Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 2. Senat | Entscheidungsdatum | 27.05.2011 | |
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Aktenzeichen | OVG 2 S 16.11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 123 Abs 1 S 2 VwGO, § 146 Abs 4 S 6 VwGO |
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 27. Januar 2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert wird - insoweit unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung - für beide Rechtszüge auf 30.000 Euro festgesetzt.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus den von der Antragstellerin innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründen, die das Oberverwaltungsgericht nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht dem erstinstanzlich gestellten Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr - der Antragstellerin - bis zur Rechtskraft der erhobenen Verpflichtungsklage VG 5 K 1640/10 eine Baugenehmigung zu erteilen, hätte stattgeben müssen.
1. Soweit sich die Antragstellerin gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts wendet, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei unzulässig, weil sie mit dem Antragsgegner eine unzuständige Behörde in Anspruch nehme, kann dahinstehen, ob ihre insoweit erhobenen Einwände berechtigt sind. Denn das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung selbstständig tragend darauf gestützt, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unbegründet sei. Jedenfalls mit ihren hiergegen gerichteten Angriffen dringt die Beschwerde nicht durch (hierzu unter 2.).
2. Ohne Erfolg wendet sich die Antragstellerin gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, es sei weder glaubhaft gemacht noch ersichtlich, dass die Voraussetzungen für den geltend gemachten materiellen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung bei summarischer Prüfung mit der zu fordernden hohen Wahrscheinlichkeit vorlägen. Den rechtlichen Ansatz des Verwaltungsgerichts, dass eine einstweilige Anordnung nur dann in Betracht komme, wenn die Antragstellerin mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung habe, stellt die Beschwerde nicht in Frage.
a) Die Rüge der Antragstellerin, indem das Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Auffassung auf nicht näher bestimmbare Ausführungen des Antragsgegners im Widerspruchsbescheid vom 2. August 2010 verweise, verletze es wegen der fehlenden Möglichkeit einer Auseinandersetzung mit dieser Begründung im Sinne von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG), rechtfertigt schon deshalb keine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung, weil dieser Begründungsteil hinweg gedacht werden kann, ohne dass sich am Ergebnis der Entscheidung etwas ändern würde. Denn die Beschwerde wendet sich nicht mit Erfolg gegen den zweiten, selbstständig tragenden Begründungsansatz des Verwaltungsgerichts, dass nach der bauplanungsrechtlichen Begründung der Stadt Rathenow für die Versagung des Einvernehmens vom 20. April 2010 davon auszugehen sei, dass das geplante Vorhaben der Antragstellerin die gebotene Rücksichtnahme auf seine Umgebung nicht einhalte, da es sich in einer Entfernung von nur 100 m zur nächstgelegenen Wohnbebauung befindet. Insoweit macht die Antragstellerin geltend, diese Begründung verletze ihren Anspruch auf ein faires verwaltungsgerichtliches Verfahren und auf Gewährung rechtlichen Gehörs, weil ihr erstmalig aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichts bekannt geworden sei, dass die Stadt R… am 20. April 2010 eine bauplanungsrechtliche Begründung für die Versagung des Einvernehmens abgegeben habe. Abgesehen davon, dass diese Rüge für sich genommen nicht zu der begehrten einstweiligen Anordnung führen kann, weil mit ihr nicht dargelegt wird, weshalb das Vorhaben der Antragstellerin bauplanungsrechtlich zulässig sein sollte, ist sie auch unberechtigt. Der Antragstellerin, die bereits im Widerspruchsverfahren anwaltlich vertreten war, hätte es oblegen, im Verwaltungsverfahren bzw. im gerichtlichen Verfahren einen Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht in die Verwaltungsvorgänge zu stellen. Auch mit ihrem weiteren Einwand, die angeblich zu dicht stehende Wohnbebauung sei vor höchstens drei Jahren errichtet worden, legt die Antragstellerin nicht dar, dass ihr Vorhaben mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit bauplanungsrechtlich zulässig ist. Das Verwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass sich im Eilverfahren nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen lasse, ob der im Rahmen des § 34 BauGB maßgebliche Charakter des Gebiets, in dem das Vorhaben der Antragstellerin verwirklicht werden soll, in seiner tatsächlichen Eigenart dem eines Gewerbegebietes oder wegen der Nähe zur Wohnbebauung dem eines Mischgebietes entspreche bzw., ob der Gebietscharakter überhaupt einer dieser Gebietsarten zugeordnet werden könne. Mit dieser Begründung setzt sich die Beschwerde nicht auseinander.
b) Der Beschwerde muss im Übrigen auch deshalb der Erfolg versagt bleiben, weil ihre Einwände gegen die weitere selbstständig tragende Begründung des Verwaltungsgerichts („unabhängig vom Vorstehenden“, BA S. 5), dass ein zwingender Grund fehle, der die Vorwegnahme der Hauptsache wegen des von Artikel 19 Abs. 4 GG geforderten Rechtsschutzes ausnahmsweise rechtfertigen könne, nicht durchgreifen. Ihr Rüge, das Verwaltungsgericht hätte die im Rahmen der Streitwertfestsetzung angesetzten zu erwartenden Mehreinnahmen bei Erteilung der Baugenehmigung für einen Zwei-Jahres-Zeitraum in Höhe von 120.000 Euro als den ihr drohenden wirtschaftlichen Nachteil in Ansatz bringen müssen, überzeugt nicht. Ungeachtet der Frage, ob die Erteilung einer vorläufigen Baugenehmigung bis zur Rechtskraft der Verpflichtungsklage im Wege einer Regelungsanordnung überhaupt in Betracht kommt (vgl. zum Meinungsstreit: Rolshoven, Baugenehmigung im Eilverfahren?, BauR 2003, S. 646, 648), legt die Antragstellerin nicht dar, dass ihr durch einen Verweis auf das anhängige Hauptsacheverfahren unzumutbare und irreparable Nachteile entstünden (vgl. zu diesem Maßstab: OVG Berlin, Beschlüsse vom 14. März 1989 - OVG 2 S 35.88 -, BRS 49 Nr. 162 und vom 11. März 1991 - OVG 2 S 1.91 -, juris Rn. 19). Dies setzt voraus, dass dem Bauherrn über die mit jeder Verzögerung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile hinaus, die durch einen späteren Schadensersatzanspruch ausgeglichen werden können, existenzieller Schaden droht, etwa der Zusammenbruch seiner wirtschaftlichen Existenz (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. 2007, Rn. 1278). Die Antragstellerin hat weder glaubhaft gemacht, dass ihr bei einem Abwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache ein wirtschaftlicher Nachteil in Höhe von 120.000 Euro drohen würde, noch hat sie dargelegt, dass es sich bei den zu erwartenden finanziellen Nachteilen um einen existenziellen Schaden handelt, etwa weil er zu einer Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz ihres Unternehmens führen würde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG, wobei der Senat das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin an der Baugenehmigung mit dem Jahresnutzwert der geänderten Nutzung des Grundstücks bemisst, der nach Angaben der Antragstellerin 30.000 Euro beträgt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).