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Entscheidung 7 Sa 2002/12


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 7. Kammer Entscheidungsdatum 20.08.2013
Aktenzeichen 7 Sa 2002/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 4 Abs 3 TVG

Leitsatz

Es ist für den Arbeitnehmer günstiger i. S. d. § 4 Abs. 3 TVG, eine kürzere Wochenarbeitszeit zu einem höheren Stundensatz als nach dem Tarifvertrag zu leisten, auch wenn sein Monatseinkommen dadurch insgesamt geringer ausfällt

Arbeitszeit und Arbeitsentgelt sind in einem Gesamtvergleich nicht isoliert zu betrachten. Zur Herstellung einer übereinstimmenden Vergleichsgrundlage ist das jeweilige Monatsentgelt der dafür zu erbringenden Arbeitszeit in der Weise gegenüberzustellen, dass der jeweilige Stundensatz berechnet wird (LAG Berlin-Brandenburg v. 12.04.2013 - 6 Sa 2000/12).

Für Vergleich, ob die vertragliche Entgeltregelung günstiger ist als die tarifliche Regelung ist im Voraus eine Prognose über das zu erzielende Arbeitsentgelt zu erstellen. Für diese Prognoseentscheidung können in der Regel tariflich geregelte Zielentgelte zugrunde gelegt werden, soweit dies nach den Vorstellungen der Tarifparteien dem Entgelt entspricht, das vom Arbeitnehmer auch erzielt werden kann.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27. August 2012 - 18 Ca 4065/12 - wird hinsichtlich des Antrages auf Feststellung einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 34 Stunden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger 56,48%, die Beklagte 43,52%.

Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz trägt der Kläger 59,84%, die Beklagte 40,16%.

Die Revision gegen dieses Schlussurteil wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt noch über den Umfang der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit.

Der Kläger, der seit 1971 Mitglied der Gewerkschaft ver.di bzw. zuvor der Deutschen Postgewerkschaft ist, ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 26.09.1973 beschäftigt. In diesem Arbeitsvertrag heißt es u. a.:

„Die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundespost gelten in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart.“

Zum 01.01.1995 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers gemäß § 21 Abs. 1 des Gesetzes zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen Bundespost (PostPersRG) auf die D. T. AG (DT AG) übergeleitet, die mit ver.di u. a. einen Manteltarifvertrag (Abl. Bl. 229 – 248 d.A.) und einen Entgeltrahmentarifvertrag (Abl. Bl. 662 – 683 d.A.) schloss. Am 25.06.2007 ging das Arbeitsverhältnis sodann auf die Beklagte als einer Servicegesellschaft der DT AG über, worüber der Kläger mit Schreiben vom 17.07.2007 (Bl. 509 – 517 d. A.) unterrichtet wurde. Er widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte nicht. Unter dem Datum des Betriebsübergangs schloss die Beklagte mit ver.di den MTV DTNP (Abl. Bl. 214-228 d.A.) und den ERTV DTNP (Abl. Bl. 115 – 131d.A.) die von den Tarifverträgen der DT AG u. a. bei der Arbeitszeit und dem Entgelt abweichen.

Vor dem Betriebsübergang war der Kläger in der Entgeltstufe T5 Grundstufe 4 eingruppiert und sein Arbeitsentgelt betrug bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 34 Stunden wöchentlich zuletzt monatlich 3.135,00 EUR brutto. Außerdem erhielt der Kläger eine Funktionszulage i. H. v. 86,15 EUR brutto sowie im Jahr 2007 ein Leistungsentgelt i. H. v. insgesamt 2.571,80 EUR, das in zwei Teilbeträgen (1.264,56 EUR mit der Abrechnung Juni 2007 und 1.307,24 EUR mit der Abrechnung Dezember 2007) ausgezahlt wurde. Nach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte erzielte der Kläger in Anwendung der neuen Tarifverträge bei einer 38 Stundenwoche zunächst ein Monatsentgelt von 2.986,48 EUR sowie eine Ausgleichszulage i. H. v. 223,24 EUR. Seit 2008 erhielt der Kläger nach Maßgabe der tariflichen Regelungen Zielentgelte. Im Jahr 2008 betrug das Zielentgelt 2008 38.535,28 EUR, im Jahr 2009 40.462,04 EUR sowie im Jahr 2011 44.105 EUR (siehe Abrechnungen Bl. 519 – 528 d.A und 558 – 559 d.A.). In Anwendung der tariflichen Regelungen erhielt der Kläger ab Juni 2011 ein monatliches Fixum in Höhe von 3.124,10 EUR sowie einen monatlichen Abschlag auf die variable Vergütung in Höhe von 254,53 EUR (Bl. 26 d. A.). Darüber hinaus zahlte die Beklagte im Monat Mai 2012 auf das Individual/Teamziel 170,48 EUR, auf das Serviceziel 2.289,73 EUR und auf das EBITDA-Ziel 1.685,08 EUR (Abrechnung für den Monat Mai 2012, Bl. 558 d. A.).

Im Jahr 2012 erhöhte sich das Zielentgelt auf 45.120 EUR. Der Kläger erhielt ein Monatsentgelt von 3.196,00 EUR sowie einen Abschlag Variable von 254,53 EUR. (vgl. Bezügemitteilung 09/12, Bl. 737 d.A.). Außerdem zahlte die Beklagte im Mai 2013 auf das Individual/Teamziel 115,73, auf das Serviceziel 2.181,31 EUR und auf das EBITDA-Ziel 1.365,84 EUR. Ab Januar 2013 erhöhte sich das Jahreszielentgelt auf 46.068,00 € und ab März 2013 auf 47.680,38 EUR.

Während bis 2012 die Ziele im Team vereinbart wurden, bestimmte sich mit Beginn 2013 der variable Teil der Vergütung nach dem Änderungstarifvertrages zum Entgeltrahmentarifvertrag für die Deutsche Telekom Technik GmbH vom 8. Mai 2012 (Kopie Bl. 777 ff. d.A). Auf der Grundlage der tariflichen Regelungen zahlt die Beklagte dem Kläger nun ein Monatsentgelt von 3.377,36 EUR sowie auf den variablen Anteil die im Tarifvertrag geregelte monatliche Sicherungsleistung, die beim Kläger jetzt 238,40 EUR beträgt (vgl. Bezügemitteilung für Mai 2013, Bl. 752 und 753 d.A.).

Nachdem das Bundesarbeitsgericht mit Urteilen vom 06.07.2011 (4 AZR 706/09 sowie Parallelentscheidungen) zum Verhältnis der Tarifverträge der DT-AG zu den Nachfolgetarifverträgen bei den ausgegliederten Gesellschaften Stellung genommen hatte, forderte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 08.12.2011 (Bl. 35 d. A.) auf, die Tarifverträge der DT-AG (Stand 24.06.2007) wieder auf sein Arbeitsverhältnis anzuwenden, soweit diese günstiger als die tarifvertraglichen Regelungen der Beklagten seien, insbesondere ihn ab sofort in der 34 Stundenwoche zu beschäftigen und die in den letzten sechs Monaten erbrachte Arbeitszeitdifferenz seinem Arbeitskonto gutzuschreiben.. Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Bl. 35 d. A. Bezug genommen. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 10.01.2012 (Bl. 36 f. d. A.) ab.

Mit seiner beim Arbeitsgericht Berlin am Montag, den 12.03.2012 eingegangenen und der Beklagten am 23.03.2012 zugestellten Klage verfolgt der Kläger seine Ansprüche auf Anwendung der Tarifverträge der DT AG mit Tarifstand 24. Juni 2007, auf eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 34 Stunden sowie auf Vergütung von weiteren 4 Stunden wöchentlich für den Zeitraum vom 13.06.2007 bis zum 02.03.20012 weiter. Bei seinen Berechnungen geht er davon aus, dass in Anwendung des Günstigkeitsvergleichs für den Umfang der Arbeitszeit einerseits auf den MTV der DT AG abzustellen sei, während sich seine Vergütung nach den Regelungen des Tarifwerks der Beklagten richte. Das von der Beklagten gezahlte Monatsentgelt sieht er als Erfüllung der Vergütung für wöchentlich 34 Stunden an und beansprucht zuletzt für den Zeitraum vom 13.06.2011 bis zum 02.03.2012 die Zahlung für weitere 4 Stunden pro Woche in Höhe von 25,19 € pro Stunde zzgl. Mehrarbeitszuschläge. Die Beklagte hat sich insbesondere auf Verwirkung berufen und geltend gemacht, ihre tariflichen Bestimmungen seien im Ergebnis günstiger als die tariflichen Bestimmungen der Deutschen Telekom AG.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 20.04.2012, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe ein ihm etwa zustehendes Recht auf Anwendung der Tarifverträge der Deutschen Telekom AG, Tarifstand 24.06.2007, verwirkt. Der Kläger sei nicht nur über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren nach dem Betriebsübergang und Erhalt des Unterrichtungsschreibens der Beklagten untätig geblieben, sondern habe das Arbeitsverhältnis auf der Basis der Haustarifverträge der Beklagten auch fortwährend aktiv gelebt. Dass die Beklagte den Kläger fehlerhaft unterrichtet habe, stehe nicht entgegen, weil nicht davon ausgegangen werden könne, dass sie ihn und seine Kollegen wissentlich getäuscht habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses, dem Kläger am 21. September 2012 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung, die er mit einem beim Landesarbeitsgericht am Montag, den 22.10.2012 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem beim Landesarbeitsgericht – nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 21.12.2012 – am 21.12.2012 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Mit Teilurteil vom 30.April 2013 hat das Landesarbeitsgericht auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Bestimmungen der Tarifverträge der Deutschen Telekom AG mit Stand 24.06.2007 kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung finden, soweit sie günstiger sind als die tarifvertraglichen Regelungen der Beklagten und die Beklagte verurteilt an den Kläger 865,83 € nebst Zinsen zu zahlen, in Höhe von weiteren 3.814,79 € die Klage abgewiesen, die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten und die Revision zugelassen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf das Teilurteil Bezug genommen.

Der Kläger vertritt – soweit für das Schlussurteil relevant – unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens zu den Zielentgelten und den Zahlungen der Beklagten weiterhin die Auffassung, die Tarifverträge der Deutschen Telekom seien hinsichtlich der zu bildenden Vergleichsgruppe „Arbeitszeit“ mit 34 Stunden eindeutig günstiger als der entsprechende Tarifvertrag der Beklagten, der eine wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden vorsehe.

Der Kläger beantragt zuletzt noch,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass seine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit gem. § 11 Abs. 1 MTV der Deutschen Telekom AG (Tarifstand 24.06.2007) 34 Stunden beträgt,

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klageerweiterung vom 02.04.2013 abzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages im Wesentlichen mit Rechtsausführungen und vertritt auch in der Berufungsinstanz die Auffassung, die Tarifverträge der Telekom seien nicht günstiger. Insbesondere müsse bei dem anzustellenden Sachgruppenvergleich „Vergütung/Arbeitszeit“ der bei Einführung der 34-Stunden-Woche in der Entgelttabelle Deutsche Telekom AG eingearbeitete Teillohnausgleich i. H. v. 1,5 Stunden berücksichtigt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Vorbringen in dem mündlichen Verhandlungstermin Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist – soweit über sie noch durch Schlussurteil zu entschieden war - von ihm fristgemäß und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO, § 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG).

Die Berufung des Klägers ist daher zulässig.

2. Die Berufung des Klägers hat hinsichtlich des noch zu entscheidenden Streits der Parteien über die Höhe der regelmäßigen Arbeitszeit keinen Erfolg.

2.1 Nach der klarstellenden Erklärung des Klägers im letzten Verhandlungstermin ist dieser Antrag einheitlich auf Feststellung des Umfangs der geschuldeten Arbeitsleistung und nicht auf Beschäftigung in einem bestimmten zeitlichen Umfang gerichtet. Das Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO liegt vor, da mit der Feststellung der zwischen den Parteien bestehende Streit über die jetzt geschuldete regelmäßige Arbeitszeit verbindlich geklärt werden kann.

2.2 Der Antrag ist in der Sache indes nicht begründet. Die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers beträgt nach den bei der Beklagten geltenden tariflichen Regelungen, die auf das Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung finden, 38 Stunden. Die einzelvertraglich in Bezug genommenen Tarifverträge der Telekom sind in Bezug auf die dafür zu vergleichende Sachgruppe nicht mehr günstiger.

2.2.1 Aufgrund der Mitgliedschaft des Klägers in der Gewerkschaft ver.di, die die Haustarifverträge bei der Beklagten abgeschlossen hat, gilt das Tarifwerk der Beklagten gemäß § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend zwischen den Parteien. Nach diesem Tarifwerk beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 38 Stunden. Daneben finden die Tarifverträge der DT AG kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem tariflichen Regelungsbestand vom 24.06.2007, dem Tag vor dem Betriebsübergang auf die Beklagte, nach wie vor Anwendung, sofern sie für den Kläger günstiger ist (§ 4 Abs. 3 TVG). Auf die Ausführungen im Teilurteil wird Bezug genommen. Nach diesen Tarifverträgen beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 34 Stunden.

2.2.2 Gemäß § 4 Abs. 3 TVG sind vom Tarifvertrag abweichende Abmachungen nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG Urteil vom 12. Dezember 2012 – 4 AZR 329/11 –, juris) sind bei einem Günstigkeitsvergleich nach § 4 Abs. 3 TVG alle Regelungen miteinander zu vergleichen, die in einem sachlichen Zusammenhang stehen. Es hat ein „Sachgruppenvergleich“ zu erfolgen, bei dem nur die Regelungen des Tarifvertrages mit den abweichenden vertraglichen Abmachungen zu vergleichen sind, die jeweils in einem inneren, sachlichen Zusammenhang stehen. Bei einem Vergleich verschieden langer Arbeitszeiten ist zumindest das dem gegenüberstehende Entgelt einzubeziehen (vgl. BAG Urteil vom 12. Dezember 2012 – 4 AZR 329/11 –, juris). Hierbei sind alle Vergütungsbestandteile von Bedeutung, die sich als Gegenleistung zu der zu erbringenden Arbeitsleistung darstellen. Dabei geht es primär um einen Vergleich der Regelungen (vgl. BAG Urteil vom 12. Dezember 2012 – 4 AZR 329/11 –, juris).

Für den Günstigkeitsvergleich ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem sich Tarifvertrag und einzelvertragliche Abrede erstmals gegenüberstehen. Es muss von vorneherein feststehen, dass sich die getroffene Abrede zugunsten des Arbeitnehmers auswirkt (BAG, Versäumnisurteil vom 12.04.1972 – 4 AZR 211/71 – BAGE 24, 228 = AP TVG § 4 Günstigkeitsprinzip Nr. 13; MünchHandb ArbR § 183 Rz. 65). Verändern sich die zu vergleichenden Regelungen, so ist der Günstigkeitsvergleich erneut anzustellen. Dies ist auch dann geboten, wenn sich bei Anwendung einer als solcher unverändert gebliebenen tarifvertraglichen Regelung Veränderungen des Leistungsumfangs ergeben (LAG Berlin-Brandenburg v. 12.04.2013 – 6 Sa 2000/13).

2.2.3 Der nach diesen Grundsätzen vorzunehmende Vergleich der zuletzt bei der Beklagten geltenden tariflichen Regelungen hinsichtlich der Sachgruppe „Arbeitszeit/Arbeitsentgelt“ mit den entsprechenden einzelvertraglich geltenden Regelungen der Telekom (Stand 24.06.2007) ergibt, dass jedenfalls die zur Zeit geltenden Regelungen der Beklagten günstiger sind. Zur Herstellung einer übereinstimmenden Vergleichsgrundlage ist das jeweilige Monatsentgelt der dafür zu erbringenden Arbeitszeit in der Weise gegenüberzustellen, dass der jeweilige Stundensatz berechnet wird. Daran zeigt sich die nach dem Arbeitsvertrag bzw. dem Tarifvertrag bestimmte Wertigkeit der geschuldeten Arbeitszeit. Die vom Kläger gewünschte isolierte Betrachtungsweise von Arbeitszeit einerseits und Arbeitsentgelt andererseits scheidet nach den obigen Grundsätzen aus.

2.2.1 In 2007 stand dem Kläger ein Monatsentgelt in Höhe von 3.135 € nebst einer Funktionszulage von 86,15 € zu. Außerdem war ihm gemäß § 3 Abs. 2 ERTV DT AG ein Leistungsentgelt von

1.331,88

        

1.234,40

        

2.571,80

€       

zu zahlen. Damit belief sich sein durchschnittliches Monatsentgelt auf

3.135,00

        

86,15 

        

   213,86

= 2.571,80 : 12

3.435,47

€.    

Zur Berechnung des Stundenentgelts war gemäß § 7 Abs. 5 ERTV DT AG das Monatsentgelt durch die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nach § 11 MTV DT AG und den Faktor 4,348 zu teilen, woraus sich ein Betrag von (3435,47: 34: 4,348 =) 23,24 € für jede Arbeitsstunde ergab.

Weitere Vergütungsbestandteile, die in den Vergleich hätten einbezogen werden müssen, ergeben sich aus den vorgelegten Abrechnungen und den tariflichen Regelungen nicht. Die von der Beklagten angesprochenen Tage von Arbeitsausfall wegen Streik, Krankheit, Urlaub sowie sonstige Fehlzeiten wirken sich auf den Günstigkeitsvergleich nicht aus. Für den Günstigkeitsvergleich ist auf den Stundensatz abzustellen, den der Kläger nach den arbeitsvertraglichen bzw. tariflichen Regelungen bei ex-ante Betrachtung zu beanspruchen hat. Aus diesem Grund kann auch § 5 Abs. 8 TV AzK DT AG nicht in den Günstigkeitsvergleich einbezogen werden. Diese Vorschrift findet auf den Kläger auf der Grundlage des arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifwerks der DT AG keine Anwendung, weil der Kläger nicht aus der Arbeitszeitverkürzung herausgenommen war. Auch der in der 34-Stunden-Entgelttabelle enthaltende Teillohnausgleich in Höhe von 1,5 Stunden fließt nicht zu Gunsten der Beklagten in die Berechnung des Stundenentgelts ein. Nach dem arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifvertrag der DT-AG arbeitete der Kläger in der 34-Stunden-Woche mit einem entsprechenden tariflichen Monatsentgelt. Wie die Tarifvertragsparteien dieses damals ermittelt haben, ist für den Vergleich irrelevant. Die von der Beklagten im Rahmen des Günstigkeitsvergleichs angesprochene Regelung in § 13 Abs. 4 MTV DT AG, wonach eine Überschreitung der wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Minuten bei der Mehrarbeit außer Betracht bleibt, kann schon deshalb den Günstigkeitsvergleich nicht beeinflussen, weil insoweit die Regelung im Haustarifvertrag identisch ist (§ 13 Abs. 4 Satz 1 MTV DTNP).

2.2.2 Nach dem mit Wirkung vom 1.1.2013 geltenden Entgeltrahmentarifvertrag der Beklagten Tarifvertrag beläuft sich das Jahreszielentgelt des Klägers seit Januar 2013 auf 46.068 €. Daraus ergibt sich ein Stundensatz von (46.086 €:12:8:4,348=) aufgerundet 23,24 €. Seit März 2013 beläuft sich das Jahreszielentgelt auf 47.680,38 € brutto. Daraus ergibt sich ein Stundensatz von (47.680,38 € :12:8:4,348=) 24,05 €. Der geltende Stundensatz ist damit seit Januar 2013 gleich zu dem sich aus den alten tarifvertraglichen Regelungen der Telekom ergebende Stundensatz und liegt seit März 2013 deutlich darüber. Dies führt aber dazu, dass die arbeitsvertragliche Vereinbarung der Tarifverträge der Telekom nicht mehr günstiger ist als die entsprechende normativ geltende Regelung der Haustarifverträge der Beklagten.

Für den Vergleich konnte auf das Jahreszielentgelt abgestellt werden. Da zu dem für den Günstigkeitsvergleich maßgeblichen Zeitpunkt „ex ante“ festgestellt werden muss, ob die vertragliche Regelung günstiger ist, muss in Fällen wie diesen eine Prognose über das zu erzielende Arbeitsentgelt erstellt werden. Für diese Prognoseentscheidung ist das nach dem Haustarifvertrag geregelte Zielentgelt zugrunde zu legen. Dies ist jedenfalls das Entgelt, das der Kläger in dem entsprechenden Zeitraum, für den das Zielentgelt vorgesehen ist, auch nach den Vorstellungen der Tarifparteien grundsätzlich erzielen kann.

Anhaltspunkte dafür, dass das vorgesehene Jahreszielentgelt nicht erreichbar ist, liegen nicht vor. Der Kläger hat in der Vergangenheit die vorgesehenen Zielentgelte im Wesentlichen erhalten. Nach den Regelungen im Tarifvertrag ist der variable Anteil des Entgelts mit 15%, von denen wiederum ein Teil garantiert wird, gegenüber dem fixen Anteil von 85% verhältnismäßig geringfügig. Darüber hinaus liegt die Festlegung von Ober- und Untergrenzen des Zielentgelts nicht im Belieben der Beklagten, sondern ist im Tarifvertrag nach bestimmten Kriterien geregelt (§ 4 Abs. 8-10). Ein solches nach tariflichen Vorgaben bestimmtes Zielentgelt bildet eine ausreichende Grundlage für die Prognoseentscheidung. Soweit der Kläger am Ende des Zeitraums das vorgesehene Zielentgelt nicht erreichen sollte, muss dies im Hinblick auf die notwendige ex-ante-Betrachtung außer Betracht bleiben,

2.2.3 Sind die maßgeblichen arbeitsvertraglichen Regelungen „Arbeitszeit/Arbeitsentgelt“ nicht mehr günstiger, sind insoweit Abweichungen zu den normativ geltenden Haustarifverträge nicht mehr zulässig (§ 4 Abs. 3 TVG). Die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers beträgt damit 38 Stunden pro Woche.

3. Entsprechend des Obsiegens bzw. Unterliegens der Parteien waren die Kosten des Rechtsstreits zu verteilen (§ 92 ZPO).

4. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, weil der Rechtsfrage nach dem Günstigkeitsvergleich bei Zielentgelten grundsätzliche Bedeutung zukommt.