehen dürfen. Die Klägerin legt auch in der Zulassungsbegründung nicht schlüssig dar, aus welchen Gründen die durch Eintragung der Käufer im Grundbuch am 13. September 2001 vollzogene Grundstücksteilung unwirksam sein sollte. Der Vollzug der Grundstücksteilung im Grundbuch erfolgte, nachdem der Beklagte mit Negativzeugnis vom 6. Juni 2000 auf der Grundlage von § 20 Abs. 2 BauGB a.F. erklärt hatte, dass es einer Teilungsgenehmigung nicht bedürfe. Dass durch die Teilung wegen des Entstehens einer unzulässigen Grenzbebauung ein Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften hervorgerufen wird, lässt deren zivilrechtliche Wirksamkeit unberührt (vgl. Gutachten, DNotI-Report, 2004, S. 173, 174; Eickmann in: Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann, Grundbuchrecht, § 7 GBO Rn. 30). Insbesondere beinhaltet § 7 Abs. 1 BauO Bln, wonach durch die Teilung eines Grundstücks, das bebaut ist oder dessen Bebauung genehmigt ist, keine Verhältnisse geschaffen werden dürfen, die den öffentlich-rechtlichen Vorschriften widersprechen, keine Verbotsvorschrift im Sinne von § 134 BGB mit der Folge, die dass die zivilrechtliche Teilungserklärung nichtig wäre (vgl. zur vergleichbaren Vorschrift in § 19 Abs. 2 BauGB: Rieger in: Schrödter, BauGB, 7. Aufl. 2006, § 19 Rn. 7). Vielmehr räumt das in § 7 Abs. 1 BauO Bln enthaltene Verbot in Verbindung mit der allgemeinen Eingriffsbefugnis der Ordnungsbehörden nach § 17 Abs. 1 ASOG den Bauaufsichtsbehörden die Befugnis ein, den durch die Grundstücksteilung bewirkten baurechtswidrigen Zustand durch entsprechende Anordnungen, z. B. gerichtet auf den Rückbau baulicher Anlagen, zu beheben (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Juni 2007 - OVG 10 S 9.07 -, juris Rn. 5; Broy-Bülow in: Wilke u.a., Bauordnung für Berlin, 6. Aufl. 2008, § 7 Rn. 14).

c. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Klägerin könne dem bauaufsichtsrechtlichen Einschreiten nicht erfolgreich den Einwand des Bestandsschutzes entgegenhalten, ist nicht aus den in der Begründung des Zulassungsantrages genannten Gründen zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass ein formeller Bestandsschutz ausscheide, weil die im Jahr 2001 erteilte Befreiung für das Wohnhaus auf dem Grundstück G... rechtswidrig gewesen sei und der Beklagte diese mit mittlerweile bestandskräftigem Bescheid zurückgenommen habe. Materieller Bestandsschutz scheide ebenfalls aus, auch wenn das Wohnhaus seinerzeit rechtmäßig errichtet worden sei. Mit der Erteilung und Ausnutzung der Baugenehmigung für den auf dem vorderen Teil des damals noch ungeteilten Grundstücks gelegenen Neubau im Jahr 1981 habe sich die Klägerin der Möglichkeit begeben, sich auf Bestandsschutz für die Altbebauung auf dem hinteren Teil des Grundstücks berufen zu können. Die Genehmigung sei nach Maßgabe der von ihr eingereichten Bauvorlagen erteilt worden, in denen die Altbebauung als Abriss gekennzeichnet gewesen sei, und habe eine bestandskräftige Nebenbestimmung enthalten, wonach die im amtlichen Lageplan als Abriss gekennzeichneten Baulichkeiten spätestens zur Schlussabnahme zu beseitigen waren. Mit dieser Würdigung des Verwaltungsgerichts setzt sich die Klägerin nicht auseinander. Ihr Hinweis auf die langjährige Untätigkeit des Beklagten seit dem Jahr 1997 ist für sich genommen nicht geeignet zu belegen, dass die Bebauung auf dem Grundstück G... bestandsgeschützt wäre.

d. Ohne Erfolg wendet die Klägerin ein, die Rückbauverfügung sei – was das Verwaltungsgericht verkannt habe – ermessensfehlerhaft erfolgt. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass das Ermessen des Bezirksamts als zuständige Ordnungsbehörde – entsprechend der in § 79 Satz 1 BauO Bln geregelten Beseitigungsanordnung – kein freies, sondern ein auf die Beseitigung der Störung gerichtetes, also intendiertes Ermessen sei. Gegen diesen rechtlichen Ausgangspunkt wendet sich die Klägerin nicht mit der erforderlichen Substanz. Sie macht insoweit lediglich geltend, dieser Auffassung sei „entgegenzutreten“, ohne hierfür eine rechtliche Begründung anzuführen.

Auch die Einwände der Klägerin gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, es seien keine Gründe erkennbar, die es im Rahmen des intendierten Ermessens ausnahmsweise rechtfertigen könnten, von einer Rückbauanordnung abzusehen, greifen nicht durch. Weshalb die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Beklagte habe die privaten Belange der Klägerin in seine Abwägung eingestellt, - wie die Klägerin meint - unzutreffend sei, erschließt sich vor dem Hintergrund der Ausführungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 2008 (S. 2 unten und Seite 3 oben) nicht. Entsprechendes gilt mit Blick auf die Ausführungen auf S. 2 des Widerspruchsbescheides (dritter Absatz von unten) für den Einwand, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass der Beklagte bei seiner Ermessensprüfung den Zeitraum zwischen 1997 bis 2006 nicht berücksichtigt habe. Mit ihrem Hinweis darauf, dass lediglich vier Tage gefehlt hätten und die Befreiung von der Einhaltung der Abstandsflächen wäre noch zu einem Zeitpunkt erteilt worden, in dem sie noch als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen gewesen wäre, legt die Klägerin keinen Grund für die Annahme dar, der Beklagte hätte sein Ermessen ausnahmsweise nicht dahin ausüben dürfen, eine Beseitigung der Störung zu verlangen. Weshalb es darauf ankommen sollte, zu welchem Zeitpunkt die – mittlerweile bestandskräftig zurückgenommene – Befreiung ergangen ist und weshalb die Erteilung der Befreiung nach Vollzug der Grundstücksteilung für die Klägerin zu „erheblichen Nachteilen“ geführt haben sollte, zeigt das Zulassungsvorbringen nachvollziehbar nicht auf. Mit ihren Einwänden gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, es sei nicht zu erkennen, dass der Rückbau des Wohnhauses unmöglich sei, dringt die Klägerin ebenfalls nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass die Klägerin selbst eingeräumt habe, dass es durch eine qualifizierte Planung möglich sei, einen Teilabriss vorzunehmen. Hiermit setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander. Die Rüge, durch den Teilabriss wäre die Küche des Wohnhauses betroffen, verfängt nicht, denn die Klägerin zeigt nicht auf, weshalb im Rahmen einer qualifizierten Planung die Verlegung des Küchenraumes ausgeschlossen sein sollte. Auch der erneute Hinweis der Klägerin auf wirtschaftliche Gesichtspunkte zieht die verwaltungsgerichtliche Würdigung nicht in Zweifel. Das Verwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass sich mit dem angeordneten Rückbau das normale wirtschaftliche Risiko einer baulichen Anlage realisiere, die den bauordnungsrechtlichen Vorschriften nicht entspreche. Außergewöhnlich hohe Rückbaukosten seien - unabhängig davon, ob diese überhaupt geeignet wären, ausnahmsweise von einer Rückbauanordnung abzusehen - weder substanziiert vorgetragen noch ersichtlich. Diese Würdigung wird mit dem pauschalen Hinweis darauf, dass die Klägerin nicht in der Lage sei, den Teilabriss zu finanzieren, der keinerlei Angaben zu den möglichen Rückbauvarianten und deren voraussichtliche Kosten enthält, nicht erschüttert.

e. Soweit die Klägerin auf Seiten 5 bis 13 der Zulassungsbegründung vom 26. Juli 2010 ihr Vorbringen aus der Klagebegründung vom 8. Januar 2009 (S. 14 bis 22) wiederholt, genügt dies nicht dem Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Dem Gebot der Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil ist durch eine Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens nicht genügt, da Ausführungen, die noch in Unkenntnis des Inhalts der angefochtenen Entscheidung getätigt wurden, nicht die erforderliche Auseinandersetzung mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts beinhalten können (vgl. Beschluss des Senats vom 30. Juli 2012 - OVG 2 N 66.12 -).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).