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Entscheidung 3 O 170/10


Metadaten

Gericht LG Potsdam 3. Zivilkammer Entscheidungsdatum 03.01.2012
Aktenzeichen 3 O 170/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Leitsatz

1. Die WEG kann durch einfachen Mehrheitsbeschluss entscheiden, eine Mängelbeseitigung am Gemeinschaftseigentum durch den Veräußerer nicht mehr zuzulassen oder andere Maßnahmen vorsehen, die mit einer Aufforderung zur Mängelbeseitigung durch den einzelnen Eigentümer in Widerspruch stehen.

2. Dadurch trifft die WEG zugleich eine die einzelnen Eigentümer bindende Entscheidung, mit der Folge, dass diese ihre diesbezüglichen primären Gewährleistungsrechte aus den einzelnen Erwerbsverträgen, nämlich insbesondere das Recht auf Verlangen einer Nachbesserung des Gemeinschaftseigentums, verlieren.

3. Der einzelne Eigentümer verliert dadurch auch die Möglichkeit, die Voraussetzungen für den großen Schadensersatz nach § 635 BGB a.F. zu schaffen. Ein bereits entstandener Schadensersatzanspruch bleibt hingegen unberührt.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Wege des großen Schadensersatzes Rückabwicklung mehrerer Bauträgervertrages über in Schönefeld belegene Eigentumswohnungen und Stellplätze und Ersatz der damit zusammenhängenden Finanzierungskosten.

Die Beklagte hieß ursprünglich „B.S.W. GmbH“ und firmierte später in die jetzige Beklagte um.

Die Parteien schlossen am 27.10.1994 zwei notariell beurkundete Bauträgerverträg, durch den sich die Beklagte zur Errichtung von in den Verträgen näher bezeichneten vier Eigentumswohnungen (Nr. 36, 40, 49 und 53) nebst vier Tiefgaragenstellplätzen (Nr. 849, 885, 894 und 898) in S. verpflichtete. Die Wohnanlage besteht aus fünf Gebäuden, die auf einer darunter befindlichen Tiefgarage gegründet sind. Als Kaufpreis wurden 474.210 DM und 466.290 DM vereinbart.

Der Kläger bezahlte den Kaufpreis vollständig.

Die Abnahme der letzten Gewerke erfolgte am 31.7.1998.

Die Beklagte ließ dabei die Frischwasser führenden Warm- und Kaltwasserleitungen in verzinkten Eisenrohren ausführen. Hiervon sind insgesamt 24 Steigestränge sowie die waagerechten Zuführungen und Verteilerrohre betroffen.

Im Januar/Februar 2002 wurden auf entsprechende Mängelrügen hin durch Einschaltung der Fa. P. GmbH die frei zugänglichen Zuleitungen im Keller gegen Kunststoffleitungen ausgetauscht. Zudem wurden die übrigen Rohre mit einer Innenbeschichtung ausgestattet.

Am 23.7.2004 tagte die WEG, dabei waren Vertreter der Beklagten als Gäste anwesend. Unter TOP1 wurde eine gutachterliche Äußerung zur Problematik Innenbeschichtung Trinkwasserverteilung erörtert. Dabei räumte der Geschäftsführer der R. GmbH ein, dass bei der Ausführung der Innenbeschichtung handwerkliche Fehler gemacht worden seien und diese an einigen Stellen nicht korrekt durchgeführt worden sei. Er sicherte eine sorgfältige Mangelbeseitigung zu.

In einem von der WEG beauftragten Gutachten der I. GmbH vom 20.10.2004 wurde festgestellt, dass die Innenauskleidung der Rohre nicht funktioniere. Daraufhin wurde die Fa. R. GmbH mit der Entfernung der ersten Innenauskleidung und erneuten Innenwandauskleidung der Rohre von der Beklagten beauftragt. Diese Arbeiten wurden im August/September 2005 ausgeführt.

Mit Schreiben vom 24.10.2005 bestätigte die Fa. R. GmbH „dass gemäß Mängelanzeige vom 4.10.2004 die komplette Nachsanierung der Steigstränge im BT 4 in der Zeit vom 25.8.05 - 2.9.05 durchgeführt und abgeschlossen wurde“.

Mit Schreiben vom 4. Mai 2008 teilte die Beklagte der WEG mit, dass die fünfjährige Gewährleistung am 1.9.2010 ende. Die Beklagte erkläre sich bereit, die zwischen ihr und der R. GmbH vereinbarte Gewährleistung bis zum 1.9.2013 für die von der R. GmbH durchgeführten Sanierungsmaßnahmen an den Rohrleitungen der WEG an diese weiterzureichen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben Bezug genommen.

Die WEG beauftragte den Sachverständigen R. mit der Untersuchung des Zustandes der Innenbeschichtung von fünf von insgesamt 24 Steigesträngen. Bei dem Ortstermin am 10.11.09 waren auch Vertreter der Beklagten anwesend. In seinem Gutachten vom 29.1.2010 schildert der Sachverständige verschiedene Fotoaufnahmen der Rohre, in denen teilweise deutliche Blasenbildungen und Querschnittsreduzierungen zu erkennen sind. Bei manchen Rohrabschnitten stellt er einen einwandfreien bzw. akzeptablen Zustand auf den Fotos fest.

Unter „4. Folgerungen“ führt der Sachverständige u.a. aus:

„Der Zustand der untersuchten Trinkwasserleitungen zeigt deutlich, dass die Leitungen für Kaltwasser in besserem Zustand sind als die für das warme Trinkwasser. (...) Die Korrosionsbildung unterhalb der Beschichtung war in den untersuchten Bereichen moderat. Die Stärke der Korrosion in den Kaltwasserleitungen ist mit intakten verzinkten Leitungen in gleichem Alter vergleichbar.

In den untersuchten Warmwasserleitungen war zum Teil schon erhebliche Korrosionsbildung festzustellen (Stränge S1.3 und S2.8). (...) Es wurde aber auch festgestellt, dass die anderen untersuchten Rohrleitungen in einem noch relativ guten Zustand waren. Hier wurde zwar beginnende Korrosion und Blasenbildung festgestellt, jedoch in einem noch vertretbaren Ausmaß.“

Unter „5. Zusammenfassung“ führt der Sachverständige dann aus:

„Die durchgeführten Stichproben lassen den Schluss zu, dass etwa 30 % der Rohrleitungen stärker angegriffen sind, als es unter normalen Umständen zu beobachten ist. Es ist kein kurzfristiger Handlungsbedarf festzustellen. Mittelfristig wird der Austausch von einem Teil der Warmwasserstränge erforderlich werden. Beim Austausch der Warmwasserleitungen sollten die Kaltwasserleitungen auch ausgetauscht werden, da die Schächte ohnehin geöffnet werden müssen.(...)“

Mit Schreiben vom 2.3.2010 nahm die Vertreterin der Beklagten zu dem Gutachten Stellung. Im Ergebnis bot sie der WEG einen Abfindungsbetrag in Höhe von 15.000 EUR an.

Mit Anwaltsschreiben vom 6.4.2010 zeigten die jetzigen Klägervertreter der Vertreterin der Beklagten (eine Kommanditgesellschaft) an, dass sie die WEG vertreten. Sie setzten „zur Herbeiführung des vertraglich geschuldeten Zustandes und zur Beseitigung der festgestellten Mängel an den Innenwandungen der wasserführenden Kalt- und Warmwasserleitungen“ eine Frist bis zum 31. Mai 2010. Nach fruchtlosem Ablauf würden gerichtliche Schritte ergriffen werden.

Mit Anwaltsschreiben vom 9.4.2010 berieten die jetzigen Klägervertreter die Verwalterin der WEG hinsichtlich des weiteren Vorgehens.

Mit Schreiben vom 30.4.2010 nahm die die Beklagte vertretende KG Bezug auf das Vergleichsangebot von 15.000 EUR, das die WEG abgelehnt hatte. Sodann bot sie ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zur endgültigen Beendigung der Angelegenheit 40.000 EUR an. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Schreiben Bezug genommen.

Auf der WEG-Versammlung vom gleichen Tag waren 418 von 660 Stimmen vertreten. Unter TOP 1 wurde das weitere Vorgehen zur Rohrinnensanierung diskutiert. Es wurde dann mit 275 zu 143 Stimmen folgendes beschlossen:

„Die Gemeinschaft nimmt das Angebot der ...KG über die Zahlung eines Abgeltungsbetrages in Höhe von 40.000 EUR an. Dieser Betrag wird der Instandhaltungsrücklage zugeführt. Die Eigentümergemeinschaft verzichtet im Gegenzug auf die Geltendmachung eventuell bestehender Ansprüche gegen die ...KG hinsichtlich der Innenbeschichtung der Trinkwasserleitungen“

Das Protokoll der Versammlung datiert vom 4.5.2010. Der Kläger hat dem Beschluss nicht zugestimmt, jedoch den Beschluss in der Folge nicht angefochten.

Mit Schreiben vom 31.5.2010 teilte die Verwalterin der WEG der Beklagten den Beschluss mit und bat um Überweisung der 40.000 EUR. Die Beklagte überwies daraufhin umgehend diesen Betrag.

Mit vier Anwaltsschreiben (für jede Wohneinheit ein Schreiben) vom 15.6.2010 zeigten die Klägervertreter der Beklagten die Vertretung des Klägers an. Sie erklärten, der Kläger sei mit dem Abgeltungsvergleich nicht einverstanden, und forderten die Beklagte zur Mangelbeseitigung an den Rohrleitungen mit Frist zum 9.7.2010 auf. Nach Fristablauf werde Nacherfüllung abgelehnt und großer Schadensersatz verlangt werden.

Mit Schreiben vom 21.6.2010 antwortete die Beklagte, dass mit dem WEG-Beschluss die Aufforderung zur Mängelbeseitigung hinfällig geworden sei. Da zudem die Frist nicht vom Verwalter der WEG gesetzt worden sei, sei sie gleichfalls hinfällig.

Die Beklagte beruft sich im Prozess auf Verjährung.

Der Kläger macht geltend:

Die Verzinkung der Rohre habe nicht funktioniert. Es hätten sich Rostpusteln mit Lochfraß gebildet, es sei zu Korrosion im Bereich der Schraubgewinde gekommen.

Die „erste Rohrsanierung“ durch Innenbeschichtung sei am 16.2.02 abgenommen worden.

Die zweite Rohrsanierung sei am 2.9.2005 abgenommen worden.

Die Untauglichkeit der Innenauskleidung betreffe sowohl das kalte als auch das warme Wasser. Die Rohrsanierung habe demnach den Mangel der Korrosionsschädigung und der untauglichen Verzinkung nicht beseitigt.

Der Kläger ist der Meinung, der Vergleich der WEG hindere den Kläger nicht an der Geltendmachung des großen Schadensersatzes. Er beruft sich dabei insbesondere auf eine Entscheidung des BGH (BGHZ 169, 1 ff.) und des OLG Brandenburg (BauR 2005, 561).

Die Mehrheitsentscheidung der WEG berühre nicht den individualvertraglichen Anspruch des Klägers.

Eine Abgeltungsvereinbarung bezüglich wesentlicher Mängel könne mit Wirkung für alle Eigentümer nur einstimmig erfolgen.

Möglicherweise werde dem Bauträger durch die Abgeltungsvereinbarung die Mangelbeseitigung unmöglich; dies habe er jedoch selbst zu vertreten und führe dies dann ggf. dazu, dass der Besteller Schadensersatz sogleich ohne Fristsetzung verlangen könne.

Das „Ansichziehen“ der WEG sei das Mittel, zu einer einheitlichen Mangelbeseitigung zu kommen, nicht aber, gegen den Willen der betroffenen Eigentümer auf eine Mangelbeseitigung zu verzichten; für letzteres sei Einstimmigkeit erforderlich.

Der Mangel sei auch nicht geringfügig. Eine ordnungsgemäße Mangelbeseitigung würde mindestens 240.000 EUR kosten.

Ihren Schaden hat der Kläger zunächst gemäß den Ausführungen auf S. 9 bis 12 der Klageschrift beziffert und beziffert ihn nunmehr gemäß den S. 2 bis 5 aus dem Schriftsatz vom 30.08.2011. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf diese Schriftsätze Bezug genommen.

Der Kläger beantragt nunmehr sinngemäß,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 803.591,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 22.6.2010 zu zahlen, Zug um Zug gegen lastenfreie Rückübereignung der im Grundbuch beim AG ...

•Blatt ... (Wohnung 36)
•Blatt ... (Wohnung 40)
•Blatt ... (Wohnung 49)
•Blatt ... (Wohnung 53)
•Blatt ... (Garage 849)
•Blatt ... (Garage 885)
•Blatt ... (Garage 894)
•Blatt ... (Garage 898)

eingetragenen Wohnungs- und Teileigentumseinheiten,

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme der in Ziff. 1 genannten Eigentumsübertragung im Verzug der Annahme befinde,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den ab dem 1.1.2012 im Zusammenhang mit den in Ziff. 1 genannten Eigentumseinheiten entstehenden weiteren Schaden zu ersetzen,

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.173,48 EUR vorgerichtliche Kosten nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Ausführung der Wasserleitungen in verzinkten Eisenrohren habe dem Stand der Technik entsprochen. Anfängliche Mängel der Innenbeschichtung seien ordnungsgemäß und fachgerecht beseitigt worden.

Die Beklagte meint, dass der von dem Kläger erstmals am 15.6.2010 geltend gemachte Anspruch aufgrund des zuvor abgeschlossenen Vergleichs zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr bestanden habe.

Anderes ergebe sich auch nicht aus der von dem Kläger zitierten BGH-Entscheidung, denn diese setze einen bereits entstandenen Schadensersatzanspruch voraus, dies sei im vorliegenden Fall gerade nicht gegeben.

Der Beschluss der WEG habe auch ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen, zudem sei der Kläger mangels Beschlussanfechtung mit dem Einwand nicht ordnungsgemäßer Verwaltung ausgeschlossen. Es liege kein einseitiger Verzicht auf die Mangelbeseitigung, sondern ein Vergleich vor, der eine angemessene Gegenleistung für die Befreiung von der Mangelbeseitigung vorsehe. Die WEG könne über primäre Gewährleistungsrechte der einzelnen Erwerber auch dadurch verfügen, indem sie innerhalb ihres Ermessens darüber einen Vergleich abschließt.

Der Anspruch sei zudem verjährt. Die Mitteilung vom 4.5.2006 und das dort genannte Gewährleistungsende 1.9.2010 habe sich nur auf die Sanierungsarbeiten der Fa. R. GmbH bezogen und nicht auf Gewährleistungsansprüche aus dem Bauträgervertrag.

Schließlich beruft sich die Beklagte auf die Geringfügigkeit der Mängel und eine daraus abgeleitete Treuwidrigkeit des großen Schadensersatzanspruchs.

Ferner erhebt die Beklagte in Teilen Einwände zur Höhe des Schadens.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Voraussetzung für sämtliche Klageanträge wäre, dass dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf großen Schadensersatz gemäß § 635 BGB a.F. in der vor dem 1.1.2002 geltenden Fassung zustünde. Dieser Anspruch steht dem Kläger jedoch aus Rechtsgründen nicht zu. Insoweit gelten die gleichen Gründe, wie sie auch in der Parallelentscheidung vom heutigen Tag (Az. 3 O 146/10) angeführt worden sind.

Da § 635 BGB a.F. Schadensersatz wegen Nichterfüllung „statt der Wandelung oder der Minderung“ gewährt, müssen die Voraussetzungen für Wandelung oder Minderung gegeben sein. Dies richtet sich nach § 634 Abs. 1 BGB a.F.. Danach muss eine angemessene Frist zur Nachbesserung mit Ablehnungsandrohung gesetzt werden und fruchtlos verstreichen.

Zwar hat der Kläger mit Schreiben vom 15.6.2010 eine solche Frist auf den 9.7.2010 gesetzt und erklärt, dass er die Mangelbeseitigung nach Fristablauf ablehnen würde.

Voraussetzung für eine wirksame Fristsetzung ist jedoch, dass dem Kläger in diesem Zeitpunkt ein Mangelbeseitigungsanspruch nach § 633 Abs. 2 BGB a.F. (noch) zustand. Dies ist jedoch aufgrund des zwischen der WEG und der Beklagten am 30.4.2010 geschlossenen Vergleichs nicht der Fall. Dadurch, dass die WEG über das Nachbesserungsrecht bezüglich des Gemeinschaftseigentums entschieden hat, hat sie zugleich eine die einzelnen Eigentümer bindende Entscheidung getroffen, mit der Folge, dass diese ihre diesbezüglichen primären Gewährleistungsrechte, nämlich insbesondere das Recht auf Verlangen einer Nachbesserung des Gemeinschaftseigentums, verloren haben. Dies konnte die WEG durch einfachen Mehrheitsbeschluss im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung beschließen.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung darf die WEG „die Ausübung der auf die ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums gerichteten Rechte der einzelnen Erwerber aus den Erwerbsverträgen gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung durch Mehrheitsbeschluss an sich ziehen“ (so zuletzt BGH v. 19.8.2010, VII ZR 113/09, Rn. 22; zuvor grundlegend BGH v. 12.4.2007, VII ZR 236/05, Rn 20). Die WEG ist dann für die Durchsetzung dieser Ansprüche zuständig. Diese Zuständigkeit ist beschränkt auf gemeinschaftsbezogene Ansprüche und umfasst deshalb nicht das Recht der einzelnen Wohnungseigentümer, den Erwerbsvertrag zu wandeln oder zurückzutreten oder großen Schadensersatz zu verlangen (BGH v. 19.8.2010 aaO).

Auch soll der einzelne Erwerber trotz dieses „An-sich-ziehens“ berechtigt bleiben, seine individuellen Ansprüche aus dem Vertrag selbständig zu verfolgen, also selbst eine Frist zur Mängelbeseitigung zu setzen. Dies soll nach BGH jedoch nur solange und soweit möglich sein, als sein Vorgehen gemeinschaftsbezogene Interessen der Wohnungseigentümer oder schützenswerte Interessen des Veräußerers nicht beeinträchtigt (BGH v. 19.8.2010 aaO Rn. 27). Auch gelte dies jedenfalls für den Fall, dass die WEG von dem Veräußerer noch Mängelbeseitigung verlange und noch keine weitergehenden Maßnahmen beschlossen hat (BGH aaO).

Wie zu entscheiden sei, wenn die WEG beschlossen hat, eine Mängelbeseitigung durch den Veräußerer nicht mehr zuzulassen oder andere Maßnahmen vorgesehen hat, die mit der Aufforderung zur Mängelbeseitigung in Widerspruch stehen, hat der BGH in der Entscheidung ausdrücklich offengelassen (BGH v. 19.8.2010 aaO Rn. 29). Auch zuvor hat der BGH hierzu noch keine Entscheidung getroffen. Soweit er ausgesprochen hat, dass der Anspruch auf großen Schadensersatz unberührt bleibe (so BGH v. 27.7.2006, VII ZR 276/05 Rn. 29 und 32), hat sich dies ausdrücklich auf den bereits entstandenen Schadensersatzanspruch bezogen; dort also hatte der einzelne Erwerber bereits durch fruchtlose Fristsetzung die Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch gesetzt. Dies ist im vorliegenden Fall jedoch gerade nicht gegeben.

Nichts anderes ergibt sich auch aus der von den Klägern zitierten Entscheidung des OLG Brandenburg v. 4.12.2003 (8 U 55/03; Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH am 30.9.04 zurückgewiesen, VII ZR 347/03): denn auch dort hatten einzelne Eigentümer 2001 eine Frist zur Mangelbeseitigung gesetzt, bevor dann 2002 die WEG einen Abgeltungsvergleich mit dem Veräußerer abgeschlossen hat.

Unter Zugrundelegung der Grundsätze aus den zitierten Entscheidungen geht das Gericht davon aus, dass der Mangelbeseitigungsanspruch durch den Vergleich der WEG mit der Beklagten erloschen ist. Denn hierdurch hat die WEG die ihr zustehende Kompetenz zur Entscheidung über Ob und Wie der Mangelbeseitigung am Gemeinschaftseigentum abschließend und für die einzelnen Eigentümer bindend wahrgenommen (so auch Wenzel in NJW 2007, 1905, II.2 c). Sofern ein Eigentümer der Meinung ist, der Vergleich entspreche nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, muss er gegen den Beschluss im Rahmen der Anfechtung vorgehen und diesen gerichtlich überprüfen lassen. Tut er dies nicht, ist der Beschluss auch für den gegen den Beschluss stimmenden Eigentümer bindend. Welche konkreten Gründe die WEG zum Vergleichsabschluss bewogen haben und ob der Geldbetrag angemessen ist, ist im vorliegenden Prozess aufgrund dieser Bindungswirkung nicht mehr zu prüfen.

Der Ausschluss des individualvertraglichen Nachbesserungsrechts durch einen Gemeinschaftsbeschluss rechtfertigt sich aus der Gemeinschaftsbezogenheit des Eigentums. Es ist Sache der Gemeinschaft und nicht des einzelnen, sich um das Gemeinschaftseigentum im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung zu kümmern.

Dass dies rechtlich dazu führt, dass einem Eigentümer dadurch die Möglichkeit genommen wird, die Voraussetzungen für einen Anspruch auf großen Schadensersatz herbeizuführen, führt zu keiner anderen Bewertung. Denn erst der Schadensersatzanspruch als solcher ist ausschließlich individualvertraglich und kann dem Eigentümer nicht mehr entzogen werden. Der diesem Anspruch „vorgeschaltete“ Mangelbeseitigungsanspruch hingegen ist, bezogen auf das Gemeinschaftseigentum, Sache der Gemeinschaft und ist das individualvertragliche Recht von Anfang an insoweit eingeschränkt und überlagert (vgl. Wenzel aaO). Die aus dem Gesetz abgeleitete Befugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft überlagert von vornherein die individuelle Rechtsverfolgungskompetenz des Einzelnen (vgl. nur BGH v. 12.4.2007 aaO Rn. 22). Folge davon ist, dass der Bauträger von seiner Nachbesserungspflicht bezüglich des Gemeinschaftseigentums frei wird und dies auch den einzelnen Eigentümer bindet. Dem Bauträger wird also die Nachbesserungspflicht nicht etwa nur rechtlich unmöglich (mit der Folge, dass der einzelne Eigentümer keine Nacherfüllungsfrist mehr setzen müsste), sondern er wird von dieser Pflicht insgesamt befreit.

Für diese rechtliche Folge spricht auch die vom BGH angesprochene Interessenabwägung, hier insbesondere die Schutzbedürftigkeit des Veräußerers. Denn dieser hat ja gegenüber der Gemeinschaft seine rechtlichen Pflichten „abgekauft“ und damit quasi erfüllt, bevor der einzelne Eigentümer (hier die Kläger) ihm erneut eine Frist zur Nachbesserung gesetzt hat. Würde er nunmehr zur Verhinderung ansonsten entstehender Schadensersatzansprüche doch nachbessern, wäre er wirtschaftlich benachteiligt, denn dann müsste er dennoch den Vergleichsbetrag an die Gemeinschaft zahlen; ein Verweis auf bereicherungsrechtliche Ansprüche (vgl. dazu im Zusammenhang mit Minderungsrechten Ott in NZM 2007, 505; vgl. auch OLG Hamm v. 13.2.2007, Az. 21 U 69/06, Rn. 53 für den Fall, dass der Veräußerer bereits Vorschuss zur Mangelbeseitigung geleistet hat) dürfte hier rechtlich nicht tragfähig sein. Würde er nicht nachbessern, müsste er im Gegenzug Schadensersatz leisten und dadurch gleichfalls wirtschaftliche Einbußen erleiden. Dass er dann anstelle der Kläger in die WEG einrücken würde, stellt keine hinreichende Kompensation dar. Vielmehr erhält der Bauträger nunmehr darüber hinaus das wirtschaftliche Risiko der Verwertung des Eigentums, obwohl er – wie dargestellt – seinen rechtlichen Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft aus deren Sicht hinreichend Genüge getan hat durch Abschluss des Abgeltungsvergleichs. Dies erscheint in der Abwägung nicht gerechtfertigt, auch wenn man berücksichtigt, dass der eigentliche Anlass (nämlich ein behaupteter Mangel am Gemeinschaftseigentum) aus der Sphäre des Bauträgers kommt.

Soweit diese Rechtsauffassung in der Literatur in einer vereinzelten Stimme „ketzerisch“ mit einem Verweis darauf abgetan wird, dass dadurch die Baukammern „reihenweise Klagen einzelner Erwerber ohne schwierige Beweisaufnahme über die Baumängel recht einfach abweisen lassen“ (so ausdrücklich Dötsch in Beck´scher Online-Kommentar, § 10 WEG, Stand 1.9.2011, Rn. 614), unterstellt dies den Gerichten, dass diese sich entgegen ihres Auftrags aus Art. 97 Abs. 1 GG von ihrer Gesetzesbindung lossagen und nach sachfremden Erwägungen entscheiden. Der Unterzeichner möchte eine solche Auffassung nicht weiter kommentieren, um nicht den Boden sachlicher und rechtlicher Auseinandersetzung zu verlassen.

Entgegen der Ansicht des Klägers kollidiert eine zeitlich nach dem Abgeltungsvergleich vom einzelnen Eigentümer gesetzte Frist zur Mangelbeseitigung auch mit den Interessen der Wohnungseigentümer, denn diese haben sich durch Abschluss des Abgeltungsvergleichs und Entgegennahme des Vergleichsbetrags mehrheitlich dafür entschieden, die Mängel nicht mehr von der Beklagten beseitigen zu lassen. Eine Aufforderung an die Beklagte zur Mängelbeseitigung widerspricht dieser Entscheidung. Sie kann zudem dazu führen, dass in der Folge die Beklagte an die Gemeinschaft herantritt und – ob rechtlich berechtigt, kann dahingestellt bleiben – eine Rückzahlung des Vergleichsbetrags verlangt, wenn die Beklagte nunmehr doch die Mängel beseitigen würde. Dies liefe dem im Vergleich zutage getretenen Interesse der Gemeinschaft zuwider, den Streit mit dem Bauträger zu befrieden und zu beenden. Es bestünde die Gefahr, dass die Gemeinschaft in einen Rechtsstreit mit dem Bauträger hineingezogen wird.

Soweit der Kläger meint, Folge der Mangelbeseitigungsaufforderung sei nur die Rückkehr des Bauträgers in die Eigentümergemeinschaft, greift dies zu kurz und ist dies im ersten Schritt nicht richtig: denn Folge ist zunächst, dass der Bauträger sich entscheiden muss, ob er nunmehr doch die behaupteten Mängel beseitigt. Erst wenn er dies nicht täte, könnte überhaupt ein Schadensersatzanspruch entstehen.

Die Interessen des einzelnen Eigentümers werden hingegen insbesondere dadurch gewahrt, dass der Beschluss der WEG unter dem Primat der „ordnungsgemäßen Verwaltung“ steht und der überstimmte Eigentümer den Beschluss anfechten kann, wenn er mit diesem nicht einverstanden ist. Tut er dies nicht, ist auch der einzelne Eigentümer an den Mehrheitswillen gebunden.

Wie oben bereits dargestellt, kann die WEG die Ausübung der Mangelbeseitigungsansprüche bezüglich des Gemeinschaftseigentums an sich ziehen. Da dies zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehört, genügt hierfür ein Mehrheitsbeschluss. Da die WEG in diesem Rahmen darüber zu befinden hat, ob und in welcher Art ein Mangel beseitigt werden soll (vgl. BGH v. 12.3.2010, V ZR 147/09, Rn. 11), wird von dieser Kompetenz auch die Möglichkeit des Abschlusses eines diesbezüglichen Vergleichs umfasst, anstatt der Nachbesserung die Zahlung eines Geldbetrages zu vereinbaren (so ausdrücklich OLG München v. 23.5.2007, 32 Wx 30/07, Rn. 13; OLG Jena v. 8.9.2006, 9 W 225/06; BayObLG v. 4.11.1999, 2Z BR 89/99). Dies rechtfertigt sich dadurch, dass es Sache der WEG sein muss, Chancen und Risiken einer Nachbesserung bzw. einer darauf gerichteten Rechtsverfolgung abzuwägen. Bei umfangreichen Nachbesserungsmaßnahmen können z.B. die dadurch entstehenden Beeinträchtigungen unter Umständen schwerer wiegen als die Hinnahme des Mangels unter Zahlung eines Minderungsbetrages. Auch kann rechtlich unsicher sein, in welchem Umfang ein Nachbesserungsanspruch gerichtlich erfolgreich durchgesetzt werden könnte.

Dass die WEG durch Mehrheitsbeschluss entscheiden kann, ist auch kein unzulässiger Eingriff in individualvertragliche Rechte der einzelnen Eigentümer und damit ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter. Denn, wie bereits angeführt, die aus dem Gesetz abgeleitete Befugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft überlagert von vornherein die individuelle Rechtsverfolgungskompetenz des Einzelnen (vgl. nochmals BGH v. 12.4.2007 aaO Rn. 22).

Ordnet man – wofür einiges spricht - die Ansprüche der Erwerber bezüglich des Gemeinschaftseigentums als Mitgläubiger ein (so Staudinger-Bub, Auflage 2005, § 21 WEG Rn. 255), so bestimmt zwar § 432 Abs. 2 BGB, dass Tatsachen, die nur in der Person eines Gläubigers eintreten, nicht für und gegen die übrigen Gläubiger einer unteilbaren Leistung wirken. Kann aber ein Mitgläubiger aufgrund des zwischen den Mitgläubigern bestehenden Rechtsverhältnisses mit Wirkung auch für den anderen handeln, hat sein Verhalten Gesamtwirkung (vgl. Palandt-Grüneberg, 71. A., § 432 BGb Rn. 10 m.w.N.). Vorliegend ergibt sich dieses Rechtsverhältnis aus dem WEG-Gesetz; danach darf gemäß den §§ 10 Abs. 5, 21 Abs. 1 und Abs. 5 Nr. 2 WEG die Gemeinschaft durch Mehrheitsbeschluss auch mit bindender Wirkung für den dagegen stimmenden Eigentümer (und Mitgläubiger) entscheiden. Über § 432 Abs. 2 BGB und den Vergleichsabschluss zwischen der Gemeinschaft und dem Bauträger erhält der Mehrheitsbeschluss die ihm ansonsten nicht zukommende Außenwirkung (aA offenbar Staudinger aaO § 10 WEG Rn. 262).

Ob tatsächlich ein nicht unerheblicher Mangel besteht, kann deshalb dahingestellt bleiben. Dahingestellt bleiben kann auch, ob der klägerische Anspruch verjährt wäre. Offen bleiben kann auch die Höhe des Schadensersatzanspruchs, soweit er streitig ist.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 805.591,35 € festgesetzt. Dies verteilt sich auf die Klageanträge wie folgt:

Antrag zu 1): 803.591,35 €
Antrag zu 2): kein eigenständiger Wert
Antrag zu 3): 2.000 €