Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Urteilsergänzung

Urteilsergänzung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 20. Senat Entscheidungsdatum 10.10.2013
Aktenzeichen L 20 AS 161/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 140 SGG

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Sachbericht:

Der Kläger begehrt die Ergänzung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 13. November 2008.

Der Kläger hatte am 19. März 2007 beim Sozialgericht Berlin eine in Klage erhoben und schriftsätzlich mit Klageschriftsatz vom 19. März 2007 den Antrag angekündigt:

1.der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 14. Februar 2007 - Gz. - BG-nr. - W - wird aufgehoben.
2.Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in dem Widerspruchsverfahren Gz. W betreffend den Bescheid vom 16. Mai 2006 entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Es wird festgestellt, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war.
3.Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Nachdem die damaligen Beteiligten vor dem Sozialgericht Köln am 28. Mai 2008 in einem anderen geführten Rechtsstreit einen gerichtlichen Vergleich geschlossen hatten, der auch den mit dem Bescheid vom 16. Mai 2006 geregelten Bewilligungszeitraum für die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II – umfasste, hatte das Gericht mit gerichtlichem Schreiben vom 28. Juli 2008 darauf hingewiesen, dass durch den vor dem Sozialgericht Köln geschlossenen Vergleich das vorliegende Verfahren in der Hauptsache erledigt sei. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hatte daraufhin geltend gemacht, dass die Hauptsache nicht erledigt sei. Angefochten in dem vorliegenden Verfahren sei nicht der Bescheid vom 16. Mai 2006, sondern isoliert der Widerspruchsbescheid sowie die darin verfügte negative Kostenlastentscheidung. Der Widerspruchsbescheid sei rechtswidrig ergangen. Die Zurückweisung des Widerspruches gegen den Ausgangsbescheid hätte nicht ergehen dürfen. Der Widerspruchsbescheid sei mithin auf die erhobene Klage aufzuheben. Auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2008, zu der für den Kläger niemand erschienen war, wies das Sozialgericht mit Urteil vom 13. November 2008 die Klage ab. Mit dem Tatbestand des Urteils wird der Antrag des Klägers dahingehend sinngemäß wiedergegeben, das beantragte war,

“ die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2007 die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten“.

Mit den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, dass die Klage wegen Erledigung der Hauptsache unzulässig gewesen sei. Eine Erledigung sei deshalb eingetreten, weil sich die Beklagte mit dem gerichtlichen Vergleich vom 28. Mai 2008 bereit erklärt hätte, die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Verfahren und des Widerspruchsverfahrens, das auch zu dem streitgegenständlichen Widerspruchsbescheid geführt hätte, zu übernehmen. Damit habe sich der Vergleich auch auf den Bescheid vom 15. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2007 erstreckt, so dass eine Erledigung in der Hauptsache eingetreten sei. Die Klage sei daher als unzulässig abzuweisen gewesen.

Nach Zustellung des Urteils am 24. November 2008 hat der Kläger vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten am 23. Dezember 2008 beantragt, das Urteil um eine Entscheidung zu dem Klageantrag Ziffer 1 der Klageschrift vom 19. März 2007 zu ergänzen. Dieser Klageantrag sei in dem Urteil übergangen worden. Der Kläger habe vorsorglich in dem Verfahren klargestellt, dass nicht der Bescheid vom 16. Mai 2006 angefochten sei, sondern isoliert der Widerspruchsbescheid. Der Verfügungssatz, Zurückweisung des Widerspruchs, sei aus den ausführlich dargelegten Gründen auf die Klage hin aufzuheben gewesen. Da über diesen Anspruch mit dem Urteil nicht entschieden worden sei, sei das Urteil gemäß § 140 Sozialgerichtsgesetz – SGG - zu ergänzen.

Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 12. Dezember 2011 die Klage abgewiesen und wie folgt zur Begründung u.a. ausgeführt:

„Der zulässige Antrag auf Urteilsergänzung ist unbegründet. Nach § 140 Abs. 1 Satz 1 SGG wird ein Urteil auf Antrag nachträglich ergänzt, wenn es einen von einem Beteiligten erhobenen Anspruch ganz oder teilweise übergangen hat. Diese Voraussetzungen sind hier in zweifacher Hinsicht nicht gegeben. Zunächst setzt § 140 Abs. 1 Satz 1 SGG einen „erhobenen" Anspruch voraus. Dieser ist bei anwaltlich vertretenen Klägern regelmäßig dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Klageantrag zu entnehmen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 123 Rn. 3). Ergibt sich aus dem Tatbestand nicht, dass der betreffende Antrag gestellt ist, und schweigt diesbezüglichauch die Sitzungsniederschrift, muss der Tatbestand berichtigt werden, bevor das Urteil ergänzt werden kann (Hess. LSG, MDR 1981, 1052; Keller, aaO, § 140 Rn. 2b). Der Sitzungsniederschrift ist kein Klageantrag zu entnehmen, da für den Kläger in der mündlichen Verhandlung niemand anwesend war. Ausweislich des Urteils beantragte der Kläger (sinngemäß) einzig und allein, den Beklagten unter Abänderung des Ausgangsbescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheids zur Erstattung der Kosten des Vorverfahrens zu verurteilen. Dem Antrag auf Ergänzung des Urteils muss schon deshalb der Erfolg versagt bleiben, weil nicht ersichtlich ist, dass ein über die Kostenentscheidung hinausgehender Anspruch auf Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2007 erhoben worden ist. Aber selbst wenn ein Anspruch auf Aufhebung des gesamten Widerspruchsbescheides erhoben worden wäre, könnte der Antrag auf Urteilsergänzung keinen Erfolg haben. § 140 Abs. 1 Satz 1 SGG erfordert eine eindeutige Entscheidungslücke (Keller, aaO, § 140 Rn. 2). Ob eine solche vorliegt ist nicht nur anhand des Tenors, sondern auch anhand der Entscheidungsgründe zu ermitteln (Keller, aaO, § 140 Rn. 2; vgl. BSGE 6, 97, 98; Hdb SGG-Udsching, 6. Aufl., VII Rn. 219). In den Entscheidungsgründen wird zu Anfang ausgeführt, dass die Klage wegen Erledigung der Hauptsache unzulässig sei. Dies wird am Ende der Entscheidung damit begründet, dass ein vor dem SG Köln geschlossener Vergleich, der u. a. auch den in Rede stehenden Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2007 erfasse, die Erledigung des Verfahrens herbeigeführt hat. Danach steht außer Frage, dass im beanstandeten Urteil entschieden worden ist, dass ein Anspruch auf Aufhebung des Widerspruchsbescheides nicht besteht, weil dieser bereits nach § 99 SGG Gegenstand des Verfahrens vor dem Sozialgericht Köln gewesen ist und durch den Abschluss eines Vergleiches seine Erledigung gefunden hat“.

Gegen den am 22. Dezember 2011 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 23. Januar 2012 (Montag) eingegangene Berufung, mit der der Kläger unter Verweis auf sein erstinstanzliches Vorbringen sein Begehren weiterverfolgt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid vom 12. Dezember 2011 aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. November 2008 dahin zu ergänzen, dass der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 14. Februar 2007 aufgehoben wird.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Gerichtsakte des Sozialgerichts Berlin zu dem Rechtsstreit S 175 AS 7006/07 verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte den Rechtsstreit in Abwesenheit der Beteiligten aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten mit den Ladungen zum Termin zur mündlichen Verhandlung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind, §§ 153 Abs. 1, 126, 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat es mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid zu Recht abgelehnt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. November 2008 zu ergänzen.

Die Voraussetzungen für eine Ergänzung eines Urteils liegen nicht vor. Nach § 140 Abs. 1 SGG wird auf Antrag ein Urteil nachträglich ergänzt, soweit das Urteil einen von einem Beteiligten erhobenen Anspruch ganz oder teilweise übergangen hat. Über diesen Antrag ist, wenn es sich - wie hier - nicht nur um einen Kostenpunkt handelt, durch Urteil bzw. durch Gerichtsbescheid (§§ 140 Abs. 1 S. 1, 105 SGG) zu entscheiden.

Voraussetzung ist, dass das Gericht mit der zu ergänzenden Entscheidung einen geltend gemachten Anspruch übersehen hat. Eine Urteilsergänzung ist dann, aber auch nur dann, zulässig, wenn das Gericht über den Rechtsstreit in vollem Umfang entscheiden wollte, versehentlich aber nicht über alle Ansprüche entschieden hat (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 140, Rn. 2). Wie das Sozialgericht mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend entschieden hat, ist Voraussetzung eine eindeutige Entscheidungslücke, an der es mit dem Urteil vom 13. November 2008 fehlt. Das Sozialgericht hat mit der Entscheidung vom 13. November 2008 nämlich die von dem Kläger erhobene Klage wegen Erledigung der Hauptsache als unzulässig erachtet und sie aus diesem Grund insgesamt abgewiesen. Dies ergibt sich aus dem Tenor (Klageabweisung) und aus den zur Prüfung der Frage, ob ein Anspruch übersehen worden ist, heranzuziehenden Entscheidungsgründen. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab und weist die Berufung aus den zutreffenden Gründen des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass selbst wenn man der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers folgte, dass das Sozialgericht mit dem Urteil vom 13. November 2008 über den ausdrücklich gestellten Antrag, den Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2007 (isoliert) aufzuheben, nicht entschieden hätte, für eine Urteilsergänzung nach § 140 SGG kein Raum wäre. Voraussetzung wäre nämlich, dass das Sozialgericht versehentlich nicht über einen geltend gemachten Klageanspruch entschieden hätte. Das könnte hier nicht angenommen werden. Das Sozialgericht hatte nämlich bereits mit Hinweisschreiben vom 28. Juli 2008 ausgeführt, dass es den schriftlich angekündigten Klageantrag dahin auslege, dass in der Sache die Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 16. Mai 2006 streitig sei. Weiter hat das Sozialgericht mit dem Schreiben ausgeführt, dass die Beteiligten den streitigen Bescheid vom 15. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2007 in einen vor dem Sozialgericht Köln geschlossenen Vergleich einbezogen hätten. Das Sozialgericht hat ausweislich des im Tatbestand des Urteils wiedergegebenen Klageantrages eine entsprechende Auslegung des schriftlich angekündigten Klageantrages vorgenommen. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers meint, diese Auslegung des Klagebegehrens sei fehlerhaft gewesen, ist dies nicht mit einem Ergänzungsantrag nach § 140 SGG angreifbar (Keller, aaO., Rn. 2c), sondern wäre mit einer Berufung gegen das Urteil vom 13. November 2008 angreifbar gewesen (BSG v. 26.08.1994 – 13 RJ 9/94 -, juris, Rn. 32).

Letztlich konnte dies jedoch dahinstehen, weil mit dem Urteil vom 13. November 2008 jedenfalls auch die Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2007 abgelehnt worden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem vorgeschlagenen Ausgang des Rechtsstreits.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.