Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 18.04.2011 | |
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Aktenzeichen | OVG 1 M 123.10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 25 Nr 2 PolAufgG BB, § 28 Abs 1 S 1 PolAufgG BB, § 94 StPO, § 111bff StPO, § 1006 Abs 1 S 1 BGB, § 21 Abs 1 S 1 GKG |
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. November 2010 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die Beschwerde des Klägers gegen die erstinstanzliche Versagung von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg.
1. Der Kläger wandte sich gegen eine Sicherstellungsverfügung des Beklagten. Im Zuge eines Strafverfahrens, das zu einer rechtskräftigen Verurteilung des Klägers wegen schweren Bandendiebstahls führte, wurde die Wohnung des Klägers durchsucht. Insgesamt 86 dort aufgefundene Gegenstände (Uhren, Schmuck) wurden nach § 25 Abs. 2 BbgPolG zum Schutz der unbekannten Eigentümer durch den hier streitgegenständlichen Bescheid vom 30. Januar 2009 sichergestellt. Nach erfolglos gebliebenem Widerspruch erhob der Kläger Klage und beantragte, unter Aufhebung der Sicherstellungsverfügung die noch beschlagnahmten Gegenstände an ihn herauszugeben; zugleich beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Nachdem alle Gegenstände, für die sich kein anderweitiger Eigentümer gemeldet hatte, an den Kläger und seine Ehefrau herausgegeben worden waren, erklärte der Kläger mit Schriftsatz vom 1. November 2010 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und bat zum wiederholten Male um Bescheidung des Prozesskostenhilfeantrags. Nachdem auch der Beklagte den Rechtsstreit für erledigt erklärt hatte, stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren mit Beschluss vom 25. November 2010 ein und legte dem Kläger die Kosten des Verfahrens auf, weil die angegriffene Sicherstellungsverfügung voraussichtlich rechtmäßig gewesen wäre. Mit weiterem Beschluss ebenfalls vom 25. November 2010 lehnte das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf seine Ausführungen im Einstellungsbeschluss die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
2. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Klage im Zeitpunkt der Bewilligungsreife keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten habe (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO), ist auch in Ansehung des Beschwerdevorbringens nicht zu beanstanden.
a) Die von der Beschwerde gegen die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts erhobenen Rügen greifen nicht durch. Ohne Erfolg bleibt der Einwand, eine Sicherstellung nach § 25 BbgPolG sei neben einer strafprozessualen Beschlagnahme im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht zulässig. Bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass ein Nebeneinander von polizeirechtlicher (präventiver) Sicherstellung auf der Grundlage von § 25 Nr. 2 BbgPolG und strafprozessualer Beschlagnahme zulässig ist. Beide Instrumente verfolgen unterschiedliche Zielrichtungen. Die strafprozessuale Beschlagnahme gewährleistet die ordentliche Durchführung des Strafverfahrens. Zum einen ermöglicht sie gemäß § 94 StPO die Sicherstellung von Beweismitteln (vgl. Schäfer, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl. 2004, § 94 Rn. 1); zum anderen ist eine Sicherstellung gemäß §§ 111b ff. StPO möglich, sofern im Urteil voraussichtlich der Verfall oder die Einziehung des betreffenden Gegenstands angeordnet werden wird (vgl. Frister, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, Kap. G Rn. 197, S. 786). Dagegen handelt es sich bei der Sicherstellung nach § 25 Nr. 2 BbgPolG um einen speziellen Fall der Gefahrenabwehr zum Schutz privater Rechte, sie dient dem Schutz des unbekannten Eigentümers vor Verlust (vgl. Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, a.a.O., Kap. F Rn. 755, S. 642 f.). Angesichts dieser unterschiedlichen Zweckrichtung kann nach dem hier anzuwendenden summarischen Prüfungsmaßstab nicht festgestellt werden, dass bei den vorliegenden Umständen eine polizeirechtliche Sicherstellung wegen eines - auch von der Beschwerde nicht näher begründeten - „Vorrangs“ der strafprozessualen Beschlagnahme ausgeschlossen gewesen wäre (vgl. hierzu OVG Berlin, Beschluss vom 16. September 2002 - OVG 1 N 13.00 - juris Rn. 5; auch VG Berlin, Urteil vom 28. Februar 2008 - 1 A 137.06 - juris Rn. 30).
Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die sichergestellten Gegenstände erst an den Kläger herausgegeben hat, nachdem er sein Eigentum jeweils nachgewiesen hatte. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass bei der gegebenen Sachlage hinreichende Anhaltspunkte für einen nicht rechtmäßigen Besitzerwerb des Klägers und eine Widerlegung der Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB bestanden haben (vgl. hierzu OVG Münster, Beschluss vom 10. August 2010 - 5 A 298/09 - juris Rn. 31 ff; VGH München, Beschluss vom 19. November 2010 - 10 ZB 10.1707 - juris Rn. 11). Davon ausgehend war vom Beklagten jeweils zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Sicherstellung weggefallen waren; erst dann durfte er die sichergestellten Gegenstände gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 BbgPolG an den Kläger herausgeben. Dafür war es unerlässlich, dass der Kläger die bei der Sicherstellung angenommene Widerlegung der Eigentumsvermutung durch hinreichende Beweisanzeichen nunmehr seinerseits widerlegt. Der Einwand, der Anspruch des Klägers auf Herausgabe derjenigen Gegenstände, die nicht bereits an Geschädigte herausgegeben worden waren, habe sich nur im Wege des Klageverfahrens durchsetzen lassen, lässt die gesetzlichen Regelungen, insbesondere den Herausgabeanspruch des § 28 Abs. 1 Satz 1 BbgPolG, vollkommen außer Betracht.
b) Die Würdigung der Erfolgsaussichten der Klage wird durch die vom Kläger gerügte Verfahrensweise des Verwaltungsgerichts nicht in Zweifel gezogen. Soweit sich der Kläger dagegen wendet, dass das Verwaltungsgericht über sein Prozesskostenhilfegesuch, das bereits mehrere Monate vor Eintritt der Erledigung des Rechtsstreits bewilligungsreif gewesen sei, erst am Tag der Einstellung des Verfahrens entschieden hat, so dass ihm die Möglichkeit der Klagerücknahme im Fall einer Ablehnung der Prozesskostenhilfe genommen worden sei, hat das keinen Einfluss auf die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage. Die Verfahrensweise des Verwaltungsgerichts kann allenfalls die Voraussetzungen für eine unrichtige Sachbehandlung durch das Gericht im Sinne von § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG erfüllen und zur Niederschlagung derjenigen Gerichtskosten führen, die ansonsten nicht entstanden wären (vgl. hierzu Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 166 Rn. 37). Bedeutung für die im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens maßgeblichen Erfolgsaussichten der Klage hat dieser Vorgang indes nicht; insbesondere kann er nicht zur begehrten Bewilligung von Prozesskostenhilfe führen.
c) Soweit der Kläger weiterhin die Feststellung begehrt, „dass Gerichtskosten für das erstinstanzliche Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) wegen unrichtiger Sachbehandlung nicht entstanden sind und dem Kläger nicht auferlegt werden können“, ist dieses Begehren bei verständiger Würdigung als Antrag auf Nichterhebung von Gerichtskosten wegen unrichtiger Sachbehandlung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG auszulegen. Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für eine Niederschlagung der Gerichtskosten überhaupt vorliegen, ist das Oberverwaltungsgericht für diesen Antrag nicht zuständig. Zuständig ist allein das Verwaltungsgericht, bei dem das Verfahren, dessen Kosten nicht erhoben werden sollen, durchgeführt wurde. Denn jedes Gericht kann nur über die Kosten seiner eigenen Instanz entscheiden; auch das Rechtsmittelgericht ist zur Entscheidung über die Nichterhebung von Gerichtskosten des Ausgangsgerichts nicht befugt (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl. 2010, § 21 GKG Rn. 54; Meyer, Gerichtskostengesetz, 10. Aufl. 2008, § 21 Rn. 16). Dem Kläger ist es mithin unbenommen, beim Verwaltungsgericht einen entsprechenden Antrag nach § 21 GKG anzubringen. Aus den dargelegten Gründen kommt auch eine Bescheidung des (Hilfs-)Antrags festzustellen, dass es rechtswidrig war, über den Prozesskostenhilfeantrag und die Einstellung des Verfahrens am selben Tag zu entscheiden, nicht in Betracht. Die damit aufgeworfene Frage einer unrichtigen Sachbehandlung wird ebenfalls das Verwaltungsgericht im Rahmen eines etwaigen Antrags nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG zu würdigen haben. Für das hier vorliegende Prozesskostenhilfeverfahren kommt ihr keine Bedeutung zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der gesetzlich bestimmten Festgebühr nicht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).