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Entscheidung 23 TaBV 737/12


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 23. Kammer Entscheidungsdatum 28.08.2013
Aktenzeichen 23 TaBV 737/12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 42 Abs 2 ZPO, § 139 ZPO

Leitsatz

1.Es begründet nicht die Besorgnis der Befangenheit i. S. v. § 42 Abs. 2 ZPO, wenn ein Vorsitzender auf eine sachdienliche Antragstellung hinwirkt. Dies gilt auch dann, wenn der Antrag ohne die Umformulierung hätte zurückgewiesen werden müs-sen oder der Entwurf des sachdienlichen Antrags vorab der Protokollführerin zur Ver-fügung gestellt wird. Dies rechtfertigt sich aus § 139 ZPO.

2. Gerichtliche Vorschläge zur Formulierung eines Unterlassungsantrages im Beschlussverfahren, die von dem Bestreben getragen sind, auf eine Antragsfassung hinzuwirken, die dem wirklichen Verfahrensziel entspricht und geeignet ist, den Streit zwischen den Beteiligten möglichst umfassend zu klären und wieder Rechtsfrieden herbeizuführen, entsprechen den in § 139 ZPO normierten richterlichen Pflichten.

Tenor

Das Ablehnungsgesuch des Beteiligten zu 2. gegen den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht P. vom 22. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Arbeitgeber und Beteiligte zu 2. aus Gründen des Tendenzschutzes berechtigt ist, ohne die Zustimmung des Betriebsrats und Beteiligten zu 1. oder deren Ersetzung durch die Einigungsstelle Mitarbeiter außerhalb der in der Betriebsvereinbarung über die Einführung und Durchführung der gleitenden Arbeitszeit im B. Brandenburg vom 27. März 1998 (BV Gleitzeit) festgelegten Rahmenarbeitszeit zu Messeveranstaltungen heranzuziehen. Im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht Neuruppin hat der Beteiligte zu 1. u. a. beantragt,

dem Antragsgegner aufzugeben, es zu unterlassen, gegenüber Mitarbeitern außerhalb der in der Betriebsvereinbarung Gleitzeit festgelegten Rahmenarbeitszeit Überstunden für die Durchführung von Messeveranstaltungen anzuordnen, sofern keine Zustimmung des Antragstellers oder eine Ersetzung der Zustimmung durch die Einigungsstelle vorliegt.

Mit Beschluss vom 16. Februar 2012, auf dessen Gründe unter I. (Bl. 181 -185 d. A.) wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten verwiesen wird, wies das Arbeitsgericht Neuruppin den Antrag zurück. Hiergegen legte der Beteiligte zu 1. vor dem Landesarbeitsgericht Beschwerde ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 22. Mai 2012 (Bl. 222 ff. d. A.). Im Anschluss an den Anhörungstermin am 22. August 2012 erteilte die Kammer dem Beteiligten zu 2. weitere Auflagen und legte dem Beteiligten zu 1. nahe, seinen Antrag zu überprüfen, auf die Teilnahme an inhaltlich konkret bezeichneten Messen zu beschränken und auf eine Verletzung des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG abzustimmen, statt von Überstunden auszugehen. Wegen der Einzelheiten des Auflagenbeschlusses wird auf das Protokoll vom 22. August 2012 (Bl. 273 ff. d. A.) verwiesen. Der Beteiligte zu 2. beantragte mehrfach Fristverlängerung und schließlich im Einvernehmen mit dem Beteiligten zu 1. das Ruhens des Verfahrens. Nach Wiederaufnahme des Verfahrens durch den Beteiligten zu 1. und einer weiteren Fristverlängerung erhob der Beteiligte zu 2. mit Schriftsatz vom 2. April 2013 den Vorwurf der Überspannung der richterlichen Hinweispflicht und trug im Übrigen entsprechend den Auflagen vor. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 2. April 2013 (Bl. 385 ff. d. A.) verwiesen. Der Beteiligte zu 1. kündigte mit Schriftsatz vom 10. Mai 2013 (Bl. 540 ff. d. A.) den erstinstanzlich gestellten Antrag mit genauer Bezeichnung der BV Gleitzeit als Hauptantrag sowie folgenden Hilfsantrag an:

Dem Arbeitgeber wird aufgegeben, es zu unterlassen, Mitarbeiter außerhalb der in der Betriebsvereinbarung über die Einführung und Durchführung der gleitenden Arbeitszeit im B. Brandenburg vom 27. März 1998 festgelegten Rahmenarbeitszeit für die Durchführung der Messeveranstaltungen „Bildungsmesse Marktplatz Bildung“ in Berlin, der Bildungsmesse Frankfurt/Oder, der „Messe IMPULS Cottbus“, der „Impulsmesse im A10-Center Wildau“, der Reha-Messe Rehafair in Berlin, der „Potsdamer Bildungsmesse“, der Fachmesse „Fibo“ und bei Jobmessen einzusetzen, sofern keine Zustimmung des Antragstellers oder eine Ersetzung der Zustimmung durch die Einigungsstelle vorliegt.

Nach Erörterung der Anträge hat der Beteiligte zu 1. in der mündlichen Anhörung am 22. Mai 2013 mit Unterstützung des Vorsitzenden schließlich folgenden Antrag gestellt:

dem Arbeitgeber - Beteiligten zu 2. - aufzugeben, es zu unterlassen, außerhalb der in der Betriebsvereinbarung über die Einführung und Durchführung der gleitenden Arbeitszeit im B. Brandenburg vom 27. März 1998 festgelegten Rahmenarbeitszeit Überstunden anzuordnen für Rehaausbilder zum Besuch von Jobmessen mit Rehabilitanden und für Mitarbeiter aus der Abteilung Rehamanagement und besondere Hilfen, Kraftfahrer und Haushandwerker des technischen Hausdienstes zur Beteiligung an Bildungsmessen, sofern keine Zustimmung des Antragstellers oder eine Ersetzung der Zustimmung durch die Einigungsstelle vorliegt.

Daraufhin hat der Beteiligte zu 2. den Vorsitzenden wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Wegen der Begründung wird auf die Schriftsätze des Beteiligten zu 2. vom 13. Juni 2013 (Bl. 629 - 641 d. A.) und 5. August 2013 (Bl. 653 - 656 d. A.) Bezug genommen. Wegen der Stellungnahme des Beteiligten zu 1. wird auf dessen Schriftsatz vom 4. Juli 2013 (Bl. 644 - 645 d. A.) und wegen der dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden vom 11. Juli 2013 auf den Akteninhalt (Bl. 647 d. A.) verwiesen.

II. Nach § 87 Abs. 2 i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG gelten die Vorschriften über die Ablehnung von Gerichtspersonen nach den §§ 42 ff. ZPO auch im Beschwerdeverfahren des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens. Nach § 87 Abs. 2 i. V. m. § 64 Abs. 7, § 49 Abs. 1 ArbGG ist über die Ablehnung durch die Kammer des Landesarbeitsgerichts zu entscheiden.

Das Ablehnungsgesuch ist teilweise bereits unzulässig, da die vorgebrachten Ablehnungsgründe zum Teil verspätet sind. Soweit der Beteiligte zu 2. die Ablehnungsgründe rechtzeitig vorgebracht hat, können diese die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen. Insoweit ist das Ablehnungsgesuch unbegründet.

1. Nach § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter von einer Partei wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wobei § 43 ZPO die zeitlichen Grenzen des Ablehnungsrechts regelt.

a) Nach § 42 Abs. 2 ZPO setzt die Ablehnung einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Vorsitzenden zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Bei Anlegung dieses objektiven Maßstabes kommt es entscheidend darauf an, ob die Prozesspartei, die das Ablehnungsgesuch angebracht hat, von ihrem Standpunkt aus Anlass hat, Voreingenommenheit zu befürchten. Es muss also die Befürchtung bestehen, dass der abgelehnte Richter in die Verhandlung und Entscheidung des gerade anstehenden Falles sachfremde, unsachliche Momente mit einfließen lassen könnte und den ihm unterbreiteten Fall nicht ohne Ansehen der Person nur aufgrund der sachlichen Gegebenheiten des Falles und allein nach Recht und Gesetz entscheidet. Unter Befangenheit ist danach ein Zustand zu verstehen, der eine vollkommen gerechte und von jeder falschen Rücksicht freie Entscheidung zur Sache beeinträchtigt (BAG vom 06.08.1997 - 4 AZR 789/95 (A) -, AP Nr. 5 zu § 49 ArbGG 1979; vom 07.11.2012 - 7 AZR 646/10 (A) -, NZA 2013, 582).

Entscheidend ist dabei nicht, ob der Richter wirklich befangen ist oder sich selbst für befangen hält, sondern allein, ob auch vom Standpunkt des Ablehnenden aus gesehen genügend objektive, d. h. nicht nur in der Einbildung der Partei wurzelnde Gründe vorliegen, die in den Augen eines vernünftigen Menschen geeignet sind, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Vorsitzenden zu erzeugen (BAG vom 06.08.1997 - 4 AZR 789/95 (A) -, a. a. O.; vom 07.11.2012 - 7 AZR 646/10 (A) -, a. a. O.).

b) Nach § 43 ZPO kann eine Partei einen Richter nicht mehr wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Mit dem Verlust des Ablehnungsrechts wird die Ablehnung unzulässig (BFH vom 18.03.2013 - VII B 134/12 -, juris; BGH vom 05.02.2008 - VIII ZB 56/07 -, NJW-RR 2008, 800; BAG vom 19.05.1993 - 2 AZR 269/92 (A), 2 AZR 269/92 -, juris).

Für ein Geltendmachen reicht es nicht aus, wenn die Partei ein bestimmtes Verhalten lediglich rügt oder ein Ablehnungsgesuch nur ankündigt. Es ist vielmehr erforderlich, den Ablehnungsgrund unmissverständlich zum Gegenstand eines Ablehnungsgesuchs zu machen (vgl. BGH vom 05.02.2008 - VIII ZB 56/07 -, a. a. O.; Musielak-Heinrich, § 43 Rn. 3). Ein Einlassen in eine Verhandlung ist jedes prozessuale, der Erledigung des Streitpunktes dienende Handeln der Partei unter Mitwirkung des Richters (BGH vom 05.02.2008 - VIII ZB 56/07 -, a. a. O.), beispielsweise auch das Einreichen eines Schriftsatzes zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung (Zöller-Vollkommer, § 43 Rn. 4; Musielak-Heinrich, § 43 Rn. 4). Das bedeutet, dass ein Ablehnungsgesuch nur auf solche Gründe gestützt werden kann, die später entstanden oder der Partei bekannt geworden sind (Zöller-Vollkommer, § 43 Rn. 7).

2. In Anwendung dieser Grundsätze war das Befangenheitsgesuch zurückzuweisen.

a) Soweit der Beteiligte zu 2. dem Vorsitzenden vorwirft, er habe mit dem im Anschluss an den Anhörungstermin am 22. August 2012 durch die Kammer ergangenen Auflagenbeschluss die richterliche Hinweispflicht zu Gunsten des Beteiligten zu 1. überspannt, ist das Ablehnungsgesuch bereits unzulässig. Denn spätestens dadurch, dass der Beteiligte zu 2. mit Schriftsatz vom 2. April 2013 entsprechend den Auflagen weiter vorgetragen hat, hat er sich auf die weitere Verhandlung mit dem Vorsitzenden eingelassen und insoweit das Recht zur Ablehnung nach § 43 ZPO verloren. Daran ändert auch nichts, dass er den Vorwurf der Überspannung der richterlichen Hinweispflicht auch schon in dem Schriftsatz vom 2. April 2013 erhoben hat. Denn seinerzeit hat er nicht einmal Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Vorsitzenden geäußert, geschweige denn, das monierte Verhalten zum Gegenstand eines Ablehnungsgesuchs gemacht.

b) Hinsichtlich der weiteren Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Anhörungstermin am 22. Mai 2013 ist das Ablehnungsgesuch unbegründet.

aa) Was die Vorwürfe hinsichtlich der Vorbereitung des Protokolls des Anhörungstermins betrifft, geht die Kammer davon aus, dass die Angaben des Vorsitzenden in dessen dienstlicher Stellungnahme vom 11. Juli 2013, er habe die von dem Beteiligten zu 1. mit Schriftsatz vom 10. Mai 2013 angekündigten Anträge in eine Datei übertragen und diese der Protokollführerin zur Vorbereitung des Protokolls zur Verfügung gestellt, zutreffend sind. Dafür spricht auch, dass der Konkretisierung des Antrages durch die Bildung von Fallgruppen eine längere Befragung des Personalleiters des Beteiligten zu 2. vorausgegangen sein soll. Soweit der Beteiligte zu 2. meint, dies könne nicht sein, weil der Vorsitzende der Protokollführerin nicht die Anweisung gegeben habe, den Hilfsantrag zu löschen, übersieht er, dass eine aufmerksame Protokollführerin die Erörterung der Anträge verfolgt, erkennt, wenn ein bestimmter angekündigter Antrag nicht gestellt wird, und diesen von sich aus dem vorbereiteten Protokoll löscht.

Aber selbst wenn der Vorsitzende der Protokollführerin vor dem Anhörungstermin die Anträge in einer Fassung zur Verfügung gestellt haben sollte, die dem zuletzt gestellten Antrag sehr ähnlich waren, begründet dies nicht die Besorgnis der Befangenheit.

Zu den richterlichen Aufgaben gehört u. a. die Vorbereitung der mündlichen Anhörung. Dazu hat ein Richter nicht nur das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten zu lesen, rechtlich einzuordnen und zu prüfen, welche Punkte der weiteren Aufklärung bedürfen, sondern sich auch Gedanken über die Sachdienlichkeit der Anträge zu machen. Dies gilt besonders bei Anträgen, die wie beispielsweise auch Unterlassungsanträge im Beschlussverfahren, nicht ganz einfach zu formulieren sind. Erarbeitet der Vorsitzende dabei einen konkreten Formulierungsvorschlag und stellt diesen der Protokollführerin vorab zur Verfügung, dient dies der Vorbereitung der Anhörung und entspricht der in § 139 ZPO normierten richterlichen Pflicht, auf sachdienliche Anträge hinzuwirken (vgl. dazu auch OLG Köln vom 15.03.1993 - 6 W 7/93 -, NJW-RR 1993, 1277 zu Unterlassungsanträgen in Wettbewerbsstreitigkeiten).

Entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 2. widerspricht eine solche Vorgehensweise auch nicht der Zivilprozessordnung. Die §§ 159 ff. ZPO regeln nur, welche Angaben, Vorgänge und Feststellungen in das Protokoll korrekt aufzunehmen sind, verbieten aber nicht, das Protokoll vorzubereiten und zur Erleichterung der Protokollierung bestimmte Vorgänge vorsorglich vorab als Entwurf aufzunehmen. Hierüber müssen die Beteiligten auch nicht eigens informiert werden. Entscheidend ist allein, dass der Inhalt des endgültigen, vom Vorsitzenden und der Protokollführerin unterzeichneten Protokolls den Tatsachen entspricht.

Soweit der Beteiligte zu 2. darüber hinaus den Verdacht hegt, das vorbereitete Protokoll habe bereits den Beschlusstenor enthalten, handelt es sich um reine Vermutungen ohne realen Hintergrund. Einer dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden hierzu bedurfte es nicht, zumal er sich bereits in der Stellungnahme vom 11. Juli 2013 dazu geäußert hat, was er der Protokollführerin zur Vorbereitung des Protokolls zur Verfügung gestellt hat.

bb) Die weiteren im Zusammenhang mit dem konkreten Antrag erhobenen Vorwürfe sind ebenfalls nicht geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Vorsitzenden zu rechtfertigen.

(1) Zunächst trifft es nicht zu, dass der von dem Vorsitzenden angeregte bzw. vorgeschlagene Antrag über das hinausgeht, was der Beteiligte zu 1. mit seinen schriftlich angekündigten Anträgen angestrebt hatte. Insbesondere ist es nicht richtig, dass es bis zum Anhörungstermin am 22. Mai 2013 nur um den Besuch von zwei Messen durch mehrere, namentlich benannte Mitarbeiter ging und der Beteiligte zu 1. lediglich geltend gemacht hat, dass der Beteiligte zu 2. im Geltungsbereich der BV Gleitzeit keinen Tendenzschutz genießt. Zwar hat der Beteiligte zu 1. die Rechtsauffassung vertreten, der Beteiligte zu 2. habe sich durch die BV Gleitzeit selbst gebunden, weshalb bei einem Überschreiten der Rahmenarbeitszeit auch bei tendenzbezogenen Maßnahmen das Zustimmungserfordernis gelte. Ausweislich des tatbestandlichen Teils des erstinstanzlichen Beschlusses vom 16. Februar 2012 sowie der Beschwerdebegründung vom 22. Mai 2012 hat der Beteiligte zu 1. jedoch darüber hinaus auch die Rechtsauffassung vertreten, Messeveranstaltungen seien keine tendenzbezogenen Maßnahmen und nicht alle an den Messeveranstaltungen beteiligten Mitarbeiter seien Tendenzträger. Ebenso drehte sich der Streit auch schon in der ersten Instanz nicht nur um Messen, auf denen der Beteiligte zu 2. einen eigenen Stand unterhält, sondern auch um Messen, welche Mitarbeiter des Beteiligten zu 2. zusammen mit Rehabilitanden besuchen. Soweit der Beteiligte zu 1. in der Antragsschrift sowie auf Seite 7 f. des Schriftsatzes vom 10. Mai 2013 (Bl. 546 f. d. A.) konkrete Vorfälle benannt hat, bei denen Mitarbeiter der Beteiligten zu 2. an Messeveranstaltungen außerhalb der jeweiligen Rahmenarbeitszeit ohne seine Zustimmung teilgenommen haben, beschränkte sich das Begehren des Beteiligten zu 1. nicht auf diese Messen oder Mitarbeiter. Vielmehr sollte durch die Benennung der konkreten Vorfälle die für einen Unterlassungsantrag erforderliche Wiederholungsgefahr verdeutlicht werden.

Soweit der im Anhörungstermin am 22. Mai 2013 gestellte Antrag - anders als der ursprüngliche Hauptantrag, der sich auf sämtliche Mitarbeiter und sämtliche Messeveranstaltungen bezog - nach den betroffenen Mitarbeitern und der Art der jeweiligen Messeveranstaltungen differenziert, ist er nicht weiter, sondern präziser gefasst und bleibt hinter dem ursprünglichen Antrag eher zurück, als dass er über ihn hinausgeht.

(2) Die Differenzierung nach betroffenen Mitarbeitern und der Art der jeweiligen Messeveranstaltungen ist auch sachdienlich, weil sich, was die jeweilige Fallgruppe betrifft, unterschiedliche Rechtsfragen stellen können, die ggf. auch unterschiedlich zu beantworten sein können. In diesem Fall macht nur ein die jeweilige Fallgruppe präzise beschreibender Antrag eine dem Interesse des Beteiligten zu 1. gerecht werdende Entscheidung in der Sache möglich. Zum einen ist ein zu weit gefasster Unterlassungsantrag, der sich nicht auf die im Streit stehenden Fallgestaltungen beschränkt und diese hinreichend konkret beschreibt, als sog. Globalantrag mangels umfassenden Rechtsschutzbedürfnisses bzw. mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig (vgl. LAG Hamm vom 14.01.2005 - 10 TaBV 85/04 -, juris m. w. N.), sofern er nicht im Wege der Auslegung auf das zulässige Maß beschränkt werden kann (vgl. BAG vom 03.06.2003 - 1 ABR 19/02 -, AP Nr. 1 zu § 89 BetrVG 1972). Zum anderen ist ein Globalantrag, der eine Vielzahl von Fallgestaltungen ohne nähere Differenzierung umfasst, insgesamt als unbegründet zurückzuweisen, wenn es darunter auch Fallgestaltungen gibt, in denen sich der Antrag als unbegründet erweist (BAG vom 03.06.2003 - 1 ABR 19/02 -, a. a. O.; vgl. auch HK-ArbR-Henssen, § 81 ArbGG Rn. 4; Fitting u. a., Nach § 1 Rn. 25). Eine Differenzierung nach Fallgruppen ist deshalb gerade auch dann angemessen, wenn die Kammer dazu neigen sollte, die jeweiligen Fallgruppen unterschiedlich zu beurteilen. Einen Hinweis darauf, dass sich der Vorsitzende bereits vor dem Anhörungstermin eine abschließende Meinung gebildet hat und nicht offen für die Erörterungen in der mündlichen Anhörung gewesen ist, lässt sich dem nicht entnehmen.

(3) Der Beteiligte zu 2. hat auch keinen Anspruch darauf, dass der Antrag des Beteiligten zu 1. nur deshalb zurückgewiesen wird, weil es diesem nicht gelungen ist, den Antrag hinreichend präzise zu formulieren. Vielmehr hat das Gericht nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO gerade auch in Beschlussverfahren darauf hinzuwirken, dass der Antrag so gestellt wird, dass er dem wirklichen Verfahrensziel entspricht, der Streit zwischen den Beteiligten möglichst umfassend geklärt und wieder Rechtsfrieden herbeigeführt wird (ErfK-Koch, § 81 ArbGG Rn. 4; vgl. auch HK-ArbR-Henssen, § 81 ArbGG Rn. 6; Düwell/Lipke-Reinfelder, § 81 Rn. 29). Die in § 139 ZPO normierten richterlichen Pflichten einschließlich der Pflicht, auf sachdienliche Anträge hinzuwirken, begründen eine Fürsorgepflicht und Mitverantwortung des Gerichts für ein faires, willkürfreies und tunlichst auf Wahrheitsermittlung gerichtetes Verfahren (so Musielak-Stadler, § 139 Rn. 1) und dienen dadurch der materiellen Gerechtigkeit. Nicht der Zufall oder die prozessualen Fähigkeiten des jeweiligen Verfahrensbeteiligten sollen streitentscheidend sein, sondern es soll eine sachgemäße, dem materiellen Recht entsprechende Entscheidung des tatsächlichen Konfliktfalls ermöglicht werden.

(4) Letztlich dient das Hinwirken auf sachdienliche Anträge in Beschlussverfahren auch dem Kosteninteresse des Arbeitgebers wie des Beteiligten zu 2. Dies gilt gerade auch im Fall eines Globalantrages. Denn wird ein Globalantrag rechtskräftig mit der Begründung zurückgewiesen, er sei jedenfalls in einer bestimmten Fallgestaltung unbegründet, beschränkt sich die Rechtskraft der Entscheidung nur auf diese Fallgestaltung (BAG vom 03.06.2003 - 1 ABR 19/02 -, AP Nr. 1 zu § 89 BetrVG). Durch eine solche Entscheidung tritt also kein Rechtsfrieden ein, sondern sie zieht in der Regel weitere rechtliche Auseinandersetzungen nach sich, deren Kosten nach § 40 BetrVG grundsätzlich der Arbeitgeber zu tragen hat. Der Beteiligte zu 2. erlangt allenfalls einen Zeitgewinn.

III. Gegen diese Entscheidung ist nach § 64 Abs. 7 i. V. m. § 49 Abs. 3 ArbGG kein Rechtsmittel gegeben.