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Personalratswahl; Wahlanfechtung; geheime Wahl; unbeobachtete Kennzeichnung der Stimmzettel; Wahlkabine; Wandschirm; Wahlzelle; Wahlurne; Verschluss


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg Fachsenat für Personalvertretungssachen (Land) Entscheidungsdatum 23.08.2018
Aktenzeichen OVG 60 PV 11.17 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2018:0823.60PV11.17.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 16 Abs 1 PersVG BE, § 22 Abs 1 PersVG BE, § 15 Abs 1 PersVGWahlO BE, § 15 Abs 2 S 3 PersVGWahlO BE

Leitsatz

Der Wahlvorstand genügt seiner Pflicht aus § 15 Abs. 1 WOPersVG, Vorkehrungen zu treffen, damit der Wähler den Stimmzettel im Wahlraum unbeobachtet kennzeichnen kann, nicht, wenn der Wähler die Wahlhandlung stehend an einem Tresen in einem gleichzeitig zu dienstlichen Zwecken genutzten Kassenraum einer Dienststelle vornehmen muss und der auf dem Tresen aufgebaute Wandschirm dem Wähler den Eindruck vermittelt, dass hinter seinem Rücken vorbeigehende andere Personen die Kennzeichnung des Stimmzettels beobachten können.

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Antragsteller ihren Antrag zurückgenommen haben.

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. Oktober 2017 geändert.

Die Wahl zum Personalrat des Vorstandsbereichs Omnibus Nord der Berliner Verkehrsbetriebe vom 15. bis 17. November 2016 wird für unwirksam erklärt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Antragsteller sind Beschäftigte der BVG in der Dienststelle Vorstandsbereich Omnibus Nord (VBO Nord). Vom 15. bis zum 17. November 2016 fanden die Wahlen zu den örtlichen Personalräten und zum Gesamtpersonalrat statt. Die Antragsteller fechten (nach Teilrücknahme nur noch) die Wahl zum Personalrat ihrer Dienststelle an. Gewählt wurde in den Räumlichkeiten der drei der Dienststelle VBO Nord zugeordneten Betriebshöfe „Indira-Gandhi-Straße“, „Müllerstraße“ und „Spandau“. Das Wahlergebnis wurde am 18. November 2016 bekannt gegeben. Danach entfielen von den 853 gültigen Stimmen 287 Stimmen auf die Liste 1 („Kraft durch Basis“), 419 Stimmen auf die Liste 2 („ver.di“), 136 Stimmen auf die Liste 3 („Offene Liste“) und 11 Stimmen auf die Liste 4 („gkl berlin“), woraus sich folgende Sitzverteilung für die 13 Personalratsmandate ergab: Vier Sitze für die Liste 1, darunter die Antragsteller zu 1 und 3, sieben Sitze für die Liste 2 und zwei Sitze für die Liste 3, die Antragsteller zu 2 und 4.

Mit am 1. Dezember 2016 beim Verwaltungsgericht Berlin eingegangenem Antrag haben die Antragsteller die Wahlen zum örtlichen Personalrat und zum Gesamtpersonalrat angefochten: Am 15. November 2016 habe die Wahlkabine im Wahllokal „Müllerstraße“ längere Zeit so im Raum gestanden, dass Personen hätten hinter dem Wähler vorbeigehen und in die Kabine sehen können (1); am selben Tag gegen 4:30 Uhr sei dort nur ein Wahlhelfer im Wahlraum anwesend gewesen (2); aus dem Deckelscharnier der Wahlurne im Wahlraum „Müllerstraße“ habe der Bolzen so weit herausgehangen, dass er ohne weiteres hätte ganz herausgezogen werden können (3); bei der Stimmauszählung im Betriebshof „Spandau“ sei der Deckel der Wahlurne aus dem Wahllokal „Indira-Gandhi-Straße“ beim Öffnen und Auskippen der Urne heruntergefallen (4); neben der Wahlkabine im Wahlraum „Müllerstraße“ habe unzulässige Wahlwerbung ausgelegen, nämlich Taschenkalender der Gewerkschaft „ver.di“ sowie „Flyer“ mit dem Aufdruck „Liste 2“, wie sie auch außerhalb des Wahllokals von „ver.di“ plakatiert gewesen seien (5); ein Wahlhelfer habe im Wahlraum „Müllerstraße“ einem wahlberechtigten Kollegen den Hinweis gegeben: „Ich habe ‚ver.di‘ gewählt, das empfehle ich auch Dir“ (6); ein Beschäftigter, Herr D., habe in der Raucherecke außerhalb des Wahlbüros zwei Originalstimmzettel bei sich gehabt, habe diese zwei wahlberechtigten Kollegen gezeigt und sich mit ihnen unterhalten (7); bei einem Freiumschlag zur Rücksendung der Briefwahlunterlagen sei die Gummierung veraltet oder mangelhaft gewesen, so dass er sich nicht habe verschließen lassen; bei der Stimmauszählung hätten sich einzelne Freiumschläge von Briefwählern bereits geöffnet gehabt, die Stimmen seien gleichwohl als gültig gewertet worden (8); zwei Briefwähler hätten am 1. November 2016 im hierfür vorgesehenen Raum des Personalrats auf dem Betriebshof „Müllerstraße“ ihre Briefwahlunterlagen den beiden anwesenden „ver.di“-Listenbewerbern geben müssen, die sie unter den dort stehenden Büro-tischen hätten verschwinden lassen (9). Diese Verstöße gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren seien nicht berichtigt worden und hätten das Wahlergebnis ändern oder beeinflussen können. Die Liste 1 habe nur 12 zusätzliche Stimmen gebraucht, um den 13. Sitz im Personalrat für sich beanspruchen zu können.

Die Antragsteller haben beantragt,

1. die Personalratswahl vom 15. bis 17. November 2016 im Betriebsteil VBO-N des Beteiligten zu 2 für unwirksam zu erklären und

2. die Wahl zum Gesamtpersonalrat vom 15. bis 17. November 2016 für den Betriebsteil VBO-N des Beteiligten zu 3 für unwirksam zu erklären.

Die Beteiligten haben zur Begründung ihres Zurückweisungsantrags vorgetragen, es habe keine Verstöße gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren gegeben.

Ad 1: Die Position der Wahlkabine in dem als Wahlraum genutzten Kassenraum am Betriebshof „Müllerstraße“ sei bei einer Begehung am 14. November 2016 von Seiten der Listenvertreter nicht beanstandet worden. Auf dem Tresen im Kassenraum sei eine von drei Seiten geschlossene Kabine aufgebaut gewesen. Die Stimmabgabe sei im Stehen erfolgt. Eine Einsicht anderer Personen von hinten sei nicht möglich gewesen, weil der Körper des Wählers die Wahlhandlung verdeckt habe. Die andere Person hätte über die Schulter des Wählers schauen müssen, was indes nicht vorgekommen sei. Erst am 15. November 2016 sei die Position der Wahlkabine gerügt worden, weshalb sie noch am Nachmittag desselben Tages in eine Ecke des Raumes verschoben worden sei. Von der nunmehr ordnungsgemäßen Position der Wahlkabine habe sich auch der Vorsitzende des Gesamtwahlvorstands überzeugt.

Ad 2: Am 15. November 2016 gegen 4:30 Uhr habe ein Mitglied des Wahlvorstandes, Herr Z., vor der Tür des Wahllokals gestanden, während sich ein weiteres Mitglied des Wahlvorstands, Herr B., im Wahllokal befunden habe. Beide hätten aber die Wahlurne im Blick gehabt. Darüber hinaus sei in dem gesamten Zeitraum, in dem sich Herr Z. vor der Tür befunden habe, kein Wahlberechtigter im Wahlraum anwesend gewesen.

Ad 3: Das Herausragen des Bolzens der Wahlurne im Wahllokal „Müllerstraße“ sei dem Wahlvorstand am 15. November 2016 gemeldet worden. Am selben Tag habe der Wahlhelfer, der Zeuge K., die Urne geprüft und festgestellt, dass sich der Bolzen entgegen dem ersten Anschein nicht habe herausziehen und die Urne sich auf diesem Wege nicht habe öffnen lassen. Herr K. habe aber das Scharnier zusätzlich mit Sekundenkleber verklebt.

Ad 4: Der Deckel der Wahlurne im Wahllokal „Indira-Gandhi-Straße“ sei nicht schon bei der Leerung beschädigt worden. Vielmehr habe sich ein Mitglied des Wahlvorstands, Herr B., nach Öffnung und Leerung der Wahlurne versehentlich auf den Deckel gestützt, der dabei abgebrochen sei. Die Urne sei also während der Stimmabgabe intakt gewesen.

Ad 5: Wahlwerbung der Gewerkschaft „ver.di“ habe zu keinem Zeitpunkt im Wahllokal in der Müllerstraße ausgelegen. Ein Wähler habe lediglich zwei „ver.di“-Taschenkalender auf dem Tisch, auf dem die Wahlvorschläge gelegen hätten, zusammen mit seiner Tasche abgelegt. Nach seiner Stimmabgabe habe er die Tasche wieder an sich genommen, allerdings die beiden Kalender vergessen. Diese seien aber schon nach ca. fünf Minuten entdeckt und vom Zeugen K. entfernt worden.

Ad 6: Es treffe nicht zu, dass das Mitglied des Wahlvorstands, Herr Z., gegenüber einem Kollegen die Empfehlung ausgesprochen habe, „ver.di“ zu wählen. Vielmehr sei der Kollege auf Herrn Z. zugekommen und habe ihn gefragt, was er wählen solle. Daraufhin habe dieser erwidert, er habe „ver.di“ gewählt. Der Halbsatz „das empfehle ich dir auch“ sei nicht geäußert worden. Herr Z. sei anschließend von Herrn B. darauf hingewiesen worden, dass er solche Kommentare im Wahllokal zu unterlassen habe, was dieser dann auch getan habe.

Ad 7: Der von den Antragstellern benannte Herr D. habe die erwähnten Original-Stimmzettel benutzt, um jüngeren Kollegen, die zum ersten Mal an einer Personalratswahl teilgenommen hätten, das Wahlverfahren zu erklären. Nach Aufforderung durch den Wahlvorstand habe Herr D. die Originalstimmzettel umgehend vernichtet.

Ad 8: Die Beteiligten bestreiten, dass die den Briefwählern zur Verfügung gestellten Briefumschläge veraltet oder mangelhaft gewesen seien. Die Briefumschläge seien extra für die Wahl neu bestellt worden. Sämtliche Briefe seien zum Zeitpunkt der Stimmauszählung noch verschlossen gewesen.

Ad 9: Die Herren G. und K. hätten die von den beiden Briefwählern überreichten Briefwahlumschläge nicht „unter den dort stehenden Bürotischen verschwinden lassen“. Vielmehr hätten sie die Briefwahlumschläge zu den anderen Briefwahl-umschlägen, die gesondert aufbewahrt und täglich dem Wahlvorstand übergeben worden seien, gelegt. Dementsprechend seien sie auch mit den übrigen Briefwahlumschlägen dem Wahlvorstand übergeben worden.

Richtig zu stellen sei ferner die Zahl der benötigten Stimmen für ein weiteres der insgesamt zu vergebenden 13 Mandate. Damit der 13. Sitz an die Liste 1 anstelle der Liste 2 gegangen wäre, hätte Liste 1 nicht 12, sondern 13 weitere Stimmen benötigt. Es könne aber ausgeschlossen werden, dass die behaupteten Verstöße, wenn sie denn vorgekommen sein sollten, das Wahlergebnis beeinflusst hätten.

Die Fachkammer hat die Herren F., L. und K. als Zeugen zu den Einzelheiten in Bezug auf die Wahlkabine gehört. Während der Zeuge L. bekundet hat, er könne zum Wahllokal in der Dienststelle VBO-N nichts sagen, weil er dort nicht gewählt habe, hat der Zeuge F. ausgesagt, er habe am 16. November 2016 gegen 5:00 Uhr im Kassenraum des Betriebshofs „Müllerstraße“ gewählt. Er habe am Tresen gewählt, es habe keine Wahlkabine im Raum gegeben. Auf Vorhalt des von den Antragstellern zur Akte gereichten Fotos hat er angegeben, dass dies nicht der Kassenraum sei, in dem er gewählt habe, der sehe ganz anders aus, auf dem Bild befänden sich ja auch Wahlkabinen, die seien bei ihm nicht vorhanden gewesen. Während seiner Wahlhandlung seien Beschäftigte vor und hinter ihm vorbeigelaufen und hätten erkennen können, wie er abgestimmt habe. Der Zeuge K. hat erklärt, er sei Wahlhelfer gewesen. Wahlhelfer, Wahlvorstand und Listenvertreter hätten am 12. November 2016 vereinbart, den Wahltisch mit Wahlkabine in der Mitte des Kassenraums zu platzieren. Am 15. November 2016 gegen 12:00 Uhr habe er vom Wahlvorstand, Herrn B., die Anweisung erhalten, die Wahlkabine so aufzustellen, dass an dem Wählenden niemand mehr vorbeilaufen könne. Daraufhin hätten sie dann die Wahlkabine in die hintere linke Ecke des Raumes versetzt, so dass die Wähler dort unbeobachtet ihre Stimme hätten abgeben können. Vorher seien auch immer Leute rein und raus gelaufen. Nach seiner Erinnerung hätten die Personen, die an den Wählenden vorbeigelaufen seien, nicht sehen können, wie dort abgestimmt worden sei. Die Wahlkabine habe sich auf einem Tresen befunden und sei max. 80 cm breit gewesen, so dass die Wahl durch den eigenen Körper des Wählenden verdeckt worden sei. Er habe während der Wahlzeit auch nicht gesehen, dass jemand einem Wählenden über die Schulter geschaut habe. Wahlhelfer und Wahlvorstand hätten unmittelbar am Eingang des Raumes gesessen und den Wahlakt beobachtet. Auf dem von den Antragstellern eingereichten Foto sei er von hinten zu sehen, wie er gerade telefoniere. Man erkenne auch den Kassenraum und vorn rechts die Wahlkabine. Das Foto stamme aus einem Video, das der Antragsteller zu 1 durch die geöffnete Tür des Kassenraums gefilmt habe.

Mit Beschluss vom 11. Oktober 2017 hat das Verwaltungsgericht Berlin die Anträge zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Feststellungsanträge seien zulässig, insbesondere form- und fristgerecht beim Verwaltungsgericht erhoben. Die Anträge seien jedoch unbegründet. Nach den Feststellungen der Kammer lägen keine wesentlichen Verstöße über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren vor, die die Feststellung der Ungültigkeit der Wahlen rechtfertigen könnten.

Ad 1: Soweit die Antragsteller behaupteten, dass durch den ursprünglichen Standort der Wahlkabine im Kassenraum keine unbeobachtete Stimmabgabe möglich gewesen sei, weil Beschäftigte während des Wahlvorganges an den Wählenden vorbeigehen und sie bei der Wahl hätten beobachten können, sei die Kammer aufgrund der Zeugenaussagen und des eingereichten Fotos zu der Überzeugung gelangt, dass der Grundsatz der geheimen Wahl gewahrt worden sei. Die Aussagen der Zeugen F. und L. ließen eine Beurteilung der Situation im Wahllokal „Müllerstraße“ am 15. November 2016 nicht zu. Der Zeuge K. habe hingegen glaubhaft bekundet, dass er auf dem eingereichten Foto telefonierend zu erkennen sei und auf Wunsch des Vorsitzenden des Wahlvorstandes am Mittag des 15. November 2016 die auf dem Bild befindliche Wahlkabine in die hintere linke Ecke verschoben habe. Dies könne zwar dafür sprechen, dass der Standort der Wahlkabine in der Mitte des Raumes trotz der zuvor getroffenen Absprache Bedenken hinsichtlich der Einhaltung des Grundsatzes der geheimen Wahl begegne, weil der Kassenraum stark frequentiert werde. Die Kammer sei aber nach der Aussage des Zeugen K. und aufgrund des von den Antragstellern eingereichten Fotos davon überzeugt, dass kein Verstoß gegen das Wahlgeheimnis vorgelegen habe. Die Wählenden hätten ihre Stimme ausweislich des Fotos im Stehen an einem Tresen abgegeben und seien während des Wahlaktes von einer Wahlkabine von den Seiten und von vorn abgedeckt gewesen. Angesichts des geringen Abstandes zwischen dem Wählenden und den Wänden der Wahlkabine sei es nach Auffassung der Kammer praktisch ausgeschlossen, unbemerkt im Vorbeigehen Feststellungen über das Wahlverhalten der Wähler treffen zu können. Vielmehr müssten sich andere Personen auffällig über den Rücken der Wählenden oder zwischen deren Schultern und der Wahlkabine hineinzwängen, was schlechterdings nicht unbemerkt möglich sei. Es könne schließlich auch ausgeschlossen werden, dass sich die Wählenden durch den Standort des Wahltresens und der Wahlkabine in einer Weise beobachtet gefühlt hätten, die Einfluss auf ihr Wahlverhalten gehabt habe. Eine solche Beeinflussung des Wahlverhaltens wäre nur dann denkbar, wenn die Wählenden bei dem Wahlvorgang davon hätten ausgehen müssen, dass sie während ihrer Wahl beobachtet würden und ihre Stimmabgabe für Dritte erkennbar wäre. Dies sei aber aufgrund der Enge der Wahlkabine und der Höhe des Tresens ausgeschlossen, da die Wählenden die Stimmabgabe mit ihrem eigenen Körper abgeschirmt hätten. Die weiteren von den Antragstellern geltend gemachten Rügen griffen ebenfalls nicht durch.

Ad 2: Zwar müssten mindestens zwei Mitglieder des Wahlvorstandes bzw. ein Mitglied des Wahlvorstandes und ein Wahlhelfer im Wahlraum anwesend sein, solange der Wahlraum zur Stimmabgabe geöffnet sei. Selbst wenn es am 15. November 2016 zu einem Verstoß gekommen sei, habe dieser das Wahlergebnis nicht beeinflussen können. Denn nach dem Vorbringen der Beteiligten habe sich zum maßgeblichen Zeitpunkt kein Wahlberechtigter im Wahlraum aufgehalten und der zweite Wahlvorstand habe vor der Tür gestanden und die Urne die ganze Zeit im Blick gehabt. Dieses Vorbringen werde von den Antragstellern nur unsubstantiiert mit Nichtwissen bestritten.

Ad 3: Das teilweise Herausragen des Bolzens am Scharnier der Wahlurne im Wahllokal „Müllerstraße“ stelle keinen Verstoß gegen das Wahlverfahren dar. Zwar seien die Wahlurnen vor der Stimmabgabe bis zum Öffnen zu verschließen. Die Antragsteller trügen aber nicht vor, dass die Urne unverschlossen gewesen sei, sondern nur, dass der Bolzen hätte herausgezogen werden können. Die bloße Möglichkeit, die Urne zu öffnen, stelle jedoch noch keinen Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften dar.

Ad 4: Ebenso wenig begründe der Vortrag, der Deckel der Wahlurne im Wahllokal „Indira-Gandhi-Straße“ sei beim Auszählen herausgefallen, eine Wahlanfechtung. Selbst wenn der Deckel nicht intakt gewesen wäre, wofür das Herunterfallen sprechen möge, sei damit nicht belegt, dass der Deckel schon während der Wahlzeit entfernt worden sei und die Urne während der Wahl offen gestanden habe.

Ad 5: Im Wahllokal in der Müllerstraße sei keine Wahlwerbung betrieben worden. Die versehentlich liegen gelassenen Kalender mit der Aufschrift „ver.di“ stellten schon deshalb keine Wahlwerbung dar, weil es an einem Bezug zu der konkreten Personalratswahl fehle. In Bezug auf die „Flyer“ fehle es schon am Vortrag, welchen Inhalt diese gehabt haben sollen. Zudem sei auch nicht dargelegt, dass Kalender und der „Flyer“ trotz entsprechender Beschwerden vom Wahlvorstand nicht entfernt worden wären. Dessen hätte es aber bedurft. Zwar sei nach § 17 der Wahlordnung zum Berliner Personalvertretungsgesetz (WOPersVG Berlin) jegliche mündliche oder schriftliche Wahlwerbung im Wahlraum unzulässig. Nicht jeder Verstoß gegen diese Vorschrift führe jedoch zur Ungültigkeit der Wahl. Nach Satz 2 der Vorschrift könne der Vorsitzende des Wahlvorstandes, in seiner Abwesenheit das ihn vertretende Mitglied des Wahlvorstandes, jede Person aus dem Wahlraum verweisen, die gegen das Werbeverbot verstoße oder die Ruhe und Ordnung sowie die ordnungsgemäße Durchführung der Wahlhandlung störe. Diese Regelung wäre aber sinnlos, wenn schon bei der ersten Wahlwerbung die Wahl wiederholt werden müsste, ohne dass es darauf ankäme, ob der Wahlvorsteher von seinem Recht Gebrauch gemacht habe, die Person aus dem Wahlraum zu verweisen. Dies zeige, dass der Verstoß nur dann erheblich sei, wenn der Wahlvorsteher die Werbung nicht unterbinde.

Ad 6: Aus demselben Grund könnten die Antragsteller mit der Behauptung, ein Wahlhelfer habe am 16. November 2016 gegenüber einem Wahlberechtigten die Empfehlung ausgesprochen, die Liste 2 zu wählen, nicht durchdringen. Auch insoweit trügen die Antragsteller nicht vor, dass der Vorsitzende des Wahlvorstandes die etwaige Wahlwerbung nicht unterbunden hätte.

Ad 7: Kein Wahlverstoß sei darin zu erblicken, dass ein Mitarbeiter in der Raucherecke außerhalb des Wahllokals zwei Originalstimmzettel dabei gehabt und diese zwei wahlberechtigten Kollegen gezeigt habe.

Ad 8: Ebenso wenig ergebe sich aus der von den Antragstellern behaupteten mangelhaften Gummierung der Freiumschläge ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften bei der Briefwahl. Nach § 15a Abs. 2 WOPersVG Berlin verschließe der Wähler den Freiumschlag. Stelle er fest, dass sich der Freiumschlag nicht ordnungsgemäß verschließen lasse, obliege es ihm, den Wahlvorstand darauf hinzuweisen, um einen neuen, verschließbaren Freiumschlag zu erhalten oder den Umschlag auf andere Weise selbst zu verschließen.

Ad 9: Auch die Behauptung, zwei Wahlberechtigte hätten bei der Briefwahl ihren Rückumschlag zwei Mitarbeitern im Personalratsbüro übergeben, begründe keinen Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften. Der Briefwähler könne sich bei der Übergabe der Briefwahlunterlagen auch eines Boten bedienen, solange er davon ausgehen dürfe, dass dieser den Freiumschlag ungeöffnet an den Wahlvorstand weiterleite.

Träfe der Vortrag der Antragsteller zu, dass die Wahlbriefe erst bei der Auszählung am 17. November 2016 ab 18.00 Uhr aus den Freiumschlägen entnommen worden seien, würde dies zwar gegen § 15b WOPersVG Berlin verstoßen, weil die Freiumschläge unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe zu öffnen und die Wahlbriefe in die Wahlurne zu werfen seien, wenn die schriftliche Stimmabgabe ordnungsgemäß erfolgt sei. Es sei aber nicht dargetan, dass der Wahlvorstand damit Wahlbriefe in die Wahlurne eingelegt habe, bei denen die schriftliche Stimmabgabe nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Vielmehr behaupteten die Antragsteller lediglich unsubstantiiert, dass die Freiumschläge nicht gegen ein unbefugtes Austauschen gesichert gewesen seien. Auch insoweit erschöpfe sich der Vortrag in der Spekulation, die Freiumschläge seien möglicherweise unbefugt geöffnet und Wahlbriefe ausgetauscht worden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsteller, zu deren Begründung sie vortragen:

Ad 1: Für die Annahme eines Verstoßes gegen das Wahlgeheimnis genüge es, wenn nur ein Wähler habe davon ausgehen müssen, dass er während der Wahl beobachtet werde und die Stimmabgabe für andere erkennbar sei. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei dies aber aufgrund der Größe der Wahlkabine und der Höhe des Tresens nicht ausgeschlossen gewesen, denn die Wähler hätten bei der Stimmabgabe diese nicht zwingend mit ihrem eigenen Körper abschirmen können. Bereits das Hin- und Hergehen des Zeugen K. hinter dem Rücken der Wähler führe zu einer Beobachtung und damit zu einem Verstoß gegen die Grundsätze der geheimen Wahl. Bis zum Versetzen der Wahlkabine hätten bereits 130 Wähler im Wahllokal „Müllerstraße“ ihre Stimme abgegeben.

Ad 2: Unstreitig habe sich zum maßgeblichen Zeitpunkt nur ein Mitglied des Wahlvorstands bzw. ein Wahlhelfer im Wahlraum aufgehalten. Ob der Verstoß das Wahlergebnis habe beeinflussen können, hänge davon ab, ob sich ein Wahlberechtigter im Wahlraum aufgehalten habe. Darüber hätte das Verwaltungsgericht Beweis erheben müssen.

Ad 3: Gleiches gelte für die Behauptung, der Bolzen an einer Wahlurne habe herausgezogen werden können. Ein Gutachter könne ohne weiteres feststellen, ob sich der Stift herausziehen lasse und ob sich ggf. Reste von Sekundenkleber am Scharnier befänden.

Ad 4: Die Urne aus dem Wahllokal „Indira-Gandhi-Straße“ sei bei der öffentlichen Auszählung im Betriebshof „Spandau“ am Abend des 17. November 2016 geöffnet worden. Beim Auskippen der Wahlunterlagen sei der Deckel heruntergefallen. Da sich die Wahlurnen über Nacht in einem Raum befunden hätten, der nicht nur für Mitglieder des Wahlvorstandes zugänglich gewesen sei, habe die Möglichkeit bestanden, die Wahlurnen zu öffnen und Wahlzettel einzulegen oder zu entfernen.

Ad 5: Die „Flyer“ seien vom Wahlvorstand ausgelegt worden. Jedenfalls habe der Wahlvorstand die Wahlwerbung nicht entfernt, sodass sie ihm zuzuschreiben sei. Eine Berichtigung des Verstoßes sei nicht erfolgt, eine Beeinflussung des Ergebnisses der Wahl nicht ausgeschlossen.

Ad 8: Stelle die Dienststelle selbstklebende Rückumschläge zur Verfügung, müsse es sich um mängelfreie Exemplare handeln, die sich nicht lösen dürften. Es sei bei der öffentlichen Auszählung aufgefallen, dass sich einzelne Umschläge von Briefwählern bereits geöffnet hätten. Jedenfalls hätten diese Umschläge, bei denen sich die Verklebung gelöst habe, nicht gewertet, sondern für ungültig erklärt werden müssen, was aber nicht geschehen sei.

Ad 9: Es möge zutreffen, dass sich ein Briefwähler zur Übergabe des Freiumschlags mit den Wahlunterlagen eines Boten bedienen könne, solange er davon ausgehen dürfe, dass dieser den Freiumschlag ungeöffnet an den Wahlvorstand weiterleite. Letzteres sei hier jedoch nicht der Fall gewesen. Es habe keine Möglichkeit gegeben, dem Wahlvorstand die Unterlagen zu übergeben, da es keinen „Briefkasten“ für den Wahlvorstand gegeben habe und die beiden benannten Briefwähler sich ihre Boten nicht hätten aussuchen können.

Nachdem die Antragsteller ihren Antrag zu 2 betreffend die Wahl zum Gesamtpersonalrat zurückgenommen haben, beantragen sie nunmehr,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. Oktober 2017 zu ändern und die Personalratswahl vom 15. bis 17. November 2016 im Betriebsteil VBO-N des Beteiligten zu 2 für unwirksam zu erklären.

Die Beteiligten beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung und ergänzen ihr Vorbringen.

Ad 1: Es komme nicht darauf an, ob sich mindestens ein Wähler beobachtet gefühlt habe, sondern darauf, dass der Wähler sich aufgrund konkreter Umstände objektiv nachvollziehbar nicht unbeobachtet habe fühlen können und es möglich gewesen sei zu sehen, ob er den Stimmzettel überhaupt verändert habe, selbst wenn ihn niemand tatsächlich beobachtet haben sollte. Angesichts der Abschirmung des Wahlzettels bei Stimmabgabe von allen vier Seiten sei dies nicht der Fall gewesen.

Ad 2: Am 15. November 2016 gegen 4:30 Uhr sei die zweite Tür zum Kassenraum verschlossen gewesen, es sei kein Wahlberechtigter im Wahlraum gewesen, eine Wahlbeeinflussung also nicht möglich.

Ad 3: Unstreitig habe der Bolzen im Scharnier der Wahlurne ein kleines Stück aus dem Scharnier herausgeragt. Die Antragsteller behaupteten „ins Blaue“, dass sich der Bolzen leicht hätte herausziehen lassen. Aufgrund einer solchen Behauptung habe das Verwaltungsgericht nicht weiter ermitteln müssen. Das Wahlbüro sei über Nacht verschlossen gewesen.

Ad 4: Der Deckel der anderen Wahlurne habe während der Stimmabgabe fest auf der Wahlurne gesessen und habe sich erst beim Auskippen der Wahlunterlagen gelöst. Er bestehe aus zwei Teilen, die durch Nägel verbunden gewesen seien. Diese Verbindung mache es unmöglich, dass der Deckel nach oben abgenommen oder heruntergeschoben werden könne. Die Verbindungsnägel zwischen den beiden Deckelteilen seien auf den von den Antragstellern eingereichten Fotos zu erkennen.

Ad 5: Unklar sei, wie die Antragsteller zu der Erkenntnis gelangt seien, dass die „Flyer“ vom Wahlvorstand ausgelegt worden seien. Abgesehen davon hätten die Wähler nicht erkennen können, wer die „Flyer“ ausgelegt habe.

Ad 8: Es gebe keine Verpflichtung, den Wählern selbstklebende Umschläge zur Verfügung zu stellen. Gegebenenfalls müsse der Briefwähler selbst für einen Verschluss sorgen. Es werde bestritten, dass sich einzelne Briefumschläge zum Zeitpunkt der Auszählung bereits geöffnet hätten.

Ad 9: Hätten die von den Antragstellern benannten Briefwähler den beiden bei „ver.di“ organisierten Personalratsmitgliedern nicht vertraut, hätten sie die Umschläge auf dem Postweg senden können.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten einschließlich Anlagen Bezug genommen.

II.

Soweit die Antragsteller ihren Antrag mit Zustimmung der Beteiligten zurückgenommen haben, ist das Verfahren einzustellen (§ 91 Abs. 2 PersVG Berlin i.V.m. § 87 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 81 Abs. 2 Satz 2 ArbGG).

Die Beschwerde der Antragsteller, mit der sie nur noch die Wahl zum örtlichen Personalrat anfechten, ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat es zu Unrecht abgelehnt, die Unwirksamkeit der Wahl zum Personalrat des Vorstandsbereichs Omnibus Nord der Berliner Verkehrsbetriebe vom 15. bis 17. November 2016 für unwirksam zu erklären.

Zu Recht ist die Zulässigkeit des Wahlanfechtungsantrags zwischen den Verfahrensbeteiligten nicht im Streit. Gemäß § 22 Abs. 1 PersVG Berlin kann die Wahl des Personalrats von mindestens drei Wahlberechtigten, jeder in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaft oder dem Leiter der Dienststelle binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, beim Verwaltungsgericht angefochten werden.

Die vier unstreitig zum Personalrat des Vorstandsbereichs Omnibus Nord der Berliner Verkehrsbetriebe wahlberechtigten Antragsteller erfüllen das Anfechtungsquorum.

Die Frist von zwei Wochen zur Stellung des Wahlanfechtungsantrags vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet ist eingehalten. Denn das Wahlergebnis wurde am Freitag, dem 18. November 2016, bekanntgegeben, sodass die Frist mit Ablauf des Freitags, des 2. Dezember 2016, endete (vgl. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB) und der am Donnerstag, dem 1. Dezember 2016, eingegangene Wahlanfechtungsantrag somit rechtzeitig beim Verwaltungsgericht gestellt worden ist.

Der Antrag ist auch begründet. Ein Wahlanfechtungsantrag hat nach § 22 Abs. 1 PersVG Berlin Erfolg, wenn bei der Wahl gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.

Bei der Wahl zum Personalrat VOB Nord der Berliner Verkehrsbetriebe ist dadurch gegen eine wesentliche Wahlverfahrensvorschrift verstoßen worden, dass am Betriebshof „Müllerstraße“ am 15. November 2016 vormittags ca. 130 bis 140 Wähler die Wahlhandlung stehend an einem Tresen inmitten des zum Wahllokal gewidmeten Kassenraums während des laufenden Dienstbetriebes vornehmen mussten und ihnen dabei als Sichtschutz zu den in ihrem Rücken vorbeilaufenden Beschäftigten nur der eigene Körper dienen konnte. Der Verstoß ist nicht bzw. zu spät berichtigt worden. Auswirkungen dieses Verstoßes auf das Wahlergebnis können nicht ausgeschlossen werden.

Zu den wesentlichen Vorschriften über das Wahlverfahren gehört § 16 Abs. 1 PersVG Berlin und der darin normierte Grundsatz der geheimen Wahl. In Ausführung dieses Grundsatzes verlangt § 15 Abs. 1 der Wahlordnung zum Personalvertretungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Februar 2000 (GVBl. S. 238), geändert durch Verordnung vom 1. August 2008 (GVBl. S. 227) - WOPersVG Berlin - in Bezug auf die Wahlhandlung, dass der Wahlvorstand Vorkehrungen trifft, damit der Wähler den Stimmzettel im Wahlraum unbeobachtet kennzeichnen kann.

Der Wähler ist nur dann unbeobachtet, wenn er objektiv bei dem Ausfüllen seines Stimmzettels und dessen Hineinlegen in den Wahlumschlag den Blicken aller weiterer Personen so entzogen ist, dass beides nicht von diesen wahrgenommen werden kann, und wenn er subjektiv das Gefühl hat, dass die Vornahme der Wahl nicht beobachtet werden kann (vgl. VGH Kassel, Beschlüsse vom 5. August 1958 - PBV 5/58 - LS in juris sowie ZBR 59, 134, und vom 29. Januar 1986 - HPV TL 1436/85 -, juris Rn. 24; OVG Münster, Beschluss vom 14. September 1977 - CB 23/77 -, juris Rn. 17, OVG Bautzen, Beschluss vom 6. April 2017 - 9 A 393/16.PL -, juris Rn. 36; diese Rechtsauffassung hat das Bundesverwaltungsgericht nicht beanstandet, vgl. Beschluss vom 23. Februar 2018 - BVerwG 5 PB 6.17 -, juris Rn. 6, 11 f.; vgl. auch Beschluss vom 21. Juli 1980 - BVerwG 6 P 13.80 -, juris Rn. 33; Lorenzen u.a., BPersVG, Stand 7/2018, Rn. 2 zu § 16 WahlOBPersVG).

Aus § 15 Abs. 2 Satz 3 WOPersVG Berlin, wonach die Vertrauensperson eines Wählers, der durch körperliches Gebrechen in der Stimmabgabe behindert ist, gemeinsam mit dem Wähler die Wahlzelle aufsuchen darf, soweit das zur Hilfeleistung erforderlich ist, folgt, dass der Wahlvorstand eine „Wahlzelle“ zur Verfügung zu stellen hat. Diese „Wahlzelle“ muss einerseits so beschaffen sein, dass die anwesenden Mitglieder des Wahlvorstandes bzw. Wahlhelfer sie im Blick haben können um sicherzustellen, dass der Wähler bei der Wahlhandlung unbeobachtet und unbeeinflusst ist. Andererseits muss die „Wahlzelle“ so beschaffen sein, dass sie es dem Wähler ermöglicht, beim Ausfüllen des Stimmzettels und dessen Einlegen in den Wahlumschlag den Blicken aller weiteren Personen so entzogen zu sein, dass beides nicht von diesen wahrgenommen werden kann.

Der Wahlvorstand hat hier am Vormittag des ersten Wahltages im Wahllokal in der Müllerstraße keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen, die es den Wählern ermöglicht hätten, im vorbeschriebenen Sinne unbeobachtet ihre Stimme abzugeben. Als Vorrichtungen, die den Wähler bei der Stimmabgabe vor fremden Blicken schützen, kommen z.B. Wahlkabinen oder Wandschirme in Betracht. Diese müssen den Wähler so abschirmen, dass er nicht genötigt ist, seine Wahlhandlung zusätzlich mit seinem Körper vor den Blicken der übrigen im Raum anwesenden Personen zu schützen. Anders als bei der Briefwahl oder bei der elektronischen Wahl, bei der die Sicherstellung der Geheimhaltung der Stimmabgabe dem Wähler obliegt, ist es bei der Stimmabgabe im Wahlraum Sache des Wahlvorstandes hinreichende Vorkehrungen zu treffen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 WOPersVG Berlin).

Durch den Ort und die Art der Aufstellung des dreiseitigen Wandschirms inmitten des Wahlraumes auf einem Tresen, was für Rollstuhlfahrer oder Beschäftigte, die auf eine Sitzgelegenheit angewiesen sind, ohnehin wenig geeignet erscheint, hatten die Wähler am Vormittag des ersten Wahltages im Wahllokal in der Müllerstraße bestenfalls die Möglichkeit, ihre Wahlhandlung (Ausfüllen der Stimmzettel und Hineinlegen der Zettel in die Wahlumschläge) mit ihrem Körper vor den Blicken der übrigen im Raum anwesenden Personen zu schützen. Unstreitig konnten andere Personen hinter dem Rücken der Wähler hin und her gehen, was auch tatsächlich geschehen ist, wie das von den Antragstellern eingereichte Foto, Bl. 18 der Akte, belegt. Auf dieser Aufnahme ist zu erkennen, dass der Zeuge K. telefonierend hinter einem Beschäftigten, der gerade wählt, entlanggeht.

Selbst wenn es den Wählern objektiv gelungen sein sollte, ihre Wahlhandlung durch ihren Körper vor den Blicken anderer Personen abzuschirmen, so konnten sie doch nicht subjektiv frei von dem Gefühl sein, beobachtet zu werden. Sie standen mit dem Rücken zu anderen im Kassenraum anwesenden Personen (Mitglieder des Wahlvorstandes, Wahlhelfer und Beschäftigte, die den Kassenraum zu anderen dienstlichen Gründen als zur Wahl aufgesucht haben) und mussten ihr Augenmerk auf das Lesen und Ausfüllen des Stimmzettels sowie das Einlegen des Stimmzettels in den Wahlumschlag richten. Sie konnten deshalb naturgemäß nicht das Verhalten der übrigen im Wahllokal anwesenden Personen überblicken. Das führt zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der geheimen Wahl (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 6. April 2017, a.a.O., und VGH Kassel, Beschluss vom 29. Januar 1986, a.a.O.).

Zwar unterscheiden sich die Sachverhalte der zitierten Entscheidungen vom hier zu beurteilenden Sachverhalt dadurch, dass dort jeweils überhaupt kein Wandschirm aufgestellt war. Das ändert aber am Ergebnis nichts, solange der Wandschirm wie hier „falsch herum“, d.h. mit der offenen Seite zum Publikum aufgestellt ist. Denn auch in diesem Fall muss der Wähler seine Wahlhandlung mit dem Körper abschirmen.

Es trifft auch zu, dass nicht jedes noch so vage Gefühl des Beobachtetwerdens für die Annahme eines Wahlverstoßes ausreicht. Das Wahlgeheimnis ist aber schon dann verletzt, wenn der Wähler sich aufgrund konkreter Umstände objektiv nachvollziehbar beobachtet fühlen musste und es möglich gewesen ist zu sehen, ob er den Stimmzettel überhaupt verändert hat, selbst wenn ihn niemand tatsächlich beobachtet haben sollte (so zutreffend Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 13. Dezember 2016 - 9 TaBV 85/16 -, juris Rn. 50 ff., VG Oldenburg, Urteil vom 22. Januar 2008 - 1 A 5201/06 -, juris Rn. 36, VG Magdeburg, Urteil vom 6. Mai 2015 - 9 A 498/15 -, juris Rn. 40, jeweils m.w.N.). Die Wähler im Wahlraum „Müllerstraße“ konnten sich aufgrund konkreter Umstände objektiv nachvollziehbar beobachtet fühlen.

Zunächst wäre es für einen hinter dem Wählenden stehenden interessierten Beobachter möglich gewesen an der Armbewegung des Wählenden zu erkennen, ob der Wähler den Stimmzettel überhaupt verändert hat, und gegebenenfalls, ob im oberen Teil des Wahlzettels - also eher bei der Liste 1 oder 2 - oder aber im unteren Teil - also eher bei Liste 3 oder 4.

Die Beteiligten räumen zudem ein, dass es möglich gewesen wäre, die Stimmabgabe zu beobachten, wenn man unmittelbar an den Wähler herangetreten wäre, um über dessen Schulter den Stimmzettel sehen zu können. Bildet dies bereits einen konkreten Anlass, sich als Wähler bei der Wahlhandlung beobachtet zu fühlen, kommt hinzu, dass es eine Blickes über die Schulter nicht bedurfte, um die Wahlhandlung zu beobachten. Denn nach Einschätzung des Senats ließ es die Breite zwischen den Seitenwänden des Aufsatzes nach den von den Verfahrensbeteiligten nicht in Frage gestellten Angabe des Zeugen K. von maximal 80 cm zu, dass ein interessierter Beobachter an dem Wählenden vorbei Einblick in die Wahlunterlagen hätte nehmen können. Die Schreibunterlage befand sich nach dem oben bezeichneten Foto etwas über Hüfthöhe der Wähler. Bei einer normalen Hüftbreite stehend von 34 bis 40 cm (vgl. die Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin „Kleine Ergonomische Datensammlung“, 13. Auflage [https://www.tuev-media.de/leseprob/lp_91244.pdf]) wäre - zumal bei schmalem Körperbau der Wählenden - ein an der Seite-Vorbei-Schauen ohne weiteres möglich gewesen. Das Verschließen der verbleibenden Lücken auf beiden Seiten von jeweils ca. 20 cm wäre auch allein durch ein Aufstützen der Arme nicht möglich gewesen.

Nach alledem konnten sich insbesondere die Wähler von kleiner und schmaler Statur nicht sicher sein, bei ihrer Stimmabgabe unbeobachtet zu sein. Die Unsicherheit verstärkte sich noch durch die Unruhe im Kassenraum, das Hin- und Hergehen von anderen Personen einschließlich Telefonierens im Rücken des Wählenden, und schließlich durch die vom bei anderen Wahlen (z.B. zum Berliner Abgeordnetenhaus oder zum Deutschen Bundestag) Üblichen abweichende Position der Wahlkabine, nämlich mit der offenen Seite zum Publikum.

Den Fehler hat offenbar auch der Wahlvorstand erkannt, als er die Verlegung des Wahlkabinenaufsatzes angeordnet hat. Auch dem Wahlhelfer und Zeugen K. war die ungünstige Position des Wahlkabinenaufsatzes offenbar aufgestoßen, wenn er hierzu formuliert: Auf Anweisung des Wahlvorstands hätten sie die Wahlkabine in die hintere linke Ecke des Raumes platziert, so dass die Wähler dort unbeobachtet ihre Stimme hätten abgeben können; vorher seien auch immer Leute rein und raus gelaufen.

Ob es tatsächlich zu einem Ausspähen der Wahlhandlung gekommen ist, spielt für die Annahme eines Wahlverfahrensverstoßes keine Rolle. Ebenso unerheblich ist es, ob die Wahlvorstände tags zuvor mit den Listenvertretern die Position der Wahlkabine abgestimmt haben. Listenvertreter können auf die Geheimhaltung der Stimmabgabe nicht verzichten.

Die Vorschrift in § 15 Abs. 1 Satz 1 WOPersVG Berlin, die eine geheime Wahl gewährleisten soll, ist zwingend und daher wesentlich im Sinne von § 22 Abs. 1 PersVG Berlin. Zu einer Berichtigung des Fehlers ist es erst zur Mittagszeit des ersten Wahltages und damit zu spät gekommen. Durch den Verstoß konnte das Wahlergebnis geändert oder beeinflusst werden. Es ist nicht auszuschließen, dass einige der unstreitig mindestens 130 Wähler, die während des Vormittags des ersten Wahltages noch am Tresen ihre Stimme abgegeben haben, bei einer ordnungsgemäßen Sicherung der unbeobachteten Stimmabgabe von ihrem Wahlrecht in andere Weise Gebrauch gemacht hätten. Angesichts der hohen Zahl von fehlerbehafteten Stimmabgaben muss nicht entschieden werden, ob die Liste 1 zwölf oder dreizehn Stimmen benötigt hätte, um nach dem Höchstzahlverfahren (§ 19 Abs. 1 Nr. 5, § 24 Abs. 1 WOPersVG Berlin) einen weiteren Sitz zu erhalten.

Die Wahlrügen ad 2 sowie ad 4 bis 9 führen nicht zur die Unwirksamkeit der Wahl. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Beschluss Bezug. Die Beschwerde vermag die Richtigkeit der Entscheidung nicht in Zweifel zu ziehen.

Das Verwaltungsgericht musste nicht Beweis darüber erheben, ob sich am 15. November 2016 gegen 4:30 Uhr ein Wahlberechtigter im Wahlraum aufgehalten hat. Denn die diesbezügliche Behauptung der Antragsteller ist, wie das Verwaltungsgericht bereits ausgeführt hat, unsubstantiiert geblieben. Es fehlt schon an einer Angabe, über welchen Zeitraum sich nur ein Wahlhelfer bzw. Wahlvorstand im Wahlraum aufgehalten haben soll. Dieser Vortrag wäre den Antragstellern aber ohne weiteres möglich gewesen, weil der Antragsteller zu 2 zur fraglichen Zeit nach eigenen Angaben ebenfalls vor der Tür gestanden und das zweite Mitglied des Wahlvorstandes auf die unzureichende Besetzung im Wahlraum angesprochen hat. Es bedurfte auch keiner Beweisaufnahme zur Frage der Aufbewahrung und des Zustandes der im Wahlraum „Indira-Gandhi-Straße“ verwendeten Wahlurne. Denn unstreitig ist der Deckel der Wahlurne erst beim Ausleeren abgefallen. Dabei hat sich offenbar eine aus zwei Nägeln und einer Verklebung bestehende Verbindung des größeren Teils des kastenartigen Deckels mit dessen mit dem Scharnier verbundenen Seitenteil gelöst. Die Behauptung der Antragsteller, es sei schon vorher ein unbemerktes, unbefugtes Öffnen der Wahlurne und das Einlegen oder Entfernen von Wahlzetteln möglich gewesen, ist „ins Blaue hinein“ aufgestellt. Ebenso unsubstantiiert ist die weitere Behauptung der Antragsteller im Beschwerdeverfahren, die Auslage der „Flyer“ im Wahllokal sei seitens des Wahlvorstands erfolgt bzw. ihm zuzurechnen. Hierfür gibt es keinerlei Anhaltspunkte, zumal es auch hier am Vortrag dazu fehlt, wo und über welchen Zeitraum die „Flyer“ ausgelegen haben, ob dies ggfls. gerügt worden ist und wie ggfls. der Wahlvorstand darauf reagiert hat. Die Beschwerde vermochte auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, bei der Briefwahl seien wesentliche Verfahrensvorschriften nicht verletzt worden, nicht in Frage zu stellen. Das Verschließen des Freiumschlags zur Rücksendung der Wahlunterlagen obliegt dem Briefwähler (vgl. § 15a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 WOPersVG Berlin). Welche wesentlichen Vorschriften über das Wahlverfahren dadurch verletzt worden sein sollen, dass Freiumschläge bei der Stimmenauszählung geöffnet waren und die daraus entnommenen Stimmzettel gewertet worden sind, führt die Beschwerde nicht aus; solche sind auch sonst nicht ersichtlich (vgl. § 15b Abs. 1 WOPersVG Berlin). Ebenso wenig lässt sich dem Vortrag der Beschwerde, die beiden Briefwähler B. hätten keine Möglichkeit gehabt, die Briefwahlunterlagen dem Wahlvorstand zu übergeben und hätten sich ihre Boten zur Übergabe der Unterlagen auch nicht aussuchen können, die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift entnehmen. Hätten die beiden Briefwähler Zweifel gehabt, ob ihre Briefwahlunterlagen in die Hände des Vorstands gelangen, hätten sie diese in der Poststelle der Dienststelle abgeben oder in einen Briefkasten einwerfen können.

Ob gegen die wesentliche Verfahrensregelung in § 15 Abs. 1 Satz 3 WOPersVG Berlin, wonach die Wahlurnen vor der Stimmabgabe vom Wahlvorstand zu verschließen sind, dadurch verstoßen worden ist, dass der Bolzen des Verschlusses der im Wahllokal „Müllerstraße“ verwendeten Wahlurne aus einer der beiden Ösen herausgerutscht war und die Wahlurne jederzeit ohne Beschädigung hätte geöffnet und Wahlzettel hätten heraus- oder hineingelegt werden können, vermag der Senat ohne eine Beweisaufnahme nicht zu entscheiden. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die bloße Möglichkeit, die Urne zu öffnen, stelle noch keinen Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften dar, ist in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Ein „Verschließen“ der Wahlurne im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 3 WOPersVG Berlin setzt nach dem Sinn der Vorschrift, ein unbefugtes Öffnen zu verhindern, voraus, dass die Wahlurne nicht ohne ihre Beschädigung oder die Beschädigung des Verschlusses zu öffnen ist. Lässt sich aber der Bolzen im Scharnier des Verschlusses ohne Kraftanstrengung und ohne Werkzeuge herausziehen, wie es das von den Antragstellern eingereichte Foto (Bl. 19 der Akte) nahelegt, kann von einem „Verschließen“ nicht mehr die Rede sein. Gegen einen Verstoß gegen diese wesentliche Verfahrensvorschrift spräche es allerdings, wenn es zuträfe, dass der Zeuge K. den Bolzen geprüft und festgestellt hätte, dass er sich nicht herausziehen lasse und er ihn zusätzlich mit Sekundenkleber befestigt hätte. Um festzustellen, wie der Bolzen beschaffen war, ob sein Herausziehen wegen des Herausrutschens aus der einen Öse ohne weiteres möglich war und ob der Verschluss durch eine Verklebung hinreichend gesichert worden ist, wäre die Vernehmung des Wahlhelfers K. als Zeugen hierüber erforderlich gewesen. Von der Klärung dieser Frage konnte der Senat indes absehen, weil bereits der Verstoß gegen das Gebot der unbeobachteten Wahlhandlung zur Unwirksamkeit der Wahl führt.

Die Rechtsbeschwerde war mangels Zulassungsgrundes nicht zu eröffnen.