Gericht | OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 06.06.2019 | |
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Aktenzeichen | 10 UF 139/17 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2019:0606.10UF139.17.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Endbeschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde/Spree vom 24.08.2017 abgeändert.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, monatlichen Unterhalt wie folgt, den zukünftigen jeweils monatlich im Voraus bis zum 1. eines jeden Monats, zu zahlen:
– je 52 € für die Monate Mai bis Dezember 2017 an das Land Brandenburg, vertreten durch den Landkreis … - Unterhaltsvorschusskasse -
– je 58 € für die Monate Januar bis Dezember 2018 an das Land Brandenburg, vertreten durch den Landkreis … - Unterhaltsvorschusskasse -
– je 118 € für die Monate Januar bis Juni 2019 an das Land Brandenburg, vertreten durch den Landkreis … - Unterhaltsvorschusskasse -
– je 118 € an den Antragsteller zu Händen seiner gesetzlichen Vertreterin ab 01.07.2019.
Der weitergehende Antrag wird abgewiesen.
Die Beschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Der Beschwerdewert wird auf 3564 € festgesetzt.
I.
Der am ….2011 geborene Antragsteller nimmt seinen Vater, den Antragsgegner, auf Kindesunterhalt in Höhe des Mindestunterhalts für die Zeit ab Mai 2017 in Anspruch.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag abgewiesen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung wird auf jenen Beschluss Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit der Beschwerde. Er trägt vor:
Der Antragsgegner sei leistungsfähig, Kindesunterhalt zu zahlen. Er sei in der Lage, einer vollschichtigen Tätigkeit nachzugehen und darüber hinaus eine Nebenbeschäftigung auszuüben. Eine Tätigkeit von insgesamt 48 Wochenstunden könne verlangt werden. Dem ständen gesundheitliche Einschränkungen nicht entgegen, da der Antragsgegner diese nicht nachgewiesen habe. Soweit ärztliche Atteste vorgelegt worden seien, handele es sich um Gefälligkeitsbescheinigungen.
Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses zu verpflichten, monatlichen Kindesunterhalt wie folgt zu zahlen:
– 100 % des Mindestunterhalts der zweiten Altersstufe für die Zeit von Mai 2017 bis Februar 2023,
– 100 % des Mindestunterhalts der dritten Altersstufe für die Zeit ab März 2023,
wobei die Zahlung in Höhe des geleisteten Unterhaltsvorschusses an das Land Brandenburg, vertreten durch den Landkreis … - Unterhaltsvorschusskasse - und im Übrigen an ihn, den Antragsteller, zu erfolgen habe.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er trägt vor:
Er sei nicht leistungsfähig. Er beziehe lediglich Leistungen nach dem SGB II. Um Arbeitsstellen habe er sich bemüht. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass er den Schulabschluss der 10. Klasse der Förderschule habe. Für anspruchsvolle leichtere körperliche Arbeit unter Einsatz von Hilfsmitteln oder Arbeiten, die mit Schriftwechsel zu tun hätten, sei er nicht geeignet. Hinzu kämen seine erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen. Diese habe er bereits in erster Instanz hinreichend belegt.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat den Antragsgegner und die gesetzliche Vertreterin des Antragstellers angehört. Insoweit wird auf die Anhörungsvermerke zu den Senatsterminen vom 20.09.2018 und vom 06.06.2019 verwiesen.
Überdies hat der Senat durch Beschluss vom 27.09.2018 Beweis erhoben über die Behauptung des Antragsgegners, er sei aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht bzw. nur eingeschränkt in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens (Bl. 180). Der Sachverständige Prof. Dr. K… hat sein Gutachten unter dem 06.03.2019 vorgelegt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens Bezug genommen (Bl. 191 ff.).
II.
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Antragstellers ist zum Teil begründet. Der Antragsgegner ist nur eingeschränkt leistungsfähig, entgegen der Auffassung des Amtsgerichts aber verpflichtet, Kindesunterhalt in der aus der Beschlussformel ersichtlichen Höhe zu zahlen.
1.
Unterhalt für die Vergangenheit kann der Antragsteller mit Rücksicht auf die Anwaltsschreiben vom 05.01.2017 und vom 02.02.2017 ohne weiteres ab Mai 2017 geltend machen, § 1613 Abs. 1 BGB.
2.
Der minderjährige Antragsteller hat einen Unterhaltsbedarf in Höhe des Mindestunterhalts. Hierzu bedarf es keiner weiteren Darlegungen (vgl. Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, 9. Aufl., § 6 Rn. 704).
Es ergeben sich für den der 2. Altersstufe angehörenden Antragsteller nach Abzug hälftigen Kindergeldes folgende Beträge:
– 297 € im Jahr 2017, |
– 302 € im Jahr 2018, |
- 309 € in der Zeit von Januar bis Juni 2019, |
- 306 € ab Juli 2019. |
3.
Der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Antragsgegner (vgl. Wendl/Dose, a.a.O., § 6 Rn. 721) kann mit dem Einwand fehlender Leistungsfähigkeit nur zum Teil durchdringen.
a)
Der Antragsgegner kann sich nicht darauf berufen, auf der Grundlage seiner tatsächlichen Einkünfte nicht in der Lage zu sein, den Mindestunterhalt zu leisten. Ihn trifft gegenüber dem minderjährigen Antragsteller gemäß § 1603 Abs. 2 BGB eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit. Das heißt, er hat alle verfügbaren Mittel gleichmäßig für sich und das Kind zu verwenden. Als Unterhaltspflichtiger muss er danach seine Arbeitskraft entsprechend seiner Vorbildung, seinen Fähigkeiten und der Arbeitsmarktlage in zumutbarer Weise bestmöglich einsetzen (Senat, Beschluss vom 9.1.2018 – 10 UF 104/16, BeckRS 2018, 756; Urteil vom 19.4.2011 - 10 UF 89/10, BeckRS 2011, 13113; Niepmann/Schwamb, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 13. Aufl., Rn. 708; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Schael, 2. Aufl., § 1 Rn. 241).
Wenn der Unterhaltsverpflichtete eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese bei gutem Willen ausüben könnte, können deswegen nicht nur die tatsächlichen, sondern auch fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden. Die Zurechnung fiktiver Einkünfte setzt neben den nicht ausreichenden Erwerbsbemühungen eine reale Beschäftigungschance des Unterhaltspflichtigen voraus. Schließlich darf dem Unterhaltspflichtigen auch bei einem Verstoß gegen seine Erwerbsobliegenheit nur ein Einkommen zugerechnet werden, welches von ihm realistischerweise zu erzielen ist (BGH, Beschluss vom 24.9.2014 - XII ZB 111/13, FamRZ 2014, 1992 Rn. 18; Beschluss vom 22.1.2014 - XII ZB 185/12, FamRZ 2014, 637 Rn. 9). Die Darlegungs- und Beweislast für seine mangelnde Leistungsfähigkeit liegt beim Unterhaltspflichtigen, was auch für das Fehlen einer realen Beschäftigungschance gilt (BGH, Beschluss vom 22.1.2014, a.a.O., Rn. 11).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Unterhaltspflichtige im Rahmen der gesteigerten Erwerbsobliegenheit nicht nur verpflichtet, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Vielmehr muss er seine Arbeitskraft entsprechend seiner Vorbildung, seiner Fähigkeiten und der Arbeitsmarktlage - wie bereits ausgeführt - in zumutbarer Weise bestmöglich einsetzen. Mithin wird die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen nicht nur durch die tatsächlich vorhandenen, sondern auch durch solche Mittel bestimmt, die er bei gutem Willen durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit, u. U. auch im Wege eines Orts-, Arbeitsplatz- oder Berufswechsels, erreichen könnte (BGH, Urteil vom 9.7.2003 - XII ZR 83/00, NJW 2003, 3122, 3123; BGH, Urteil vom 21.4.1982 - IVb ZR 696/80, NJW 1982, 1812, 1813). Der Unterhaltspflichtige ist daher regelmäßig gehalten, seine Ausbildung und seinen beruflichen Werdegang darzulegen, um auf dieser Grundlage eine Prüfung zu ermöglichen, ob das Einkommen, das ihm nach Ansicht des Unterhaltsberechtigten zugerechnet werden soll, tatsächlich nicht erzielt werden kann (Senat, Beschluss vom 12.03.2015 - 10 WF 13/15, BeckRS 2015, 17582).
b)
Mit Rücksicht auf die soeben dargestellten Anforderungen im Rahmen der gesteigerten Erwerbsobliegenheit kann sich der Antragsgegner nicht mit Erfolg darauf zurückziehen, er sei aufgrund seiner tatsächlichen Einkünfte, das sind Leistungen nach dem SGB II, auch unter Berücksichtigung des notwendigen Selbstbehalts für nicht Erwerbstätige von 880 €, nicht in der Lage, für den Antragsteller Unterhalt zu zahlen. Denn der Antragsgegner hat sich nicht ausreichend um eine Erwerbstätigkeit bemüht.
Soweit der Unterhaltspflichtige keine Arbeit hat, muss er sich ausreichend um eine Beschäftigung bemühen (Niepmann/Schwamb, a.a.O., Rn. 708; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Schael, 2. Aufl., § 1 Rn. 241). Zu den Arbeitsplatzbemühungen gehört neben der regelmäßig erforderlichen Meldung beim Arbeitsamt eine intensive Privatinitiative in Form von rechtzeitigen Bewerbungen auf Stellenangebote in Zeitungen u. ä., eigenen Stellenannoncen sowie mündlichen und schriftlichen Bewerbungen, wobei grundsätzlich 20 bis 30 Bewerbungen im Monat zumutbar sind (Senat, Urteil vom 28.02.2006 – 10 UF 133/05, BeckRS 2006, 10002). Denn der Arbeitsuchende muss praktisch die gesamte Zeit, die ein voll Erwerbstätiger berufstätig wäre, für die Arbeitssuche aufwenden (OLG Brandenburg, 1. Familiensenat, Beschluss vom 18. 5. 2006 - 9 UF 238/05, NJW 2006, 3286, 3287; Niepmann/Schwamb, a.a.O., Rn. 714). Dabei dürfen sich die Bewerbungsbemühungen nicht auf den Wohnort des Unterhaltspflichtigen beschränken (Niepmann/Schwamb, a.a.O., Rn. 721 f.).
Der Antragsgegner hat erstmals in der Beschwerdeinstanz auf Anordnung des Senats überhaupt konkretere Angaben zu seinen Bewerbungsbemühungen gemacht. Mit Schriftsatz vom 29.04.2019 (Bl. 350) hat er als Anlage 4 drei Aufstellungen über getätigte Bewerbungen vorgelegt (Bl. 335 ff.). Hierbei handelt es sich offensichtlich um von der Arbeitsverwaltung ausgegebene Formulare, welche der Antragsgegner ausgefüllt hat. Danach hat er sich am 07.09.2018 auf vier Arbeitsstellen beworben, ebenso am 26.10.2018. In der Zeit vom 17.01.2019 bis zum 02.04.2019 hat es danach acht weitere Bewerbungen gegeben. Dass diese Bewerbungen tatsächlich erfolgt sind, hat der Antragsteller im Schriftsatz vom 08.05.2019 (Bl. 339) mit Nichtwissen bestritten. Darauf kommt es aber nicht an. Selbst wenn man zu Gunsten des Antragsgegners unterstellte, dass die vorgetragenen Bewerbungen erfolgt seien, reichen diese schon von der Anzahl her nach den genannten Grundsätzen nicht aus, um der gesteigerten Erwerbsobliegenheit zu genügen.
c)
Mithin ist der Antragsgegner so zu behandeln, als hätte er sich ausreichend und damit erfolgreich um eine Erwerbstätigkeit bemüht. Folglich ist ihm ein fiktives Einkommen aus vollschichtiger Berufstätigkeit zuzurechnen. Dabei sind im vorliegenden Fall aber die beim Antragsgegner vorhandenen erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen zu berücksichtigen. Gleiches gilt für seinen schulischen und beruflichen Werdegang.
Der Sachverständige Prof. Dr. K… ist in seinem Gutachten vom 06.03.2019 nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass der Antragsgegner zwar eine Vollzeittätigkeit ausüben könne (Gutachten S. 30), aber im Hinblick auf bestehende Leistungsausschlüsse (Gutachten S. 29) nur alle leichten und fallweise mittelschweren Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, und zwar sowohl im Dienstleistungsbereich als auch im gewerblichen Bereich, ausführen könne (Gutachten S. 32). Diese Feststellungen sind von keinem Beteiligten in Zweifel gezogen worden; allerdings ziehen die Beteiligten unterschiedliche Schlüsse aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Eine Einwendung gegen die medizinischen Feststellungen des Sachverständigen findet sich insbesondere auch nicht in dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 01.04.2019 (Bl. 262). Dort wird lediglich darauf hingewiesen, dass die Angaben des Antragsgegners zu seinem schulischen und beruflichen Werdegang vom Sachverständigen nicht ganz zutreffend wiedergegeben worden seien. Hieraus zieht der Antragsgegner den Schluss, dass nicht alle vom Sachverständigen genannten Verweisungstätigkeiten für ihn in Betracht kämen. Dies berührt aber nicht die medizinischen Feststellungen der Sachverständigen im engeren Sinne.
Nach dem Gutachten scheiden Tätigkeiten im Bereich der Garten- und Landschaftspflege, wie sie der Antragsgegner nach seinen Angaben im Senatstermin vom 20.09.2018 (Bl. 174) in der Vergangenheit angestrebt hat, ebenso aus wie der vom Sachverständigen angesprochene Beruf des Landschaftsgärtners (Gutachten S. 35). Denn diese Berufe sind durch häufige mittelschwere und schwere Arbeiten gekennzeichnet. Nicht anders verhält es sich mit einer grundsätzlich in Betracht zu ziehenden Tätigkeit als Bauhelfer. Nach der Rechtsprechung des Senats kann allerdings bei einem nicht gesundheitlich eingeschränkten Arbeitsfähigen mittleren Alters sogar dann, wenn er eine formelle Berufsqualifikation nicht erlangt hat, anzunehmen sein, dass er aufgrund der Tarifverträge im Baugewerbe zumindest den dort jeweils ausgewiesenen Mindestlohn als Bauhelfer erzielen könnte (vgl. Senat, Beschluss vom 12.03.2015, a.a.O.; OLG Celle, Beschluss vom 22.8.2014 - 10 UF 180/14, BeckRS 2014, 16900). Dies kommt hier aber mit Rücksicht auf die gesundheitlichen Einschränkungen des Antragsgegners nicht in Betracht.
Im Hinblick auf das eingeschränkte Leistungsvermögen scheidet schließlich auch ein für den Antragsgegner erzielbares Bruttoeinkommen von monatlich 2500 €, wie es der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 04.04.2019 (Bl. 269) ermittelt hat, aus. Es mag sein, dass ein solches Einkommen für einen in Vollzeit als Verkäufer, Kundenberater oder Disponent für Malerbedarf im Großhandel tätigen Beschäftigten grundsätzlich erzielbar ist. Auch kann zu Gunsten des Antragstellers unterstellt werden, dass eine solche Tätigkeit sogar mit dem eingeschränkten Leistungsprofil, wie es sich aus dem Sachverständigengutachten ergibt, auszuüben wäre, es sich also überwiegend um leichte oder nur fallweise mittelschwere Arbeiten handelt. Denn es ist im Hinblick auf die schulische und berufliche Bildung sowie die intellektuellen Fähigkeiten des Antragsgegners nicht realistisch, dass er – auch bei erheblichen Erwerbsbemühungen – eine solche Stelle erlangen und erfolgreich ausüben könnte.
Der Antragsgegner hat unstreitig lediglich den Schulabschluss der 10. Klasse der Förderschule. Schon vor diesem Hintergrund hat er nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass für ihn anspruchsvolle leichtere körperliche Arbeit oder auch Tätigkeiten, die mit Schriftwechsel zu tun hätten, nicht in Betracht kämen (Bl. 98). Auch der weitere berufliche Werdegang, wie er sich aus dem mit Schriftsatz vom 23.08.2018 vorgelegten Lebenslauf (Bl. 160) ergibt, hat den Antragsgegner schon von der Art der ausgeübten Tätigkeiten nicht befähigt, qualifizierteren Beschäftigungen nachzugehen. So war er nach dem Schulabschluss zwei Jahre im Rahmen von „Förderjahren zum Zwecke der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme“ bei der T… in B… tätig. Im Anschluss hat er beim I… den Abschluss des Bau- und Metallmalers erlangt. Seit Januar 2002 war er – abgesehen von einer im März 2004 endenden etwa ein Jahr andauernden Beschäftigung als Schlossergehilfe - arbeitslos. Mithin kann er schon seit etwa 15 Jahren keine nennenswerte Berufspraxis vorweisen.
Hinzu kommt, dass der Antragsgegner nicht über die für eine Tätigkeit als Verkäufer oder Kundenberater erforderliche geistige Flexibilität verfügt. Dies ist insbesondere bei der Anhörung im Senatstermin vom 06.06.2019 (Bl. 344) deutlich geworden, als es dem Antragsgegner erst nach mehrmaliger Hilfestellung gelang, seinen aktuellen Status als arbeitslos gemeldete Person mit Arbeitsberater beim Jobcenter einerseits und Bewerbungstrainer beim Maßnahmeträger andererseits nachvollziehbar darzustellen.
d)
Da nach den vorstehenden Ausführungen der Ansatz eines fiktiven Bruttostundenlohns in Höhe des Mindestlohns im Baugewerbe ausscheidet, hat sich das für den Antragsgegner erzielbare Einkommen an dem gesetzlichen Mindestlohn zu orientieren, der sich im Unterhaltszeitraum in den Jahren 2017 und 2018 auf 8,84 € brutto in der Stunde belaufen hat und im Jahr 2019 auf 9,19 € brutto in der Stunde angehoben worden ist (vgl. das Mindestlohngesetz in der Fassung der Mindestlohnanpassungsverordnung vom 15.11.2016 (BGBl I S. 2530) und der Zweiten Mindestlohnanpassungsverordnung vom 13.11.2018 (BGBl. I S. 1876)). Damit allein hat es aber nicht sein Bewenden. Denn bei der Bemessung des fiktiven Einkommens ist nicht an die untersten beruflichen Möglichkeiten anzuknüpfen. Vielmehr muss sich der Unterhaltsschuldner so behandeln lassen, als würde er eine nach seinen Fähigkeiten gut bezahlte Stelle einnehmen (Senat,Beschluss vom 19.06.2003 – 10 WF 193/02, BeckRS 2003, 06713; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 07.08.2009 – 6 UFH 58/09, BeckRS 2011, 17421; OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.08.1990 – 5 UF 158/89, BeckRS 9998, 09574; Wendl/Dose, a.a.O., § 1 Rn. 793).
Der Antragsgegner hätte sich also nicht allein um eine seinem Leistungsprofil entsprechende Stelle mit einer Vergütung nach dem Mindestlohngesetz bemühen müssen, sondern auch Bemühungen entfalten müssen, eine besser dotierte Stelle zu erlangen. Ausreichende Bewerbungsbemühungen unterstellt, kann davon ausgegangen werden, dass er dann auch etwas über dem Mindestlohn bezahlte Beschäftigungen hätte finden können. Daher kann angenommen werden, dass der Antragsgegner in den Jahren 2017 und 2018 einen Bruttostundenlohn von 9,50 € und im Jahr 2019 einen solchen von 10 € hätte erzielen können.
e)
Der Antragsgegner ist unterhaltsrechtlich jedenfalls verpflichtet, vollschichtig, d.h. 40 Stunden in der Woche bzw. 173,33 Stunden im Monat, berufstätig zu sein. Eine Ausweitung der Tätigkeit auf bis zu 48 Stunden in der Woche (vgl. hierzu BVerfG, FamRZ 2003, 661, 662; BGH, FamRZ 2008, 872, 874f. Rn. 29 ff), was ein nach § 3 ArbZG zulässiges Tätigwerden auch am Samstag beinhalten würde (vgl. BeckOK ArbR/Kock, 51. Ed. 1.3.2019, ArbZG § 3 Rn. 1), kann vom Antragsgegner nicht verlangt werden, zumal er nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten im Senatstermin vom 06.06.2019 mit dem Antragsteller regelmäßigen Umgang alle 14 Tage am Wochenende von Freitag, 17:00 Uhr, bis Sonntag, 16 Uhr, pflegt. Hinzu kommen die gesundheitlichen Einschränkungen beim Antragsgegner. Diese gebieten es, die Phasen der körperlichen Regeneration nicht zu knapp zu bemessen. Die Wochenenden sind daher arbeitsfrei zu halten.
f)
Nach alledem ergeben sich auf der Grundlage einer 40-Stunden-Arbeitswoche monatliche Bruttoeinkommen von 1646,67 € in den Jahren 2017 und 2018 sowie 1733,33 € im Jahr 2019. Bei einer Versteuerung nach Steuerklasse 1 und einem Kinderfreibetrag sowie Abzug der Sozialversicherungsbeiträge errechnen sich folgende monatliche Nettoeinkünfte:
– 1.191,46 € im Jahr 2017, |
– 1.197,62 € im Jahr 2018, |
– 1.261,17 € im Jahr 2019. |
g)
Ein fiktives Einkommen in der soeben dargestellten Höhe ist schon ab Mai 2017 anzunehmen. Dem Antragsgegner ist insoweit keine Übergangszeit (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 12.03.2015, a.a.O.) zuzubilligen.
Dies folgt hier schon daraus, dass der Antragsteller den Antragsgegner bereits am 05.01.2017 auf Kindesunterhalt in Anspruch genommen hat, sein Begehren aber letztlich erst für die Zeit ab Mai 2017 weiterverfolgt hat. Damit ist dem Antragsgegner im Ergebnis schon eine Übergangszeit eingeräumt worden. Er hatte somit bis zum Beginn des Unterhaltszeitraums ausreichend Zeit, sich um eine Berufstätigkeit zu kümmern.
h)
Von den soeben ermittelten Nettoeinkünften abzusetzen sind Beträge für berufsbedingte Aufwendungen.
Soll dem Unterhaltsschuldner nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ein Einkommen aus einer fiktiven (Neben)Tätigkeit zugerechnet werden, sind insoweit auch pauschale berufsbedingte Kosten zu berücksichtigen, weil ein konkreter Vortrag hinsichtlich fiktiver Einkünfte nicht verlangt werden kann (BGH, NJW 2009, 1410, 1413 Rn. 39). Mithin sind im vorliegenden Fall für berufsbedingte Aufwendungen 5 % des Nettoeinkommens abzusetzen (vgl. Nr. 10.2.1 der Unterhaltsleitlinien des brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 01.01.2019). Es verbleiben folgende Beträge:
– 1.131,89 € im Jahr 2017, |
– 1.137,74 € im Jahr 2018, |
– 1.198,11 € im Jahr 2019. |
i)
Leistungsfähig ist der Antragsgegner nur in dem Umfang, in dem das bereinigte Einkommen den Selbstbehalt, der dem Unterhaltspflichtigen zur Bestreitung seines eigenen Unterhalts bleiben muss, übersteigt (Nr. 21.1 der Unterhaltsleitlinien). Gegenüber minderjährigen Kindern ist der notwendige Selbstbehalt anzusetzen (Nr. 21.2 der Unterhaltsleitlinien). Seit dem 01.01.2015 beläuft sich der notwendige Selbstbehalt unverändert auf 1.080 € (vgl. Nr. 20.1 sämtlicher Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts seit dem 01.01.2015). Danach stehen auf Seiten des Antragsgegners – gerundet - folgende Beträge für Unterhaltszwecke zur Verfügung:
– 52 € im Jahr 2017, |
– 58 € im Jahr 2018, |
– 118 € im Jahr 2019. |
j)
Die soeben genannten Beträge sind in vollem Umfang für den Unterhalt des Antragstellers heranzuziehen. Eine weitere - gleichrangige - Unterhaltsverpflichtung hat der Antragsgegner nämlich nicht geltend gemacht.
k)
Einer Dynamisierung des auf den Antragsteller entfallenden Unterhaltsanspruchs bedarf es trotz entsprechender Antragstellung nicht. In einem Mangelfall, wie hier, erhöht sich die durch den Selbstbehalt des Unterhaltsschuldners begrenzte Verteilungsmasse nicht durch etwaige weitere Anhebungen des Mindestunterhalts (Senat, Beschluss vom 02.11.2015 – 10 UF 227/14, BeckRS 2016, 10085; Vossenkämper, FamRZ 2008, 201, 208; vgl. auch Graba/Maier, in: Johannsen/Henrich, Familienrecht, 6. Aufl., § 1612 a BGB Rn. 11; Wendl/Klinkhammer, a.a.O., § 2 Rn. 365).
4.
Kindesunterhalt kann dem Antragsteller aber erst für die Zeit nach Schluss der mündlichen Verhandlung, also ab 01.07.2019, zugesprochen werden. Für die Zeit davor ist der Anspruchsübergang nach § 7 UVG zu beachten. Das Land Brandenburg hat dem Antragsteller – wie den Schriftsätzen vom 08.08.2018 (Bl. 120 f.) und vom 15.04.2019 (Bl. 281 f.) zu entnehmen ist – durchgängig Unterhaltsvorschuss erbracht. In Höhe dieser Leistungen ist der Unterhaltsanspruch auf das Land übergegangen, so dass der Antragsteller nicht mehr aktivlegitimiert ist.
Soweit ein Anspruchsübergang stattgefunden hat, ist es grundsätzlich Sache des Leistungsträgers, den Anspruch für die zurückliegende Zeit geltend zu machen. Wenn der Unterhaltsberechtigte einen Unterhaltsanspruch geltend macht, der ihm aufgrund des Anspruchsübergangs (teilweise) nicht mehr zusteht, gibt es allerdings die Möglichkeit, gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 265 Abs. 2 ZPO dahin anzutragen, dass der Unterhalt in Höhe des Anspruchsübergangs an den Leistungsträger zu zahlen sei. Dies ist aber nur für die Zeit nach Rechtshängigkeit möglich. Für die Zeit davor ist allein der Leistungsträger als Anspruchsinhaber befugt, den Unterhaltsanspruch geltend zu machen (vgl. Wendl/Klinkhammer, a.a.O., § 8 Rn. 253 f., 109 f.).
Vorliegend ist der Unterhaltsantrag dem Antragsgegner am 27.04.2017 zugestellt worden (Bl. 42). Da der Antragsteller Unterhalt nur für die Zeit danach verlangt, kann er für den gesamten Zeitraum bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung Zahlung an den Leistungsträger begehren.
Da der gezahlte Unterhaltsvorschuss die Verteilungsmasse von maximal 118 € übersteigt, hat der Antragsgegner bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung Unterhalt nur an das Land Brandenburg zu zahlen. Auf die zusätzlich für den Antragsteller und seine Mutter in Bedarfsgemeinschaft erbrachten Leistungen nach dem SGB II, die ebenfalls in den Schriftsätzen vom 08.08.2018 und vom 15.04.2019 aufgeführt sind, kommt es nicht an, da der Anspruchsübergang nach § 33 SGB II auf diesen Leistungsträger nachrangig ist.
5.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG. Insoweit ist nicht allein auf das Maß des Obsiegens und Unterliegens abzustellen, das für eine den Antragsteller stärker treffende Kostenbelastung sprechen könnte. Denn der Ausgang des Verfahrens war entscheidend abhängig vom Ergebnis der Beweisaufnahme. Zu welchen Feststellungen der Sachverständige gelangen wird, war für beide Beteiligten vorher nicht absehbar. Es entspricht daher der Billigkeit, die Kosten gegeneinander aufzuheben.
Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.