Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 25.11.2010 | |
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Aktenzeichen | L 3 U 9/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 7 SGB 7, § 8 SGB 7, § 3 BKV |
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 27. November 2009 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) – Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können -.
Der 1945 geborene Kläger war zunächst nach eigenen Angaben in den Jahren 1962 bis 1963 Lehrling in der Landwirtschaft. Von 1963 bis 1970 arbeitete er als Rohrschlosser und Schweißer, anschließend absolvierte er seinen Wehrdienst bei der NVA, danach war er als Feuerwehrmann beschäftigt. Von 1970 bis 1982 arbeitete er als Schlosser, Zimmermann, Betonarbeiter und Heizungsbauer. Vom 01. April 1983 bis zum 30. September 1984 arbeitete er erneut als Schlosser. Laut Arbeitsvertrag vom 01. Oktober 1984 und Änderungsvertrag vom 02. Februar 1988 war er vom 01. Oktober 1984 bis zum 31. März 1988 als Bildröhrenbearbeiter beim VEB Werk für F (später Fa. W), anschließend im selben Betrieb als Einrichter beschäftigt. Zum 31. August 1992 kündigte er. Danach arbeitete er bei der Fa. P GmbH als Heizungsmonteur, von 1994 bis zum 31. März 1999 bei der Fa. A H GmbH erneut als Heizungsmonteur. Ab dem 01. Mai 1999 war er wieder als Heizungsmonteur beschäftigt.
Im Jahr 1996 kam es zu einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Epicondylitis, vom 26. Januar bis zum 12. Februar 1999 bestand Arbeitsunfähigkeit wegen Schulterbeschwerden und vom 02. Mai bis zum 18. August 2000 u. a. wegen Impingement-Syndrom der Schulter sowie Läsion der Rotatorenmanschette.
Im Rahmen eines BK-Ermittlungsverfahrens wegen einer Atemwegserkrankung führte der Kläger am 08. Januar 2003 eine Muskel- und Sehnenerkrankung der oberen Extremitäten auf das Hantieren mit Bildröhren zurück. Die Beklagte zog daraufhin Unterlagen aus dem Ermittlungsverfahren betreffend eine BK Nr. 4302 bei (u. a. ein Vorerkrankungsverzeichnis der Betriebskrankenkasse Verkehrsbau Union <BKK VBU> vom 08. November 2002, eine Auskunft der A K H GmbH vom 12. November 2002, eine Stellungnahme des Präventionsdienstes der Beklagten vom 10. Januar 2003, eine Auskunft der Fa. S GmbH vom 13. Dezember 2002 sowie die Arbeits- bzw. Änderungsverträge vom 01. Oktober 1984, 02. Februar 1988 und 27. Dezember 1989, Arbeits-/Tätigkeitsbeschreibungen für die Tätigkeit als Einrichter sowie die Kündigung des Klägers vom 14. August 1992 bei.
Die Beklagte holte außerdem eine Stellungnahme des Technischen Aufsichtsbeamten (TAB) R vom 22. September 2003 ein, die dieser u. a. nach einer Besprechung mit dem Kläger am 03. Juni 2003 erstellt hatte. Darin kam dieser zu dem Schluss, aufgrund der Ermittlungen seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK 2101 eher nicht anzunehmen, da weder kurzzyklische, feinmotorische Handtätigkeiten noch hochfrequente, gleichförmige, feinmotorische Tätigkeiten bei unphysiologischer achsenungünstiger Auslegung der Handgelenke noch forcierte Dorsalextensionen der Hand oder monoton wiederholte oder plötzlich einsetzende Aus- und Einwärtsdrehungen der Hand und des Vorderarms aufgetreten seien. Allerdings sei es im Rahmen des Handlings von Glasschirmteilen während der Tätigkeit als Bandarbeiter von 1984 bis 1986 (danach sei er zunehmend als Einrichter eingesetzt worden) zu einem begrenzten Überlastungsrisiko durch repetitive Manipulationen mit statischen und dynamischen Anteilen mit hoher Auslenkung des Handgelenks bei gleichzeitig hoher Kraftanwendung gekommen.
Nach Einholung einer gewerbeärztlichen Stellungnahme von Dr. E vom Landesamt für Arbeitsschutz vom 12. November 2003 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04. Dezember 2003 die Anerkennung einer BK Nr. 2101 sowie die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab. Leistungen nach § 3 BKV kämen ebenfalls nicht in Betracht. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen seien die Einwirkungen, denen der Kläger während seiner Berufstätigkeit seit dem 25. Oktober 1970 als Heizungsinstallateur in diversen Firmen sowie als Arbeiter bzw. Einrichter in der Bildröhrenfertigung ausgesetzt gewesen sei, nicht geeignet gewesen, eine BK 2101 zu verursachen. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2004 zurückgewiesen.
Mit seiner hiergegen gerichteten Klage vor dem Sozialgericht Potsdam (SG) hat der Kläger geltend gemacht, die Feststellungen der Beklagten hinsichtlich der körperlichen Anforderungen im Rahmen seiner Tätigkeit in der Bildröhrenfertigung seien unzutreffend. Er habe in den ersten zwei Jahren nur auf der Lötbühne im Bandtakt von 32 Sekunden, später 14,6 Sekunden gearbeitet. Es hätten sehr schnelle Punktschweißungen durchgeführt werden müssen. Anschließend seien die Schirmteile hochgeworfen und umgedreht wieder aufgefangen worden. Beim Auffangen sei jedes Mal ein starker Ruck durch die Schulter gegangen. Nur anfangs seien drei Kollegen je Arbeitsplatz eingesetzt worden, später seien es nur noch zwei Kollegen gewesen. Er sei dann als Einrichter in der Schirmteilproduktion, in der Konusfertigung und in der Fritte ausgebildet worden. In der Konusfertigung hätten die 6 bis 11 kg schweren Konusteile mit einer Hand aus dem Band genommen sowie umgedreht auf die Maschine gelegt und danach wieder umgedreht in eine anderes Band gehängt werden müssen. Er habe auch als Einrichter noch ständig für Pausenablösungen und für andere Kollegen auf der Lötbühne einspringen müssen. Abends seien Rücken und Schultern wie gelähmt gewesen.
Mit Beschluss vom 26. April 2005 hat das SG die Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik (jetzt: BG Energie Textil Elektro) als zuständigen Unfallversicherungsträger für die Beschäftigung des Klägers in der Bildröhrenfertigung zum Verfahren nach §§ 75 Abs. 2, 106 Abs. 3 Nr. 6 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen.
Die Beigeladene hat eine Stellungnahme des TAB R vom 06. März 2006 eingereicht, in der dieser keinen Anlass zur Änderung seiner Einschätzung vom 22. September 2003 gesehen hat.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme vom 12. Juni 2009 hat das SG den vom Kläger als Zeugen für die beruflichen Einwirkungen während der Tätigkeit von 1984 bis 1986 benannten T F befragt. Dieser hat sich zu den einzelnen Tätigkeiten des Klägers nicht geäußert, da er in einer anderen Abteilung gearbeitet habe.
Das SG hat die Klage durch Urteil vom 27. November 2009 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es liege keine der von der BK 2101 erfassten Krankheiten vor. Auch der Krankheitsverlauf spreche gegen eine wesentliche Verursachung durch berufliche Belastungen. Eine Erkrankung der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze sei nicht ersichtlich. Der Kläger habe trotz gerichtlichen Hinweises keine weiteren Angaben zu seinen Erkrankungen, behandelnden Ärzten oder seinem Krankheitsverlauf getätigt. Das bei ihm diagnostizierte Impingement-Syndrom werde von der BK 2101 nicht erfasst. Dieses stelle ein komplexes eigenständiges Krankheitsbild dar, wobei nicht nur Sehnen und Sehnenansätze betroffen seien. Die diagnostizierte Labrumranddegeneration betreffe wiederum das Schultergelenk und nicht die versicherten Strukturen. Darüber hinaus gehe die Kammer davon aus, dass die beruflichen Belastungen des Klägers in der Zeit von 1984 bis 1992 in keinem kausalen Zusammenhang mit einer Erkrankung nach der BK 2101 stehen könne. Bei diesen Erkrankungen handle es sich um entzündliche Veränderungen, die relativ kurzfristig nach nicht gewohnter einseitiger Belastung aufträten. Der Kläger habe die belastende Tätigkeit im Jahr 1992 beendet. Nach den bisherigen Ermittlungen seien die ersten Beschwerden jedoch erst im Jahr 2000 aufgetreten.
Mit seiner Berufung macht der Kläger nunmehr geltend, er habe im Jahr 2000 eine Entzündung in der rechten Schulter bekommen und sei am 28. Juli 2000 das erste Mal operiert worden. Der Operateur habe ihm mitgeteilt, die Schulterprobleme seien nicht auf seine Tätigkeit als Heizungsmonteur zurückzuführen, jedoch auf seine schwere Tätigkeit in der Bildröhrenfertigung. Der Operateur habe gesagt, er habe noch nie so dicke Sehnen so tief in den Knochen eingeschliffen gesehen. Der Kläger ist der Auffassung, seine Muskeln und Sehnen hätten sich selbst geschützt, indem sie dicker und stärker geworden seien. Er legt den Entlassungsbericht des O vom 01. August 2000 sowie den OP-Bericht vom 28. Juli 2000 vor.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 27. November 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 04. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2004 aufzuheben und das Vorliegen einer BK Nr. 2101 der Anlage zur BKV festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Berufung für unbegründet.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 04. Oktober 2010 sind die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung des Senats durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG angehört worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Die Berufung ist darüber hinaus aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der Gesundheitsstörungen im Bereich seiner rechten Schulter als BK 2101, da eine BK 2101 bei ihm nicht vorliegt.
Als Versicherungsfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung gilt nach § 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen.
Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Urteile vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R – in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a. a. O.).
Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten BKen gehören nach Nr. 2101 Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Von diesen Voraussetzungen ausgehend ist nach dem Gesamtergebnis der arbeitstechnischen und medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht nachgewiesen, dass die BK 2101 beim Kläger vorliegt. Nach dem Merkblatt zur BK 43 der Anlage 1 zur 7. BKVO (Bekanntmachung des BMA vom 18. Februar 1963, BArbBl. Fachteil Arbeitsschutz 1963, 24 f.; geändert durch Bekanntmachung des BMAS vom 01. Dezember 2007, GMBl 2008 S.2; abgedruckt bei Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur BKV, Stand November 2008, M 2101 S. 1 f.), kann die Erkrankung durch einseitige langdauernde mechanische Beanspruchung und ungewohnte Arbeiten aller Art bei fehlender oder gestörter Anpassung entstehen. Krankheitsbilder sind nach Abschnitt II des Merkblattes (a. a. O.) die Paratenonitis (Tendovaginitis crepitans), Periostosen an Sehnenansätzen (Epicondylitis und Styloiditis) sowie in seltenen Fällen die Tendovaginitis stenosans. Nicht unter die BK fallen die Folgezustände degenerativer oder anderer Veränderungen an den Gelenken, insbesondere der Halswirbelsäule.
Als für die Verursachung ursächlich anzusehende berufliche Einwirkungen kommen einseitige, langandauernde mechanische Beanspruchungen wie
1. kurzzyklische, repetitive feinmotorische Handtätigkeiten mit hoher Bewegungsfrequenz (mindestens 10.000 Bewegungsabläufe pro Stunde = 3 pro Sekunde), bei denen im Handbereich dieselben Muskeln und Sehnen unter gleichartiger Belastung betätigt werden. Gemeint sind dabei Wiederholungen immer der gleichen Bewegungsabläufe mit stets einförmiger Belastung der entsprechenden Muskel- und Sehnengruppen, überwiegend der Streckseite (Beispiele: Maschinenschreiben, Klavierspielen);
2. hochfrequente, gleichförmige, feinmotorische Tätigkeiten, bei unphysiologischer, achsenungünstiger Auslenkung im Handgelenk (Beispiele: Stricken, Handnähen, Stopfen; Verwendung von PC-Tastatur und Maus als Eingabegerät des PC, wenn die Fingersehnen durch einen ungünstigen Winkel der Hand zum Unterarm umgelenkt werden);
3. Überbeanspruchung durch ungewohnte Arbeiten aller Art bei fehlender oder gestörter Anpassung bzw. bei repetitiver Arbeitsverrichtung mit statischen und dynamischen Anteilen, bei denen eine einseitige von der Ruhestellung stark abweichende Haltung der Gliedmaßen erforderlich ist mit hoher Auslenkung des Handgelenks bei gleichzeitig hoher Kraftanwendung (Beispiele: Drehen, Montieren und Bügeln);
4. forcierte Dorsalextensionen der Hand (Beispiele: Rückhandschlag beim Tennis, Hämmern);
5. monoton wiederholte oder plötzlich einsetzende Aus- und Einwärtsdrehungen der Hand und des Vorderarms (Beispiel: Betätigen eines Schraubendrehers)
in Betracht.
Nach herrschender Meinung ist eine arbeitstägliche Dauer dieser Einwirkung von mindestens drei Stunden bei einer Gesamtbelastungszeit von in der Regel fünf Jahren erforderlich (Mehrtens/Brandenburg, a. a. O. Anm. 4.3; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Anm. 20.1 S. 1165). Diese entzündlichen Veränderungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze treten relativ kurzfristig - innerhalb des ersten halben Jahres - nach nicht gewohnter einseitiger Belastung bei entweder fehlender Anpassung oder aber aufgrund körperlicher Gegebenheiten auf. Die akute entzündliche Reaktion kann in ein chronisches Stadium übergehen oder bei entsprechender Belastung immer wieder aufflackern, weshalb ihr dann der Status einer BK zugeordnet wird (vgl. Mehrtens/Brandenburg, a. a. O. Anm. 4.4; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O. S 1165). Langjährige Schwerarbeit, auch „eintönige Fließarbeit“, kommen als arbeitstechnische Voraussetzung nicht in Betracht. Hier ist eine rasche Gewöhnung (Trainingseffekt) zu erwarten, die eine Störung des Anpassungsgleichgewichts verhindert (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O. S 1166; Mehrtens/Brandenburg, a. a. O. Anm. 4.1).
Es kann dahin stehen, ob hier die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung einer BK 2101 i. S. d. Vollbeweises vorliegen. Denn nach dem Akteninhalt und dem Vortrag des Klägers ist nicht erwiesen, dass er überhaupt an einer Erkrankung leidet, die der BK unterfällt. Bei den von der BK 2101 erfassten Erkrankungen handelt es sich um bakterienfreie Entzündungen der Sehnenoberflächen und der Sehnenscheiden bzw. dort, wo keine Sehnenscheiden vorliegen, um Entzündungen des die Sehnen umgebenden Gleitgewebes (vgl. Mehrtens/Brandenburg, a. a. O. Anm. 2 zu M 2101). Bei der Periarthritis humeroscapularis in ihren Formen Schultersteife (Frozen shoulder), Impingementsyndrom, Kalkschulter (Tendinosis calcarea) sind die anatomischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nicht gegeben, denn es handelt sich primär um eine Erkrankung der Sehnen und Muskeln, nicht aber um eine Schädigung des Gleitgewebes bzw. der Muskel- oder Sehnenansätze (vgl. Mehrtens/Brandenburg, a. a. O. Anm. 2.2.1 zu M 2101; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O. S 1167; Urteil des Bayerischen LSG vom 30. November 2005 – L 17 U 6/05 -; Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 19. Februar 2009 – L 31 U 492/08 -, jeweils zitiert nach Juris). Auch Sehnenrisse sind weder versicherungsrechtlich noch nach pathologisch-anatomischen Begriffen Erkrankungen der Sehnenscheiden, des Sehnengleitgewebes oder der Sehnen- und Muskelansätze. Denn die Risse der großen Sehnen treten entweder in Bereichen auf, in denen keine Sehnenscheiden vorhanden sind, oder aber das Gleitgewebe ist nicht erkrankt und kann somit auch nicht Ursache des Sehnenrisses sein (vgl. Mehrtens/Brandenburg, a. a. O. Anm. 2.2.3 zu M 2101; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O. S 1167).
Nach dem vorliegenden Entlassungsbericht des O vom 01. August 2000 traten bei dem Kläger circa im Jahr 1998 wiederkehrende belastungsabhängige Schulterbeschwerden auf. Als Diagnosen nennt der Bericht ein Impingement-Syndrom sowie eine Labrumranddegneration. Operativ erfolgten im Rahmen einer Arthroskopie am 28. Juli 2000 eine Bursektomie (Schleimbeutelentfernung) sowie eine Labrumglättung. Der OP-Bericht vom 28. Juli 2000 beschreibt keinen Schaden der Sehnen- oder Muskelansätze bzw. der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes im Schulterbereich. Selbst wenn eine Verdickung der Sehnen, wie sie der Kläger vorträgt, vorliegen würde, handelte es sich dabei jedoch nicht um eine entzündliche Erkrankung der Sehnen/Muskelansätze oder der Sehnenscheiden bzw. des Sehnengleitgewebes. Das Labrum (glenoidale) wiederum ist eine 3–4 mm breite, wulstige Umrahmung der Knorpelpfanne des Schulterblatts und damit weder Sehne noch Sehnen- oder Muskelansatz. Eine Labrumdegeneration zählt daher nicht zu den von der BK 2101 erfassten Krankheitsbildern.
Darüber hinaus ist hier – eine Erkrankung i. S. d. BK 2101 unterstellt - ein zeitnahes Auftreten von Beschwerden im Bereich der rechten Schulter, die als Ausprägung einer Erkrankung i. S. d. BK 2101 gesehen werden könnten, nach Aufnahme der als belastend geltend gemachten Tätigkeit im Oktober 1984 nicht nachgewiesen. Beschwerden sind erst 1998 (so der Entlassungsbericht des O) oder 1999 (hier findet sich eine erste Arbeitsunfähigkeit im Vorerkrankungsverzeichnis der BKK VBU) aufgetreten, d. h. 14 bis 15 Jahre nach Aufnahme der als belastend geltend gemachten Tätigkeit in der Bildröhrenproduktion und damit weit nach der von der Literatur genannten Zeitspanne eines halben Jahres.
Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.