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Trinkwasserversorgung; Versorgungseinstellung; Liefersperre; Zahlungsrückstände; artfremde Forderung; spartenfremde Forderung; Sperrandrohung; Verhältnismäßigkeit; Angebot; Wasser im Kanister abzuholen


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat Entscheidungsdatum 01.11.2011
Aktenzeichen OVG 9 S 40.11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 33 AVBWasserV, § 146 VwGO

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 19. Juli 2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsgegner.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 336 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde gegen eine einstweilige Anordnung, mit der das Verwaltungsgericht ihm aufgegeben hat, den Antragsteller einstweilen weiter leitungsgebunden mit Trinkwasser zu versorgen.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) gibt - im Ergebnis - keinen Anlass zu einer Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

1. Der Antragsgegner ist berechtigt, bei bestimmten Zuwiderhandlungen die Wasserversorgung fristlos einzustellen (§ 28 Abs. 1 der Trinkwassersatzung - TWS). Bei anderen Zuwiderhandlungen, insbesondere der Nichtzahlung einer fälligen Abgabeschuld, ist der Zweckverband berechtigt, die Versorgung zwei Wochen nach Androhung einzustellen (§ 28 Abs. 2 Satz 1 TWS). Dies gilt nicht, wenn der Anschlussberechtigte darlegt, dass die Folgen der Einstellung in keinem Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen und die hinreichende Aussicht besteht, dass der Anschlussberechtigte seinen Verpflichtungen nachkommt (§ 28 Abs. 2 Satz 2 TWS).

Das Verwaltungsgericht ist in dem angegriffen Beschluss davon ausgegangen, dass eine Versorgungseinstellung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 TWS nur als Reaktion darauf zulässig sei, dass die Begleichung der Kosten der entsprechenden Trinkwasserversorgung für die Zukunft nicht gesichert erscheine. Unzulässig sei eine Liefersperre dagegen dann, wenn sie als Zwangsmittel zur Durchsetzung rückständiger Forderungen aus der Vergangenheit bzw. artfremder zukünftiger Forderungen eingesetzt werde; in diesen Fällen verliere die Liefersperre ihre Zweckbestimmung als Zurückbehaltungsrecht.

Die Beschwerde hält dem entgegen, dass § 28 Abs. 2 TWS dem § 33 Abs. 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser - AVBWasserV - nachgebildet sei und in Übereinstimmung mit dieser eine Einstellung der Versorgung auch im Hinblick auf Zahlungsrückstände zulasse. Damit hat die Beschwerde die Tragfähigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung erschüttert, soweit das Verwaltungsgericht meint, Zahlungsrückstände seien überhaupt nicht geeignet, eine Versorgungseinstellung zu rechtfertigen. Rechtsvorschriften, die - wie hier die Trinkwassersatzung des Antragsgegners - das (Wasser-)Versorgungsverhältnis öffentlich-rechtlich regeln, sind nach § 35 Abs. 1 Halbsatz 1 AVBWasserV den Bestimmungen der AVBWasserV entsprechend zu gestalten; § 33 Abs. 2 AVBWasserV lässt indessen eine Einstellung der Versorgung in der Tat auch bei Bestehen von Zahlungsrückständen zu (vgl. Morell, AVBWasserV, Erläuterung zu § 33 Abs. 2 AVBWasserV, Buchstabe b.ba, S. 8).

2. Ungeachtet dessen ist die vorliegende Versorgungseinstellung derzeit nicht als rechtmäßig anzusehen. Denn dem Verwaltungsgericht ist andererseits darin beizupflichten, dass "artfremde" Forderungen eine Einstellung der Wasserversorgung nicht rechtfertigen können. Die Nichtzahlung bereits entstandener und fälliger Forderungen des Versorgers oder die drohende Nichtzahlung seiner zukünftiger Forderungen können eine Versorgungseinstellung nur rechtfertigen, wenn es um Forderungen gerade aus dem Wasserversorgungsverhältnis geht (vgl. auch dazu Morell, a. a. O., Erläuterung zu § 33 Abs. 2 AVBWasserV, Buchstabe b.ba und b.bb, S. 8). Dementsprechend darf die Versorgungseinstellung hier nicht - wie geschehen - auch darauf gestützt werden, dass der Antragsteller seinen finanziellen Verpflichtungen wegen der Abwasserentsorgung nicht nachgekommen ist oder nachkommen wird. Dies schlägt auf die Rechtmäßigkeit der Sperrandrohung des Antragsgegners vom 26. Mai 2011 und damit auf die Rechtmäßigkeit der Versorgungseinstellung selbst durch. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller vor einer rechtmäßigen Versorgungseinstellung mitzuteilen, dass jedenfalls die Zahlung - allein - der trinkwasserbezogenen Forderungen ausreicht, um die Versorgungseinstellung abzuwenden. Zuvor hat der Antragsgegner darüber zu entscheiden, ob die offenen trinkwasserbezogenen Forderungen überhaupt ausreichen, um eine Versorgungseinstellung als verhältnismäßig erscheinen zu lassen. Hierbei dürften die häuslichen Situation des Antragstellers und dessen teilweise erfolgte Zahlungen zu berücksichtigen sein. Ob die Verhältnismäßigkeit durch das Angebot an den Antragsteller herbeigeführt werden kann, sich gegen eine Gebühr von 2,60 Euro/m³ zuzüglich Mehrwertsteuer im Wasserwerk jeweils Trinkwasser in einen Kanister abfüllen zu lassen, und zwar nach telefonischer Rücksprache während der Dienstzeiten von 6.45 Uhr bis 15.30 Uhr, wird dabei gesondert unter dem Machbarkeitsblickwinkel zu untersuchen sein, wobei es ausgeschlossen sein dürfte, dass jemand seinen gesamten Wasserbedarf einschließlich des Brauchwasserbedarfs auf diese Weise decken kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).