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Prozesskostenhilfe - Erfolgsaussicht - Streitgegenstand - Regelleistung - Kosten der Unterkunft - Mehrbedarf - Bedarfszeitraum - isolierte Feststellung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 34. Senat Entscheidungsdatum 10.11.2010
Aktenzeichen L 34 AS 1905/10 B PKH ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 73a SGG, § 114 ZPO, § 21 SGB 2, § 41 SGB 2

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. September 2010 aufgehoben.

Dem Kläger wird für das bei dem Sozialgericht Berlin anhängige Klageverfahren mit dem Aktenzeichen S 123 AS 7419/09 mit Wirkung ab Antragstellung (30. September 2010) Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt T L, Sstr. B beigeordnet.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. September 2010, mit dem dieses die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 123 AS 7419/09 abgelehnt hat, ist zulässig (§§ 172 und 173 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

Die Beschwerde ist insbesondere nicht gemäß §§ 172 Abs. 1, 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz Zivilprozessordnung (ZPO) ausgeschlossen. Der Senat hat zwar in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass eine Beschwerde bezüglich der Ablehnung von Prozesskostenhilfe nicht zulässig ist, wenn in der Hauptsache der Beschwerdewert von 750,00 € nicht überschritten wird (vgl. Beschluss vom 13. Mai 2009 - L 34 B 2136/08 AS PKH -, zitiert nach Juris). Ob der Senat im Hinblick auf die Änderung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG durch Art. 6 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 5. August 2010, BGBl. I S. 1131, an dieser Auffassung festhält, kann dahingestellt bleiben, da vorliegend der notwendige Beschwerdestreitwert von mehr als 750,00 € überschritten wird.

Der Kläger wendet sich in dem Hauptsacheverfahren gegen den in einem so genannten Zugunstenverfahren nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ergangenen Bescheid des Beklagten vom 5. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 26. März 2009. Mit dieser Entscheidung hat es der Beklagte abgelehnt, seinen Bescheid vom 15. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 24. Oktober 2008 zurückzunehmen und dem Kläger antragsgemäß Leistungen für einen „Mehrbedarf für besondere Ernährung“ zu gewähren (Antrag vom 28. April 2008).

Der Verfügungssatz des bestandskräftigen Bescheides vom 15. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 24. Oktober 2008 erschöpft sich hierbei in der isolierten Feststellung des Beklagten, dass der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Leistung habe. Eine zeitliche Begrenzung oder gar eine Aussage darüber, für welchen Bedarfszeitraum (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 Zweites Buch Sozialgesetzbuch <SGB II>) diese Entscheidung Geltung beansprucht, enthält der Bescheid nicht. Aufgrund der Bestandskraft (§ 77 SGG) der Entscheidung des Beklagten steht damit zwischen den Beteiligten fest, dass der Kläger (zeitlich unbegrenzt) keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung hat. Da der Kläger insoweit monatlich weitere 71,85 € begehrt, ist der notwendige Beschwerdestreitwert von mehr als 750,00 € überschritten.

Die Beschwerde ist auch begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Nach § 73a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Das angerufene Gericht beurteilt die Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO regelmäßig ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Verfahrens in der Sache treten zu lassen. Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht reicht die „reale Chance zum Obsiegen“ aus, nicht hingegen eine „nur entfernte Erfolgschance“. Prozesskostenhilfe darf daher nur dann verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Sache fern liegend ist (BVerfGE 81, 347 ff.; BVerfG NJW 1997, 2102 f.; BVerfG NJW 2000, 1936 ff.).

An diesem Maßstab gemessen hat die Klage - zumindest teilweise – hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Kläger begehrt im Hauptsacheverfahren den vorgenannten Bescheid vom 5. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 26. März 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 21. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2008 zurückzunehmen sowie ihm die begehrte Leistung für kostenaufwändige Ernährung zu gewähren (vgl. zur kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage im Falle einer Klage, mit der ein Zugunstenbescheid nach § 44 SGB X begehrt wird: Niesel/Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Auflage 2009, RdNr. 100 m. w. Nachw.).

Jedenfalls die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage des Klägers hat hinreichende Aussicht auf Erfolg im vorgenannten Sinne. Denn der bestandskräftige Bescheid des Beklagten vom 15. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2008 trifft, wie ausgeführt, keine Regelung über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für einen bestimmten Bedarfszeitraum, sondern der Verfügungssatz dieses Bescheides beschränkt sich auf die isolierte Feststellung, dass der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen für einen ernährungsbedingten Mehrbedarf habe, ohne auf einen bestimmten Bedarfszeitraum Bezug zu nehmen oder zumindest die Entscheidung zeitlich zu begrenzen.

Für eine derartige isolierte Feststellung fehlt es an einer Ermächtigungsgrundlage im SGB II. Sie macht im Übrigen auch keinen Sinn. Denn die Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II sind darauf ausgerichtet, den Lebensunterhalt des Hilfebedürftigen für jeden einzelnen Kalendertag abzusichern (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB II) und aus Gründen der Verwaltungsökonomie werden die Leistungen im Regelfall für sechs Monate bewilligt (§ 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II).

Der Beklagte hat deshalb den Anspruch des Hilfebedürftigen auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts jeweils bezogen auf einen bestimmten Bedarfszeitraum zu prüfen und Leistungen für diesen Zeitraum abzulehnen oder zu bewilligen.

Dies hat der Beklagte im Übrigen auch im vorliegenden Fall getan. Denn er hat dem Kläger mit Bescheiden vom 5. Mai 2008, 9. Juni 2008 und vom 2. Juli 2008 für die Bedarfszeiträume vom 1. Januar 2008 bis zum 30. Juni 2008 und vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2008 sowie mit Bescheid vom 16. Dezember 2008 für den Bedarfszeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 30. Juni 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, jeweils in Höhe der Regelleistung und für die Kosten der Unterkunft und Heizung, gewährt.

Bei dem im vorliegenden Verfahren im Kern geltend gemachten Anspruch auf Leistungen für einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung handelt es sich aber nicht um einen eigenständigen Streitgegenstand, der in rechtlich zulässiger Weise von dem Streitgegenstand abgetrennt werden könnte, über den die vorgenannten Bescheide eine Regelung treffen (vgl. Urteile des Bundessozialgericht vom 18. Februar 2010 – B 4 AS 29/09 R – und vom 22. März 2010 – B 4 AS 59/09 R -, jeweils zitiert nach Juris). Die Höhe des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist - auch von der Verwaltung - unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Da der Beklagte mit den vorgenannten Bewilligungsbescheiden eine endgültige Entscheidung über die Ansprüche des Klägers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die in den Bescheiden jeweils genannten Bedarfszeiträume getroffen hat, hat sie in der Sache auch den Antrag des Klägers vom 28. April 2008 auf Gewährung von entsprechenden Leistungen für kostenaufwändige Ernährung konkludent abgelehnt.

Insoweit wird der Kläger sein Leistungsbegehren aber jeweils im Rahmen eines gegen die vorgenannten Bewilligungsbescheide gerichteten Überprüfungsverfahrens geltend machen müssen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 73a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).