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Entscheidung 3 WF 60/13


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 5. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 16.06.2013
Aktenzeichen 3 WF 60/13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 243 FamFG, § 242 BGB, § 696 ZPO

Leitsatz

1. Im Unterhaltsverfahren werden die Vorschriften der §§ 91 a, 269 ZPO durch § 243 FamFG verdrängt. Allerdings können die in den Kostenvorschriften der ZPO enthaltenen Rechtsgrundsätze bei der Billigkeitsabwägung grundsätzlich herangezogen werden.

2. Im Rahmen des § 243 FamFG hat eine Gesamtabwägung zu erfolgen. Diese umfasst nicht nur die in § 243 Satz 2 Nrn. 1 bis 4 FamFG genannten Kriterien, sondern alle Umstände des Einzelfalles.

3. Es kann dahinstehen, ob die vom erstinstanzlichen Gericht nach billigem Ermessen getroffene Kostenentscheidung in vollem Umfang überprüfbar ist, das Beschwerdegericht also als Beschwerdegericht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens des erstinstanzlichen Gerichts setzen kann oder ob allein eine Überprüfung auf Ermessensfehler zulässig ist, wenn die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts ermessensfehlerhaft ist.

4. Das Umstandsmoment für die Verwirkung von Unterhalt wegen nicht zeitnaher Geltendmachung kann auch erfüllt sein, wenn der Unterhaltsanspruch auf den Träger des Unterhaltsvorschusses übergegangen ist. Denn auch eine Behörde ist auf Grund der Natur, des Inhalts und des Umfangs des Unterhaltsanspruchs, der sich durch den Übergang nicht verändert, gehalten, sich um dessen zeitnahe Durchsetzung zu bemühen.

5. Da der Gesetzeswortlaut in § 696 Abs. 1 Satz 1 ZPO eindeutig auf den Antrag "einer Partei" abstellt, ist nicht nur der Antragsteller des Mahnverfahrens, sondern auch der Antragsgegner berechtigt, den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens zu stellen.

6. Gemäß § 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG ist für Unterhaltssachen, die die Unterhaltspflicht für ein minderjähriges Kind betreffen, das Gericht, in dessen Bezirk das Kind oder der Elternteil, der auf Seiten des minderjährigen Kindes zu handeln befugt ist, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ausschließlich zuständig. Von dieser Zuständigkeitsvorschrift erfasst sind auch die Unterhaltsansprüche, die im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs von einem Leistungsträger geltend gemacht werden. Wurde das Mahnverfahren betrieben, ist auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit gemäß § 696 Abs. 3 ZPO abzustellen.

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden insgesamt dem Antragsteller auferlegt.

Der Antragsteller hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf zwischen 601 und 900 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller hat aus übergegangenem Recht gemäß § 7 UVG am 4.1.2012 den Erlass eines Mahnbescheids gegen den Antragsgegner hinsichtlich Kindesunterhalts für den Zeitraum vom 1.10.2007 bis zum 23.12.2009 in Höhe von insgesamt 3.097,13 € beantragt. Gegen den am 6.1.2012 erlassenen und am 11.1.2012 zugestellten Mahnbescheid hat der Antragsgegner am 23.1.2012 Widerspruch eingelegt. Der Antragsteller ist von der Einlegung des Widerspruchs informiert und darauf hingewiesen worden, dass zur Abgabe des Verfahrens ein Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens erforderlich sei. Einen solchen Antrag hat der Antragsteller nicht gestellt, wohl aber der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 11.6.2012. Das Mahngericht hat das Verfahren daraufhin an das Amtsgericht Luckenwalde, das vom Antragsteller für den Fall des Widerspruchs als Verfahrensgericht benannt worden war, abgegeben.

Kurz danach hat der Antragsteller gegenüber dem Amtsgericht Luckenwalde Erledigung in der Hauptsache erklärt und beantragt, die Kosten dem Antragsgegner aufzuerlegen. Dem ist der Antragsgegner unter dem 27.7.2012 entgegengetreten. Er hat geltend gemacht, ein Unterhaltsanspruch sei nicht gegeben, das Amtsgericht Luckenwalde sei örtlich unzuständig, nach Bewilligung der zugleich beantragten Verfahrenskostenhilfe werde er aber der Erledigungserklärung unter Verwahrung gegen die Kosten zustimmen. Unter dem 7.8.2012 hat der Antragsteller noch einmal unter Hinweis darauf, dass er das streitige Verfahren nicht beantragt habe, Stellung genommen und erklärt, dass in der Angelegenheit keine weiteren Stellungnahmen erfolgen würden, die Sache als erledigt zu betrachten sei. Darauf hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 19.9.2012 ausgeführt, er werte den Schriftsatz des Antragstellers vom 7.8.2012 als Antragsrücknahme hinsichtlich des Mahnbescheidsantrags und beantrage, dem Antragsteller die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Dem ist der Antragsteller unter dem 27.9.2012 entgegengetreten und hat erklärt, weder den Mahnbescheid zurückgenommen noch die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt zu haben.

Durch Beschluss vom 16.11.2012 hat das Amtsgericht den Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Hinweis auf Mutwillen zurückgewiesen. Denn ein kostenbewusster Beteiligter, der die Kosten selbst zahlen müsste, hätte den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens, an dem der Antragsteller kein Interesse mehr gehabt habe, nicht gestellt. Mit Verfügung vom selben Tag hat das Amtsgericht dem Antragsgegner mitgeteilt, dass, wenn er der Erledigungserklärung nicht innerhalb von drei Wochen widerspreche, dies als Zustimmung zu werten sei. Unter dem 16.1.2013 hat der Antragsgegner der Erledigungserklärung des Antragstellers ausdrücklich zugestimmt und beantragt, dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 15.4.2013 hat das Amtsgericht deklaratorisch festgestellt, dass das Verfahren beendet sei, die Gerichtskosten dem Antragsteller in Höhe von 48,50 € auferlegt, im Übrigen dem Antragsgegner. Ferner hat es angeordnet, dass der Antragsgegner von den außergerichtlichen Kosten des Antragstellers 15 € zu tragen habe, während der Antragsteller die weiteren außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen habe. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners hat das Amtsgericht angeordnet, diese habe der Antragsteller in Höhe von 152,92 €, im Übrigen der Antragsgegner zu tragen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, nach übereinstimmender Erledigungserklärung sei nur noch eine Kostenentscheidung zu treffen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das Amtsgericht sachlich zuständig gewesen sei. Die Kosten des Mahnverfahrens habe der Antragsteller zu tragen, da er der vom Antragsgegner insoweit beantragten Kostenentscheidung zu seinen Lasten nicht widersprochen habe. Mithin habe er seine Unterlegenheit im Mahnverfahren anerkannt. Die weiteren Kosten habe hingegen der Antragsgegner zu tragen. Vor allem habe er das Streitverfahren ohne Not eingeleitet und damit unnötige Kosten verursacht. Im Übrigen sei seine Unterhaltsverpflichtung unstreitig. Leistungsfähigkeit des Antragsgegners sei jedenfalls im Hinblick auf § 11 Abs. 2 Nr. 7 SGB II gegeben. Der Unterhaltsanspruch sei weder verjährt noch verwirkt.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit der sofortigen Beschwerde. Er trägt vor:

Das Amtsgericht sei örtlich unzuständig gewesen. Er sei gemäß § 696 Abs. 1 ZPO berechtigt gewesen, die Durchführung des streitigen Verfahrens zu beantragen. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sei seine Unterhaltsverpflichtung gerade nicht unstreitig gewesen. Er habe bereits darauf hingewiesen, im streitgegenständlichen Zeitraum über ein Nettoerwerbseinkommen von 1.063 € verfügt zu haben, wobei Kreditraten in Höhe von 183,33 € bzw. 99,98 € noch abzuziehen seien. Dieser Vortrag sei vom Antragsteller nicht bestritten worden. Hinsichtlich der Verjährung und Verwirkung habe das Amtsgericht die Rechtsprechung des BGH und des Brandenburgischen Oberlandesgerichts nicht beachtet.

II.

Das zulässige Rechtsmittel des Antragsgegners ist begründet.

1.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

Das Rechtsmittel des Antragsgegners richtet sich gegen die vom Amtsgericht getroffene Kostenentscheidung. Da es sich beim Unterhaltsverfahren um eine Familienstreitsache im Sinne von § 112 Nr. 1 FamFG handelt, finden gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG hinsichtlich der Anfechtung der isolierten Kostenentscheidung die Vorschriften der ZPO entsprechende Anwendung. Gegen die Kostenentscheidung, die nach übereinstimmender Erledigungserklärung oder nach Rücknahme des Antrags ergeht, findet daher die sofortige Beschwerde gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 91 a Abs. 2 ZPO bzw. §§ 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG, 269 Abs. 5 ZPO statt (vgl. BGH, NJW 2011, 3654 Rn 13 ff.). Die danach zu beachtende Beschwerdefrist von zwei Wochen, § 569 Abs. 1 ZPO, ist gewahrt. Der Beschwerdewert von mehr als 200 €, § 567 Abs. 2 ZPO, ist erreicht.

An sich hätte das Amtsgericht gemäß § 572 Abs. 1 FamFG eine Abhilfeentscheidung treffen müssen. Um Verzögerungen zu vermeiden, sieht der Senat davon ab, die Sache zum Zwecke der Abhilfeentscheidung noch einmal an das Amtsgericht zurückzugeben (vgl. auch Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 572 Rn. 4).

2.

Die sofortige Beschwerde ist begründet. Dem Antragsteller sind die Verfahrenskosten nicht nur hinsichtlich des Mahnverfahrens, sondern auch hinsichtlich des streitigen Verfahrens, somit insgesamt aufzuerlegen.

a)

Zu Recht hat das Amtsgericht nur noch über die Kosten des Verfahrens entschieden. Eine Entscheidung über die Hauptsache, den Unterhaltsanspruch, war nicht mehr möglich, nachdem der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 16.1.2013 der Erledigungserklärung des Antragstellers ausdrücklich zugestimmt hatte. Es kann daher dahinstehen, ob schon die Erklärung mit Schriftsatz vom 27.7.2012, der Antragsgegner werde nach Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe der Erledigungserklärung zustimmen, zur Erledigung geführt hat. Zweifel könnten sich insoweit ergeben, als damit dem Wortlaut nach eine Erledigungserklärung nur in Aussicht stellt bzw. von der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe abhängig gemacht wird (vgl. zu bedingten Prozesshandlungen Zöller/Geimer, a.a.O., vor § 128 Rn. 20; Zöller/ Vollkommer, a.a.O., § 91a Rn. 11).

Die Erledigung in der Hauptsache ergibt sich aus § 91 a Abs. 1 ZPO, der gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG Anwendung findet. Soweit das Amtsgericht darüber hinaus die Vorschriften der §§ 22, 83 FamFG angeführt hat, ist dies unzutreffend. Denn jene Vorschriften sind in Familienstreitsachen gerade nicht anwendbar, § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Auch der Bezugname auf § 62 FamFG bedarf es nicht. Diese Vorschrift ist zwar gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG in Familienstreitsachen grundsätzlich anzuwenden. Die Vorschrift betrifft aber nur die Erledigung in der Hauptsache nach Einlegung der Beschwerde und sieht vor, dass das Beschwerdegericht auf Antrag auszusprechen hat, dass die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Ein solcher Antrag ist hier nicht gestellt worden. Im Übrigen ist ein berechtigtes Interesse in der Regel nur gegeben, wenn schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder eine Wiederholung konkret zu erwarten ist, § 62 Abs. 2 FamFG (vgl. Keidel/Budde, FamFG, 17. Aufl., § 62 Rn. 11 ff.; Hahne/Munzig/ Gutjahr, BeckOK FamFG, Edition 8, § 62 Rn. 21 ff).

b)

Die danach allein noch zu treffende Kostenentscheidung hat auf der Grundlage von § 243 FamFG nach billigem Ermessen zu erfolgen. Es handelt sich für die in Unterhaltssachen abschließende Spezialvorschrift in Abweichung der §§ 91 ff. ZPO (vgl. Keidel/Giers, a.a.O., § 243 Rn. 1; Verfahrenshandbuch Familiensachen –FamVerf-/Gutjahr, 2. Aufl., § 1 Rn. 404). Die vom Amtsgericht ferner angeführten Vorschriften der §§ 91 a, 269 ZPO werden durch § 243 FamFG verdrängt. Allerdings können die in den Kostenvorschriften der ZPO enthaltenen Rechtsgrundsätze bei der Billigkeitsabwägung grundsätzlich herangezogen werden (Keidel/Giers, a.a.O., § 243 Rn. 2; FamVerf/Gutjahr, a.a.O.).

c)

Es kann dahinstehen, ob die vom Amtsgericht nach billigem Ermessen getroffene Entscheidung in vollem Umfang überprüfbar ist, der Senat also als Beschwerdegericht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens des Amtsgerichts setzen kann (so BGH, NJW 2011, 3654 Rn 26 ff; Hahne/Munzig/Gutjahr, a.a.O., § 69 Rn. 31) oder ob allein eine Überprüfung auf Ermessensfehler zulässig ist (so BGH, NJW-RR 2007, 1586 Rn 15; Keidel/ Zimmermann, a.a.O., § 81 Rn 81). Denn selbst wenn man nach der letztgenannten Auffassung von einer eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeit ausginge, würde dies im Ergebnis hier dazu führen, dass der Senat das Ermessen selbst ausüben kann und muss. Denn die Entscheidung des Amtsgerichts ist ermessensfehlerhaft.

Im Rahmen des § 243 FamFG hat eine Gesamtabwägung zu erfolgen. Diese umfasst nicht nur die in § 243 Satz 2 Nrn. 1 bis 4 FamFG genannten Kriterien, sondern alle Umstände des Einzelfalles (Haußleiter/Fest, FamFG, § 243 Rn. 5; FamVerf/Gutjahr, § 1 Rn. 404).

Das Amtsgericht hat jedenfalls einen Umstand nicht in seine Ermessensentscheidung einbezogen. Es ist einerseits davon ausgegangen, dass der Antragsteller seine Unterlegenheit im Mahnverfahren anerkannt hat. Andererseits hat das Amtsgericht in seiner Abwägung nicht berücksichtigt, dass sich der Antragsteller auch hinsichtlich des streitigen Verfahrens in die Rolle des Unterlegenen begeben hat. Denn die Erledigung in der Hauptsache ist nicht etwa erklärt worden, weil der Antragsgegner den geltend gemachten Unterhaltsanspruch erfüllt hat, sondern weil der Antragsteller von seinem Begehren Abstand genommen hat. Auf die Motive kommt es insoweit nicht vordringlich an. Der Antragsteller hat dazu lediglich erklärt, ihm sei durch den Widerspruch bekannt geworden, dass eine weitere Verfolgung der Unterhaltsforderung ohne Aussicht auf Erfolg bleibe. Damit mag gemeint gewesen sein, dass der Antragsteller im Falle einer Titulierung des Unterhalts Probleme bei der Vollstreckung befürchtet hat. Andererseits ist der Antragsteller auf die Einwände, die der Antragsgegner hinsichtlich des Unterhaltsanspruchs erhoben hat, überhaupt nicht eingegangen. Im Ergebnis hat er sich jedenfalls in die Rolle des Unterlegenen begeben.

Ein weiterer Ermessensfehler des Amtsgerichts liegt darin, dass es der Abwägung zugrunde gelegt hat, der Antragsteller wäre mit dem Hauptsacheantrag erfolgreich gewesen, wenn es nicht zur übereinstimmenden Erledigungserklärung gekommen wäre. Dies trifft gerade nicht zu. Vielmehr ist bei der im Rahmen der Kostenentscheidung gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 91 a Rn. 26 f.) davon auszugehen, dass der Antragsteller den Unterhaltsanspruch nicht mit Erfolg hätte durchsetzen können, wie sogleich zu zeigen ist.

d)

Die Abwägung aller Umstände des Einzelfalls führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass es der Billigkeit entspricht, die Verfahrenskosten insgesamt dem Antragsteller aufzuerlegen.

aa)

Das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten, § 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG, spricht hier dafür, die Kosten dem Antragsteller aufzuerlegen.

(1)

Schon die vom Amtsgericht angenommene Leistungsfähigkeit des Antragsgegners ist sehr fraglich. Bei einem Nettoerwerbseinkommen von rund 1.063 €, wie von ihm unbestritten vorgetragen, ergäbe sich bei einem notwendigen Selbstbehalt von 820 € für die Monate Oktober bis Dezember 2007 und 900 € von Januar 2008 bis zum Ende des Unterhaltszeitraums am 23.12.2009 nur eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit. Der Mindestunterhalt hätte nicht vollständig gezahlt werden können. Dass der Antragsgegner seine Arbeitskraft nicht in zumutbarer Weise bestmöglich eingesetzt hat, hat der Antragsteller nicht geltend gemacht.

Darüber hinaus kommt in Betracht, dass die Leistungsfähigkeit des Antragsgegners im Hinblick auf die geltend gemachten Kreditraten weiter eingeschränkt gewesen war. Welche Umstände insoweit in die gebotenen Interessenabwägung (vgl. Wendl/Klinkhammer, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl., § 2 Rn. 257) einzubeziehen waren, ist nicht dargetan. Gleiches gilt für die Frage, ob etwa der Antragsgegner wegen der Schulden auf die Einleitung des Verbraucherinsolvenzverfahrens zu verweisen war (vgl. dazu Wendl/Klinkhammer, a.a.O., § 2 Rn. 258).

Dies alles kann aber dahinstehen, da der Unterhaltsanspruch bei summarischer Betrachtung bereits aus anderen Gründen nicht gegeben war.

(2)

Es ist nämlich davon auszugehen, dass der Unterhaltsanspruch wegen nicht zeitnaher Geltendmachung nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verwirkt war.

(a)

Hinsichtlich der Verwirkung, also der Frage, ob sich die Geltendmachung rückständigen Unterhalts unter dem Gesichtspunkt illoyal verspäteter Rechtsausübung nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB als unzulässig darstellt, bedarf es des Zeit- und des Umstandsmoments (vgl. Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 6 Rn. 142 ff.). Beim Unterhalt sind an das Zeitmoment keine großen Anforderungen zu stellen. Das Zeitmoment kann bereits für Zeitabschnitte, die mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit der Klage oder einem erneuten Tätigwerden liegen, bejaht werden (BGH, FamRZ 1988, 370, 372 f.; FamRZ 2007, 453 ff., Rn. 22). Da ein Unterhaltsanspruch nicht verwirkt sein kann, bevor er überhaupt fällig geworden ist, müssen gegebenenfalls die in Frage kommenden Zeitabschnitte gesondert betrachtet werden (BGH, FamRZ 1988, 370).

Neben dem Zeitmoment kommt es für die Verwirkung auf das Umstandsmoment an, das heißt, es müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund deren sich der Unterhaltsverpflichtete nach Treu und Glauben darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass der Unterhaltsberechtigte sein Recht nicht mehr geltend machen werde (BGH, FamRZ 1988, 370, 373). Da von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewiesen ist, eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen zu erwarten ist, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung des Anspruchs bemüht (vgl. BGH, a.a.O.), darf der Unterhaltsschuldner, wenn das Verhalten des Unterhaltsgläubigers den Eindruck erweckte, in dem fraglichen Zeitraum nicht bedürftig zu sein, davon ausgehen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Soweit es beim Umstandsmoment auch darauf ankommt, inwieweit sich der Unterhaltsverpflichtete tatsächlich darauf eingerichtet hat, Unterhalt für die zurückliegende Zeit nicht mehr zahlen zu müssen, reicht die Feststellung aus, dass ein Unterhaltsverpflichteter erfahrungsgemäß seine Lebensführung an die ihm zur Verfügung stehenden Einkünfte anpasst, so dass er bei unerwarteten Unterhaltsnachforderungen nicht auf Ersparnisse zurückgreifen kann und dadurch regelmäßig in Bedrängnis gerät (BGH, a.a.O.). Sind Anhaltspunkte dafür, dass es im zu entscheidenden Fall anders lag, nicht ersichtlich, so bedarf es keiner besonderen Feststellungen dazu, dass der Unterhaltsschuldner sich tatsächlich auf den Fortfall der Unterhaltsforderungen eingerichtet hat (BGH, a.a.O.).

Auch Ansprüche auf Kindesunterhalt können verwirkt sein, obwohl die Verjährung solcher Ansprüche eines minderjährigen Kindes gegenüber seinen Eltern bis zur Volljährigkeit des Kindes gehemmt ist (BGH, FamRZ 1999, 1422).

(b)

Das für die Verwirkung erforderliche Zeitmoment ist hier ohne weiteres gegeben. Der Unterhaltszeitraum, den der Antragsteller geltend macht, liegt vom 1.10.2007 bis zum 23.12.2009. Dass der Antragsteller rechtzeitig vor Jahresfrist, die hinsichtlich des letzten Unterhaltsmonats spätestens im Januar 2011 verstrichen wäre, Unterhalt vom Antragsgegner verlangt hat, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Vielmehr hat der Antragsgegner unwidersprochen behauptet, es habe eine Zahlungsaufforderung am 9.5.2011 gegeben. Das war zu einem Zeitpunkt, als die Jahresfrist in jedem Fall abgelaufen war.

Auch das Umstandsmoment ist nach den vorstehenden Grundsätzen erfüllt. Allerdings ist der Antragsteller aufgrund der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen aus übergegangenem Recht nicht lebensnotwendig auf die Unterhaltszahlungen angewiesen. Jedoch ist auch eine Behörde auf Grund der Natur, des Inhalts und des Umfangs des Unterhaltsanspruchs, der sich durch den Übergang nicht verändert, gehalten, sich um dessen zeitnahe Durchsetzung zu bemühen (BGH, NJW 2010, 3714 Rn. 23). Im Übrigen kann sich gerade ein Unterhaltsschuldner, der selbst von fehlender Leistungsfähigkeit ausgeht, nach einem Zeitraum von über einem Jahr ohne Geltendmachung des Unterhalts darauf verlassen, nun auf rückständige Unterhaltszahlungen nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.

(3)

Die Unterhaltsansprüche in den Jahren 2007 und 2008 wären im Übrigen auch verjährt.

Unterhaltsansprüche verjähren gemäß §§ 197 Abs. 2, 195 BGB in drei Jahren, wobei die Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 BGB am Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, beginnt (vgl. auch Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 6 Rn. 147). Zwar ist die Verjährung beim Kindesunterhalt gemäß § 207 BGB bis zum 21. Lebensjahr gehemmt. Ist der Unterhaltsanspruch aber vom Kind auf einen Leistungsträger übergegangen, gilt die Hemmung der Verjährung nicht, weil sie nur der Wahrung des Familienfriedens dient (BGH, FamRZ 2006, 1664, 1666; Wendl/ Gerhardt, a.a.O., § 6 Rn. 151).

bb)

Der Umstand, dass ein Beteiligter vor Beginn des Verfahrens einem Auskunftsbegehren des anderen nicht nachgekommen ist, § 243 Satz 2 Nr. 2 FamFG, ist hier bei der Abwägung nicht zu berücksichtigen. Denn der Antragsteller hat nicht etwa geltend gemacht, den Antragsgegner vor Einleitung des Mahnverfahrens zur Auskunft über sein Einkommen vergeblich aufgefordert zu haben.

cc)

Die Billigkeitskriterien nach § 243 Satz 2 Nrn. 3 und 4 FamFG sind im vorliegenden Fall ersichtlich ohne Bedeutung.

dd)

Der Umstand, dass der Antragsgegner die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt hat, ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts bei der Kostenentscheidung nicht zu seinen Lasten zu berücksichtigen.

Gemäß § 696 Abs. 1 Satz 1 ZPO gibt das Mahngericht, wenn rechtzeitig Widerspruch erhoben wird und eine Partei die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt, den Rechtsstreit von Amts wegen an das Gericht ab, das in dem Mahnbescheid gemäß § 692 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bezeichnet worden ist, wenn die Parteien übereinstimmend die Abgabe an ein anderes Gericht verlangen, an dieses. Da der Gesetzeswortlaut eindeutig auf den Antrag „einer Partei“ abstellt, ist nicht nur der Antragsteller des Mahnverfahrens, sondern auch der Antragsgegner berechtigt, den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens zu stellen (OLG Hamburg, MDR 1983, 233, 234; MDR 1994, 520; OLG München, MDR 1997, 890, 891; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 704; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 696 Rn. 1).

Wenn der Antragsgegner von diesem ihm durch das Gesetz eingeräumten Verfahrensrecht Gebrauch macht, kann dies grundsätzlich nicht zu einer nachteiligen Kostenentscheidung führen. Denn die im Mahnverfahren in Anspruch genommene Partei ist nicht gehalten, ihre Rechtsverteidigung auf die Erhebung des Widerspruchs zu beschränken (OLG Hamburg, MDR 1983, 233, 234). Insbesondere wenn – wie hier – seit der Einlegung des Widerspruchs nahezu fünf Monate verstrichen sind, ohne dass der Anspruchsteller der Sache Fortgang gegeben hat, besteht ein berechtigtes Interesse des in Anspruch genommenen Beteiligten, durch Beantragung des streitigen Verfahrens Klarheit über die weiteren Ziele des Anspruchstellers zu erhalten (OLG Hamburg, MDR 1994, 520).

Vorliegend kommt hinzu, dass der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren unwidersprochen vorgetragen hat, er habe auf die Zahlungsaufforderung vom 9.5.2011 telefonisch mit dem Jugendamt Rücksprache gehalten, erklärt, dass der Unterhaltsanspruch als nicht gegeben ansehe und ihm sei seitens des Jugendamtes mitgeteilt worden, dass sich die Angelegenheit damit erledigt habe. Angesichts dessen lag es im berechtigten Interesse des Antragsgegners, mittels Durchführung des streitigen Verfahrens eine Klärung dazu herbeizuführen, ob der Antragsteller nach Einlegung des Widerspruchs endgültig von seinem Begehren ablässt.

ee)

Schließlich hat der Antragsteller die Abgabe der Sache im Streitfalle an das örtlich unzuständige Gericht beantragt.

Gemäß § 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG ist für Unterhaltssachen, die die Unterhaltspflicht für ein minderjähriges Kind betreffen, das Gericht, in dessen Bezirk das Kind oder der Elternteil, der auf Seiten des minderjährigen Kindes zu handeln befugt ist, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ausschließlich zuständig. Von dieser Zuständigkeitsvorschrift erfasst sind auch die Unterhaltsansprüche, die im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs von einem Leistungsträger geltend gemacht werden (OLG Naumburg, Beschluss vom 25.1.2011 – 8 AR 4/11, BeckRS 2011, 29330; Keidel/Weber, FamFG, 17. Aufl., § 232 Rn. 4; Musielak/Borth, FamFG, 4. Aufl., § 232 Rn. 8).

Abzustellen ist auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit gemäß § 696 Abs. 3 ZPO (vgl. Johannsen/Henrich/Maier, Familienrecht, 5. Aufl., § 232 Rn. 7). Unbestritten hatte das minderjährige Kind, für das der Antragsteller Unterhaltsvorschuss geleistet hat, bei Zustellung des Mahnantrags im Januar 2012 seinen ständigen Aufenthalt beim Antragsgegner in Sachsen und damit nicht mehr im Bezirk des Amtsgerichts Luckenwalde.

ff)

Unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls entspricht es der Billigkeit, die Kosten des Verfahrens insgesamt dem Antragsteller aufzuerlegen. Dafür spricht vor allem, dass er dem Verfahren ohne Erledigung des Ereignisses voraussichtlich unterlegen wäre. Gesichtspunkte, die für eine Kostentragung des Antragsgegners sprechen könnten, liegen dagegen nicht vor.

3.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht mit Rücksicht auf die Billigkeitserwägungen ebenfalls auf § 243 FamFG.

Die Wertfestsetzung beruht auf § 51 FamGKG.