Gericht | VG Cottbus 5. Kammer | Entscheidungsdatum | 25.07.2019 | |
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Aktenzeichen | 5 K 979/18.A | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2019:0725.5K979.18.A.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auch eine mehrköpfige Familie kann in Bulgarien durch eigene Erwerbstätigkeit extreme materielle Not vermeiden.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Wegen der Kosten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Die in Bulgarien internationalen Schutz genießenden Kläger, syrischer Staatsangehörigkeit, begehren eine erneute Zuerkennung internationalen Schutzes in Deutschland bzw. Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten hinsichtlich Bulgariens.
Im September 2014 meldeten sie sich im Bundesgebiet als Asylsuchende. In seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 9. Dezember 2014 gab der Kläger zu 1. an, Syrien am 1. März 2014 verlassen zu haben und nach einem zweimonatigem Aufenthalt in der Türkei am 1. Mai 2014 in Bulgarien mit der gesamten Familie eingereist zu sein. Anschließend sei die Familie mit einem Pkw nach Deutschland gebracht worden, wo sie am 24. September 2014 angekommen sei. Asyl habe er in keinem anderen Staat beantragt oder zuerkannt bekommen. Gegen eine Überstellung in einen Mitgliedsstaat spreche, dass sie gesundheitlich und sozial sehr schlecht betreut worden seien. Auch die Klägerin zu 2. wiederholte in ihrer Anhörung vor dem Bundesamt die Darstellung ihres Ehemanns zum Reiseweg und bestritt ebenfalls, in einem anderen Mitgliedsstaat Asyl beantragt oder bekommen zu haben. Als Grund gegen eine Überstellung in einen anderen Mitgliedsstaat gab sie an, dass ihr Bruder ebenfalls in Deutschland sei. Das am 4. Februar 2015 an die bulgarische Dublin-Einheit gerichtete Übernahmeersuchen lehnte diese mit Schreiben vom 18. Februar 2015 unter Hinweis darauf ab, dass den Klägern zu 1. und 2. in Bulgarien mit Bescheid vom 31. Juli 2014 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei, und verwies bzgl. einer Überstellung aufgrund des bilateralen Übernahmeabkommens auf die Grenzpolizei beim Innenministerium. Nach Aufhebung der ersten Ablehnungsentscheidung vom 30. April 2015 und der hierzu ergangenen Abschiebungsanordnungen bzw. Abschiebungsandrohungen gab der Kläger zu 1. in einer weiteren Anhörung durch das Bundesamt am 6. April 2018 auf die Frage, was seiner Abschiebung nach Bulgarien entgegenstehe, an, dass er an die Schulausbildung seiner Kinder und dann an ihre Zukunft denke müsse. Für seine vier Kinder bräuchte er viel Geld in Bulgarien. Sie hätten Deutsch gelernt und von Anfang an vorgehabt, nach Deutschland zu kommen. Im Übrigen seien sie mittlerweile 4 Jahre in Deutschland. Zu seiner Gesundheit befragt, erklärte er, wegen psychischer Probleme im Jahre 2015 3 Monate lang in Behandlung gewesen zu sein. Seitdem sei er weder in ärztlicher Behandlung gewesen, noch nehme er Medikamente. Zur Situation in Bulgarien befragt, erklärte die Klägerin zu 2. am selben Tage, dass sie in Bulgarien in einem Flüchtlingslager untergebracht gewesen seien, wo sie nur zu essen und zu trinken bekommen und ein kleines Zimmer bewohnt hätten. Das Lager hätten sie nicht verlassen dürfen. Als Grund für die Ausreise aus Bulgarien gab sie an, dass Deutschland von Anfang an das Reiseziel gewesen sei. Für die Schleusung aus Bulgarien hätten sie 3500 Euro aufbringen müssen. Weder sie noch ihre Kinder hätten gesundheitliche Probleme. Nach Aufhebung des ersten Ablehnungsbescheides vom 30. April 2015 und des in der Folgezeit hierzu ergangenen Abänderungsbescheides vom 10. April 2018 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Asylanträge zuletzt durch streitgegenständlichen Bescheid vom 27. April 2018 als unzulässig ab, verneinte hinsichtlich Bulgariens Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes, stellte ein Abschiebungsverbot hinsichtlich Syriens fest und drohte den Klägern eine Abschiebung in die Republik Bulgarien binnen 30 Tage nach Unanfechtbarkeit dieses Bescheides an. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot befristete es auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Zur Begründung verwies das Bundesamt auf den internationalen Schutz in Bulgarien. Wegen der weiteren Begründung wird auf Blatt 9 bis 15 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Mit ihrer am 11. Mai 2018 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgen Kläger ihr Verpflichtungsbegehren weiter. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, dass ihnen in Bulgarien Obdachlosigkeit und mangels einer Adresse, die Voraussetzung für Sozialhilfeleistungen sei, Verelendung drohen. Hierzu verweisen sie auf eine Entscheidung des OVG Lüneburg vom 29. Januar 2018 – 10 LB 82/17 -. Ein weiteres Kind der Kläger führt das Klageverfahren 5 K 491/17.A
Die Kläger beantragen sinngemäß,
unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. April 2018 die Beklagte zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen
hilfsweise die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des vorgenannten Bescheides zu verpflichten, ihnen subsidiären Schutz zuzuerkennen,
weiter hilfsweise die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des vorgenannten Bescheides zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes hinsichtlich Bulgariens vorliegen,
weiter hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung des vorgenannten Bescheides zu verurteilen, ein Asylverfahren durchzuführen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Bezug genommen.
I. Die Verpflichtungsklage auf Flüchtlingszuerkennung und Zuerkennung von subsidiärem Schutz ist unstatthaft (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 2017 – 1 C 39.16 –, BVerwGE 161, 1-17, Rn. 15).
II. Die mit der Verpflichtungsklage zugleich erhobene Anfechtungsklage gegen die Ablehnungsentscheidung und die Abschiebungsandrohung (1) sowie die hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage auf Feststellung von Abschiebungsverboten hinsichtlich Bulgariens (2) sind unbegründet.
(1) Das Unzulässigkeitsverdikt findet seine Grundlage in § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, weil die Kläger bereits in Bulgarien Flüchtlingsschutz Schutz (vgl. Art. 23 der Richtlinie 2011/95/EU) genießen. Unionsrecht steht dem nicht entgegen, weil auf den Asylantrag der Kläger bereits Art. 33 Abs. 2 lit. a Richtlinie 2013/32/EU Anwendung findet. Der wohl schon im September 2014 unionsrechtlich als gestellt anzusehende Asylantrag unterfällt deshalb dem zeitlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2013/32/EU, weil er gemäß Art. 49 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 dem Geltungsbereich dieser Verordnung unterliegt (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 19. März 2019 – C-297/17 - u.a., Juris Rn. 74).
Die Aufhebung dieses Unzulässigkeitsverdikts kommt nur dann in Betracht, wenn eine Verletzung von Art. 4 der EU-GR-Charta droht (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 19. März 2019 – C-297/17 - u.a., Juris Rn. 88).
Das ist vorliegend nicht der Fall.
Dagegen streitet die im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems geltende Vermutung, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, der Genfer Konvention und der EMRK steht. Dies gilt insbesondere bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie), in dem im Rahmen des mit dieser Richtlinie eingerichteten gemeinsamen Asylverfahrens der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zum Ausdruck kommt (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. – Juris Rn. 85) und dessen Umsetzung ins nationale Recht § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG dient.
Die zur Widerlegung dieser Vermutung besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit wäre erst erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 – Juris Rn. 90). Daher ist das Gericht, das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung befasst ist, mit der ein neuer Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurde, in dem Fall, dass es über Angaben verfügt, die der Antragsteller vorgelegt hat, um das Vorliegen eines solchen Risikos in dem bereits internationalen Schutz gewährenden Mitgliedstaat nachzuweisen, verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 – Juris Rn. 88).
Die individuellen Erlebnisse eines Betroffenen stellen in diesem Zusammenhang keine Grundlage für die Widerlegung der Vermutung. Sie stellen schon keine objektiven Angaben im oben genannten Sinne dar. Ferner kommt ihnen, zumal wenn sie wie hier mehrere Jahre zurückliegen, nur in begrenztem Umfang Erkenntniswert zu, keinesfalls führen sie zur einer Beweislastumkehr (BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 – 10 B 35.14 – Buchholz 402.25 § 27a AsylVfG Nr. 2).
Dem Gericht liegen keine objektiven Erkenntnisse vor, dass infolge Gleichgültigkeit bulgarischer Behörden eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, die unionsrechtliche Vermutung im vorliegenden Falle also widerlegt wäre.
Im Falle der Kläger ist nicht zu besorgen, dass sie extremer materieller Not anheimfielen, die es ihnen verwehrte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, sie also gezwungen sein würden, ohne Zugang zu sanitären Einrichtungen oder Nahrungsmitteln auf der Straße zu leben. Denn extreme Not begründet nur dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK, wenn der Betroffene ihr unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen ausgesetzt ist (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 – Juris Rn. 90). Demgegenüber haben Rückkehrer in Bulgarien die Möglichkeit, extreme Not durch eigene Erwerbstätigkeit abzuwenden, sei es auch als ungelernte Arbeitskräfte. In der Auskunft der Botschaft Sofia an das Auswärtige Amt vom 1. März 2018 zur bulgarischen Integrationsverordnung heißt es nämlich, dass auf dem Land häufig Mitarbeiter für einfache Tätigkeiten in der Landwirtschaft und Gastronomie, auch ohne besondere Ausbildung und bulgarische Sprachkenntnisse, gesucht würden, auf der anderen Seite aber kaum Bereitschaft der Betroffenen bestehe, sich in der Provinz niederzulassen. Auch infolge des Rückgangs der Bevölkerung in der bulgarischen Provinz erkundigten sich Unternehmen bei der Flüchtlingsagentur, wie sie auf Grund der mittlerweile geschaffenen Integrationsverordnung Flüchtlinge vor Ort aufnehmen könnten (Botschaft Sofia, Auskunft an das Auswärtige Amt vom 1. März 2018). Auch das Auswärtige Amt berichtet davon, dass sich Unternehmer in der jüngsten Vergangenheit zunehmend danach erkundigten, wie sie Flüchtlinge beschäftigen könnten, wobei auch Unterkunftsmöglichkeiten, insbesondere auf dem Land, angeboten würden (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Trier vom 26. April 2018). Allerdings sei die Bereitschaft in die bulgarische Provinz zu ziehen, nicht ausgeprägt vorhanden (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Trier vom 26. April 2018). Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes ist das mit einigen dieser Tätigkeiten erzielte Einkommen auskömmlich, um den Lebensbedarf und eine Unterkunft zu finanzieren (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Trier vom 26. April 2018). Eine feste Meldeanschrift spielt für die Arbeitsaufnahme keine entscheidende Rolle (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Trier vom 26. April 2018).
Nach dem Vorstehenden ist es den Klägern möglich, eine Arbeit zu finden und damit den Unterhalt für die Familie zu erwirtschaften. Der Rückkehrprognose legt das Gericht zu Grunde, dass die in familiärer Gemeinschaft lebenden Kläger dieses Verfahrens und der dreijährige Kläger des Verfahrens 5 K 491/17.A gemeinsam in Bulgarien leben würden. Innerhalb dieser sechsköpfigen Familie ist es den gesunden und arbeitsfähigen Klägern zu 1. bis 4. ohne Weiteres zuzumuten, einen Beitrag zum Lebensunterhalt der Familie zu leisten. Hierbei handelt es sich um die Eltern (Kläger zu 1. und 2.) sowie die nunmehr knapp 19 und knapp 18 Jahre alten Söhne.
Auch der Umstand, dass zur Familie ein weiterer 15jähriger Sohn und ein dreijähriger Sohn zählen, ändert an dem Vorstehenden nichts. Die Klägerin zu 2. ist durch die Kinderbetreuung nicht gehindert, eine Arbeit aufzunehmen. In Bulgarien besteht für Kinder vom 6. bis zum 16. Lebensjahr Schulpflicht. Ab dem vollendeten 5. Lebensjahr ist der Besuch einer Vorschule zwingend. Kinder bis zum vollendeten 3. Lebensjahr können Krippen besuchen. Für Kinder ab dem vollendeten 3. Lebensjahr bis zur Vorschule gibt es staatliche, kommunale und private Kindertagesstätten. Staatliche und kommunale Kindertagesstätten werden aus dem Staatshaushalt bzw. aus den Haushalten der Kommunen finanziert. Die Eltern zahlen nur eine Gebühr, die von Gemeinde zu Gemeinde verschieden ist. Die letzten zwei Jahre vor der Einschulung – nicht jedoch vor dem 5. Lebensjahr – muss jedes Kind entweder eine Vorbereitungsgruppe in einer Kindertagesstätte oder die Vorschule besuchen (https://ec.europa.eu/eures/main.jsp?catId=8790&acro=living&lang=de&parentId=7803&countryId=BG&living=, zuletzt abgerufen am 20. Juni 2019). Schulpflichtige Kinder im Asylverfahren können jederzeit bis auf den letzten Monat eines laufenden Schuljahres zum Schulbesuch angemeldet werden (Auswärtiges Amt, Auskunft an Thüringer OVG vom 18. Juli 2018). Danach besteht für den 15jährigen Sohn die Schulpflicht. Angesichts seines Alters entsteht auch nach dem Unterricht kein Aufsichtsbedarf. Dies gilt im Ergebnis auch für den jüngsten Sohn. Dieser kann – wie im Falle bulgarischer Berufstätiger - bis zu seinem Eintritt in die Vorschule in einer Kindertagesstätte betreut werden.
Es steht nicht zu besorgen, dass die Kläger in der Übergangsphase unmittelbar nach der Ankunft und noch vor Aufnahme eigener Erwerbstätigkeit steht einer Situation extremer materieller Not anheimfallen, die es ihnen nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen.
Die Wohnsituation für international Schutzberechtigte ist in Bulgarien inzwischen nicht mehr bedenklich (VG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 12. März 2019 – A 5 K 1829/16 – Juris Rn. 31; VG Karlsruhe, Urteil vom 30. Oktober 2018 – A 13 K 3922/18 – Juris Rn. 32; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Mai 2019 – A 4 S 1329/19 – Juris Rn. 20). Entsprechende Erkenntnisse, dass anerkannte Schutzbedürftige im Allgemeinen obdachlos oder insoweit besonders gefährdet sind, bestehen nicht (zuletzt: Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 25. März 2019; Auswärtiges, Auskunft an VG Potsdam vom 16. Januar 2019; Auswärtiges Amt, Auskunft an OVG Niedersachsen vom 18. Juli 2017). Bei freien Kapazitäten gewähren die Aufnahmezentren für Asylbewerber auch anerkannten Schutzberechtigten für sechs Monate Unterkunft. Das ergibt sich aus verschiedenen Erkenntnismitteln, die aus voneinander unabhängigen Quellen stammen (Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [BFA], Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Bulgarien vom 13. Dezember 2017, S. 19; Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Trier vom 26. April 2018; AIDA, Country Report: Bulgaria, Update 2018, Stand 31.Dezember 2018, S. 76 zit. nach VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Mai 2019 a.a.O.). Auf die Aufnahme in einem Aufnahmezentrum besteht zwar kein Rechtsanspruch. Allerdings verfügen die Aufnahmezentren nach übereinstimmender Auskunft der vorgenannten Erkenntnismittel mittlerweile über deutliche Überkapazitäten, die anerkannten Schutzberechtigten zur Verfügung gestellt werden. Zum 1. April 2018 sind die staatlichen Flüchtlingsunterkünfte nur zu 17% ausgelastet gewesen (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Trier vom 26. April 2018). Des Weiteren gibt es landesweit zwölf „Zentren für temporäre Unterbringung“, die laut Bundesamt für maximal drei Monate im Jahr unterkunftsbedürftigen anerkannten Schutzberechtigten bis zu 607 Plätze (BAMF, Länderinformation: Bulgarien vom 01. April 2018, S. 9) zur Verfügung stellen. Schließlich werden anerkannte Schutzberechtigte durch bulgarische wie internationale Nichtregierungsorganisationen (Bulgarisches Rotes Kreuz, Caritas, UNHCR) im Rahmen vielfältiger Programme u.a. auch bei der Wohnungssuche unterstützt (Auswärtiges Amt, Auskunft an OVG Thüringen vom 18. Juli 2018). Diese Erkenntnisse zur Unterbringungssituation anerkannter Flüchtlinge werden in den neuesten Auskünften des Auswärtigen Amtes vom Januar und vom März 2019 erneut bestätigt. Danach sorgt die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen und staatlichen Stellen – gepaart mit einer niedrigen Anzahl von in Bulgarien verweilenden Flüchtlingen – dafür, dass es kaum obdachlose Flüchtlinge gibt (Auswärtiges, Auskunft an VG Potsdam vom 16. Januar 2019; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 25. März 2019).
Nach Bulgarien zurückkehrende Familien können sich an das Bulgarische Rote Kreuz, die Caritas, den Rat der Flüchtlingsfrauen sowie an die hiesige Vertretung der International Organisation für Migration wende, um in Programme aufgenommen zu wenden, die Familien bei Arbeits- und Wohnungssuche sowie der Beantragung von Sozialleistungen unterstützen. Bei der Unterstützung von Flüchtlingen legen Staat und NROs ein besonderes Augenmerk auf vulnerable Personen, zu denen auch Kleinkinder und ihre Familien gehören. Das Bulgarische Rote Kreuz erklärte, durchaus in mehr Fällen von Rückführungen als bisher die Rückkehrer unterstützen zu können (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Thüringer OVG vom 18. Juli 2018).
Der Zugang zum Gesundheitssystem ist ebenfalls sichergestellt (vgl. Bericht Dr. Ilareva, S. 10 f.). Die Versicherung im nationalen Gesundheitssystem ist grundsätzlich auch für international Schutzberechtigte zugänglich. Voraussetzung ist - wie bei bulgarischen Staatsangehörigen - die Zahlung eines monatlichen Beitrags. Im Übrigen ist nach den vorliegenden Erkenntnissen auch beim Fehlen einer Krankenversicherung die gemäß Art. 3 EMRK gebotene medizinische Notfallversorgung gegeben (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 14. November 2016 – 12 K 5984/16.A – Juris Rn. 41). Auch ohne eine Versicherung – etwa auf Grund von Arbeitslosigkeit – besteht – wie für bulgarische Staatsangehörige – Zugang zu einer Notfallversorgung (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Trier vom 26. April 2018).
Soweit mangelnde Umsetzung der EU-Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/05/EU) zur Begründung einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch den bulgarischen Staat angeführt wird (vgl. z.B., VGH Kassel, Urteil vom 04.11.2016 – 3 A 1292/16.A -: VG Göttingen, Beschluss vom 03.11.2016 – 2 B 361/16 -, jeweils nach Juris), geht dies fehl. Ob der Betroffene eine Situation vorfindet, die auch den sekundärrechtlichen Vorgaben des Unionsrechts entspricht, insbesondere ihn dort Integrationsprogramme erwarten, ist rechtlich irrelevant. Verstöße gegen Bestimmungen des Kapitels VII der Anerkennungsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) und damit etwa gegen Art. 27 (Zugang zu Bildung) oder Art. 34 (Zugang zu Integrationsmaßnahmen) der Anerkennungsrichtlinie, die nicht zu einer Verletzung von Art. 4 der Charta führen, hindern die Mitgliedstaaten nicht daran, ihre durch Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrensrichtlinie eingeräumte Befugnis auszuüben (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 – Juris Rn. 92; vgl. zur Abschiebung auf Grund der VO (EU) Nr. 604/2013 BVerwG, Beschluss vom 20. September 2018 – 1 B 69/18, 1 PKH 58/18 – Juris Rn. 3).
Einer Überstellung nach Bulgarien stehen schließlich keine Stellungnahmen des UNHCR entgegen. Der Hohe Flüchtlingskommissar hat seine im Januar 2014 erhobene Forderung nach einem generellen Abschiebestopp bereits im April 2014 aufgegeben und nur für besonders vulnerable Personen von einer Abschiebung abgeraten. Ansonsten empfiehlt der UNHCR eine Einzelfallprüfung (vgl. Stellungnahme vom 6. und 7. November 2014.
Soweit sich die Kläger auf die Entscheidung des OVG Niedersachsen vom 29. Januar 2018 – 10 LB 82/17 – berufen, wird die dort vertretene Auffassung nicht geteilt, weil sie die zumutbare Erwerbstätigkeit außer Acht lässt.
Die Abschiebungsandrohung findet ihre Grundlage in § 35 AsylG, wobei die Kläger durch eine längere als die gesetzlich vorgesehene Ausreisefrist in ihren Rechten nicht verletzt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2019 – 1 C 51.18 – Juris Rn. 21). Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Abschiebungsandrohung ist das Asylgesetz in seiner aktuellen Fassung (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2019 – 1 C 51.18 – Juris Rn. 11), weshalb § 34a AsylG nicht mehr heranzuziehen ist.
Auch die gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG getroffene Feststellung, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen, ist rechtmäßig.
(2) Solche Abschiebungsverbote liegen nicht vor, weshalb sich auch der Verpflichtungsantrag als unbegründet erweist.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Im Falle einer Abschiebung nach Bulgarien droht keine konventionswidrige Behandlung. Dagegen streitet die im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems geltende Vermutung, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, der Genfer Konvention und der EMRK steht. Dies gilt insbesondere bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrensrichtlinie in dem im Rahmen des mit dieser Richtlinie eingerichteten gemeinsamen Asylverfahrens der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zum Ausdruck kommt (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. – Juris Rn. 85). Diese Vermutung wird nach dem Vorstehenden vorliegend nicht widerlegt.
Ebenso wenig greift ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ein. Das normative Vergewisserungskonzept des Art. 16a Abs. 2 GG umfasst auch solche Gefährdungen; einer Prüfung bedarf es deshalb vor einer Aufenthaltsbeendigung in sichere Drittstaaten, wozu auch Bulgarien als Mitglied der EU gehört, auch insoweit nicht (vgl. zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93 –, BVerfGE 94, 49-114, Rn. 186).
Die von der Anfechtungsklage erfasste Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes ist nicht zu beanstanden. Dass die im Bescheid getroffene Ermessensentscheidung des Bundesamts zu begründen ist, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 31 Abs. 1 Satz 2 AsylG). Zum Begründungsinhalt und -umfang kann ergänzend auf die Regelungen in § 39 Abs. 1 Sätze 2 und 3 VwVfG zurückgegriffen werden, wonach in der Begründung die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben, und die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen soll, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Inhalt und Umfang der Begründung von Ermessensentscheidungen richten sich im Übrigen nicht nach allgemeinen Maßstäben, sondern nach den Umständen des Einzelfalls (stRspr, vgl. nur BVerwG, U.v. 14.10.1965 – II C 3.63 – BVerwGE 22, 215). Auch bei der Bemessung der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 3 AufenthG hat das Bundesamt die im Zeitpunkt seiner Entscheidung bekannten Umständen zu berücksichtigen. Fallübergreifende, verallgemeinerungsfähige Kriterien können hierzu nicht festgelegt werden. Es ist jedenfalls nicht zu beanstanden, wenn das Bundesamt sich in Fällen, in denen – wie hier – keine individuellen Gründe vorgebracht werden oder ersichtlich sind, generell aus Gründen der Gleichbehandlung für eine Frist von 30 Monaten entscheidet und damit das in § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG festgelegte Höchstmaß zur Hälfte ausschöpft (vgl. zur Ausbildungsduldung Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 28. November 2016 – 11 ZB 16.30463 – Juris Rn. 4). Eine gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2008/115/EG i.V.m. Art. 3 Nr. 6 Richtlinie 2008/115/EG geforderte Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots von bestimmter Dauer wird in unionsrechtskonformer Auslegung des Aufenthaltsgesetzes regelmäßig - und so auch hier - in einer behördlichen Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG gesehen werden können (BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 – 1 VR 3.17 – Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr 5, Rn. 72).
III. Für die weiter hilfsweise geltend gemachte Leistungsklage auf Durchführung des Asylverfahrens fehlt schon Rechtsschutzbedürfnisses, weshalb sie unzulässig ist (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. September 2015 – 13 A 800/15.A – Juris Rn. 23).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.