Gericht | VG Frankfurt (Oder) 5. Kammer | Entscheidungsdatum | 26.09.2013 | |
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Aktenzeichen | VG 5 K 705/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Verfahrenskosten.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die gegen sie gerichtete Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Klägerin wendet sich gegen eine Anordnung des Landrates des Landkreises Oder-Spree, mit der ihr untersagt wurde, Gast- bzw. Besuchshunde auf ihrem Grundstück aufzunehmen.
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Wohngrundstücks in xxx, Straße der xxx, belegen im Landkreis Oder-Spree. Auf dem Grundstück der Klägerin werden seit Jahren ständig Hunde gehalten, die wohl seit 2004 Anlass zu Beschwerden der Nachbarn gaben. Die Nachbarschaft beschwerte sich unter anderem über das Bellen der Tiere zur Tages- und Nachtzeit sowohl an Werk- wie auch an Feiertagen, wobei neben der Lautstärke vor allem Stetigkeit und dauerndes Hundegebell als unzumutbar bezeichnet wurden.
Hierauf untersagte die Beklagte der Klägerin mit Anordnung vom 2. November 2005 aus immissionsschutzrechtlichen Gründen die Haltung von mehr als 2 Hunden auf dem Grundstück Straße der xxx. Der Antrag der Klägerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 15. November 2005 gegen die für sofort vollziehbar erklärte Anordnung der Beklagten wiederherzustellen bzw. anzuordnen, blieb erfolglos (Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder), Beschluss vom 30. Dezember 2005, Az.: 7 L 444/05). Auf dem Grundstück der Klägerin befanden sich zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich 16 Hunde, wovon der Klägerin lediglich 3 Hunde gehört haben sollen. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2006 wies der Landrat des Landkreises Oder-Spree den Widerspruch vom 15. November 2005 gegen die Ordnungsverfügung vom 2. November 2005 zurück. Die Ordnungsverfügung wurde in der Fassung des Widerspruchsbescheides bestandskräftig.
Bereits mit Verfügung vom 16. Januar 2006 setzte die Beklagte das in der Anordnung zur Untersagung der Hundehaltung vom 2. November 2005 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 3000 € fest und drohte der Klägerin ein erneutes Zwangsgeld in Höhe von 4500 € an, wenn sie der oben genannten Anordnung nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung nachweislich nachkomme. Diese Verfügung wurde bestandskräftig (Widerspruchsbescheid des Landrates des Landkreises Oder-Spree vom 28. Februar 2006).
In der Folgezeit bemühte sich die Klägerin, den Bestand an den von ihr gehaltenen Hunden durch Abgabe an Privatpersonen bzw. Tierheime zu reduzieren. Unter dem 14. März 2006 versicherte die Klägerin eidesstattlich, dass sie die Anordnung vom 2. November 2005 erfüllt habe und sich auf ihrem Grundstück nur noch die Hunde mit den Namen Arthur und Nero befinden würden. Zugleich erklärte sie, dass sie die Hunde ihrer Tochter oder andere Hunde nicht mehr aufnehmen werde. Unter dem 4. April 2006 teilte die Beklagte dem Ordnungsamt des Landkreises Oder-Spree mit, dass nach Androhung der Ersatzvornahme die Anordnung am letzten Tag der Frist erfüllt worden sei. Eine Vorortbegehung am 2. Mai 2007 ergab zufolge eines Schriftsatzes der Beklagten an den damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin hingegen, dass sich zwischenzeitlich wieder mehr als 2 Hunde auf dem Grundstück aufhielten und erneut Beschwerden zu Lärmbelästigungen durch diese Hunde vorlagen.
Am 19. März 2009 führte die Beklagte auf dem Grundstück der Klägerin „aufgrund massiver Beschwerden über Lärmbelästigung durch Hundegebell“ eine Vorortbegehung durch, wobei auf dem Hof 3 frei laufende Hunde und 2 Hunde in einem Zwinger festgestellt wurden. Nach weiteren Vorortbegehungen am 18. Juni 2009 und 19. August 2009 untersagte die Beklagte der Tochter der Klägerin, Frau xxx F. mit Verfügung vom 7. September 2009 die Haltung jeglicher Hunde auf Dauer auf dem Grundstück der Klägerin. Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) entsprach mit Beschluss vom 15. Dezember 2009 (Az. 1 L 308/09) dem Antrag der Frau xxx F., die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 8. Oktober 2009 wiederherzustellen, da diese nicht die richtige Adressatin für die Ordnungsverfügung sei; sie sei zu Unrecht von der Beklagten in Anspruch genommen worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2010 gab der Landrat des Landkreises Oder-Spree dem Widerspruch der Frau xxx F. gegen die Untersagung der Hundehaltung statt.
Nach Anhörung der Klägerin erließ die Beklagte unter dem 12. April 2010 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung eine Verfügung, mit der der Klägerin unter Androhung eines Zwangsgeldes die Haltung jeglicher Hunde auf Dauer auf ihrem Grundstück untersagt wurde (Nr. 1). Des Weiteren sollten alle auf diesem Grundstück befindlichen Hunde nachweislich bis zum 30. April 2010 an einen Dritten abgegeben werden (Nr. 2). Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Klägerin dürfe aufgrund der Anordnung vom 2. November 2005 aus Lärmschutzgründen auf ihrem Grundstück lediglich 2 Hunde halten. Es lägen vermehrt Informationen von Anwohnern vor, wonach im Haus regelmäßig Hunde gehalten würden, die jeweils in Gruppen auf den Hof gelassen würden. Außerdem seien im August und September 2009 Bellprotokolle geführt worden, aus denen sich ergebe, dass nicht nur die unmittelbare Nachbarschaft von der Lärmbelästigung beeinträchtigt werde. Es sei ein Verstoß gegen die Anordnung vom 2. November 2005 festzustellen; daher werde der Klägerin die Haltung von Hunden jeglicher Art auf Dauer auf dem Grundstück Straße der Freundschaft 8 untersagt. In die Entscheidung seien der Ablauf des bisherigen Verfahrens, die regelmäßigen Beschwerden von Anwohnern und die Erwiderungen der Klägerin einbezogen worden. Entscheidend sei, dass sich seit Oktober 2008 die Beschwerden und Hinweise mehren würden, dass durch das Halten von mehreren Hunden im Wohnhaus eine erhebliche Lärmbelästigung zu verzeichnen sei.
Die Klägerin erhob hiergegen am 30. April 2010 Widerspruch; am 3. Mai 2010 suchte sie um vorläufigen Rechtsschutz nach.
Sie hielt die angegriffene Verfügung für offenkundig rechtswidrig. Diese sei insbesondere unverhältnismäßig, da willkürlich, selbst wenn eine immissionsschutzrechtliche Pflichtverletzung vorliegen würde, da der Beklagten einfachere und angemessenere Mittel zur Beseitigung der von ihr behaupteten Störung der öffentlichen Sicherheit zur Verfügung gestanden hätten. Ordnungsrechtliche Maßnahmen, die zu einer Lärmminimierung führen könnten, ohne zugleich die Hundehaltung zu verbieten, seien von der Beklagten noch nicht einmal erwogen worden. Mithin sei auch die Verpflichtung der Klägerin, die Hunde an einen Dritten abzugeben, unverhältnismäßig. Die Klägerin halte auf ihrem Grundstück lediglich 2 Hunde; soweit sich auf dem Grundstück der Klägerin weitere Hunde aufhalten würden, handele es sich im Wesentlichen um die (beiden) Hunde der Tochter der Klägerin, die sie lediglich vorübergehend besuchsweise auf das Grundstück der Klägerin mitbringe. Die Hunde der Klägerin würden im Übrigen als sehr wesensfest und ruhig gelten; eine mehr als nur geringfügige Belästigung durch die Hunde der Klägerin habe die Beklagte weder festgestellt noch dokumentiert. Eigene örtliche Feststellungen zu angeblichen Lärmbelästigungen würden nicht existieren.
Mit Beschluss vom 16. November 2010 (VG 5 L 130/10) lehnte die erkennende Kammer den vorläufigen Rechtsschutzantrag ab. Auf die hiergegen von der Klägerin erhobene Beschwerde vom 02. Dezember 2010 änderte das OVG Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 02. März 2011 – OVG 11 S 75.10 die o. g. Entscheidung der Kammer teilweise ab. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Klägerin/Antragstellerin sowie einer ggf. nachfolgenden Anfechtungsklage gegen Ziffer 1 des Bescheides der Beklagten vom 12. April 2010 wurde wiederhergestellt. Im Wesentlichen führte der Senat aus, die die Nachbarn beeinträchtigenden erheblichen Lärmbelästigungen würden nicht von den beiden in einem besonderen, auf dem Grundstück vorhandenen Zwinger gehaltenen Hunden der Klägerin, sondern ganz wesentlich von weiteren, insbesondere im Haus befindlichen Hunden ausgehen. Eine Untersagung der Haltung auch der zwei zunächst zugelassenen und erklärtermaßen für die beanstandeten Lärmbelastungen nicht bzw. jedenfalls nicht maßgeblich verantwortlichen Hunde zur Herstellung rechtmäßiger Zustände sei daher ersichtlich nicht erforderlich und damit rechtswidrig. Zur Lärmbelästigung im Übrigen durch auf dem Grundstück der Klägerin sich aufhaltende Hunde führte der Senat wörtlich aus:
„Allerdings sprechen die zahlreichen in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Beschwerden verschiedener Nachbarn über langandauerndes, auch nächtliches Hundegebell vom Grundstück und aus dem Haus der Antragstellerin auch nach Auffassung des Senats dafür, dass von auf diesem Grundstück befindlichen Hunden tatsächlich gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 LImSchG mehr als nur geringfügige Lärmimmissionen ausgehen. Die dagegen mit der Beschwerde geltend gemachten Einwände vermögen den sich aus den Verwaltungsvorgängen ergebenden Befund nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Da dieser Lärm aber nicht von den beiden zulässigerweise im Zwinger gehaltenen Hunden, sondern von weiteren sich - mehr oder weniger lange, ggf. auch nur „besuchsweise“ - auf dem Grundstück und im Haus aufhaltenden Tieren ausgeht, wird der Antragsgegner zu prüfen haben, ob er den gebotenen Schutz der Nachbarn allein durch eine (erneute) Vollstreckung der bestandskräftig gewordenen und als Dauerverwaltungsakt nach wie vor beachtlichen und vollstreckbaren Anordnung vom 2. November 2005 gewährleisten kann oder ob es insoweit weiterer, nach genauerer Analyse der beanstandeten Lärmbelastungen und der sich daraus ergebenden Erfordernisse zu bestimmender Anordnungen bedarf. Im konkreten Fall könnten insoweit insbesondere ein Verbot des Aufenthalts von Hunden im Haus während der Ruhe- und/oder Nachtzeiten, eine Beschränkung der Zeiten freien Auslaufs von Hunden auf dem Grundstück auf die Tageszeit außerhalb der Ruhezeiten sowie ggf. auch eine (tageszeitlich begrenzte oder erforderlichenfalls auch vollständige) Untersagung des Aufenthalts von „Besuchshunden“ auf dem Grundstück in Betracht kommen.“
Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juni 2011 verfügte der Landrat des Landkreises Oder-Spree als allgemeine untere Landesbehörde, dass die Klägerin die in ihrem Eigentum stehenden beiden Hunde auf ihrem Grundstück weiter halten dürfe. Im Übrigen wies die allgemeine untere Landesbehörde den Widerspruch zurück und untersagte der Klägerin weiterhin, Gast- bzw. Besuchshunde auf ihrem Grundstück aufzunehmen (Nr. 3). Außerdem sollte die Klägerin von den Kosten des Verfahrens 4/5 tragen (Nr. 4); für die Entscheidung über den Widerspruch setzte der Landrat des Landkreises Oder-Spree eine Gebühr in Höhe von 100 € fest (Nr. 6).
Zur Begründung hieß es im Wesentlichen, neu eingereichte Bellprotokolle von mehreren Anwohnern, mit Aufzeichnungen vom 23. März 2011 bis zum 20. April 2011 und Bellprotokolle vom 22. April 2011 bis zum 25. April 2011 (Osterwochenende) würden bestätigen, dass vom klägerischen Grundstück jeden Tag eine Belästigung durch Hundegebell ausgehe. Die Lärmbelästigungen, die in der Nachtzeit stattfinden würden, seien hier noch höher zu bewerten, weil aus der allgemeinen Lebenserfahrung heraus bekannt sei, dass die gesundheitlichen Folgen einer gestörten Nachtruhe erheblich sein könnten. Die einzelnen Bellprotokolle würden eine durchschnittliche tägliche Lärmbelästigung in der Zeit von ca. 11:00 Uhr bis 13:00 Uhr und von ca. 18:00 Uhr bis ca. 23:00 Uhr aufweisen. Auch wenn dabei nicht nachgewiesen werde, dass jeder auf dem Hof befindliche Hund ununterbrochen belle, sei dies ein Beleg dafür, dass diese Hunde durch ihr Bellen einen erheblichen Lärm erzeugen würden. Es seien bis zu 10 Hunde festgestellt worden. Im Hinblick auf die durch Hundegebell erreichten Spitzenwerte von 80-90 dB sei davon auszugehen, dass das ständige nächtliche Hundegebell von bis zu 10 Hunden schon eine mehr als geringfügige Lärmbelästigung darstelle. Zwar könne die alleinige Haltung der beiden Hunde der Klägerin auf ihrem Grundstück als ortsüblich angesehen werden. Der hierdurch entstehende Lärm sei zumutbar. Es sei zu vermuten, dass die Lärmbelästigung vorrangig von Gast - bzw. Besuchshunden, die sich wohl mehr oder minder dauerhaft auf ihrem Grundstück aufhalten würden, ausgehe. Bei der insoweit ergangenen Anordnung Nr. 3 handle es sich um eine Verböserung im Widerspruchsverfahren.
Die Klägerin hat am 6. Juli 2011 per Telefax Klage erhoben und diese ausdrücklich gegen den Bürgermeister der Gemeinde xxx gerichtet. Der per Telefax eingereichten Klageschrift fehlen die Seiten 3-7, d. h. auch die Seite mit der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten der Klägerin.
Auf gerichtlichen Hinweis vom 4. August 2011, wonach die Klägerin ihre Klage nicht fristgerecht erhoben haben dürfte, beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 22. August 2011 am 24. August 2011 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO. Zur Begründung machte er geltend, der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei begründet, denn die Klägerin habe unverschuldet die Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheides nicht eingehalten. Er, der Prozessbevollmächtigte, habe die Klage am 6. Juli 2011 nach ihrer Ausfertigung auf inhaltliche Richtigkeit, das Vorliegen von Schreibfehlern sowie auf die Vollständigkeit der Klageschrift nebst dazu gehörenden Anlagen geprüft und sodann die Klage einschließlich der beglaubigten Abschrift unterzeichnet. Die vollständig ausgefertigte und unterzeichnete Klageschrift habe er an die Mitarbeiterin des Sekretariats der hiesigen Kanzlei mit der Anweisung übergeben, die Klageschrift zum Zwecke der Fristwahrung vorab an das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) per Telefax zu übersenden. Diese Mitarbeiterin sei mittels Arbeitgeberanweisung wiederkehrend verpflichtet worden, nach Übermittlung von Schriftsätzen per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu prüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt sei. Diese Dienstanweisung erstrecke sich auch auf die Verpflichtung, dass die einzuhaltende Frist erst nach Kontrolle der vollständigen Übermittlung des Schriftstücks anhand des Sendeprotokolls gestrichen werden dürfe. Nach alledem seien die Prozessbevollmächtigten der Klägerin ihrer Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nachgekommen, indem sie vor der Versendung der Klageschrift diese auf Vollständigkeit geprüft und die Klage erst dann unterzeichnet hätten und ihre Mitarbeiterin angewiesen worden sei, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu prüfen, ob die Übermittlung vollständig an den richtigen Empfänger erfolgt sei.
Zur Glaubhaftmachung legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin eidesstattliche Versicherungen der Mitarbeiterin im Sekretariat, des Rechtsanwalts xxx und des Rechtsanwalts xxx sowie ein Belehrungsprotokoll vom 8. Juni 2011 vor.
In der Sache bezieht sich die Klägerin auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren sowie in den Eilverfahren vor den Verwaltungsgerichten. Ihrer Ansicht nach sei die Klage begründet. Die Beklagte stützte sich ungeprüft auf die Angaben der Anzeigeerstatter, um der Behauptung, vom Grundstück der Klägerin würden unzumutbare Lärmbelästigungen durch Hundegebell usw. ausgehen, Substanz zu verleihen. Die vorgelegten Bellprotokolle von Nachbarn müssten einer hinreichend kritischen Prüfung unterzogen werden. Hinzu komme, dass die Beklagte bisher keine eigenen Feststellungen hinsichtlich der angezeigten Lärmbeeinträchtigungen getroffen habe. Die Beklagte beschränke sich weiterhin auf die ungeprüften Angaben der Anzeigeerstatter, um die gegen die Klägerin gerichtete Ordnungsverfügung zu rechtfertigen.
Die Klägerin beantragt wörtlich,
1. den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde xxx vom 12. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landrates des Landkreises Oder-Spree vom 1. Juni 2011 hinsichtlich der Punkte 3, 4 und 6 aufzuheben,
2. der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klage für verfristet. Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand sei nicht zu gewähren. Insbesondere könne sich die Klägerin bezüglich der fehlenden Einhaltung der Klagefrist nicht auf ein fehlendes Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten und der dortigen Rechtsanwaltsfachangestellten berufen. Zu den einzuhaltenden Sorgfaltspflichten gehöre hier, bei Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes mittels Telefax, durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass eine Überprüfung erfolge, ob der Antragsschriftsatz mit den erforderlichen Anlagen auch wirklich vollständig übermittelt worden sei. Die konkrete Übermittlung sei anhand des ausgedruckten Sendeprotokolls zu überprüfen, was einschließe, ob alle Seiten des Originalschriftsatzes neben den erforderlichen Anlagen übermittelt worden seien. Dass eine solche Kontrolle vorgenommen worden sei, werde nicht vorgetragen. Im Übrigen unterliege die Klage in der Sache der Abweisung. Von dem Grundstück der Klägerin würden Belästigungen durch zahlreiche Hunde ausgehen, was durch die dokumentierten Nachbarbeschwerden belegt werde. Viele Anwohner würden sich durch die regelmäßigen Lärmbelästigungen gestört fühlen. Gerade in den Nacht- und Abendstunden sei eine erhebliche Lärmbelästigung zu verzeichnen. Zum Nachweis dieser Lärmbelästigung lägen aussagekräftige Bellprotokolle vor, die über einen längeren Zeitraum geführt worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, den Vortrag der Beteiligten sowie den vom Antragsgegner eingereichten Verwaltungsvorgang (2 Ordner) verwiesen.
A.
Die Kammer konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO.
B.
Die Klage ist zulässig. Der Klägerin ist die begehrte Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist zu gewähren, § 60 Abs. 1 VwGO, da sie ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten.
1.
Auszugehen ist hierbei von dem unstreitigen Umstand, dass die am letzten Tage der Klagefrist beim Verwaltungsgericht eingegangene, durch Telefax übermittelte Klageschrift der Klägerin unvollständig war, insbesondere keine Unterschrift des Klägerbevollmächtigten enthielt. Während die vollständige – am Folgetag auf dem Postwege eingegangene - Klageschrift nebst Anlagen 83 Seiten umfasste, wurden per Telefax nur 76 Seiten übermittelt; die die Unterschrift enthaltende Seite 7 der Klageschrift ist dabei (auch) nicht übermittelt worden. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat eidesstattlich versichert, dass er vor Versendung der Klageschrift diese auf Vollständigkeit geprüft und die Klage erst dann unterzeichnet habe, seine Mitarbeiterin zudem angewiesen worden sei, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu prüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt sei. Schließlich legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ein auf den 08. Juni 2011 datiertes Belehrungsprotokoll vor, wonach die für den Prozessbevollmächtigten der Klägerin tätige Rechtsanwaltsfachgehilfin
„erneut darauf hingewiesen worden (ist) bei der Absendung von Schrift-sätzen, Anträgen, Klagen, etc. auf die Vollständigkeit derselben vor Einlegung in das Faxgerät zu achten und nach erfolgtem Sendevorgang mit dem Sendeprotokoll zu vergleichen, ob eine vollständige Übermittlung stattgefunden hat. Ist dies nicht der Fall, ist der Sendevorgang zu wiederholen“.
2.
Vor diesem Hintergrund trifft es zwar zu, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein Rechtsanwalt seine Verpflichtung, für eine genaue Ausgangskontrolle zu sorgen, bei Einsatz eines Telefaxgerätes nur dann erfüllt, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteilt, sich bei der Übermittlung eines Schriftsatzes einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu überprüfen und die Notfrist erst nach der Kontrolle des Sendeberichtes zu löschen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juni 1998 - XII ZB 47/98 - BGHR ZPO § 233 Telefax 1 m. w. N.). Hat ein Rechtsanwalt dieser Verpflichtung genügt, wovon im Streitfall zur Überzeugung der Kammer auszugehen ist, so darf er sich bei Angestellten, die sich über längere Zeit hinweg als zuverlässig erwiesen haben, darauf verlassen, dass seine allgemein erteilten Anweisungen im Einzelfall befolgt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 1. April 1993 - III ZB 33/92 - BGHR ZPO § 233 Büropersonal 6 S. 2); anderes gilt dann, wenn er die Absendung Hilfskräften überlässt, die, ohne über eine einschlägige Vorbildung zu verfügen, erst seit kurzem eingearbeitet und mit der Erledigung von Fristsachen befasst sind (a.a.O.). Nach dem Klägervorbringen handelt es sich bei der Rechtsanwaltsgehilfin des Prozessbevollmächtigten der Klägerin um eine geschulte und zuverlässige Bürokraft: Mit der vorliegenden Fristversäumnis sei erstmalig eine Klagefrist in der hiesigen Kanzlei versäumt worden. Die Kammer hat keine greifbaren Anhaltspunkte für die Annahme, dass diese Angaben unzutreffend sein könnten. Mithin ist zugunsten der Klägerin sowie ihres Bevollmächtigten davon auszugehen, dass ein Anwaltsverschulden nicht vorliegt, sondern allenfalls eine Nachlässigkeit und damit ein Verschulden der Rechtsanwaltsgehilfin, welches indessen der Klägerin nicht zuzurechnen wäre.
3.
Anzumerken ist, dass eine vom Klägerbevollmächtigten einzuhaltende Überwachungspflicht nach der hierzu entwickelten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht im Zusammenhang mit der Absendung von Telefax-Sendungen ergangen ist, sondern Fälle einer F r i s t b e r e c h nu n g betraf (vgl. Urteil vom 28. April 1967 - BVerwG IV C 100.66 - BVerwGE 27, 36; Beschluss vom 26. Juni 1986 - BVerwG 3 C 47.84 - NJW 1987, 458; Beschluss vom 14. Februar 1992 - BVerwG 8 B 121.91 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 176; vgl. ferner Beschluss vom 12. September 1997 - BVerwG 3 B 140.97 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 215). Während Fristenberechnungen und Fristenkontrollen teils schwierige und mit erhöhten Überwachungspflichten des Rechtsanwalts verbundene Tätigkeiten sind, handelt es sich bei dem Absenden eines Telefax um eine "einfache technische Verrichtung", welche ein Prozessbevollmächtigter nicht selbst ausführen muss, bei der er sich vielmehr damit begnügen darf, ausreichende organisatorische Vorkehrungen für eine ordnungsgemäße Absendung von Telefaxsendungen zu treffen und das jeweilige Absenden einer hinreichend geschulten und ansonsten zuverlässigen Mitarbeiterin zu übertragen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 1993 - VII ZB 22/93 - BGHR ZPO § 233 Büropersonal 7). Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ist - wie dargelegt - im Streitverfahren mangels gegenteiliger Feststellungen auszugehen (genauso in einer vergleichbaren Fallkonstellation BVerwG, Beschluss vom 04. August 2000 – 3 B 75/00 –, juris, BVerwG, Beschluss vom 28. April 2008 – 4 B 48/07 –, juris).
C.
Die Klage erweist sich indes als unbegründet. Denn die zulässige Klage ist nicht gegen den richtigen Beklagten gerichtet. Nach § 79 Abs. 2 Satz 1 und 3 i. V. m. § 78 Abs. 2 VwGO und § 8 Abs. 2 des Brandenburgischen Verwaltungsgerichtsgesetzes ist allein der Landrat des Landkreises Oder-Spree passiv legitimiert, weil die Klägerin ihre (Teil-)anfechtungsklage nach dem Inhalt ihres Klageantrags bereits mit Klageerhebung ausdrücklich und von vornherein auf den verbösernden Teil des Widerspruchsbescheides vom 01. Juni 2011 - also Nr. 3 und die damit im Zusammenhang stehenden Kostenregelungen in Nr. 4 und 6 - beschränkt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 1986 – 7 C 51/84 –, juris; auch Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage, § 78 Rn. 13).
1.
Vorliegend ist die erhobene Klage fehlgerichtet in dem Sinne, dass sie eindeutig einen Beklagten bezeichnet, der zur Prozessführung nicht befugt ist, da er die allein angegriffene Untersagungsverfügung gemäß Nr. 3 des o. g. Widerspruchsbescheides nicht erlassen hat, und auch sonst dem Klagevorbringen nicht entnommen werden kann, dass sich die Klage in Wahrheit gegen den Landrat des Landkreises Oder-Spree als richtigen Beklagten richten soll (zu diesem Erfordernis Meissner in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 78 Rdnr. 59).
2.
Soweit nach den von der VwGO vorgesehenen Möglichkeiten eine Klageänderung nach § 91 VwGO in Betracht kommt, hält die Kammer hier eine subjektive Klageänderung allerdings nicht für sachdienlich. Ein Hinwirken auf den gewillkürten Parteiwechsel würde „ins Leere“ gehen, da die Klage ansonsten aus anderen Gründen als unzulässig abgewiesen werden müsste. Es spricht vieles dafür, dass die gegen die Bürgermeisterin der Gemeinde xxx erhobene Klage keinen Suspensiveffekt auslöst, solange sie gegen den falschen Beklagten (Bürgermeisterin der Gemeinde xxx) und nicht gegen den Landrat des Landkreises Oder-Spree als untere Landesbehörde gerichtet war, und deshalb den Eintritt der Bestandskraft der Nr. 3,4 und 6 des Widerspruchsbescheides vom 01. Juni 2011 nicht verhindern kann (vgl. Meissner a. a. O.). Voraussetzung für eine sachdienliche Klageänderung i. S. von § 91 VwGO ist nämlich, dass die geänderte Klage nicht verspätet erhoben wurde (VGH Baden-Württemberg, DÖV 1982, 750). Die ursprünglich erhobene Klage muss innerhalb der Klagefrist beim Verwaltungsgericht eingegangen sein, was hier nicht der Fall ist. Bei einem Parteiwechsel auf der Beklagtenseite kommt es dabei für die Einhaltung der Klagefrist gemäß § 74 VwGO auf den Zeitpunkt der Klageänderung an, nicht auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Klageerhebung(so Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. September 1981 – 17 A 1780/81 –, juris). Die Kammer schließt sich dieser Rechtsansicht an, zumal auch der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit durch Bestandskraft für ein Abstellen auf diesen Zeitpunkt spricht. Die Einhaltung der Klagefrist ist danach auch im Hinblick auf die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO nicht mehr möglich.
D.
Selbst wenn eine subjektive Klageänderung durch Beklagtenwechsel hier sachdienlich sein sollte, spricht alles für die Unbegründetheit der Klage gegen Nr. 3 des Widerspruchsbescheides vom 01. Juni 2011 und die in diesem Zusammenhang von der Widerspruchsbehörde erlassenen Nebenbestimmungen. Denn die darin enthaltene Untersagungsanordnung ist rechtmäßig ergangen und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1.
Rechtsgrundlage für die Untersagung der Aufnahme von „Gast- bzw. Besuchshunden“ auf dem Grundstück Straße der xxx in xxx ist § 15 Satz 1 des Landesimmissionsschutzgesetzes (LImSchG). Danach kann die zuständige Behörde im Einzelfall die Beseitigung von Zuständen anordnen, die unter anderem den Vorschriften des Landesimmissionsschutzgesetzes und damit insbesondere der Vorschrift des § 3 Abs. 2 Satz 1 LImSchG widersprechen. Dieser Vorschrift zufolge sind Tiere so zu halten, dass niemand durch die Immissionen, die durch sie hervorgerufen werden, mehr als nur geringfügig belästigt wird. Lautes Hundegebell ist eine (Geräusch-)Immission im Sinne diese Vorschrift, da es sich um „Lärm“ handelt und auf einen normal lärmempfindlichen Menschen belästigend wirkt. Belästigungen sind Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens, die noch keine Gesundheitsschäden bewirken. Lautes Hundegebell ist bereits aufgrund seiner Eigenart als ungleichmäßiges, lautes Geräusch dazu geeignet, das körperliche und seelische Wohlbefinden eines verständigen Durchschnittsmenschen zu beeinträchtigen. Belästigungen sind erheblich, also nicht mehr geringfügig, wenn sie das übliche und zumutbare Maß übersteigen; dies richtet sich nach Stärke, Häufigkeit und Dauer des Lärms sowie nach dem konkreten Zeitpunkt der Lärmimmission sowie deren Ortsüblichkeit. Nach der Rechtsprechung sowohl der Zivil- als auch der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der sich die Kammer anschließt, ist es bei Geräuschbelästigungen, die von einer Tierhaltung ausgehen, für die Annahme einer „erheblichen“ Belästigung nicht erforderlich, dass diese die Immissionsrichtwerte überschreiten, die für die Bestimmung der Erheblichkeit von Geräuscheinwirkungen durch Anlagen in Regelwerken wie z.B. der TA-Lärm festgelegt sind; dies gilt insbesondere bei Störungen der Nachtruhe (vgl. m. w. N. VG München, Urteil vom 06. Oktober 2009 – M 22 K 08.6241 – zitiert nach juris Rdnr. 21).
Dementsprechend kann die Haltung von Hunden auf einem Grundstück auf eine bestimmte Anzahl von Tieren beschränkt oder sogar gänzlich untersagt werden, wenn entgegen § 3 Abs. 2 Satz 1 LImSchG Immissionen, hier durch Hundegebell, hervorgerufen werden, die andere mehr als nur geringfügig belästigen. Mehr als nur eine geringfügige Belästigung stellt für Anwohner eines allgemeinen Wohngebietes das wiederholte Bellen einer Vielzahl von Hunden über einen nicht nur unerheblichen Zeitraum während eines Tages dar, wenn die Haltung von Hunden für das betreffende Gebiet nicht typisch ist. Denn die Lärmemissionen, die vom Gebell einer Vielzahl von Hunden ausgehen, übersteigen nach ihrer Intensität, Häufigkeit und Dauer das Gebell von einem bzw. zwei Hunden, weil Hunde Rudeltiere sind und es in der Regel nicht beim Gebell eines einzelnen Hundes bleibt, wenn nur ein einziges Tier zu bellen beginnt (VG Frankfurt (Oder) Beschluss vom 30. Dezember 2005 – 7 L 444/05, Seite 3 des Beschlussabdrucks).
2.
Häufiges übermäßig lautes und lang anhaltendes Hundegebell insbesondere zu üblichen Ruhezeiten, d. h. zur Mittags- oder Nachtzeit bzw. an Sonn- und Feiertagen, kann auch den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllen. Nach § 117 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten - OWiG handelt ordnungswidrig, wer ohne berechtigten Anlass oder in einem unzulässigen oder nach den Umständen vermeidbaren Ausmaß Lärm erregt, der geeignet ist, die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft erheblich zu belästigen oder die Gesundheit eines anderen zu schädigen.
3.
Allerdings gehört die Haltung von Hunden in einem üblichen Rahmen grundsätzlich zu einer wohngebietstypischen Freizeitnutzung; gelegentliches Hundegebell einzelner Hunde haben Anwohner hinzunehmen, soweit die Geringfügigkeitsschwelle nicht überschritten wird. Anders verhält es sich, wenn mehrere Hunde auf einem Wohngrundstück gehalten werden und diese regelmäßig z. B. zur Nachtzeit bellen, aber auch dann, wenn sich die Hundehaltung innerhalb einer wohngebietstypischen Freizeitnutzung hält, die von den Hunden bzw. dem Hund ausgehende Lärmbelästigung jedoch nicht mehr nur geringfügig belästigend wirkt. So verhält es sich hier in Bezug auf die streitgegenständlichen „Gast- bzw. Besuchshunde“. Nach der bestandskräftigen Anordnung der Beklagten vom 02. November 2005 wurde das Halten von mehr als zwei Hunden auf dem Grundstück der Klägerin untersagt. Am 19. März 2009 führte die Beklagte auf dem Grundstück der Klägerin „aufgrund massiver Beschwerden über Lärmbelästigung durch Hundegebell „eine Vorortbegehung durch, wobei auf dem Hof 3 frei laufende Hunde und 2 Hunde in einem Zwinger festgestellt wurden. Diesen Feststellungen der Beklagten ist die Klägerin nur insoweit entgegengetreten, als es sich bei den Hunden außerhalb des Zwingers um „Besuchshunde“ (der Tochter) gehandelt haben soll, die angeblich nicht ständig auf dem Grundstück der Klägerin gehalten werden. Die Ordnungsbehörde kann in einem solchen Fall nach Ermessen die Haltung einer solchen Anzahl von Hunden, die über eine wohngebietstypische Nutzung hinausgeht, unterbinden, wenn Anwohner durch das Gebell einer Vielzahl von Hunden nicht nur unerheblich gestört werden, aber auch den Aufenthalt von „Gast- oder Besuchshunden“ untersagen. Das Interesse des Hundehalters tritt gegenüber dem gesetzlich geschützten Bedürfnis der Anwohner auf Wohn- und Nachtruhe zurück. Dem trägt grundsätzlich bereits die o.g. bestandskräftige Anordnung vom 02. November 2005 Rechnung.
a.
Unstreitig hält die Klägerin auf ihrem Grundstück zwei Hunde. Es kann hier offen bleiben, ob bereits deren Gebell die Anwohner in der Nachbarschaft mehr als nur geringfügig belästigt. Denn es spricht alles dafür, dass sich darüber hinaus noch weitere Hunde auf dem Grundstück der Klägerin aufhalten; so wurden – augenscheinlich durch die Nachbarin Fr. xxx – (zu einem Zeitpunkt im Jahre 2010) 10 Hunde auf dem Grundstück der Klägerin festgestellt (Bl. 308 VV). Zudem sind vom Grundstück der Klägerin ausgehende Lärmbelästigungen durch Hundegebell ausgehend vom Jahr 2007 wie folgt aktenkundig:
Datum | Immissionsdauer | Geräuschart |
21./22.05.2007 | 21.30-0.30 | Intensives, lang anhaltendes Bellen |
23.05.2007 | Ab 22.30 | Wie zuvor |
09.06.2007 | Ab 23.00 | Wie zuvor |
10.06.2007 | Ab 22.45 | Wie zuvor |
07.05.2008 | Nachmittags | Starke Lärmbelästigung durch Hundegebell |
15. u. 16. 7. 2009 (Fr. xxx) | 22.00-3.00 | Starke Lärmbelästigung durch Hundegebell |
31.08.2009 (Fr. xxx) | Wie zuvor | |
21.08.2009-30.08.2009 | s. Bl. 263 VV (bis zu 6 Std.) | Bellprotokoll (Fr. xxx) |
21.09.2009-27.09. 2009 | s. Bl. 264 VV (bis zu 6 Std.) | Wie zuvor |
23.12.2009-18.01.2010 | s. Bl. 301 VV (bis zu >7 Std.) | Wie zuvor (Fr. xxx?) |
19.01.2010-08.02.2010 | s. Bl. 307 VV (bis zu >7 Std.) | Wie zuvor (Fr. xxx?) |
Aktenkundig sind außerdem weitere Beschwerden über Hundegebell („ohne Ende“) am 19. Februar 2011, einem Samstag, das auch am „späteren Abend“ von 19:00-22:00 Uhr zu hören war (Bl. 545 VV). Darüber hinaus bellten Hunde auf dem Grundstück der Klägerin am 20. /27. und 28. Februar 2011, u.a. an einem Sonntag von 18:30 bis 22:00 Uhr. Nach einem Schreiben der Frau M. xxx vom 28. Februar 2011 (Bl. 547 VV) habe sich „ an der Art und Weise der Lärmbelästigung nichts geändert“. An zwei Sonntagen im Jahr 2011 (20. Februar, 28. Februar) war demzufolge Hundegebell in der Zeit von 18:00-22:00 Uhr zu vernehmen. Hinzu kommen die Bellprotokolle über den Zeitraum vom 28. März bis 20. April 2011 (Bl 565-576 VV) sowie eidesstattliche Versicherungen der Eheleute xxx über „lautes Bellen und Winseln“ an Karfreitag, Samstag, Ostersonntag und Ostermontag (Bl. 577, 578 VV), das offensichtlich vom klägerischen Grundstück ausging. All dem ist im Ergebnis auch das OVG Berlin-Brandenburg in seiner bereits zitierten Entscheidung gefolgt, wenn es ausführt, die die Nachbarn beeinträchtigenden erheblichen Lärmbelästigungen würden ganz wesentlich von weiteren, insbesondere im Haus befindlichen Hunden ausgehen.
b.
Zusammengefasst spricht angesichts der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Nachbarbeschwerden und Feststellungen nicht nur von der Nachbarin Fr. xxx in der Straße der xxx, sondern weiterer Bewohner aus der nächsten Nachbarschaft alles dafür, dass die Feststellungen der Beklagten zu dem Hundegebell auf dem Grundstück der Klägerin für den Zeitraum ab 2007 bis 2011 (Erlass des Widerspruchsbescheides) zutreffend sind, wonach eine nicht näher zu quantifizierende Zahl von Hunden auf dem Grundstück der Klägerin häufig über mehrere Stunden täglich mit einer hohen Lärmintensität gebellt hat. Weiter ergibt sich aus den Aufzeichnungen, dass die Hunde auch nachts sowie sonntags immer wieder gebellt haben. Dabei kommt es nicht darauf an, welcher der auf dem Grundstück der Klägerin sich aufhaltenden Hunde wann im Einzelnen gebellt hat. Maßgebend ist, dass es sich jeweils um Gebell von auf dem Grundstück der Klägerin gehaltenen/besuchsweise dort aufgenommenen Hunden gehandelt hat. Sachlich begründete Zweifel an der Richtigkeit der von den Nachbarn gefertigten Aufzeichnungen sind nicht ersichtlich, auch wenn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hier eine von einem oder mehreren Nachbarn initiierte „Intrige“ vermutet. Die Häufigkeit und Dauer des von den Hunden auf dem Grundstück der Klägerin verursachten Gebells kann in einem (allgemeinen) Wohngebiet nicht als ortsüblich und zumutbar angesehen werden, zumal Störungen während der Nachtruhe und an Sonntagen besonders schwer wiegen (vgl. auch die Ausführungen OVG Lüneburg, Beschluss vom 05. Juli 2013 – 11 ME 148/13 –, juris Rdnr. 11).
c.
Auch das OVG Berlin-Brandenburg geht von einer mehr als nur geringfügigen Lärmbelästigung aus, wenn es in seinem Beschluss vom 02. März 2011 – OVG 11 S 75.10 ausführt:
„Allerdings sprechen die zahlreichen in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Beschwerden verschiedener Nachbarn über langandauerndes, auch nächtliches Hundegebell vom Grundstück und aus dem Haus der Antragstellerin auch nach Auffassung des Senats dafür, dass von auf diesem Grundstück befindlichen Hunden tatsächlich gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 LImSchG mehr als nur geringfügige Lärmimmissionen ausgehen.“
4.
Daneben ist auch der Tatbestand des § 117 Abs. 1 OWiG erfüllt. Auf das Fehlen von Dezibelangaben zur Intensität der Lärmbeeinträchtigungen kommt es - wie bereits oben ausgeführt - nicht an. Zwar ist den in Regelwerken wie der TA-Lärm enthaltenen Immissionsrichtwerten im Regelfall in Bezug auf die Erheblichkeit gesundheitsschädlicher Umwelteinwirkungen eine indizielle Bedeutung beizumessen. Der Tatbestand des o.g. § 117 Abs. 1 OWiG wird aber nicht nur dann verwirklicht, wenn der Lärm gesundheitsschädigend ist, sondern dafür reicht eine lärmbedingte erhebliche Belästigung aus. Die Erheblichkeit und Zumutbarkeit von Geräuschimmissionen unterhalb der Schwelle der Gesundheitsgefahr lässt sich nicht nach der Höhe eines messbaren Geräuschpegels bestimmen. Bei Lärm, der von einer Tierhaltung ausgeht, ist es für die Annahme einer erheblichen Belästigung daher nicht erforderlich, dass bestimmte Immissionsrichtwerte überschritten werden (OVG Lüneburg a.a.O. Rdnr. 12 unter Hinweis auf Bay. VGH, Urt. v. 1.12.1988 - 21 B 88.01683 -, juris, Rn. 24).
5.
Aufgrund der zahlreichen Nachbarbeschwerden und der durch Angabe von Uhrzeiten hinreichend substantiierten Aufzeichnungen ist es nach alledem im Ergebnis nicht zu beanstanden, wenn die Widerspruchsbehörde von einer über das übliche und zumutbare Maß hinausgehenden Beeinträchtigung der Nachbarschaft ausgegangen ist. Die Kammer bemerkt hierzu, dass zum Beweis der Lärmstörungen durch Hundegebell Aufzeichnungen des belästigten Nachbarn als Beweismittel ausreichend sind (genauso VG Stade, Urteil vom 03. August 1989 - 1 A 188/88 – zitiert nach juris). Im Hinblick auf die vorliegenden Aufzeichnungen geht die Kammer davon aus, dass die sich auf dem Grundstück der Klägerin aufhaltende Hunde täglich stundenlang bellen. Die Kammer brauchte hierzu keinen Augenschein von der Örtlichkeit einzunehmen. Sie konnte sich schon aufgrund der Vielzahl der wiederholten Nachbarbeschwerden, die durchgängig seit dem Jahre 2007 bis heute vorliegen, eine Überzeugung dazu bilden, ob das Bellen von Hunden auf dem Grundstück der Klägerin in einem allgemeinen Wohngebiet die Wohn- und Nachtruhe stört (zur gerichtlichen Sachaufklärungspflicht bei Hundegebell BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1991 – 7 B 165/91, NVwZ 1993, 268). Diese Belästigungen sind auch erheblich, also nicht mehr geringfügig, da sie das übliche und zumutbare Maß übersteigen; nach Stärke, Häufigkeit und Dauer des Lärms sowie nach den konkreten Zeitpunkten der Lärmimmissionen kann nicht mehr von einer Ortsüblichkeit ausgegangen werden. Die Erheblichkeit der Lärmstörung durch Hundegebell entfällt dabei nicht deshalb, weil sich im Wesentlichen und hauptsächlich besonders eine Nachbarfamilie bei der Behörde über die Lärmstörungen beklagt hat (vgl. VG Stade a.a.O.).
6.
Die von der Widerspruchsbehörde sinngemäß angestellten Ermessenserwägungen sind im Ergebnis nicht zu beanstanden. Ein Ermessensausfall liegt nicht vor. Die Widerspruchsbehörde hielt die Untersagungsverfügung bezgl. der Aufnahme von Gast – bzw. Besuchshunden im Zeitpunkt ihres Ergehens - auf diesen Zeitpunkt ist für die rechtliche Beurteilung der vorliegenden immissionsschutzrechtlichen Anordnung abzustellen – zu Recht für erforderlich, um weitere erhebliche Belästigungen durch Hundegebell zu unterbinden bzw. zu verhüten. Die Widerspruchsbehörde durfte im Hinblick auf die Gesamtumstände, wonach ständige Ermahnungen der örtlichen Ordnungsbehörde nichts fruchteten, zu Recht davon ausgehen, dass jedenfalls die dauerhafte Untersagung des Aufenthalts von Gast- und Besuchshunden auf dem klägerischen Grundstück hier erforderlich ist, um die vom Grundstück der Klägerin ausgehenden Lärmbelästigungen zu beenden. Da die Klägerin weiterhin ihre beiden Hunde halten darf – entsprechend Nr. 1 der bestandskräftigen Anordnung vom 02. November 2005 erscheint die Untersagung des Aufenthalts von „Besuchshunden“ auf dem Grundstück der Klägerin ohne weiteres auch als verhältnismäßig.
Erkennbar hat sich die Widerspruchsbehörde bei ihrer Entscheidung vom Ablauf des bisherigen Verfahrens, den regelmäßigen Beschwerden von Anwohnern und dem Verhalten der Klägerin leiten lassen. Soweit die Widerspruchsbehörde den öffentlichen Interessen an der Einhaltung der Wohn- und Nachtruhe gegenüber dem privaten Interesse der Klägerin an der Aufnahme von „Gast- bzw. Besuchshunden“ den Vorzug gegeben hat, ist dies nicht zu beanstanden.
Die Wohnruhe der Anwohner, welche durch das Gebell von einer unbestimmten Zahl von Hunden beeinträchtigt wird, erscheint hier zweifellos schützenswerter als das Interesse der Klägerin, „Besuchs- bzw. Gasthunde“ aufzunehmen, zumal die „Besuchshunde“ noch nicht einmal in ihrem Eigentum stehen und somit fremde Hunde sind. Die streitgegenständlichen Immissionen durch Hundegebell sind auch nicht die Folge eines behördlichen „Vollzugsdefizits“ sondern allein den aktuellen Versäumnissen der Klägerin (oder ihrer Tochter) anzulasten, die jedenfalls die Hunde, die nicht in ihrem Eigentum standen, entgegen ihrer gegebenen Zusage nicht von ihrem Wohngrundstück entfernt hat. Die Klägerin muss sich – allerdings auch mit Blick auf die von ihr selbst gehaltenen Hunde - fragen lassen, warum sie nicht von sich aus alle Vorkehrungen getroffen hat, um mehr als nur geringfügige Lärmbelästigungen durch Hundegebell – sei es durch eigene oder „Gast- bzw. Besuchshunde“ auszuschließen. Die Kammer hält insoweit an ihren Ausführungen im Beschluss vom 16. November 2010 – VG 5 L 130/10 fest.
E.
Rechtliche Bedenken gegen die Gebührenfestsetzung im Widerspruchsbescheid vom 01. Juni 2011, die ihre Rechtsgrundlage in §§ 18 Abs. 1 Satz 2 und 3 sowie § 17 Satz 1 des Gebührengesetzes für das Land Brandenburg hat, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
F.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung. Gründe, die Berufung zuzulassen (§§ 124 a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO), sind nicht ersichtlich.