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Gesonderter und einheitlicher Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensteuer 2004 bis 2013


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 9. Senat Entscheidungsdatum 19.12.2016
Aktenzeichen 9 K 9193/15 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidungen betr. die Jahre 2012 und 2013 sowie teilweiser Abänderung der Einspruchsentscheidung betr. die Jahre 2004 bis 2013 wird der Beklagte verpflichtet, Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2005 bis 2013 zu erlassen, in denen die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) in folgender Höhe festgestellt werden:

2005: ./. 6 919,93 EUR          2006: ./. 3 978,46 EUR
 2007: ./. 4 889,74 EUR          2008: ./. 2 062,56 EUR
 2009: ./. 1 033,53 EUR          2010: ./. 2 314,23 EUR
 2011: ./. 1 427,47 EUR          2012: ./. 1 650,45 EUR
 2013: ./. 1 306,38 EUR

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten zu 84 v. H. und dem Kläger zu 16 v. H. auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.

Tatbestand

Die Prozessbeteiligten streiten hauptsächlich um die Frage, ob die in den Streitjahren 2004 bis 2013 nebenberuflich erzielten negativen Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG -) als einzelunternehmerisch tätiger Dachdecker wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht ertragsteuerrechtlich irrelevant sind oder nicht.

Der am 10. September 1979 geborene Kläger war in den Streitjahren ledig und hatte keine Kinder. Er hatte seinen Hauptwohnsitz zunächst in B… und später in C… (beides Gemeinden im Bundesland Bayern) inne, weil er dort im Hauptberuf als Arbeitnehmer tätig war. Seine Eltern und weitere nahe Verwandte von ihm wohnten in D… . Während seiner Aufenthalte in D… in den Streitjahren wohnte der Kläger auf dem Wohngrundstück seiner Eltern. Auf diesem Grundstück konnte er auch das Arbeitsmaterial für das von ihm nebenberuflich betriebene Dachdeckergewerbe lagern.

Nach seiner Schulzeit durchlief der Kläger eine Ausbildung zum Dachdecker am Wohnort seiner Eltern in D… . Nach Ablegung der Gesellen- sowie der Meisterprüfung absolvierte er in den Jahren 2003 und 2004 in Köln eine Weiterbildungsmaßnahme betreffend Ausbildung zum „Fachleiter Dach- und Wandabdeckungstechnik“, die sich über insgesamt vier Monate erstreckte.

Ab Juni 2003 bis einschließlich Mai 2006 war der Kläger als angestellter Dachdeckermeister bei der E… GmbH in 85…. F… vollzeitbeschäftigt. Sein monatliches Bruttogehalt betrug 3 214,00 EUR (vgl. Arbeitsvertrag vom 6. Juni 2003 = Bl. 237 ff. d. A.). Im Zeitraum Juni 2006 bis September 2011 war er als „technischer Mitarbeiter“ für die G… GmbH in 80 H… vollzeiterwerbstätig. Sein monatliches Bruttogrundgehalt betrug 2 500,00 EUR zuzüglich Gratifikation nach Maßgabe von § 5 des Arbeitsvertrags vom 9. Juni 2006 (Bl. 227 ff. d. A.). Im Zeitraum Oktober 2011 bis Juni 2013 war der Kläger als „Technical Manager im Bereich Property & Asset Management“ im Raum H… bei einer I… GmbH angestellt, die ihren Hauptsitz in J… hat. Sein Bruttogehalt betrug monatlich 3 450,00 EUR (vgl. Anstellungsvertrag vom 26./27. Juli 2011 = Bl. 209 ff. d. A.). Seit Juli 2013 ist der Kläger bei der K… GmbH in H… für ein Bruttogehalt von monatlich 3 513,00 EUR angestellt (vgl. Arbeitsvertrag vom 2. Mai 2013 = Bl. 203 ff. d. A.). Seine Tätigkeit bestand bei allen vorgenannten Arbeitgebern hauptsächlich in der Ausführung von Dachdeckerarbeiten.

Am 10. November 2004 meldete der Kläger beim Gewerbeamt der Stadt D… rückwirkend zum 1. November 2004 die Aufnahme des selbständigen Gewerbes eines Dachdeckermeisters an. Als Adresse der Hauptniederlassung gab er das Wohngrundstück seiner Eltern in D… an. Der Beklagte erhielt am 14. Dezember 2004 eine Durchschrift dieser Anmeldung. Im Januar 2006 reichte der Kläger beim Beklagten eine unter Mitwirkung einer Steuerberaterin erstellte Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG für die Zeit vom 10. November bis zum 31. Dezember 2004 sowie die dazugehörigen Jahressteuererklärungen 2004 ein.

Der Kläger erklärte unter Mitwirkung eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe folgende Betriebseinnahmen und –ausgaben:

        

 Betriebseinnahmen

 Betriebsausgaben

 Betriebsergebnis

 (ohne USt. /USt.-Erstattungen/Privatanteile)

 10.11. – 31.12. 2004

 0,00 EUR

 4 761,24 EUR

 ./. 4 761,24 EUR

 2005 

 1 608,39   „

 9 662,94 „

 ./. 6 919,93 „

 2006 

 13 242,40   „

 19 734,88   „

 ./. 3 978,46   „

 2007 

 1 078,85   „

 6 390,20   „

 ./. 4 889,74   „

 2008 

 2 249,53   „

 4 985,79   „

 ./. 2 062,56   „

 2009 

 787,26   „

 2 020,33   „

 ./. 1 033,53   „

 2010 

 1 698,16   „

 4 335,24   „

 ./. 2 315,14   „

 2011 

 513,17   „

 2 038,42   „

 ./. 1 428,48   „

 2012 

 1 194,98   „

 3 072,84   „

 ./. 1 651,78   „

 2013 

 308,31   „

 1 695,67   „

 ./. 1 306,59   „

 2014 

 2 739,40   „

 1 777,12   „

 + 1 116,89   „

Sämtliche Ausgangsrechnungen des Klägers in den Streitjahren liegen dem erkennenden Gericht vor (Bl. 64 ff. d. A.). Der Kundenkreis des Klägers setzte sich aus seinem nicht nur regionalen, sondern auch überregionalen Freundes- und Bekanntenkreis sowie seinen Verwandten zusammen. Zum Teil wohnen die Auftraggeber in von D… weit entfernten Bundesländern. An die Allgemeinheit gerichtete Werbemaßnahmen wie z. B. Zeitungsinserate unternahm der Kläger nicht.

Der Beklagte erließ zunächst für die Streitjahre 2004 bis 2011 erklärungsgemäße Bescheide über die gesonderte Feststellung des Gewinns betr. den Dachdeckerbetrieb. Die Bescheide waren jeweils gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 AO vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, „weil zur Zeit die Gewinnerzielungsabsicht nicht abschließend beurteilt werden kann“.

Mit Schreiben vom 18. September 2012 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass dieser seit der Eröffnung des Betriebes noch keinen positiven Saldo aus Verlusten und Gewinnen erzielt habe und forderte ihn auf, seine Gewinnerzielungsabsicht darzulegen. Im Einzelnen bat der Beklagte um Vorlage des verfolgten Betriebskonzeptes und um Erläuterung der konkreten Tätigkeiten sowie um Vorlage von Kopien von Abrechnungen, Preislisten u. ä. Der Kläger wurde aufgefordert darzulegen, in welcher Weise er auf das Ausbleiben von Gewinnen reagiert hat bzw. reagieren werde. Zudem wurde er aufgefordert, eine Totalgewinnprognose einzureichen.

Mittels Schreiben vom 30. Oktober 2012 nahm der Kläger Stellung und teilte mit, er übe seine Tätigkeit nur im Nebenerwerb aus. Daher habe er in den ersten Jahren keine Gewinne erzielt. Er gehe jedoch davon aus, dass er in den nächsten zwei bis drei Jahren positive Betriebsergebnisse erreichen könne. Zudem beabsichtige er, die Tätigkeit als selbständiger Dachdecker in späteren Jahren hauptberuflich auszuüben.

Hinsichtlich der konkreten Fragen des Beklagten führte der Kläger aus, er führe diverse Dachdecker- und Klempnerarbeiten durch. Hinsichtlich der Höhe der Einnahmen verwies er auf die vorgelegten Gewinnermittlungen. Da es sich um eine nebengewerbliche Tätigkeit handele, verfüge er weder über Preislisten noch über eine Totalgewinnprognose. Er habe mit neuen Kalkulationen versucht, auf die bisher ausgebliebenen Gewinne zu reagieren.

Mit Schreiben vom 14. August 2013 kündigte der Beklagte dem Kläger gegenüber an, die Einkünftefeststellungsbescheide für die Jahre 2004 bis 2011 zu ändern und die negativen Einkünfte aus der nebengewerblichen Tätigkeit nicht mehr anzuerkennen. Es bestünden Bedenken gegen das Vorhandensein einer Gewinnerzielungsabsicht des Klägers. Die Tätigkeit werde neben einer Vollbeschäftigung und weit entfernt vom Wohnsitz ausgeübt. Auch das Verhältnis von Umsatz und Materialaufwand lasse nicht auf eine auf Gewinn ausgerichtete Tätigkeit schließen.

Der Kläger teilte mit Schreiben vom 18. Februar 2014 mit, es könne davon ausgegangen werden, dass ab dem Kalenderjahr 2014 positive Betriebsergebnisse erzielt würden.

Mit Bescheiden vom 10. April 2014 stellte der Beklagte die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) für die Jahre 2004 bis 2011 unter Berufung auf § 165 Abs. 2 AO auf jeweils 0,00 EUR fest. Dasselbe geschah mit Bescheiden vom 27. November 2013 bzw. vom 30. Januar 2015 hinsichtlich der vom Kläger für die Jahre 2012 und 2013 erklärten negativen Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Gegen die Bescheide vom 27. November 2013, 10. April 2014 und vom 30. Januar 2015 legte der Kläger fristgerecht Einsprüche ein, die jedoch erfolglos blieben. Mittels insgesamt drei Einspruchsentscheidungen vom 16. September 2015 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Gleichzeitig hob er die zuvor ergangenen Feststellungsbescheide für die Jahre 2004 bis 2013 förmlich auf. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass der Kläger in den Streitjahren hinsichtlich der von ihm erzielten negativen Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht i. S. von § 15 Abs. 2 EStG habe nachweisen können.

Am 19. Oktober 2015 ging beim FG die Klage des Klägers, vertreten durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten, ein. In der Klageschrift ist sowohl im „Betreff“ als auch beim Klageantrag nur von Bescheiden betr. die Jahre „2005 bis 2013“ die Rede. Eine Klagebegründung sollte in einem gesonderten Schriftsatz nachfolgen.

Mangels Einreichung einer Klagebegründung durch die Klägerseite forderte der Unterzeichner als Berichterstatter des 9. Senats den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 20. November 2015 gemäß § 65 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO - auf, den Gegenstand des Klagebegehrens bis zum 18. Dezember 2015 zu bezeichnen.

Am 21. Dezember 2015 ging ein Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 14. Dezember 2015 ein, in dem dieser ausführte, dass sich die Klage u. a. auch gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Kalenderjahr 2014 richte. Am selben Tag ging außerdem ein weiterer Schriftsatz desselben Prozessbevollmächtigten vom 21. Dezember 2015 beim FG ein, mit dem dieser einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i. S. von § 56 FGO wegen schuldloser Versäumung der Klagefrist stellte. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Schriftsatz vom 14. Dezember 2015 betr. Bezeichnung des Klagegegenstandes bereits am 14. Dezember 2015 fertiggestellt gewesen sei und per Telefax an das FG habe versendet werden sollen. Seiner ansonsten stets ordentlich und gewissenhaft arbeitenden Sekretariatsmitarbeiterin sei bedauerlicherweise bei der Bedienung des Telefaxgerätes nicht aufgefallen, dass laut Sendebereicht nur das Deckblatt per Telefax gesendet worden sei.

Zur Begründung seiner Klage vertieft der Kläger im Wesentlichen sein Vorbringen im Einspruchsverfahren. Ergänzend führt er aus, dass er nicht nur im Kalenderjahr 2014, sondern auch im Kalenderjahr 2015 ein positives Betriebsergebnis erzielt habe. Eine Einnahmen- Überschussrechnung für das Kalenderjahr 2015 habe sein steuerlicher Berater allerdings noch nicht erstellt. Die von ihm geltend gemachten Betriebsausgaben würden sich im Wesentlichen auf die Anschaffung von Materialien für die Ausführung der Dachdeckerarbeiten sowie auf die Anschaffung hierfür notwendiger Werkzeuge und Maschinen beziehen.

Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens wird auf die Schriftsätze seines Prozessbevollmächtigten vom 21. Dezember 2015 und vom 2. Februar 2016 (Eingang beim FG am 10. Oktober 2016) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der drei Einspruchsentscheidungen vom 16. September 2015 den Beklagten zu verpflichten, Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrund

lagen für die Jahre 2004 bis 2013 zu erlassen, in denen die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) in folgender Höhe festgestellt werden:

2004: ./. 4 761,24 EUR          2005: ./. 6 919.93 EUR
 2006: ./. 3 978,48 EUR          2007: ./. 4 889,74 EUR
 2008: ./. 2 062,56 EUR          2009: ./. 1 033,53 EUR
 2010: ./. 2 314,23 EUR          2011: ./. 1 427,47 EUR
 2012: ./. 1 650,45 EUR          2013: ./. 1 306,38 EUR

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vertieft in seiner Klageerwiderung im Wesentlichen seine Ausführungen in den angefochtenen Einspruchsentscheidungen.

Dem erkennenden Gericht haben bei seiner Entscheidung die Akten des FG Berlin-Brandenburg 9 V 9194/15 und 9 V 9037/16 betr. die vorangegangenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sowie vier Bände Steuerakten und drei Halbhefter Rechtsbehelfsvorgänge betr. den Kläger vorgelegen (StNr.: …), auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Beteiligtenvorbringens Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

A, Die Klage ist bis auf das Streitjahr 2004 zulässig. Insbesondere die notwendige „Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens“ i. S. von § 65 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO – ist hinsichtlich der Streitjahre 2005 bis 2013 bereits durch den Klageantrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Rahmen der Klageschrift vom 16. Oktober 2015 erfolgt (vgl. dazu allgemein die Rechtsprechungsnachweise bei Brandis, in: Tipke/Kruse, AO-FGO, 16. Aufl., § 65 FGO Rz. 13). Denn aus dem gestellten Klageantrag geht eindeutig hervor, dass der Kläger in der Klageschrift Folgendes begehrt hat:

-Aufhebung der Änderungsbescheide betr. gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2005 bis 2013 mit der Folge, dass die ursprünglich vom Beklagten erlassenen Feststellungsbescheide mit den darin steuerlich anerkannten negativen Einkünften aus Gewerbebetrieb „wiederaufleben“
-Abänderung der Einkünftefeststellungsbescheide des Beklagten für die Jahre 2012 und 2013 nach Maßgabe des Inhalts der beim Beklagten eingereichten Einkünftefeststellungserklärungen

Bezüglich des Streitjahres 2004 hat der Kläger die einmonatige Frist für die Klageerhebung (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO -) nicht eingehalten, denn in der Klageschrift ist nur von der Anfechtung der Einkünftefeststellungsbescheide betr. die Jahre 2005 bis 2013 die Rede (vgl. dazu bereits das richterliche Erörterungsschreiben vom 6. Januar 2016 sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 23. August 2016). Laut Aktenvermerk auf der Einspruchsentscheidung vom 16. September 2015 (= Mittwoch) wurde sie am selben Tag zur Post gegeben. Die einmonatige Klagefrist endete somit unter Berücksichtigung der Drei-Tages-Frist gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO noch im Monat Oktober 2015. Innerhalb dieses Zeitraums hat der Kläger die Klage nicht auf das Streitjahr 2004 erweitert.

B. Die Klage betr. die Streitjahre 2005 bis 2013 ist begründet.

Der Beklagte hat die ertragsteuerrechtliche Relevanz der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb als selbständiger Dachdeckermeister (§ 15 EStG) zu Unrecht verneint.

Bei Einkünften aus Gewerbebetrieb ist – wie bei allen Einkunftsarten – Voraussetzung für die Berücksichtigung positiver als auch negativer Einkünfte das Bestehen einer Gewinnerzielungsabsicht (BFH-Urteil vom 23. Mai 1985 IV R 84/82, Bundessteuerblatt – BStBl - II 1985, 515).

Gewinnerzielungsabsicht ist das Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Gestalt des Totalgewinns. Totalgewinn in diesem Sinne ist das Gesamtergebnis des Betriebs von der Gründung bis zur Veräußerung oder Aufgabe oder Liquidation (grundlegend: Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BStBl II 1984,751 unter C.IV.3.c).

An der Gewinnerzielungsabsicht fehlt es dann, wenn die Prognose des zu erwirtschaftenden Totalgewinns negativ ist und der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen und Neigungen ausübt. Es handelt sich um eine innere Tatsache, die – wie alle sich in der Vorstellung von Menschen abspielenden Vorgänge – nur anhand äußerlicher Merkmale beurteilt werden kann. Es muss deshalb im Einzelfall anhand objektiver Umstände auf das Vorliegen oder Fehlen dieser Absicht geschlossen werden. Maßgebender Beurteilungszeitpunkt ist dabei das Ende des jeweiligen Veranlagungszeitraums, wobei Verhältnisse eines abgelaufenen Zeitraums wichtige Anhaltspunkte bieten können (vgl. dazu BFH-Urteile vom 19. November 1985 VIII R 4/83, BStBl II 1986, 289 und vom 23. Mai 2007 X R 33/04, BStBl II 2007, 874).

Bei einem nebenberuflich tätigen Dachdecker, der seine selbständige Erwerbstätigkeit wegen seiner Vollzeiterwerbstätigkeit als angestellten Dachdecker in einem weit entfernten anderen Bundesland nur an den Wochenenden sowie an Urlaubstagen ausüben kann, ist zudem zu berücksichtigen, dass sich positive Einkünfte mangels der Möglichkeit, größere Aufträge auszuführen, vielfach erst nach einer längeren Anlaufzeit erzielen lassen. Deshalb lässt sich allein aus der Tatsache einer über mehrere Jahre anhaltenden Verlusterzielung nicht der Schluss ziehen, es fehle an einer Gewinnerzielungsabsicht (vgl. dazu allgemein BFH-Beschluss vom 10. Mai 2012 X B 57/11, Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2012, 1307 m. w. N.).

Wird allerdings nach einer gewissen - nicht zu kurz bemessenen – Anlaufzeit festgestellt, dass die Tätigkeiten des Klägers trotz entsprechender Bemühungen zu keinen Gewinnen führen und dass unter den gegebenen Umständen keine Aussicht besteht, ein positives Gesamtergebnis aus der gewerblichen Tätigkeit zu erzielen, so muss aus der weiteren Fortsetzung der verlustbringenden Tätigkeit der Schluss gezogen werden, dass der Dachdecker fortan nicht mehr zur Gewinnerzielung, sondern nur noch aus persönlichen Gründen tätig ist. Die im Zusammenhang hiermit erzielten Verluste dürfen das Einkommen nicht mindern (BFH-Urteil vom 23. Mai 1985 IV R 84/82, BStBl II 1985, 515; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Februar 2016 6 K 3472/14, juris).

Das erkennende Gericht ist aufgrund der objektiven Umstände des Streitfalles davon überzeugt, dass der Kläger in den Streitjahren 2005 bis 2013 mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt hat und seine gewerbliche Tätigkeit nicht von vorneherein nicht um des Erwerbes willen betrieben hat, so dass die geltend gemachten Verluste als Anlaufverluste zu berücksichtigen sind.

Der in der mündlichen Verhandlung am 19. Dezember 2016 anwesende Kläger hat überzeugend und nachvollziehbar geschildert, dass er in den Streitjahren die gewerbliche Nebentätigkeit mit dem „Hintergedanken“ ausgeübt hat, als zu Beginn der Tätigkeit noch sehr junger Dachdeckermeister (= erst 25 Jahre alt) zusätzliche berufliche Erfahrungen als selbständig tätiger Unternehmer zu sammeln, um sich bei einem günstigen wirtschaftlichen Umfeld ggf. sehr kurzfristig als in Vollzeit tätiger Dachdecker-Unternehmer beruflich engagieren zu können. Die diesbezüglichen Ausführungen des Klägers sind in sich widerspruchsfrei und glaubhaft, zumal das Dachdeckerhandwerk – einzelunternehmerisch in Vollzeit ausgeübt – wegen der vielen Konkurrenzunternehmen und des erheblichen Preisdruckes im Baugewerbe in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld zu betreiben ist.

Ein nicht unwesentliches Indiz für die wirtschaftlich schwierige Lage im Dachdeckerhandwerk ist nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts der unstreitige Umstand, dass der Kläger- obwohl im wirtschaftlich sehr prosperierenden H… Raum erwerbstätig – innerhalb eines Zeitraums von nur elf Jahren (1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2013) bei insgesamt vier verschiedenen Arbeitgebern angestellt gewesen ist, ohne dass der Arbeitgeberwechsel jeweils mit einem signifikanten Gehaltszuwachs verbunden gewesen ist.

Dass er sein selbständiges Gewerbe in Brandenburg und nicht in Bayern ausübt, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung plausibel damit begründet, dass er wegen der Zurverfügungstellung der notwendigen Räumlichkeiten durch seine Eltern hohe Betriebsausgaben für extern anzumietende Lagerräumlichkeiten für das Arbeitsmaterial und sein Werkzeug im H… Raum einspart.

Hinzu kommt der Umstand, dass der Kläger in den Jahren 2014 und 2015 nunmehr positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hat und dass der Betrieb aus der Sicht eines sachkundigen Beobachters nach Wesensart und Bewirtschaftung objektiv geeignet ist, mit Totalgewinn zu arbeiten (vgl. dazu BFH-Urteil vom 20. September 2007 IV R 20/05, BFH/NV 2008, 532 m.w.N.).

Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus der Möglichkeit des Klägers, die negativen Einkünfte aus Gewerbebetrieb in den Streitjahren mit seinen positiven Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit verrechnen zu können.

Allein die Möglichkeit, entstehende Verluste mit steuersparender Wirkung mit anderen Einkünften desselben Veranlagungszeitraums verrechnen zu können, kann nach der Rechtsprechung des BFH, der das erkennende Gericht folgt, im Regelfall nicht in tragender Funktion als persönliches Motiv dafür herangezogen werden, dass der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit aus einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Beweggründen ausübt. Denn es widerspricht der ökonomischen Vernunft, einen Verlustbetrieb, in den laufend und unwiederbringlich Kapital nachgeschossen werden muss, nur deshalb zu unterhalten, um eine steuerrechtliche Verlustverrechnung vornehmen zu können. Etwas anderes gilt nur, wenn der Steuerpflichtige durch die Verluste tatsächlich wirtschaftlich nicht belastet wird, etwa wenn das Geschäftskonzept des Steuerpflichtigen darauf beruht, zunächst buchmäßige Verluste – etwa durch Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen – auszuweisen und zu einem späteren Zeitpunkt steuerfreie oder –begünstigte Veräußerungsgewinne zu erzielen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 23. Mai 2007 X R 33/04, BStBl II 2007, 874). Im vorliegenden Fall ist diese Konstellation nicht gegeben. Der Kläger macht noch nicht einmal die (in der Regel hohe) „normale“ Abschreibung eines (neuen) Pkw‘s als Betriebsausgabe geltend. Überdies werden für die Jahre 2005 bis 2013 nur Verluste von durchschnittlich rund 2 800,00 EUR pro Veranlagungszeitraum geltend gemacht, mit denen angesichts der übrigen, nicht sehr hohen Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit keine außergewöhnlich hohen Steuerersparnisse verbunden sind.

Der Kläger hat sich in den Streitjahren mit seiner nebenberuflichen Tätigkeit als selbständiger Dachdecker auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr i. S. von § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG beteiligt. Dass er in den Jahren 2005 bis 2013 nur (entgeltliche) Dienstleistungen gegenüber Freunden und Verwandten (die zum Teil in weit entfernten Bundesländern wohnten) erbracht und keine nach außen gerichtete Werbemaßnahmen unternommen hat, ist nach der BFH-Rechtsprechung, der das erkennende Gericht folgt, unerheblich. Der Kläger hat sich mit seiner Tätigkeit an eine – wenn auch begrenzte – Allgemeinheit gewandt (vgl. dazu nur BFH-Urteil vom 28. Juni 2001 IV R 10/00, BStBl II 2002, 338 sowie Reiß, in: Kirchhof, EStG, 15. Aufl. (2016), § 15 Rz. 29, jeweils m. w. N.).

Die Höhe der vom Kläger in seinen Feststellungserklärungen nebst dazugehörigen Einnahmen-Überschussrechnungen für die Streitjahre 2005 bis 2013 geltend gemachten negativen Einkünfte aus Gewerbebetrieb ist zwischen den Prozessbeteiligten unstreitig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 sowie auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis auf §§ 151 Abs. 3 und 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung – ZPO -.