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Beratung - sozialrechtliche Herstellungsansprüche - Versicherungspflicht - KVdR - freiwillige Versicherung - Befreiung - Frist


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 14.06.2013
Aktenzeichen L 1 KR 10/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 14 SGB 1, § 15 SGB 1, 5 Abs 1 Nr 11 SGB 5, § 5 Abs 1 Nr 12 SGB 5, § 8 SGB 5

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 15. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt im Kern die Befreiung von der Krankenversicherungspflicht der Rentner (KVdR).

Die am 1949 geborene Klägerin war vom 6. Juni 1986 bis zum 16. August 2009 freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten. Ihr Ehemann war Beamter und beihilfeberechtigt. Er verstarb am 10. Februar 2010. 1996 stellte die Klägerin erstmals erfolglos einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die hiergegen gerichtete Klage wurde rechtskräftig abgewiesen (Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Berlin vom 15. November 2000 – L 6 RA 17/00 - ). Ein 2001 gestellter Antrag auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wurde bestandskräftig abgelehnt. Das hiergegen gerichtete Überprüfungsverfahren blieb letztinstanzlich ohne Erfolg (Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 4. November 2010 – L 33 R 1243/08 –).

Am 17. August 2009 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Versichertenrente. Dabei erfolgte eine Meldung zur KVdR nach § 201 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Der Anmeldedatensatz zur KVdR wurde an die Beklagte weiter geleitet.

Mit Schreiben vom 28. August 2009 bestätigte die Beklagte der Klägerin den Beginn der KVdR aufgrund ihres Rentenantrages mit Wirkung vom 17. August 2009. Sie teilte ferner mit, dass die freiwillige Krankenversicherung und die Pflegeversicherung deshalb am 16. August 2009 endeten. Der Monatsbeitrag sei auf der Grundlage eines durchschnittlichen monatlichen Einkommens von 840,00 Euro berechnet worden. Der Gesamtbetrag betrage 136,50 Euro monatlich (Krankenversicherung: 120,12 Euro und Pflegeversicherung: 16,38 Euro monatlich). Das Beitragskonto sei ausgeglichen. Die Beiträge würden im Lastschrifteneinzugsverfahren eingezogen, bis der Rentenversicherungsträger über den Rentenantrag entschieden habe. Sollte sie damit nicht einverstanden sein, so die Beklagte, werde um eine entsprechende Information gebeten. Ferner wurde die Klägerin gebeten, die Beklagte über jede Änderung ihrer Einnahmen zu informieren.

Am 16. Februar 2010 teilte der zuständige Rentenversicherungsträger der Beklagten mit, dass über den Anspruch der Klägerin auf eine Erwerbsminderungsrente noch nicht abschließend entschieden worden sei. Das Verfahren sei noch anhängig. Ab dem 1. Januar 2010 werde jedoch eine Altersrente für Frauen gezahlt. Die Beklagte teilte darauf der Klägerin mit Schreiben vom 2. Februar 2010 mit, dass die KVdR als Rentenantragstellerin und auch die Pflegeversicherung am 31. Dezember 2009 endeten, weil sie vom 1. Januar 2010 an als Rentenbezieherin versicherungspflichtig sei. Es sei noch ein Betrag in Höhe von 139,50 Euro offen. Sie wurde gebeten, diesen Betrag auszugleichen.

Mit Schreiben vom 12. Mai 2010 teilte das Landesverwaltungsamt Berlin der Beklagten mit, dass die Klägerin vom 1. März 2010 an monatliche Versorgungsbezüge in Höhe von 1.978,41 Euro (Witwengeld) erhalte. Das Landesverwaltungsamt bat um Übersendung einer Beitragsanforderung.

Mit Bescheid vom 26. Mai 2010 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass aus diesen Bezügen, sofern diese - ggf. zusammen mit Versorgungsbezügen anderer Zahlstellen - den monatlichen Mindestbetrag überstiegen, vom 1. März 2010 an Krankenversicherungsbeiträge zu entrichten seien. Die Zahlstelle der Versorgungsbezüge werde die Beiträge von den Versorgungsbezügen einbehalten und abführen. Für Fragen stehe sie gern zur Verfügung. Das Landesverwaltungsamt wurde am selben Tag über die Beitragspflicht der Versorgungsbezüge informiert.

Mit bei der Beklagten am 7. August 2010 eingegangenem Schreiben vom 21. Juli 2010 „kündigte“ die Klägerin ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten „rückwirkend ab dem Todestag (ihres) verstorbenen Ehemannes“. Aufgrund des Bezuges der Witwenversorgung habe sie einen Beihilfeanspruch in Höhe von 70 v. H.. Im Übrigen könne sie sich in Spanien, dort lebe sie, sehr preiswert privat versichern. Sie sei nicht darüber unterrichtet worden, wie hoch ihre Beiträge in der Krankenversicherung nach dem Tod ihres Mannes seien. Sie sei verschuldet. Sie könne die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht zahlen.

Mit Schreiben vom 11. August 2010 erläuterte die Beklagte der Klägerin die Sach- und Rechtslage. Ihre Pflichtmitgliedschaft in der KVdR ende im Übrigen nicht durch die Verlegung ihres Wohnsitzes nach Spanien. Die Klägerin wiederholte mit Schreiben vom 14. August 2010 ihre Kündigung.

Mit Schreiben am 24. August 2010 bestätigte die Beklagte die Kündigung der Mitgliedschaft, wies aber daraufhin, dass diese Kündigung nur wirksam werde, wenn sie innerhalb der Kündigungsfrist eine Mitgliedschaft in einer anderen gesetzliche Krankenkasse nachweisen könne. Geschehe dies nicht, bleibe die Mitgliedschaft bei ihr bestehen.

Dagegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 1. September 2010 Widerspruch. Sie wiederholte ihr bisheriges Vorbringen und wies im Kern daraufhin, dass sie über ihren Beihilfeanspruch abgesichert sei und im Übrigen eine preiswerte spanische Krankenversicherung abschließen könne.

Die Beklagte wertete den Widerspruch der Klägerin als Widerspruch gegen ihren Bescheid vom 26. Mai 2010, der ohne Rechtsbehelfsbelehrung ergangen war, und wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 2010 als unbegründet zurück. Sie führte aus, dass streitig sei, „ob die Versicherungs- und Beitragspflicht in der KVdR sowie zur Sozialen Pflegeversicherung bei Gewährung einer Hinterbliebenenpension mit Anspruch auf Beihilfeleistungen nach beamtenrechtlichen Vorschriften einseitig beendet werden“ könne. Nach der Rentenantragstellung am 17. August 2009 sei eine Fortsetzung der freiwilligen Versicherung nicht mehr möglich gewesen, weil sie wegen des Rentenantrages kraft Gesetzes vorrangig versicherungspflichtig sei. Einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht sei von ihr nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist von drei Monaten gestellt worden. Im „Merkblatt zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner“ werde umfassend zum Thema „Befreiung von der Krankenversicherungspflicht“ informiert. Vom 1. Januar 2010 an sei sie aufgrund des Rentenbezuges pflichtversichert gewesen. Die Versicherung als Rentenantragstellerin habe daher am 31. Dezember 2009 geendet. Einwände gegen dieses Versicherungsverhältnis habe die Klägerin zu keiner Zeit erhoben.

Die Verbeitragung der ab dem 1. März 2010 von der Klägerin bezogenen Hinterbliebenenversorgung sei daher dem Grunde und der Höhe nach nicht zu beanstanden (§§ 237, 229 SGB V, §§ 57, 28 und 55 Elftes Buch Sozialgesetzbuch <SGB XI>).

Hiergegen hat die Klägerin am 9. November 2010 Klage beim Sozialgericht Potsdam erhoben. Zur Begründung hat sie zunächst vorgetragen, dass sie sich „ab Mitte August 2009 bei der Beklagten gemeldet (habe), um die Frage ihrer Krankenversicherung wegen des gestellten Rentenantrags zu klären. Im Rahmen dieses Gesprächs (habe sie) dann einen Antrag unterschrieben, ohne dass sie vorher über die weiteren Folgen dieses Antrages beraten worden wäre. (Sie) könne sich nicht unmittelbar daran erinnern, wer sie an diesem Tage in der Geschäftsstelle beraten habe. Sie (wisse) aber noch, dass die Mitarbeiterin sie zur Unterschrift gedrängt habe, weil diese selbst zu ihrem erkrankten Enkelkind eilen musste. Nach Aktenlage (sei) davon auszugehen, dass es sich bei dieser Mitarbeiterin der Beklagten um eine Frau H P (gehandelt habe). Über (ihre) genaue soziale Situation sei bei diesem Gespräch nicht gesprochen worden, obwohl es dazu Anlass gegeben hätte. Zu diesem Zeitpunkt (sei ihr) Ehemann bereits schwer erkrankt gewesen und man (habe) befürchten (müssen), dass er diese Erkrankung nicht überleben (werde). Es (sei) daher zu diesem Zeitpunkt schon recht wahrscheinlich (gewesen), dass (sie) in naher Zukunft einen Versorgungsanspruch gegenüber dem Land Berlin haben (könne)…Weil ihr Ehemann Beamter (gewesen sei), hätte die Beklagte darauf hinweisen müssen, dass (sie) einen Teil ihres Krankenversicherungsschutzes über die Beihilfe bekommen (könne). Möglicherweise wäre in dieser Konstellation eine Beratung dahingehend notwendig gewesen, dass ein späterer Rentenbeginn für (sie) hinsichtlich der Krankenversicherungspflicht sinnvoller sein könne“. Jedenfalls sei sie nicht über die Möglichkeit einer Befreiung von der Versicherungspflicht innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung beraten worden. Durch diese mangelnde Beratung sei ihr eine Gestaltungsmöglichkeit genommen worden. Sie hätte unter diesen Voraussetzungen jedenfalls den Beginn ihrer Altersrente „nach hinten“ verschieben und ihre Krankenversicherung durch Abschluss eines privaten Versicherungsvertrages abdecken können. Dabei wären ihre erheblich geringere Kosten entstanden.

Nach Hinweis des Beklagten, dass sie ihren Rentenantrag nicht bei ihr, sondern bei dem zuständigen Rentenversicherungsträger gestellt habe, hat die Klägerin sich insoweit korrigiert und vorgetragen, dass sie jedenfalls durch den Rentenversicherungsträger über ihre Gestaltungsmöglichkeiten für die Krankenversicherung hätte beraten werden müssen. Dies sei nicht geschehen. Auf telefonische Nachfrage habe sie in Erfahrung bringen können, dass der Antrag von einer Frau B entgegen genommen worden sei. Die zuständige Mitarbeiterin könne sich deswegen noch gut an den Termin erinnern, weil sie an diesem Tage „Oma“ geworden sei. Zu diesem Zeitpunkt hätte sie sich noch von der Krankenversicherungspflicht befreien lassen können. Dies sei nicht geschehen. Sie habe deshalb „ein ihr zustehendes Gestaltungselement nicht wahrnehmen können“.

Das Sozialgericht Potsdam hat die Klage mit Urteil vom 15. Dezember 2011 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klägerin sei seit dem 17. August 2009 als Rentenantragstellerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V versicherungspflichtig in der Gesetzlichen Krankenversicherung gewesen. Die Voraussetzungen dieser Norm habe sie erfüllt, weil sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrages mindestens 9/10 der zweiten Hälfte dieses Zeitraums Mitglied oder nach § 10 versichert gewesen sei. Seit dem 1. Januar 2010 sei sie als Rentenbezieherin nach § 5 Abs. 1 Nr. 12 SGB V versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung. Aufgrund dieser Versicherungspflicht sei sie nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 SGB XI auch in der Sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig. Die vom 1. März 2010 an bezogene Witwenversorgung unterliege nach § 237 in Verbindung mit § 229 SGB V der Beitragspflicht. Die Kammer verweise insofern auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in Widerspruchsbescheid.

Die Klägerin sei nicht von der Versicherungspflicht zu befreien. Der Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht sei nach § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB V innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht zu stellen. Einen solchen fristgemäßen Antrag habe die Klägerin nicht gestellt. Sie habe sich erstmalig am 7. August 2010 an die Beklagte gewandt, nachdem ihr mit Schreiben vom 26. Mai 2010 die Beitragspflicht der Versorgungsbezüge mitgeteilt worden sei. Die Klägerin sei auch nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch so zu stellen, als hätte sie einen solchen Antrag rechtzeitig gestellt. Es fehle insoweit bereits an einer Pflichtverletzung, die der Beklagten zuzurechnen sei. Die Klägerin habe weder auf das Schreiben der Beklagten vom 28. August 2009, mit dem sie über die Pflichtversicherung aufgrund der Rentenantragstellung unterrichtet worden sei, noch auf das Schreiben vom 2. März 2010, mit dem sie auf die Pflichtversicherung als Rentenbezieherin ab dem 1. Januar 2010 hingewiesen worden sei, reagiert. Erst als ihr mit Schreiben vom 26. Mai 2010 mitgeteilt worden sei, dass die Versorgungsbezüge ihres am 10. Februar 2010 verstorbenen Ehemannes beitragspflichtig seien, habe sie sich am 7. August 2010 an die Beklagte gewandt und ihre Mitgliedschaft rückwirkend gekündigt. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt bei der Beklagten oder einer anderen Krankenkasse wegen möglicher Versorgungsansprüche und einer damit verbundenen Beihilfeberechtigung vorgesprochen. Am 17. August 2009 habe sie vielmehr beim zuständigen Rentenversicherungsträger, bei dem sie bereits 1999 eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragt habe, über die im August 2009 noch nicht rechtkräftig entschieden worden sei, die Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres beantragt. In den Auskunfts- und Beratungsstellen der Rentenversicherungsträger lägen „vielfache Broschüren auch zu den Möglichkeiten der Befreiung der Versicherungspflicht in der KVdR aus.“ Eine konkrete Beratung auch durch den Rentenversicherungsträger hätte nur dann erfolgen können, wenn eine Nachfrage seitens des Betroffenen erfolge. Allein aus der Angabe im Antrag, dass ihr Ehemann Beamter sei, folge nicht eine Beratungspflicht zu möglichen Beihilfeansprüchen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 9. Januar 2012. Zur Begründung trägt sie vor, dass es die Beklagte pflichtwidrig und zurechenbar verursacht habe, dass sie die Dreimonatsfrist des § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB V versäumt habe. Die Beklagte hätte sie hinsichtlich der Ausschlussfrist des § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB V beraten müssen. Es treffe zu, dass die Beklagte sie mit Schreiben vom 28. August 2009 und 2. März 2010 über die jeweilige Pflichtversicherung als Rentenantragsteller und als Rentenbezieher in Kenntnis gesetzt habe. Sie habe zwar weder auf das erste noch auf das zweite Schreiben reagiert. Sie hätte jedoch reagiert, wenn sie über die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V und über die in § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB V normierte Frist aufgeklärt worden wäre. Die Versicherten müssten individuell, deutlich und unmissverständlich auf den fristgebundenen Befreiungsantrag hingewiesen werden. Diesen Hinweis hätte bereits das Schreiben der Beklagten vom 28. August 2009 enthalten müssen. Sie sei deshalb so zu stellen, als habe sie die Ausschlussfrist des § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB V nicht versäumt.

Nach Vorlage einer vom Senat vom Rentenversicherungsträger angeforderten Ausdrucks ihres Rentenantrages vom 17. August 2009, in dem sie mit ihrer Unterschrift bestätigt hat, dass sie das Merkblatt über die KVdR erhalten hat, hat die Klägerin vorgetragen, dass die damalige Sachbearbeiterin den Antrag ausgefüllt habe. Sie habe den Antrag nur unterschrieben. „Die Sachbearbeiterin (sei) sehr in Eile (gewesen), weil sie ihr Enkelkind erwartet (habe), welches gegen 18:00 Uhr das Licht der Welt erblicken sollte. Diesen Termin wollte die Sachbearbeiterin nicht versäumen. Die Sachbearbeiterin (habe) zur Eile gedrängt. (Sie) habe alles schnell unterschreiben sollen, zum „durchlesen sei keine Zeit“ geblieben. Sie habe „ohne die Angaben der Sachbearbeiterin auf Richtigkeit überprüfen zu können, aber auch ohne das Merkblatt von dieser erhalten zu haben, den Antrag unterschrieben.“

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 15. Dezember 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2010 aufzuheben und festzustellen, dass sie ab dem 17. August 2009 nicht in der Krankenversicherung der Rentner und der Pflegeversicherung pflichtversichert ist

hilfsweise,

die Sachbearbeiterin der Deutschen Rentenversicherung, Frau B, zu laden über die D R, PStraße, B, zum Beweisthema zu befragen, ob und unter welchen Umständen der Klägerin am 17. August 2009 das Merkblatt R 815 ausgehändigt wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die Entscheidung des Sozialgerichts Potsdam nicht zu beanstanden sei. Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs seien bereits deshalb nicht gegeben, weil sie in dieser Angelegenheit zunächst keinerlei Nachfragen oder Mitteilungen von der Klägerin erhalten habe, aus denen sich die Notwendigkeit ergeben habe, über allgemeine Information hinaus, im Einzelfall beratend tätig zu werden. Ein konkreter Beratungsbedarf sei nicht zu erkennen gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist seit dem 17. August 2009 in der KVdR und der Sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig.

Die Klägerin ist vom 17. August 2009 an als Rentenantragstellerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V und ab dem 1. Januar 2010 als Bezieherin einer Altersrente nach § 5 Abs. 1 Nr. 12 SGB V in der KVdR versicherungspflichtig und damit nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 SGB XI in der Sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig. Die von der Klägerin vom 1. März 2010 an bezogene Hinterbliebenenversorgung unterliegt der Beitragspflicht in der Kranken- und in der Pflegeversicherung. Die Höhe dieser Beiträge ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Insoweit sieht der Senat von einer Begründung ab und verweist insoweit auf das angefochtene Urteil und die angefochtene Entscheidung der Beklagten.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V wird auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, wer durch den Antrag auf Rente oder den Bezug von Rente oder die Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 5 Abs. 1 Nr. 6, 11 oder 12 SGB V) versicherungspflichtig wird. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 ist der Antrag auf Befreiung innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht in der Krankenkasse zu stellen. Die Klägerin hat diesen Befreiungsantrag nicht innerhalb der dreimonatigen Antragfrist gestellt.

Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung begann nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V mit dem Folgetag, nach der Stellung des Rentenantrages durch die Klägerin am 17. August 2009, also am 18. August 2009, und sie endete am 17. November 2009 (§ 26 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch in Verbindung mit §§ 187 Abs. 1 und 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch). Innerhalb dieser Frist hat die Klägerin keinen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob mit dem Beginn des Bezuges der Altersrente am 1. Januar 2010 und dem Beginn der entsprechenden Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 12 SGB V eine neue Antragsfrist begann (vgl. Peters NZS 2012 S. 326 ff. und Peters in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht <Std.: 74. EL/2012>, § 8 RdNr. 35 m. w. Nachw.). Denn jedenfalls hat die Klägerin einen solchen Antrag auch nicht bis zum 1. April 2010 gestellt.

Die Klägerin ist auch nicht nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches so zu stellen, als hätte sie diesen Antrag fristgemäß gestellt.

Für den Fall eines Rechtsverlustes hat ein Betroffener trotz Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch, im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt zu werden, als lägen diese fehlenden Voraussetzungen vor, wenn es sich um Gestaltungen handelt, die gesetzlich zulässig sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Rechtsverlust darauf zurückzuführen ist, dass der Versicherungsträger eine sich aus dem Versicherungsverhältnis ergebende Nebenpflicht zur Auskunft, Beratung und verständnisvollen Förderungen des Versicherten (vgl. § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch) verletzt hat, weil er sie, obwohl ein konkreter Anlass zu den genannten Dienstleistungen bestand, nicht oder nicht ausreichend erfüllt hat. Typischerweise ist dies der Fall, wenn der Versicherungsträger den Versicherten nicht auf solche Gestaltungsmöglichkeiten hingewiesen hat, die klar zu Tage liegen und deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig erscheint, dass sie jeder verständige Versicherte mutmaßlich nutzen würde. Die Verletzung solcher Beratungspflichten führt zum Anspruch auf Herstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn sich der Versicherungsträger pflichtgemäß verhalten hätte (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht <Std.: 74. EL/2012>, Vor §§ 38-47 RdNr. 120ff m. w. Nachw.).

Im vorliegenden Fall ist die Klägerin über die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 SGB V in dem Merkblatt zur KVdR umfassend und ausführlich informiert worden. Sie hat bei der Rentenantragstellung am 17. August 2009 mit ihrer Unterschrift bestätigt, dass sie dieses Merkblatt erhalten hat. In diesem Merkblatt wird unter 6 über die Möglichkeit einer Befreiung von der KVdR und über die dreimonatige Antragsfrist informiert.

Das Vorbringen der Klägerin, dass sie dieses Merkblatt nicht erhalten habe, ist nicht glaubhaft. Sie hat ihren Vortrag insoweit der jeweiligen Prozesssituation angepasst. Er ist zudem widersprüchlich. Im erstinstanzlichen Verfahren hat sie vorgetragen, dass sie ab Mitte August 2009 bei der Beklagten vorgesprochen habe, um die Frage ihrer Krankenversicherung wegen des gestellten Rentenantrages zu klären. Im Rahmen dieses Gespräches will sie dann einen Antrag unterschrieben haben, ohne dass sie vorher über die weiteren Folgen dieses Antrages beraten worden wäre. Welchen Antrag sie bei der Beklagten gestellt haben will, hat sie nicht dargelegt. An den Namen der Mitarbeiterin der Beklagten konnte sie sich damals nicht erinnern. Aus der Akte meinte sie aber schließen zu können, dass es sich hierbei um eine Frau HP gehandelt habe. Diese Mitarbeiterin sei sehr in Eile gewesen, so ihr Vortrag, weil deren Enkelkind erkrankt sei. Eine adäquate Beratung sei nicht erfolgt. Auf welche Akte sich die Klägerin insoweit bezieht, hat sie nicht vorgetragen. Bei der von ihr benannten Sachbearbeiterin handelt es sich im Übrigen um eine Mitarbeiterin der Beklagten. Die Beklagte hat mitgeteilt, dass diese Mitarbeiterin 1981 geboren und ihres Wissens noch nicht Großmutter ist. Jedenfalls will die Klägerin vom Wortsinne her die Beklagte aufgesucht haben, nachdem sie bereits zuvor einen Rentenantrag gestellt hat. Nach dem Vorhalt, dass der Rentenantrag bei dem zuständigen Rentenversicherungsträger gestellt worden ist, hat die Klägerin ihren Vortrag korrigiert und mitgeteilt, dass sie „ihren Rentenantrag natürlich nicht bei der Beklagten, sondern bei der Deutschen Rentenversicherung Bund abgegeben“ habe. Auf telefonische Nachfrage will sie dann von der dortigen Sachbearbeiterin erfahren haben, dass diese sich an den Termin erinnern könne, weil sie an diesem Tag „Oma“ geworden sei.

Im Juni 2011, also rund zwei Jahre nach der Rentenantragstellung, kann sich die Klägerin nur noch rudimentär an die Umstände der Rentenantragstellung erinnern. Der Name der Sachbearbeiterin ist ihr nicht mehr erinnerlich. Sie meint aber, dass die dortige Sachbearbeiterin in Eile gewesen sei, weil ihr Enkelkind erkrankt sei. Nach der Rentenantragstellung soll zudem noch ein Gespräch bei der Beklagten stattgefunden haben. Diesen Vortrag korrigiert die Klägerin, nachdem ihr der Sachverhalt dargelegt worden ist. Von der Sachbearbeiterin des Rentenversicherungsträgers will sie nunmehr am Telefon erfahren haben, dass am Tag der Rentenantragstellung deren Enkelkind geboren worden sei. Sie selbst kann sich also daran nicht mehr erinnern.

Nachdem ihr im Berufungsverfahren der Rentenantrag vom 17. August 2009 vorgelegt worden ist, in dem sie mit ihrer Unterschrift bestätigt hat, dass sie das Merkblatt über die KVdR erhalten hat, also rund vier Jahre nach der Stellung des Rentenantrages, kann sich die Klägerin nunmehr nicht nur an die exakte Uhrzeit erinnern, zu dem die Geburt des Enkelkindes der damaligen Sachbearbeiterin erwartet wurde, sondern auch daran, dass sie das Merkblatt über die KVdR, entgegen ihrer den Erhalt dieses Merkblatts bestätigenden Unterschrift, nicht erhalten hat.

Letztlich kommt es hierauf aber nicht an. Denn die Klägerin ist am 17. August 2009 zu Recht zur KVdR angemeldet worden. Es bestand keine Veranlassung sie anlässlich der Rentenantragstellung weitergehend zu beraten. Die Klägerin war 2009 über dreiundzwanzig Jahre freiwilliges Mitglied der Beklagten. Als Ehefrau eines Beamten war sie auch während dieses Zeitraumes dem Grunde nach beihilfeberechtigt. Gleichwohl hat sie sich bei der Beklagten freiwillig versichert. Trotz der dem Grunde nach gegebenen Beihilfeberechtigung hat sie im Hinblick auf die in der Vergangenheit gestellten verschiedenen Anträge auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Erwerbsminderung nie einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht der Rentner gestellt. Mit Rentenantragstellung am 17. August 2009 ist sie versicherungspflichtig geworden. Nach ihrer Einlassung hat sich hierdurch ihre finanzielle Belastung, wenn auch geringfügig, verbessert. Der Ehemann der Klägerin verstarb erst rund ein halbes Jahr nach der Rentenantragstellung.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht tunlich und auch nicht Aufgabe eines Rentenversicherungsträgers oder eines Krankenversicherungsträgers, Versicherte bei Rentenantragstellung über das mögliche zeitnahe Ableben eines Ehepartners zu befragen und ggf. über die sozialversicherungsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten bereits vor dem Eintritt dieses ungewissen Ereignisses zu beraten. Es ist Aufgabe des Versicherten, im Falle eines entsprechenden Informationsbedürfnisses diesen Sachverhalt ggf. vorzutragen und um entsprechende Beratung zu bitten. Dies hat die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag unterlassen.

Soweit die Klägerin vorträgt, dass sie auch über eine mögliche Verschiebung des Rentenbeginns hätte beraten werden müssen, kann auch dieser Vortrag nicht durchgreifen. Die Klägerin hat seit 1996 um die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gestritten. Die Klage, mit der sie dieses Begehren verfolgt hat, hat das LSG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 4. November 2010, also nach Erlass der in diesem Verfahren angefochtenen Bescheide, rechtskräftig abgelehnt. Sie hat also den entsprechenden Rechtsstreit jedenfalls auch nach Kenntnis der vorliegenden Fragestellungen, bis zur Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg, fortgesetzt.

Soweit die Klägerin hilfsweise beantragt hat, die Sachbearbeiterin der Deutschen Rentenversicherung als Zeugin zu vernehmen, musste der Senat diesem Antrag nicht folgen. Denn nach den vorgenannten Ausführungen ist es nicht entscheidungserheblich, ob der Klägerin das Merkblatt zur KVdR ausgehändigt worden ist oder nicht. Im Übrigen genügt der Antrag nicht den Anforderungen eines formgerechten Beweisantrages (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 359 der Zivilprozessordnung). Die Klägerin hat weder die zu beweisende Tatsache benannt noch ausgeführt, zu welchem Ergebnis die Beweisaufnahme führen soll. Nach ihrem Antrag soll durch die Vernehmung lediglich geklärt werden, „ob und unter welchen Umständen sie das Merkblatt“ erhalten hat. Insofern handelt es sich um einen unzulässigen Beweiserforschungsantrag.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.