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Vormerkung einer Anrechnungszeit wegen Schulausbildung; Rentenbescheid; Rechtsänderung; 17. Lebensjahr


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 16. Senat Entscheidungsdatum 16.03.2011
Aktenzeichen L 16 R 758/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 58 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB 6, § 149 Abs 5 S 2 SGB 6, § 48 SGB 10, § 24 SGB 10

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 25. Juni 2010 in der Gestalt des Berichtigungsbeschlusses vom 26. Juli 2010 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die 1959 geborene Klägerin begehrt die Berücksichtigung des Zeitraums vom 17. Februar 1975 bis 16. Februar 1976 als Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung vor Vollendung des 17. Lebensjahres.

Mit Bescheid vom 30. März 1989 merkte die Beklagte den Zeitraum vom 17. Februar 1975 bis 12. März 1976 als Ausfallzeit nach § 36 Abs. 1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) mit dem Zusatz „Schulausbildung“ vor.

Mit Bescheid vom 15. August 2002 stellte die Beklagte die im beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten bis 31. Dezember 1995 nach § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) fest, soweit sie nicht bereits früher festgestellt worden waren. Dabei erfasste sie den streitigen Zeitraum nicht als Anrechnungszeit, sondern erst Zeiten ab 17. Februar 1976 (Anlage 2 Seite 1; Anlage 4, Seite 5 des Bescheides vom 15. August 2002). Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2003 zurückgewiesen.

Mit Bescheid vom 26. Mai 2003 gewährte die Beklagte der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung (EM) ab 1. Juli 2002, wobei sie für die Zeit vom 17. Februar 1975 bis 16. Februar 1976 im beigefügten Versicherungsverlauf ausführte: Schulausbildung – keine Anrechnung“. Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch stellte die Beklagte die EM-Rente der Klägerin mit Bescheid vom 27. November 2003 unter Berücksichtigung einer (weiteren) Anrechnungszeit vom 13. März 1976 bis 31. März 1976 neu fest und führte unter der Überschrift “Aussagen zu beantragten rentenrechtlichen Zeiten und weiteren Sachverhalten“ ergänzend aus, die Zeit vom 17. Februar 1975 bis 16. Februar 1976 könne nicht als Anrechnungszeit anerkannt werden, weil die Ausbildung vor Vollendung des 17. Lebensjahres zurückgelegt worden sei.

Mit Schreiben vom 18. September 2006 beantragte die Klägerin eine Neuberechnung der Rente unter Berücksichtigung der zum Rentenabschlag bei EM-Renten ergangenen Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. Mai 2006 - B 4 RA 22/05 R – vorzunehmen. Mit Schreiben vom 14. März 2007 erbat die Klägerin das „weitere Ruhen des Widerspruchsverfahrens“ und wies u.a. auf die Entscheidungen des BSG nach den Aktenzeichen B 4 RA 46/02 R, B 4 RA 36/02 R und B 4 RA 14/02 R (Stichwort: Schule) hin. Die Beklagte, die dies als Antrag auf Überprüfung des Rentenbescheides vom 27. November 2003 mit dem Ziel einer Berücksichtigung weiterer schulischer Ausbildungszeiten wertete, lehnte den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 28. März 2007 ab. Die Rechtsprechung des BSG sei in Fällen ergangen, in denen der Rentenbescheid wegen des Einlegens von Rechtsbehelfen durch den Rentenberechtigten nicht bestandskräftig geworden sei. Im Fall der Klägerin sei der Rentenbescheid allerdings in Bestandskraft erwachsen, so dass eine andere rentenrechtliche Situation bestehe. Nach dem insoweit einschlägigen § 44 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) komme die Gewährung von Sozialleistungen, die den Berechtigten nach der materiellen Gesetzeslage tatsächlich nicht zustünden, nicht in Betracht. Eine Berücksichtigung schulischer Ausbildungszeiten vor Vollendung des 17. Lebensjahres sehe das Gesetz jedoch nicht mehr vor. Hiergegen erhob die Klägerin am 5. April 2007 Widerspruch. Die Eingangsbestätigung der Beklagten hierzu enthält den Hinweis, dass Ausbildungsanrechnungszeiten der Klägerin erstmals mit Bescheid vom 30. Juni 1999 vorgemerkt worden seien und über die Anrechnung der schulischen Ausbildungszeiten durch Bescheid vom 26. Mai 2003 entschieden worden sei. Mit Schreiben vom 25. April 2007 teilte die Klägerin mit, dass erstmals mit Bescheid vom 30. März 1989 bindend über die streitige schulische Ausbildungszeit entschieden und dieser Bescheid bislang nicht aufgehoben worden sei.

Mit Bescheid vom 25. Mai 2007 hob die Beklagte den „Bescheid vom 30. Juni 1999 über die Feststellung“ der Zeit vom 17. Februar 1975 bis 16. Februar 1976 nach § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI mit der Begründung auf, die bisher vorgemerkten Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung vor Vollendung des 17. Lebensjahres könnte wegen einer Rechtsänderung nicht mehr berücksichtigt werden. Sie wies die Klägerin ferner darauf hin, dieser Bescheid werde nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Daraufhin teilte die Klägerin mit Schreiben vom 5. Juni 2007 mit, sie erwarte nunmehr einen rechtsmittelfähigen Bescheid über die Neuberechnung der Rente von Beginn an.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2007 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. März 2007, „soweit diesem durch Bescheid vom 25. Februar 2007 abgeholfen“ worden sei, zurück und billigte der Klägerin die Erstattung ihrer notwendigen Aufwendungen zur Hälfte zu. Die Rente könne nicht unter Berücksichtigung der schulischen Ausbildungszeit vom 17. Februar 1975 bis 16. Februar 1976, also von Zeiten vor Vollendung des 17. Lebensjahres neu berechnet werden. Da der Rentenbescheid bereits in Bestandskraft erwachsen sei, könne nur eine Überprüfung nach § 44 Abs. 1 SGB X vorgenommen werden. Da die materielle Gesetzeslage eine Berücksichtigung und schulische Ausbildungszeiten als Anrechnungszeiten vor Vollendung des 17. Lebensjahres nicht mehr vorsehe, könne der Überprüfungsantrag keinen Erfolg haben.

Im Klageverfahren hat die Klägerin unter Hinweis auf die Entscheidungen des BSG vom 30. März 2004 - B 4 RA 36/02 R - und – B 4 RA 46/02 - vorgetragen, ihr stehe der Anspruch nach § 44 SGB X zu, da bislang eine Aufhebung des Bescheides vom 30. März 1989 fehle, weshalb die Beklagte nach wie vor daran gebunden sei. Dagegen existiere der von der Beklagten aufgehobene Bescheid vom 30. Juni 1999 nicht, da in diesen Tagen nur ein informelles Schreiben an die Klägerin und die Aufgabe der Verwaltungsakte in das Archiv erfolgt sei.

Das Sozialgericht (SG) Potsdam hat die Beklagte mit Urteil vom 25. Juni 2010 unter Aufhebung des Bescheides vom 28. März 2007 und in Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2007 verpflichtet, den Bescheid vom 27. November 2003 zurückzunehmen und die Rente der Klägerin wegen EM unter Berücksichtigung der Schulzeit der Klägerin vom 17. Februar 1975 bis 16. Februar 1976 als Anrechnungszeit neu festzustellen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei zulässig, „aber unbegründet“. Der Bescheid der Beklagten vom 28. März 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2007 sei rechtswidrig, soweit hierdurch der Überprüfungsantrag zum Rentenbescheid vom 27. November 2003 abgelehnt worden sei. Die Klägerin habe gegen die Beklagte nach § 44 Abs. 1 SGB X einen Anspruch darauf, dass der Rentenbescheid vom 27. November 2003 zurückgenommen und ihre Rente wegen EM unter Berücksichtigung ihrer schulischen Ausbildungszeit vor Vollendung des 17. Lebensjahres als Anrechnungszeit neu festgestellt werde. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X lägen vor. Der Rentenbescheid über die Neufeststellung der EM-Rente vom 27. November 2003 sei bestandskräftig geworden. Die Beklagte habe bei Erlass des Bescheides vom 27. November 2003 das Recht unrichtig angewandt. Bei Erlass des Rentenbescheides vom 27. November 2003 sei sie verpflichtet gewesen, die Zeit vom 17. Februar 1975 bis 16. Februar 1976 als Anrechnungszeit wegen Ausbildung zu berücksichtigen und entsprechend rentenrechtlich zu bewerten. Zwar sei diese Zeit nach dem im Jahr 2003 geltenden Rentenrecht materiell-rechtlich nicht mehr als Anrechnungszeit wegen Schulausbildung zu berücksichtigen gewesen (§ 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI in der Fassung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25. September 1996 - WFG -, BGBl. I S. 1461, in Kraft seit dem 1. Januar 1997). Die Beklagte sei jedoch nach vor an ihren Vormerkungsbescheid vom 30. März 1989 gebunden gewesen, den sie zu keiner Zeit aufgehoben habe. Unerheblich dabei sei, dass die Zeit vor Vollendung des 17. Lebensjahres im Vormerkungsbescheid vom 30. März 1989 als „Ausfallzeit“ und nicht als „Anrechnungszeit“ bezeichnet worden sei. Denn der Begriff „Anrechnungszeit“ sei im Rentenreformgesetz – RRG - 1992 (§ 58 SGB VI) an die Stelle des Ausdrucks „Ausfallzeit“ getreten. Er bezeichne den Tatbestand einer beitragsfreien Zeit, wie denjenigen der Ausbildungs-Anrechnungszeit wegen Schul-, Fachschul- und Hochschulausbildung. Unerheblich sei ferner, dass der Vormerkungsbescheid gemäß § 104 Abs. 3 AVG vor Inkrafttreten des SGB VI am 1. Januar 1992 ergangen sei. Verwaltungsakte über die Tatbestände in der Ausbildungs-Anrechnungszeit hätten sich auch nicht ganz oder teilweise auf andere Weise unmittelbar „kraft Gesetzes“ erledigt. Die Änderung des Umfangs der Ausbildungs-Anrechnungszeiten durch das RRG 1992 zum 1. Januar 1992 und ein weiteres Mal zum 1. Januar 1997 durch das WFG seien keine sich selbst vollziehende Gesetze, die bindende Verwaltungsakte außer Kraft setzten. Eine Aufhebung des Vormerkungsbescheides vom 30. März 1989 sei nicht erfolgt, insbesondere nicht durch den Bescheid vom 25. Mai 2007, da dieser explizit lediglich einen Bescheid vom 30. Juni 1999 als aufgehoben bezeichne. Unerheblich sei, dass der „Bescheid vom 30. Juni 1999“ gar nicht existiere. Da mangels Aufhebung des Vormerkungsbescheides vom 30. März 1989 die Beklagte nach wie vor an diesen gebunden sei, stelle dieser auch die materielle Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens im Rahmen des Überprüfungsantrages nach § 44 SGB X dar. Angesichts dessen sei es auch unerheblich, dass die Rentenbescheide vom 26. Mai 2003 und vom 27. November 2003 bereits bestandskräftig gewesen seien. Eine Differenzierung dahingehend, dass und warum die Rechtsfolge der Bindungswirkung von Vormerkungsbescheiden nur noch bei nicht bestandskräftigen Rentenbescheiden gelten soll, sei weder der Entscheidung des BSG vom 30. März 2004 zu entnehmen noch sonst ersichtlich. Gemäß § 44 Abs. 4 SGB X bestehe ein Anspruch auf Zahlung der neu festzustellenden Leistungen an die Klägerin im Hinblick auf den am 17. März 2007 gestellten Überprüfungsantrag für den Zeitraum vom 01. Januar 2003 bis 31. Dezember 2006. Mit Beschluss vom 26. Juli 2010 hat das SG das Urteil vom 25. Juni 2010 dahingehend berichtigt, dass es auf Seite 4 des Urteils statt „die Klage ist zulässig, aber unbegründet“ richtig lauten müsse: „Die Klage ist zulässig und begründet.“

Im Berufungsverfahren trägt die Beklagte vor: Die Klägerin könne keine Neufeststellung ihrer EM-Rente verlangen. Für eine Anwendung des § 44 SGB X fehle es am erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsaktes und dem Nichterbringen der an sich zustehenden Sozialleistung. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sei also dahin zu verstehen, dass die vorenthaltenen Sozialleistungen materiell zu Unrecht nicht erbracht worden seien (BSG, Urteil vom 22. März 1999 – 7 RAr 122/87 = SozR 1300 § 44 Nr. 38). Der Rentenbescheid vom 26. Mai 2003 stehe jedoch in Einklang mit den zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung geltenden Vorschriften für die Ausbildungsanrechnungszeiten. Allerdings habe die Beklagte mit Bescheid vom 30. April 1989 die Zeit vom 17. Februar 1975 bis 16. Februar 1976 als Ausfallzeit wegen Schulausbildung nach § 36 Abs. 1 AVG vorgemerkt und diese Entscheidung mit Bescheid vom 15. August 2002 bestätigt. Der Vormerkungsbescheid vom 30. März 1989 sei jedoch mit Bescheid vom 25. Mai 2007 mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben worden. Zwar sei in diesem Bescheid ausdrücklich ein Bescheid vom 30. Juni 1990 genannt, welcher aufzuheben sei. Dabei habe die Sachbearbeitung vermutlich ein Bearbeitungsdatum aus dem so genannten Kontenspiegel/Versicherungsverlauf mit dem eigentlichen Bescheiddatum verwechselt. Dieser Aufhebungsbescheid sei jedoch nicht wegen dieser Verwechslung aufgrund materieller Bestimmtheit materiell rechtswidrig oder gar nichtig. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass es sich hierbei um eine falsa demonstratio handele. Aus den Formulierungen, Hinweisen und Auskünften des Bescheides vom 25. Mai 2007 komme - für einen verständigen, objektiven Erklärungsempfänger ebenso wie für die Klägerin - klar zum Ausdruck, dass die Beklagte die im Vormerkungsbescheid vom 30. März 1989 festgestellte Ausbildungs-Anrechnungszeit von Anfang an nicht bei der Rentenberechnung berücksichtige. Die Beklagte habe ihre Entscheidung dabei zu Recht auf § 149 Abs. 5 Satz 1 (gemeint: Satz 2) SGB VI gestützt. Gemäß dieser Vorschrift sei bei Änderung der dem Feststellungsbescheid zugrunde liegenden Vorschriften der Feststellungsbescheid durch einen Feststellungsbescheid oder im Rentenbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben; die §§ 24, 48 SGB X seien nicht anzuwenden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 25. Juni 2010 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 26. Juli 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Rentenakten der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Streitgegenstand des Verfahrens im Sinne des § 95 SGG ist neben dem Bescheid vom 28. März 2007 und dem Widerspruchsbescheid vom 20. September 2007 auch der Bescheid vom 25. Mai 2007, mit dem die Beklagte den „Bescheid vom 30. Juni 1999 über die Feststellung“ der Zeit vom 17. Februar 1975 bis 16. Februar 1976 nach § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI aufgehoben hatte. Der Bescheid vom 25. Januar 2007 war jedenfalls in entsprechender Anwendung des § 86 SGG aus prozessökonomischen Gründen in das Widerspruchsverfahren einzubeziehen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 13. November 2008 – B 13 R 43/07 R -,juris).

Die Klage der Klägerin, mit der diese auf der Grundlage einer (negativen) Zugunstenentscheidung der Beklagten nach § 44 SGB X ihre statthafte kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage auf Gewährung einer höheren EM-Rente weiter verfolgt, ist nicht begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf höhere EM-Rente unter Berücksichtigung des Zeitraums vom 17. Februar 1975 bis 16. Februar 1976 als Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung vor Vollendung des 17. Lebensjahres, so dass die Beklagte den Überprüfungsantrag und damit eine Änderung des Rentenbescheides vom 27. November 2003 mit den angefochtenen Bescheiden beanstandungsfrei abgelehnt hat.

Gemäß § 44 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nach dem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind (Abs. 1 Satz 1). Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des SGB längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (Abs. 4 Satz 1).

Für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit des zu überprüfenden Verwaltungsaktes (hier des Bescheides vom 27. November 2003) ist die materielle Rechtslage maßgebend. Das Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X soll dem Gebot der materiellen Gerechtigkeit zum Erfolg verhelfen. Dem Betroffenen ist daher nur diejenige Leistung zu gewähren, die ihm nach materiellem Recht bei von Anfang an zutreffender Rechtsanwendung zugestanden hätte. Daher sind Form- oder Anhörungsfehler nicht geeignet, einen Aufhebungsanspruch nach § 44 Abs. 1 SGB X zu begründen (vgl. BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 21 Rn. 23). Auch hat das BSG in Fällen, in denen der Betroffene im Wege des Überprüfungsverfahrens eine höhere Leistung begehrte, obwohl die Leistung bereits dem Grunde nach zu Unrecht bewilligt wurde, einen Aufhebungsanspruch mit der Begründung verneint, dass die Überprüfung nicht auf die Höhe der Leistung beschränkt werden kann, sondern alle Anspruchsvoraussetzungen erfasst (BSG SozR 1300 § 44 Nr. 38).

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die im Überprüfungsverfahren maßgebende materielle Rechtslage nicht allein durch die bei Erlass des zu überprüfenden Verwaltungsaktes für den Leistungsanspruch selbst geltenden Rechtsnormen zu bestimmen. Auch Verwaltungsakte, mit denen für die Leistungsbewilligung maßgebende Tatbestände bindend festgestellt werden, wie dies bei rentenrechtlichen Vormerkungsbescheiden nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der Fall ist (vgl. BSG SozR 4-2600 § 149 Nr. 1), gestalten die für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des bewilligenden Verwaltungsaktes maßgebende materielle Rechtslage. Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte durch den Bescheid vom 30. März 1989 den Zeitraum vom 17. Februar 1975 bis 12. März 1976 als Ausfallzeit (jetzt Anrechnungszeit) nach § 36 Abs. 1 AVG mit dem Zusatz „Schulausbildung“ vorgemerkt. Dieser rentenrechtliche Tatbestand wäre der Berechnung des Wertes der Rente zu Grunde zu legen gewesen, solange und soweit er nicht durch Verwaltungsakt ganz oder teilweise aufgehoben worden war (vgl. BSG aaO). Jedenfalls mit dem Rentenbescheid vom 27. November 2003, der den Rentenbescheid vom 26. Mai 2003 in vollem Umfang ersetzt hatte, ist jedoch die Vormerkungsentscheidung vom 30. März 1989 für den streitbefangenen Zeitraum konkludent aufgehoben worden, denn dieser Rentenbescheid enthält die Aussage, die Zeit vom 17. Februar 1975 bis 16. Februar 1976 könne nicht als Anrechnungszeit anerkannt werden, weil die Ausbildung vor Vollendung des 17. Lebensjahres zurückgelegt worden sei. Eine Aufhebung früherer Bescheide muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann auch durch einen konkludenten, jedoch hinreichend deutlichen Verwaltungsakt erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 2000 – B 5 RJ 42/99 R-, juris). Aus den Formulierungen, Hinweisen und Auskünften des Bescheides vom 27. November 2003 kommt – für einen verständigen, objektiven Erklärungsempfänger wie für die Klägerin – klar erkennbar zum Ausdruck, dass die Beklagte die im Bescheid vom 30. März 1989 festgestellte Zeit im angegebenen Umfang für die Berechnung der Rente von Anfang an nicht mehr berücksichtigte, dieser Bescheid somit diesbezüglich keine Bindungswirkung mehr entfaltete. Dabei ist es unschädlich, dass der aufzuhebende Bescheid nicht angeführt wird.

Selbst wenn entgegen den vorstehenden Ausführungen ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 SGB X vorliegen sollte, änderte dies nichts daran, dass diese Aufhebung im Bescheid vom 27. November 2003 mangels Offenkundigkeit des Fehlers nicht nichtig und zunächst einmal wirksam und bestandskräftig geworden wäre. Zwar könnte der Senat die Beklagte im Rahmen des hier anhängigen Zugunstenverfahrens auch zur Rücknahme der Aufhebungsentscheidung verpflichten und mithin die Rechtswidrigkeit der Aufhebung bei der Überprüfung der Rentenhöhe berücksichtigen (vgl. BayLSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – L 14 R 916/08 -, juris). Bei der Rechtwidrigkeit wegen fehlender Bestimmtheit handelt es sich auch nicht um einen unbeachtlichen Form- oder Anhörungsfehler und es ist schließlich zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass die Klägerin dem Grunde nach Anspruch auf die bewilligte EM-Rente hat.

Ein Aufhebungsanspruch der Klägerin wäre gleichwohl auch bei einem unterstellten Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz zu verneinen. Denn die Beklagte wäre gemäß § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI gezwungen, umgehend erneut die Aufhebung des Bescheides vom 30. März 1989 mit Wirkung für die Vergangenheit zu verfügen, weil nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI in der seit 1. Januar 1997 geltenden Fassung vor der Vollendung des 17. Lebensjahres zurückgelegte Schulzeiten nicht mehr bei der Rentenberechnung angerechnet werden können. Ist die Beklagte aber verpflichtet, den rechtswidrigen Aufhebungsbescheid mit demselben Regelungsinhalt umgehend erneut zu erlassen, so kann die Klägerin nach dem Dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est-Grundsatz (vgl. LSG Darmstadt, Urteil vom 30. Mai 2008 – L 5 R 186/06 KN -, juris; LSG Chemnitz, Urteil vom 12. Juli 2006 – L 1 KR 57/03 -, juris; VG Hamburg, Beschluss vom 2. Februar 1998 – 4 VG 687.98 – juris; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 113 Rn. 58) nicht die Aufhebung dieses Bescheides beanspruchen.

Selbst wenn entgegen den vorstehenden Ausführungen mit dem Rentenbescheid vom 27. November 2003 die den Zeitraum vom 17. Februar 1975 bis 16. Februar 1976 betreffende Vormerkungsentscheidung nicht beanstandungsfrei aufgehoben worden wäre, könnte die Klägerin die Berücksichtigung der streitbefangenen Zeit nicht verlangen. Denn jedenfalls mit dem während des Zugunstenverfahrens ergangenen und hier mitangefochtenen Bescheid vom 25. Mai 2007 ist der Vormerkungsbescheid vom 30. März 1989 für den streitbefangenen Zeitraum rechtmäßig aufgehoben worden. Soweit der Aufhebungsbescheid vom 25. Mai 2007 versehentlich einen nicht existierenden Bescheid als aufzuhebenden Verwaltungsakt benennt, ist dies unschädlich. Denn aus dem Aufhebungsbescheid ergibt sich im Übrigen für einen verständigen Erklärungsempfänger unmissverständlich, welche Regelung aufgehoben werden sollte. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Klägerin das richtige Datum des aufzuhebenden Bescheides bekannt war (vgl. ihr Schreiben vom 25. April 2007). Aus dem Hinweis auf § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI im Aufhebungsbescheid vom 25. Mai 2007 ergibt sich auch mit noch hinreichender Bestimmtheit, dass die Vormerkungsentscheidung mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben worden ist.

Nach alledem war die Nichtberücksichtigung der streitbefangenen Zeit im Rentenbescheid vom 27. November 2003 rechtmäßig, weil sie der verfassungsmäßigen Regelung (vgl. hierzu BVerfGE 117, 272 ff; BSG, Urteile vom 13. November 2008 – B 13 R 43/07 R – und - B 13 R 77/07 R -; jeweils juris) des § 58 Abs. Satz 1 Nr. 4 SGB VI entsprach und der Klägerin auch nicht aufgrund eines noch wirksamen Verwaltungsaktes ein bessere Rechtsposition eingeräumt war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.