Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat | Entscheidungsdatum | 03.02.2012 | |
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Aktenzeichen | OVG 10 S 50.10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 80 Abs 2 S 1 Nr 1 VwGO, § 80 Abs 4 S 3 VwGO, § 80 Abs 5 S 1 VwGO, § 154 Abs 1 S 1 BauGB, § 155 Abs 1 Nr 2 BauGB |
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. November 2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 12.936 EUR festgesetzt.
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einem sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrag. Sie ist Eigentümerin des mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebauten Grundstücks K… 30 - 32 in Berlin-Prenzlauer Berg. Sie hat das Gebäude saniert, wodurch ihr nach eigenem Vorbringen Baukosten in Höhe von rund 1,47 Mio. EUR entstanden sind. Sie ist zudem Eigentümerin des Nachbargrundstücks K… 34, auf dem sich ein ebenfalls von ihr saniertes Gebäude befindet, sowie des Grundstücks K… 43 - 45. Die Grundstücke liegen im ehemaligen Sanierungsgebiet Prenzlauer Berg - Kollwitzplatz, das mit Wirkung vom 28. Januar 2009 aufgehoben wurde. Es umfasste bei der Aufhebung 416 Grundstücke sowie zusätzliche Verkehrsflächen und Plätze. Mit Bescheid vom 26. Februar 2010 wurde die Antragstellerin für das Grundstück K… 30 - 32 zu einem Ausgleichsbetrag in Höhe von 51.744 EUR herangezogen. Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses.
Zu Recht geht das Verwaltungsgericht hinsichtlich seines Entscheidungsmaßstabes im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO davon aus, dass der Ausgleichsbetrag, den die Eigentümer der in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücke nach § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu entrichten haben, eine öffentliche Abgabe darstellt (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1992 - BVerwG 4 C 30/90 -, NVwZ 1993, S. 1112, juris), bei der Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO; § 212a Abs. 2 BauGB). Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs kann daher entsprechend § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO vom Gericht nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Abgabenforderung bestehen, wenn ein Erfolg des Rechtsmittels im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 24. August 2006 - OVG 10 S 7.06 -, juris Rz. 3 m.w.N.; Beschluss vom 8. Juni 2010 - OVG 2 S 13.10 -, juris Rz. 2).
Gemessen daran ist die angefochtene Entscheidung nicht abzuändern. Die Antragstellerin legt mit ihrem Beschwerdevorbringen, es sei gemäß § 155 Abs. 1 Nr. 2 BauGB auf den Ausgleichsbetrag anzurechnen, dass sie ohne Verwendung öffentlicher Mittel das Grundstück K… 30 - 32 saniert habe, wodurch Aufwendungen in Höhe von rund 1,47 Mio. EUR entstanden seien, und dass auch die Grundstücke K… 34 und 43 - 45 von ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin unter Entstehung von Aufwendungen saniert worden seien, keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides dar. Das Verwaltungsgericht ist vielmehr zu Recht zu der Bewertung gelangt, dass die Frage, ob und wieweit die von der Antragstellerin an den Gebäuden der Grundstücke K… 30 - 32 sowie an den beiden anderen in der Straße gelegenen Grundstücken bewirkten Aufwendungen zu einer nach § 155 Abs. 1 Nr. 2 BauGB anzurechnenden Bodenwerterhöhung geführt haben, eine jedenfalls tatsächlich schwierige Bewertungsfrage ist, deren Beantwortung im Hinblick auf den nur summarischen Charakter des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens dem Widerspruchs- bzw. ggf. dem Hauptsacheverfahren vorbehalten ist.
Auf den Ausgleichsbetrag sind nach § 155 Abs. 1 Nr. 2 1. Halbsatz BauGB die Bodenwerterhöhungen des Grundstücks anzurechnen, die der Eigentümer zulässigerweise durch eigene Aufwendungen bewirkt hat. Nach der Norm kommt es auf die durch die Sanierung bedingte Erhöhung des Bodenwerts des Grundstücks an, wobei diese nicht mit den Aufwendungen des Eigentümers gleichzusetzen ist, weshalb es auf die Kosten der Maßnahme selbst nicht ankommt (vgl. Berliner Kommentar zum BauGB, Band III, 3. Aufl. 2002, § 155 Rdnr. 7; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: 1. September 2011, § 155 Rdnr. 30). Das Vorbringen der Antragstellerin, sie habe zur Sanierung des Grundstücks K… 30 - 32 rund 1,47 Mio. EUR Baukosten aufgewendet, vermag daher nicht entsprechend den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO darzulegen, dass es hier zu einer Bodenwerterhöhung des Grundstücks selbst gekommen ist. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin gibt es auch keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass es durch kostenaufwendige Sanierungen an einem Gebäude zu einer entsprechenden Bodenwerterhöhung kommt. Ob und in welchem Umfang eine Anrechnung von Bodenwerterhöhungen des Grundstücks vorzunehmen ist, beurteilt sich vielmehr nach den Grundsätzen der Verkehrswertermittlung (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., § 155 Rdnr. 30). Da der Wert des Bodens eines bebauten Grundstücks grundsätzlich ohne Berücksichtigung der vorhandenen baulichen Anlagen auf dem Grundstück erfolgt (vgl. § 28 Abs. 3 WertV vom 6. Dezember 1988, BGBl. I S. 2209; § 16 Abs. 1 ImmoWertV vom 19. Mai 2010, BGBl. I S. 639), ist davon auszugehen, dass private Baumaßnahmen des Ausgleichspflichtigen an baulichen Anlagen in der Regel nicht zu sanierungsbedingten Bodenwerterhöhungen des Grundstücks selbst führen (vgl. Berliner Kommentar zum BauGB,a.a.O.). Aufwendungen zur Instandsetzung eines Gebäudes kommen daher in der Regel unmittelbar nur dem nach § 155 Abs. 1 Nr. 2 1. Halbsatz BauGB nicht maßgeblichen Gebäudewert zugute (OVG Bln-Bbg, Urteil vom 5. November 2009 - OVG 2 B 7.07 -, juris Rz 40). Allerdings kann eine Vielzahl von Bau- oder Instandsetzungsmaßnahmen an Gebäuden eines Sanierungsgebiets zu einer Lagewertverbesserung beitragen, die sich mittelbar über das allgemeine Bodenwertgefüge erhöhend auf den Bodenwert des einzelnen Grundstücks selbst auswirkt (vgl. OVG Bln-Bbg, Urteil vom 5. November 2009, a.a.O.; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., § 155 Rdnr. 40). Ob angesichts dessen die von der Antragstellerin angesprochene Formulierung in den Ausführungsvorschriften zur Ermittlung der sanierungsbedingten Bodenwerterhöhung und zur Festsetzung von Ausgleichsbeiträgen nach § 152 bis § 155 BauGB (AVAusgleichsbeträge) vom 23. Dezember 2008 (Abl. Berlin vom 20. Februar 2009, 434, Ziff. 6.2.5), wonach Baumaßnahmen eines einzelnen Eigentümers zur Verbesserung der Lagequalität und somit zur Bodenwerterhöhung nicht oder nur geringfügig beitragen, der sich aus § 155 Abs. 1 Nr. 2 1. Halbsatz BauGB ergebenden materiellen Rechtslage hinreichend Rechnung trägt, bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls ist nach den vorgenannten Grundsätzen die Frage, ob und in welchen Umfang die von der Antragstellerin als Eigentümerin durchgeführten bzw. finanzierten Sanierungsmaßnahmen, die sich immerhin auf mehrere Grundstücke in dem bei seiner Aufhebung 416 Grundstücke umfassenden Sanierungsgebiet beziehen, abweichend von der vorgenannten Regel (vgl. S. 4) zu einer Lagewertverbesserung im Sanierungsgebiet Prenzlauer Berg - Kollwitzplatz beigetragen haben, die ggf. mittelbar auch eine Bodenwerterhöhung des Grundstücks K… 30 - 32 bewirkt haben könnte, schwierig zu beantworten, sodass deren Klärung dem Widerspruchs- und einem eventuell nachfolgenden gerichtlichen Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss. Der Einwand der Antragstellerin, dass sie nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden könne, geht hingegen fehl. Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO und im nachfolgenden Beschwerdeverfahren ist der Umfang der gerichtlichen Überprüfung durch die Gegebenheiten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes beschränkt. Geht es bei der Bewertung der Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides um die Klärung schwieriger Tatsachenfragen, die im Hinblick auf den nur summarischen Charakter des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht abschließend zu klären sind, scheiden ernstliche Zweifel im Sinne des Gesetzes aus und es verbleibt bei der sofortigen Vollziehbarkeit des Abgabenbescheides im Sinne der gesetzlichen Regelung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO.
Soweit die Antragstellerin im Schriftsatz vom 24. Februar 2011 vorgetragen hat, die zur Ableitung des Bodenwertes zugrunde gelegte Zielbaummethode sei offenbar nicht geeignet, den Regelungszweck des § 155 Abs. 1 Nr. 2 BauGB auch nur annähernd abzubilden, ist dies unbeachtlich, weil dieses Vorbringen nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO erfolgt ist. Selbst wenn man es als Vertiefung vorherigen Vorbringens ansähe, ist es - gemessen an den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO - nicht hinreichend substantiiert. Bei der Bewertung von Grundstücken ist ein Wertermittlungsspielraum anzuerkennen, da die eigentliche Bewertung immer nur eine Schätzung darstellen kann sowie Erfahrung und Sachkunde voraussetzt. Dieser Spielraum besteht grundsätzlich auch bei der Wahl des Bewertungsverfahrens, weshalb die so genannte Zielbaummethode nicht grundsätzlich zu beanstanden ist (vgl. näher OVG Bln-Bbg, Urteil vom 5. November 2009, a.a.O., juris Rz. 15, 22 ff.). Mit dieser Rechtsprechung setzt sich die Antragstellerin nicht ansatzweise auseinander.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 1.5. des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 (DVBl. 2004, S. 1525).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).