Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 25.10.2013 | |
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Aktenzeichen | L 1 KR 165/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 66 Abs 2 SGG, § 87 Abs 1 SGG, § 7 Abs 1 SGB 4 |
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 4. Mai 2011 wird aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 21. August 2006 wird aufgehoben, soweit darin Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung festgestellt ist. Es wird festgestellt, dass der Beigeladene zu 3) während seiner Tätigkeit für F Z senior, Inhaber des Restaurants X, ...straße, ... in der Zeit vom 1. Juli 1996 bis 31. Dezember 2006 in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig war.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst zu tragen haben.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Im Streit steht die Rentenversicherungspflicht der Beschäftigung des Beigeladenen zu 3) (nachfolgend nur noch: „der Beigeladene“) in der Zeit vom 1. Juni 1996 bis 31. Dezember 2006 bei dem Gastronomiebetrieb (Hotel-)Restaurant O, welches in dieser Zeit vom Vater des Beigeladenen, Herrn F Z senior, als Inhaber geführt wurde. Ab 1. Januar 2007 betreibt die Beigeladene zu 4) den Gastronomiebetrieb. Diese ist in die Rechte und Pflichten des früheren Betriebsinhabers eingetreten. Komplementäre der jetzigen Beigeladenen zu 4) sind der Bruder des Beigeladenen FZ sowie die Ehefrau des Beigeladenen. Herr F Z senior ist nur noch mit 3 % am Gesellschaftskapital als Kommanditist beteiligt, der Beigeladene hält keinen Anteil.
Der 1971 geborene Beigeladene ist gelernter Koch und hat die Hotelfachschule besucht. Er trat (nach seinem Vortrag) ab 9. September 1996 in den damaligen Hotel-Gaststättenbetrieb seines Vater in leitender Funktion ein. Er war und ist alleine verantwortlich in der Küche, ferner für Wareneinkauf, für Büroarbeiten, Rezeption, geschäftsführende Tätigkeiten, Hausmeistertätigkeiten und Hotelleitung. Das Betriebsgrundstück und das Betriebsgebäude gehörten und gehören dem Beigeladenen alleine. Er erhielt von seinem Vater eine monatliche Pacht in Höhe von 400,00 €.
Sein Vater und er beantragten mit Datum vom 31. Mai 2006 bei der Beklagten die Prüfung der versicherungsrechtlichen Beurteilungen des Beschäftigungsverhältnisses. Als regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt gaben sie einen Betrag von 1.681,00 € brutto bei unregelmäßiger Arbeitszeit von ca. 65 Stunden in der Woche an sieben Arbeitstagen an.
Die Beklagte stellte, ohne die Klägerin in das Verfahren eingebunden zu haben, mit Bescheid vom 21. August 2006 Versicherungsfreiheit des Beigeladenen („Ihren Arbeitnehmer“) ab 1. Juni 1996 in der Kranken-, Pflege, Renten- und Arbeitslosenversicherung fest. Zur Begründung heißt es, der Beigeladene übe eine geschäftsführende Tätigkeit seit dem 1. Oktober 2003 zusammen mit seinem Bruder F Z aus. Der Vater habe sich seit dem Tod der Ehefrau 1996 aus dem Betrieb zurückgezogen und arbeite nur gelegentlich mit. Das monatliche Gehalt entspreche mit 1.6081,00 € nicht der geleisteten Arbeit. Die tatsächliche Bezahlung richte sich nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betriebes. Je nach Erfolg würden auch Tantiemen ausbezahlt. Der Beigeladene erhalte eine Pacht. Er trage somit ein erhebliches Unternehmerrisiko. Urlaub werde (nur) nach den Erfordernissen des Betriebes genommen. Nach Abwägung aller Umstände handele es sich um selbstständige Tätigkeit.
Der Bescheid enthält die Rechtsmittelbelehrung, dass innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden könne.
Für den Beigeladenen wurden zuletzt für August 2006 Beiträge abgeführt.
Die Beklagte erstattete in der Folgezeit die Pflichtbeiträge für den Zeitraum Oktober 2003 bis August 2006. Die Klägerin erfuhr von diesem Bescheid, indem die Beklagte ihr eine Kopie zusammen mit einem Antrag auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge übersandte (Eingang: 5. September 2006). Sie bat die Beklagte mit Schreiben vom 2. Oktober 2006 um Überprüfung, ob der Bescheid inhaltlich zutreffend sei. Mit weiterem Schreiben vom 13. Oktober 2006 teilte sie der Beklagten mit, von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen, und bat, den Bescheid vom 21. August 2006 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene ab 1. Juli 1996 der Rentenversicherungspflicht nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) unterliege. Die Beklagte antwortete unter dem 26. Oktober 2006, ihre Rechtsauffassung für richtig zu halten. Beigefügt war eine Stellungnahme des Beigeladenen vom 25. Oktober 2006, wonach sein Vater seit 1996 nur repräsentative Aufgaben übernehme.
Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 22. Januar 2007 fest, dass der Beigeladene in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 4) ab 1. Januar 2007 keiner Versicherungspflicht unterliege.
Der Beigeladene teilte der Beklagten mit Schreiben vom 19. Februar 2007 mit, es sei in der täglichen Arbeit in der Geschäftsführung alles beim Alten geblieben. Sein Bruder Fund er führten die Geschäfte der Firma weiterhin gleichberechtigt. Seine Frau sei gelernte Erzieherin und habe nicht die notwendige Ausbildung zur Führung des Betriebes.
Am 23. Februar 2007 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Das SG hat diese mit Gerichtsbescheid vom 4. Mai 2011 abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Der Beigeladene trage insbesondere kein entscheidendes Unternehmerrisiko.
Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 25. August 2011 dem Berichterstatter zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) übertragen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 4. Mai 2011 aufzuheben, sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. August 2006 aufzuheben, soweit dort Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung festgestellt worden ist und ferner festzustellen, dass der Beigeladene zu 3) während seiner Tätigkeit für den F Z senior - Inhaber des Restaurants O - vom 1. Juli 1996 bis 31. Dezember 2006 der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterlag.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, es überwögen eindeutig die Merkmale, die gegen die Annahme einer abhängigen Beschäftigung sprächen.
Der Beigeladene hat vorgebracht, sich seit dem Bescheid der Beklagten vom 22. März 2007 sich privat um seine Altersvorsorge gekümmert zu haben. Er habe eine private Rentenversicherung abgeschlossen und seit dem bis 1. August 2012 monatlich 230,00 € einbezahlt. Darüber hinaus habe die Beigeladene zu 4) von Beginn an bis jetzt ebenfalls 230,00 € als betriebliche Altersvorsorge in die Versicherung einbezahlt. Er wolle im Alter seine laufenden Kosten vielmehr durch Mieteinnahmen bestreiten. Die private Rente sei als Aufstockung gedacht. Die beigefügte Kontoaufstellung weist erstmals unter dem 2. November 2006 Lastschriften zu Gunsten der Privatversicherung aus.
Der Senat konnte in der Besetzung durch den Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern gemäß § 153 Abs. 5 SGG entscheiden. Der Rechtsstreit weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf (§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Berufung hat Erfolg. Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klage ist zulässig.
Die Klage ist als Kombination von Anfechtungsklage und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) zulässig.
Vor Erhebung der Anfechtungsklage bedurfte es keines Vorverfahrens, weil die Klägerin ein Versicherungsträger nach der Ausnahmevorschrift des § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. SGG ist.
Die Klägerin ist auch klagebefugt, § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG. Sie macht geltend, durch den von ihr angefochtenen Bescheid der Beklagten in eigenen Rechten verletzt zu sein. Ist der Verwaltungsakt wie hier gegenüber einem Dritten ergangen, ist eine Rechtsverletzung möglich, sofern zumindest mittelbar eigene rechtliche Interessen der Klägerin betroffen sind (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 54 Rdnr. 14 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, BSGE 61, 27). Eine solche rechtliche Beschwer der Klägerin besteht hier. Die Feststellungen der Beklagten zur Versicherungsfreiheit haben Auswirkung auf deren Beitragsansprüche.
Die Klägerin hat den Bescheid der Beklagten vom 21. August 2006 rechtzeitig innerhalb der Klagefrist angefochten.
Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Gemäß § 66 Abs. 1 SGG beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den richtigen Rechtsbehelf schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, ist die Einlegung des Rechtsbehelfs grundsätzlich nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig (§ 66 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Es ist bereits fraglich, ob und wann der genannte Bescheid der Beklagten der Klägerin wirksam bekannt gegeben worden ist. Denn die Beklagte hat der Klägerin lediglich eine Kopie ihres Bescheides an Herrn F Z senior zukommen lassen. Jedenfalls enthält dieser Bescheid nur eine für den aufgeführten Adressaten zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung. Die Klägerin ist nicht oder jedenfalls nicht richtig über ihr Recht belehrt worden. Ihr gegenüber ist die Rechtsbehelfsbelehrung unzutreffend. Denn nach § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGG bedarf es keines Vorverfahrens, wenn wie hier ein (Renten-)Versicherungsträger klagt. Die Klägerin hätte somit über die Möglichkeit der Klage mit der entsprechenden Frist belehrt werden müssen. Dies ist unterblieben.
Wegen der unterbliebenen bzw. unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung betrug die Klagefrist für die Klägerin deshalb ein Jahr seit Kenntnisnahme des Bescheides. Diese erfolgte am 5. September 2006. Die Jahresfrist wurde durch die im Februar 2007 erhobene Klage gewahrt.
Der Klägerin ist es nicht allgemein verwehrt, sich auf die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG zu berufen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Urteil vom 9. August 2013 –L 1 KR 120/12). Es ist auch unerheblich, ob die Klägerin als fachkundiger Rentenversicherungsträger und Behörde Kenntnis von der Klagemöglichkeit und der entsprechenden Frist hatte Keller in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 66 Rdnr. 12). Ebenso wenig wie bei anwaltlich vertretenen Klägern ist es bei rechtskundigen Behörden möglich oder geboten, den Wortlaut des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG dahingehend zu unterschreiten, dass eine tatsächliche Kenntnis von der gesetzlichen Klagefrist diese unabhängig von einer fehlerhaften Belehrung in Gang setzt (Urteil des Senats vom 26. April 2013 – L 1 KR 177/11 ZVW -). Zur Beurteilung der Frage, ob die Rechtsbehelfsbelehrung als richtig oder unrichtig anzusehen ist, kommt es allein auf den objektiven Inhalt der Belehrung an und nicht auf die Person des Adressaten. Ob er durch die fehlerhafte Belehrung irregeführt wurde und deshalb die Frist versäumt hat, ist ohne rechtliche Bedeutung. Die Rechtsbehelfsbelehrung ist schon dann unrichtig im Sinn von § 66 Abs 2 Satz 1 SGG, wenn auch nur die abstrakte Möglichkeit eines Irrtums bei dem Adressaten besteht (Urteil des BSG vom 25. Januar 1984 - 9a RV 2/83 -, veröffentlicht in Juris).
Nach ständiger Rechtssprechung des Senats kann die Klägerin aber ihr Klagerecht verwirkt haben, soweit der beigeladene Beschäftigungsgeber und/oder der Beschäftigte auf die Bestandskraft des Bescheides der Krankenkasse vertrauen durften und auch vertraut haben.
Die Verwirkung ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung. Bloßer Zeitablauf genügt nicht. Es müssen besondere Umstände (Zeit- und Umstandsmoment) hinzutreten, die die späte Klageerhebung oder Rechtsmitteleinlegung als missbräuchlich erscheinen lassen. Verwirkung kommt insoweit in Betracht, wenn der Berechtigte - bezogen auf den vorliegenden Sachverhalt - der Beigeladene und sein Vater darauf vertraut haben und vertrauen durften, dass die Klägerin ihr Recht nicht mehr geltend machen werde und die Geltendmachung wegen unzumutbarer Nachteile gegen Treu und Glauben verstößt nicht (Keller a. a. O., Vor § 60 Rdnr. 14b).
Hier durften die Beigeladenen nicht auf die Bestandskraft des Bescheides der Beklagten vom 21. August 2006 vertrauen.
Denn jedenfalls der Beigeladene wusste bereits kurz nach Bescheiderlass, dass die Klägerin der dem Bescheid zu Grunde liegende Rechtsauffassung womöglich nicht folgen würde, ein Erstattung ablehnte, und künftig die Zahlung von laufenden Rentenversicherungsbeiträgen möglicherweise wieder fordern würde.
Bereits dem Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 26. Oktober 2006 war nämlich eine Stellungnahme des Beigeladenen für deren Auseinandersetzung mit der Klägerin beigefügt.
Auch scheidet eine kausale Vertrauensbetätigung aus.
Die vom Beigeladenen eingereichten Kontenübersicht weist eine Lastschrift zu Gunsten der privaten Rentenversicherung bereits ab November 2006 aus.
Deren Beitragshöhe deutet überdies eher auf eine sogenannte Riester-Rente als auf eine an die Stelle der gesetzlichen Rentenversicherung tretende private Rentenversicherung hindeutet, welche die Funktion der gesetzlichen Rentenversicherung zur Absicherung der Grundversorgung nicht ersetzen und damit eine adäquate Vertrauensbetätigung darstellen hätte können, sondern nur ergänzen sollte. In diesem Sinne hat der Beigeladene auch selbst geäußert, die private Versicherung diene (nur) der Aufstockung.
Die Anfechtungsklage hat in der Sache Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung festgestellt wurde.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Rentenversicherung der Versicherungspflicht (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob ein Arbeitnehmer abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 – 1 BvR 21/96 – SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinn sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung entstehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechtes unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abgedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinn gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteile vom 8. August 1990 – 11 RAr 77/89 – SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 Seite 14, und vom 8. Dezember 1994 – 11 RAr 49/94 – SozR 3-4100 § 168 Nr. 18 Seite 45; so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 – B 12 KR 30/04 R – juris).
Auf dieser Grundlage ist beispielsweise zu beurteilen, ob ein Vertreter einer juristischen Person zu dieser gleichzeitig in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (so für GmbH-Geschäftsführer BSG, a. a. O.).
Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 – 12 RK 72/92 – NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 – 12 BK 98/94 –).
Auch die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nicht versicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu ziehen. Es ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Angehörigen ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 – B 7 AL 34/02 R – USK 2002 – 42).
Auch hier gilt, dass nicht die Vereinbarungen der Beteiligten, sondern die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben (BSG SozR 2200 § 1227 Nrn. 4 und 8).
Ganz allgemein müssen und können sich Eheleute, Geschwister oder andere (Geschäfts-)Partner an die von ihnen gewählte Vertragsgestaltung auch in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht festhalten lassen. Es unterliegt nicht ihrer Disposition, die Wirkungen des Vertragsverhältnisses nach Maßgabe ihrer Individualnützlichkeit auf bestimmte Rechtsgebiete zu beschränken (BSG – Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R –).
Bei Familiengesellschaften ist entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung die Möglichkeit, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers oder des Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde. Eine solche "Schönwetterselbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar (BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R -, juris-Rdnr. 32).
Betriebsinhaber war hier Herr Z senior. Mit dem Beigeladenen bestand zwar kein schriftlicher Arbeitsvertrag. Der Beigeladene erhielt jedoch ein Gehalt, welches als Betriebsausgabe verbucht wurde und für das Lohnsteuer abgeführt wurde. Dieser hatte kein Unternehmerrisiko.
Daneben erhielt er Pachteinnahmen, die als Betriebsausgaben verbucht worden.
Zwischen dem Beigeladenen und seinem Vater ist deshalb von einem gelebten Arbeitsverhältnis -und einem daneben bestehenden Pachtvertrag- auszugehen und nicht von einem aufgrund eines etwaigen Gesellschaftsvertrages.
Dass auch gewichtige Indizien für Selbstständigkeit streiten, hat beim Überwiegen der Merkmale für eine abhängige Beschäftigung im Ergebnis zur Gänze außer Betracht zu bleiben.
Auch die Feststellungsklage hat Erfolg:
Das Feststellungsbegehren stellt sich als zulässige Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG dar (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. bereits Urteil des Senats vom 13. März 2009 – L 1 KR 555/07 –). § 55 SGG bestimmt im Gegensatz zu § 43 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung und § 41 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung nicht ausdrücklich, dass eine Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder dies hätte können. Soweit der so genannte Subsidiaritätsgrundsatz ungeachtet dessen auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, handelt es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Feststellungs- bzw. Rechtsschutzbedürfnisses. An einem solchen fehlt es, wenn es eine effektivere Klagemöglichkeit gibt oder das Feststellungsurteil den Rechtsstreit noch nicht abschließend erledigen könnte (vgl. BSG, Urteil vom 5. Oktober 2006 – B 10 LW 4/05 R – mit weiteren Nachweisen). Hier führt die Anfechtungsklage nur zur Aufhebung der eine Versicherungspflicht verneinenden Bescheide der Beklagten und nicht umgekehrt automatisch zur Feststellung der Rentenversicherungspflicht. Die Beklagte könnte sich der Klägerin gegenüber rein formal auf den Standpunkt stellen, dass zwar der die Beigeladenen aus deren Sicht begünstigende Bescheid der Beklagten als Einzugsstelle aufgehoben worden sei, die dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Erwägungen jedoch falsch und unverbindlich seien. Eine Verpflichtungsklage auf Erlass entsprechender Bescheide gegen die Einzugsstellen wäre weiter kein einfacherer Weg als die Feststellungsklage (ebenso BSG, Urteil vom 1. September 2005 – B 3 KR 3/04 R –).
Die Klage ist aus den soeben ausgeführten Gründen auch begründet.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197 a Abs. 1, Abs. 2 S. 2 SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.