Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Bescheid vom 30. September 2002 in der Fassung des Bescheides vom 14. Januar 2009 (2010) rechtmäßig ist. Denn der Beigeladene unterlag auf Grund der für den Kläger ausgeübten Tätigkeit in der Rechtsanwaltskanzlei Dr. B S & Coll. der Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung.
I.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 30. September 2002 in der Fassung, die er durch den Bescheid vom 14. Januar 2009 (2010) erhalten hat, der gemäß den §§ 153 Abs.1, 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens wurde. Denn dieser Bescheid, der die Versicherungspflicht des Beigeladenen auf Grund der für den Kläger im Zeitraum vom 1. April 1997 bis 30. September 2000 ausgeübten Beschäftigung feststellt, ändert den vorherigen vom 30. September 2002 ab, der das Element „abhängige Beschäftigung“ isoliert festgestellt hatte. Mit dem neuen Bescheid vom 14. Januar 2009 (2010) hat die Beklagte der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 11. März 2009, B 12 R 11/07 R, zitiert nach juris) Rechnung getragen, nach der eine isolierte Feststellung einer abhängigen Beschäftigung – wie im Bescheid vom 30. September 2002 vorgenommen – nicht zulässig ist. Zwar stellt dies eine Änderung des Regelungsumfangs des letztgenannten Bescheides dar. Jedoch ist zu beachten, dass die Beklagte mit dem Bescheid vom 30. September 2002 vollumfänglich über den Antrag des Beigeladenen, seinen „sozialversicherungsrechtlichen Status“ zu klären, entscheiden wollte und sich hierzu auf die Regelung des § 7a SGB IV stützte. Erst mit dem Bescheid vom 14. Januar 2009 (2010) ist der Antrag des Beigeladenen in der vom Gesetz vorgesehenen Weise beschieden worden: Der Bescheid vom 14. Januar 2009 (2010) ergänzt den Bescheid vom 30. September 2002 in seinem Regelungsbereich, indem er feststellt, dass auf Grund der abhängigen Beschäftigung Versicherungspflicht vorlag, und ändert ihn in seinem Verfügungssatz ab. Auch bei einem Verwaltungsakt, der in dieser Weise gemäß § 96 SGG Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens wird, bedarf es entgegen der Auffassung der Klägers keines Vorverfahrens (vgl. BSGE 18, 93).
II.
Der Bescheid der Beklagten vom 30. September 2002 in der Fassung des Bescheides vom 14. Januar 2009 (2010) ist formell rechtmäßig.
1.) Dem Bescheid vom 14. Januar 2009 (2010) fehlt es insbesondere nicht an der erforderlichen Begründung im Sinne des § 35 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs/Zehntes Buch (SGB X). Er legt dar, dass Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten-, und Arbeitslosenversicherung unterliegen und sich aus den vorliegenden Unterlagen keine Tatbestände ergeben, die die Versicherungsfreiheit begründen oder die Versicherungspflicht in einem Zweig der Sozialversicherung ausschließen. Dem Begründungserfordernis des § 35 Abs. 1 SGB X ist damit genüge getan; einer weiteren Begründung bedurfte es nicht. Da der Bescheid vom 14. Januar 2009 (2010) den Bescheid vom 30. September 2002 abändert, ist er auch in der Begründung in Zusammenhang mit diesem zu sehen. Hierin hatte die Beklagte dargelegt, weshalb sie von dem Vorliegen einer Beschäftigung gegen Entgelt ausging.
2.) Weiterhin war vor Erlass des Bescheides vom 14. Januar 2010 keine erneute Anhörung im Sinne des § 24 SGB X erforderlich, da die Beklagte den Bescheid weder auf einen neuen Sachverhalt gestützt noch zwischenzeitlich neue Ermittlungen angestellt hat. Vielmehr hat sie aufgrund gleicher Rechtsgrundlage - § 7a SGB IV - ihre vorhergehende Entscheidung korrigiert. Vor diesem Hintergrund wäre eine erneute Anhörung zu den in vollem Umfang bereits bekannten Tatsachen ein inhaltsleerer Formalismus, den durchzuführen weder das Rechtsstaatsprinzip noch der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gebietet. Die Rechtsverteidigung des Klägers ist nicht eingeschränkt worden. Wesentlich für die Beurteilung der Versicherungspflicht ist allein, ob eine abhängige Beschäftigung vorlag. Dies ist aber bereits Gegenstand des Bescheides vom 30. September 2002 und des anhängigen sozialgerichtlichen Verfahrens.
3.) Der Bescheid vom 30. September 2002 ist auch dem Kläger gegenüber im Sinne des § 39 Abs. 1 S. 1 SGB X wirksam geworden. Zwar war er nicht an ihn, sondern an die „Anwaltskanzlei Dr. B S & Coll.“ adressiert. Jedoch wurde der Kläger bereits im Verwaltungsverfahren, nachdem die Beklagte ihn (persönlich) von dem Antrag in Kenntnis gesetzt hatte, durch die genannte Anwaltskanzlei vertreten. Dementsprechend konnte die Beklagte den Bescheid gemäß § 37 Abs. 1 S. 2 SGB X der Anwaltskanzlei bekannt geben. Den Änderungsbescheid vom 14. Januar 2009 (2010) hat sie in der mündlichen Verhandlung vom 24. März 2010 ausdrücklich an den Kläger gerichtet. Dabei ist es unerheblich, dass das übergebene Schreiben den Aufdruck „Mehrausfertigung“ trägt. Denn sie hat dem Kläger die in dem Bescheid getroffene Regelung willentlich und zielgerichtet mitgeteilt.
Die Bescheide sind in Bezug auf den Adressaten und den in Anspruch genommenen Arbeitgeber auch inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB X. Denn aus dem Gesamtzusammenhang ergab sich, dass der Kläger – und nicht etwa die Anwaltskanzlei – Betroffener ist und Gegenstand der Feststellung das zwischen ihm und dem Beigeladenen bestehende Beschäftigungsverhältnis, selbst wenn als Tätigkeit des Beigeladenen die eines „Mitarbeiters bei der Anwaltskanzlei Dr. S & Coll.“ bezeichnet wird. Der Kläger selbst hat den Bescheid auch so verstanden: Zum einen hat die „Anwaltskanzlei Dr. S & Coll.“ den Widerspruch gegen den Bescheid vom 30. September 2002 „namens und in Vollmacht des Mandanten, Herrn, Dr. B S“ begründet. Darüber hinaus hat ausweislich der Klageschrift der Kläger – und nicht etwa die Anwaltskanzlei – die Klage erhoben; von ihr wurde er lediglich vertreten. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte auch insoweit nochmals klargestellt, dass Adressat der Bescheide weder die Anwaltskanzlei noch der Bevollmächtigte, sondern ausschließlich der Kläger sein soll und Gegenstand der Feststellung das zwischen ihm und dem Beigeladenen bestehende Vertragsverhältnis.
III.
Der Bescheid vom 30. September 2002 in der Fassung des Bescheides vom 14. Januar 2009 ist auch materiell rechtmäßig, da der Beigeladene im Zeitraum vom 1. April 1997 bis 30. September 2000 auf Grund des zwischen ihm und dem Kläger bestehenden Beschäftigungsverhältnisses der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterlag.
Die Versicherungspflicht richtet sich in den Zweigen der Sozialversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) für die Arbeitslosenversicherung, § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) für die Krankenversicherung, § 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) für die Rentenversicherung und § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI) für die soziale Pflegeversicherung. Diese Vorschriften setzen für die Versicherungspflicht – in der hier einzig denkbaren Alternative – jeweils eine abhängige Beschäftigung gegen Entgelt im Sinne des § 7 des Sozialgesetzbuchs/Viertes Buch (SGB IV) voraus. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
1.) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (z.B. BSG, Urteil vom 25. Januar 2006, B 12 KR 30/04 R, zitiert nach juris, Rn. 21, 22) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung, das sich nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung, so wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung, so wie sie rechtlich zulässig ist.
2.) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass zwischen dem Beigeladenen und dem Kläger in dem streitigen Zeitraum ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV bestand. Ausgangspunkt der Beurteilung ist der zwischen ihnen geschlossene „Vertrag über Freie Mitarbeit“ vom 21. Februar 1997, der die typischen Elemente eines Beschäftigungsverhältnisses enthält. Als Ort der zu erbringenden Arbeit wird die Kanzlei bestimmt; der zeitliche Umfang der Tätigkeit (eine 6-Tage-Woche mit mindestens 50 Arbeitsstunden) sowie die Anwesenheitszeiten in der Kanzlei (von 9.00 bis 19.30 Uhr) waren festgelegt. Als Gegenleistung war ein festes, nach Arbeitszeit bemessenes Entgelt vereinbart; zu der in Aussicht gestellten Honorarvereinbarung nach Umsatz ist es nicht gekommen. Weiterhin war ein Urlaubsanspruch vereinbart und im Falle der Arbeitsunfähigkeit die Pflicht zum Nachweis begründet. Ein Indiz für eine Weisungsabhängigkeit des Beigeladenen ist die vereinbarte Berechtigung des Klägers, dem Beigeladenen auch an einem anderen Einsatzort eine andere Tätigkeit zuzuweisen, wenn dies betrieblich als zweckmäßig erachtet werde.
Die zwischen den Beteiligten gelebten Beziehungen weichen zwar von der Vereinbarung ab, lassen jedoch im Rahmen einer Gesamtwürdigung eine Qualifizierung der Tätigkeit als selbständig nicht zu. Der Beigeladene hat sich in die Kanzleiorganisation eingegliedert; er hat seine Tätigkeit tatsächlich regelmäßig in den Räumen der Kanzlei des Klägers ausgeübt, auch wenn der Umfang der An- und Abwesenheitszeiten streitig ist. Dass er regelmäßig anwesend war, haben auch die vom Sozialgericht vernommenen Zeugen Dr. B, B und S bestätigt. Er hat die Kanzleiorganisation des Klägers genutzt, dagegen keine eigenen Räumlichkeiten vorgehalten, in denen er erwerbstätig war. An den Kosten der Kanzlei hat er sich nicht beteiligt. Auch wenn die Vereinbarung nicht umgesetzt wurde, so haben die Beteiligten Ende 1998 bei der Festlegung des Entgelts sogar vereinbart, dass dem Beigeladenen Kosten für Telekommunikation erstattet werden. Weiterhin ist er auch nach außen für die Kanzlei in Erscheinung getreten; er hat Visitenkarten mit den Kontaktdaten der Kanzlei verwendet. Es liegt demnach eine umfassende Einordnung in den Betrieb des Klägers vor. Soweit dieser geltend macht, die Einordnung in die Kanzlei sei kein sachgerechtes Kriterium, da auch bei selbständiger Ausübung der Tätigkeit eine solche erforderlich sei, kann der Senat dem nicht folgen. Der Beigeladene war nicht als Rechtsanwalt, sondern als juristischer Mitarbeiter tätig. Eine umfassende und selbstständige sowie eigenverantwortliche Betreuung von Mandanten war dem Beigeladenen, der nur über ein erstes juristisches Staatsexamen verfügte, auf Grund des § 1 Abs. 1 S. 1 des bis zum 30. Juni 2008 geltenden Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) rechtlich gar nicht möglich. Da aber – wie oben ausgeführt – es bei der Beurteilung allein auf die tatsächlichen Verhältnisse, soweit sie rechtlich zulässig sind, ankommt, ist es unerheblich, ob auch ein selbständig tätiger Rechtsanwalt sich in die Kanzlei hätte eingliedern müssen.
Darüber hinaus bestand auch ein Weisungsrecht des Klägers. Er selbst hat mehrfach dargelegt, dass er im Einzelfall Weisungen erteilt hat. Auch der Zeuge B hat bekundet, dass es Weisungen des Klägers an den Beigeladenen gab. Auf den Umfang der tatsächlich erteilten Weisungen kommt es dagegen nicht an, vielmehr allein darauf, dass der Kläger die Rechtsmacht zur Weisungserteilung hatte und – wenn auch nur im Einzelfall – diese genutzt hat. Bei Diensten höherer Art ist es darüber hinaus anerkannt, dass an die Stelle des Weisungsrechts eine funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess tritt; solange jemand in einen fremden, d. h. den Interessen eines anderen dienenden und von dessen Willen beherrschten Betrieb eingegliedert ist und damit der objektiven Ordnung dieses Betriebes unterliegt, ist er abhängig beschäftigt (vgl. in Bezug auf einen Anwaltsassessor: BSGE 21, 57, 58). Daher kommt es weder darauf an, dass der Beigeladene die ihm übertragenen Mandate eigenverantwortlich bearbeitete und neue Mandanten akquirierte, noch dass er die vereinbarten Arbeitszeiten nicht eingehalten hat und insbesondere in den Mittagsstunden länger abwesend war. Abgesehen davon, dass der Kläger von dem bestehenden Weisungsrecht Gebrauch gemacht und Vertragsverletzungen des Beigeladenen nicht widerspruchslos geduldet hat, sind die vertraglichen Regelungen über die Eingliederung des Beigeladenen in die Kanzleiorganisation nicht abbedungen worden. Vielmehr hat der Beigeladene tatsächlich die Kanzleiorganisation für die ihm aufgetragenen Arbeiten genutzt.
Für eine abhängige Beschäftigung spricht auch, dass der Beigeladene bis Ende 1998 ein festes Entgelt erhalten hat; eine für eine selbständige Tätigkeit sprechende Honorarvereinbarung war zwar beabsichtigt, letztendlich aber nie geschlossen und umgesetzt worden.
Ein eigenes unternehmerisches Risiko ist der Beigeladene nicht eingegangen; er selbst hat kein Kapital eingesetzt, verfügte über keine Betriebsstätte und hat sich nicht an den Kosten der Kanzlei beteiligt. Ein solches unternehmerisches Risiko ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass er für Zeiten ab 1999 auf Entgelte verzichtet haben könnte. Unabhängig davon, weshalb ab Februar 1999 keine regelmäßigen Entgeltzahlungen mehr erfolgten, stellt ein Verzicht auf das vertraglich vereinbarte Entgelt keine Übernahme eines unternehmerischen Risikos dar. Denn auch ein Arbeitnehmer trägt regelmäßig das Risiko, dass er für tatsächlich geleistete Arbeit die vereinbarte Gegenleistung nicht erhält, so z.B. bei Zahlungsschwierigkeiten des Arbeitgebers.
Dass der Beigeladene neben seiner fremdnützigen, der Kanzlei dienlichen Tätigkeit auch eigenwirtschaftlich gehandelt hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn seine eigenwirtschaftliche Tätigkeit war gerade nicht mehr von dem Vertragsverhältnis zu dem Kläger umfasst. Vielmehr hatte er – wie auch der Kläger vorträgt – seine ihm eingeräumten Befugnisse und seine Stellung missbraucht, um Geschäfte im eigenen Namen zu betreiben. Insoweit handelte er nicht mehr im Rahmen des zwischen ihm und dem Kläger abgeschlossenen Vertrages. Bei der Beurteilung, ob eine Beschäftigung vorliegt, sind jedoch nur die Umstände einzubeziehen, die sich im Rahmen des zu beurteilenden Vertragsverhältnisses bewegen, nicht aber die, die von ihm gar nicht mehr umfasst sind. Wenn z.B. ein abhängig beschäftigter Handwerker neben seiner Beschäftigung vertragswidrig „schwarz“ arbeitet und unter Ausnutzung seiner Stellung bei seinem Arbeitgeber dessen Arbeitsmittel nutzt, wird dennoch aus dem Beschäftigungsverhältnis keine selbständige Tätigkeit, nur weil er nebenbei eigenwirtschaftlich tätig wird. Auch ist es sehr wohl möglich, dass neben einer abhängigen Beschäftigung eine (inhaltsähnliche) selbständige Tätigkeit ausgeübt wird. Für jede Arbeitsleistung ist gesondert zu prüfen, ob sie eine Beschäftigung darstellt und Versicherungspflicht begründet. Deshalb ist es nicht von Bedeutung, dass der Kläger nach seinen Angaben die eigenwirtschaftlichen Geschäfte des Beigeladenen kannte und duldete. Denn sie wurden jedenfalls nicht in Ausübung, sondern allein neben der Tätigkeit für den Kläger betrieben. Auf den Umfang der eigenwirtschaftlichen Tätigkeit und die Höhe der hieraus erzielten Einnahmen kommt es daher nicht an, solange der Beigeladene – wie hier – vertragsgemäß Arbeiten für die Kanzlei des Klägers erbracht hat.
Erst recht kann es kein Argument für eine selbständige Tätigkeit sein, wenn der Beigeladene unbefugt Mandate der Kanzlei im eigenen Namen abrechnete oder zwar im fremden Namen abrechnete, aber die Gelder auf sein Konto überweisen ließ. Denn durch derartige, die Befugnisse im Innenverhältnis überschreitende (ggf. strafbare) Handlungen wird der Charakter des bestehenden Vertragsverhältnisses nicht geändert. Auch hier kommt es nicht darauf an, in welchem Umfang der Beigeladene tatsächlich in der geschilderten Weise zum Nachteil des Klägers gehandelt hat.
Auch die weiteren Argumente des Klägers gegen das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses greifen nicht durch. Es ist unerheblich, dass die Beteiligten die Tätigkeit als „freie Mitarbeit“ bezeichnet haben und der Beigeladene sich gegenüber anderen Behörden auf Selbstständigkeit berufen. Denn entscheidend sind allein die objektiven Umstände der gelebten Vertragsbeziehungen, nicht aber wie die Beteiligten diese gewürdigt und bewertet haben. Der Eintritt der Versicherungspflicht steht nicht zur Disposition der Beteiligten, so dass sie es nicht in der Hand haben, durch eine eigene Bewertung über das Vorliegen einer Beschäftigung zu entscheiden. Die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers oder deren Fehlen im Einzelfall ist nach dem Gesetz ebenfalls kein Kriterium für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung und damit Sozialversicherungspflicht vorliegt. Denn mit den Tatbeständen der §§ 25 Abs. 1 S. 1 SGB III, 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, 1 Nr. 1 SGB VI und 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI typisiert der Gesetzgeber unwiderlegbar ein soziales Schutzbedürfnis, unabhängig davon, ob dies im Einzelfall tatsächlich gegeben ist.
3.) Die Versicherungspflicht nach den §§ 25 Abs. 1 S. 1 SGB III, 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, 1 Nr. 1 SGB VI und 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI tritt nur ein, solange die Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt wird. Soweit seit Anfang 1999 die Entgeltzahlungen nicht mehr wie vertraglich vereinbart erfolgten, lässt dies die Entgeltlichkeit des Beschäftigungsverhältnisses nicht entfallen. Denn grundsätzlich ist nicht das Zufluss-, sondern das Entstehungsprinzip maßgeblich (BSGE75, 61, 65f), d. h. es kommt nicht darauf an, ob die Entgelte tatsächlich geleistet wurden, sondern ob ein Entgeltanspruch entstanden ist. Ist er entstanden und liegt deshalb ein die Versicherungspflicht begründendes Beschäftigungsverhältnis vor, so können die Vertragsparteien das Versicherungsverhältnis in seiner öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung durch späteres Verhalten für die Vergangenheit nicht mehr beeinflussen (BSGE 78, 224). Ein Verzicht auf das vertraglich vereinbarte Entgelt wäre daher nur dann sozialversicherungsrechtlich beachtlich, wenn er für die Zukunft geschlossen worden wäre. Ein solcher für die Zukunft wirkender Verzicht ist aber nicht erwiesen. Der Beigeladene hat – zuletzt noch in der mündlichen Verhandlung - angegeben, dass Anfang 1999 lediglich eine Stundung der Entgeltzahlungen vereinbart gewesen sei. Eine Stundung lässt aber das Bestehen des Entgeltanspruchs unberührt, schiebt allein die Fälligkeit hinaus. Daher ist durch eine Stundung die Entgeltlichkeit der Beschäftigung nicht entfallen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 24. März 2010 zwar erklärt, es sei vereinbart worden, dass im Jahre 1999 keine Entgelte gezahlt werden sollten. Dabei ist aber offen geblieben, ob es sich um einen Verzicht auf die Entgelte handelte, oder aber um eine Stundung, insbesondere weil er schriftsätzlich immer vorgetragen hatte, dass die Entgelte gestundet worden seien (zuletzt im Schriftsatz vom 16. März 2010). Da somit ein vertraglich vereinbarter Verzicht auf das Entgelt nicht widerspruchsfrei und schlüssig dargelegt ist, bestehen keine durchgreifenden Zweifel an dem Bestehen eines sozialversicherungsrechtlichen Entgeltanspruches. Ein rückwirkender, ggf. erst nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses vereinbarter Verzicht führt dagegen nicht zum Wegfall der Entgeltlichkeit sowie der Versicherungs- und Beitragspflicht.
4.) Letztlich ist weder das Recht des Beigeladenen, einen Antrag auf Statusfeststellung zu stellen, noch das Recht der Beklagten, die Versicherungspflicht festzustellen, verwirkt.
Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist zwar als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch im öffentlichen Recht allgemein anerkannt (BVerfG, DÖV 1972, 312; BSGE 7, 199, 200; 34, 211; 35, 91, 94; 41, 275, 278). Danach stellt es eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn ein Recht in Widerspruch zu eigenem früheren Verhalten geltend gemacht wird, der Berechtigte während einer längeren Zeitspanne dem Verpflichteten gegenüber untätig gewesen ist und besondere Umstände hinzugetreten sind, aufgrund deren sein Verhalten als Verstoß gegen Treu und Glauben empfunden wird (BSGE 34, 211; 35, 91, 94). Der Kläger macht geltend, er habe darauf vertrauen dürfen, der Beigeladene werde keine Rechte aus einem Status als Beschäftigter für sich beanspruchen, da er sich selbst während der Ausübung der Tätigkeit als selbständig betrachtet habe. Es kann dahingestellt bleiben, ob aus dem Verhalten des Beigeladenen eine Verwirkung einzelner Rechte aus dem Arbeitsverhältnis hergeleitet werden könnte. Jedenfalls kann ein treuwidriges Verhalten des Beigeladenen nicht dazu führen, dass eine Feststellung der Versicherungspflicht durch die Beklagte nicht mehr möglich wäre. Die Sozialversicherungspflicht tritt kraft Gesetzes ein und berührt nicht nur die Rechte und Pflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern auch die Belange der beteiligten Sozialversicherungsträger in ihrem öffentlich-rechtlichen Wirkungskreis. So resultiert aus der Versicherungspflicht regelmäßig ein Beitragsanspruch der Sozialversicherungsträger. Wenn allein die Treuwidrigkeit einer Partei des Beschäftigungsverhältnisses eine Verwirkung der Rechte der Sozialversicherungsträger herbeiführen könnte, so ginge dies zu Lasten Dritter. Das Recht zur Feststellung von Versicherungspflicht und Erhebung von Beiträgen kann daher nur dann entfallen, wenn ein Sozialversicherungsträger ein Verhalten gezeigt hat, auf Grund dessen der Betreffende darauf vertrauen durfte, zu seinem Nachteil werde die Versicherungspflicht nicht mehr festgestellt und Beiträge nicht mehr erhoben. Dies gilt aber nicht nur für die Feststellung der Versicherungspflicht sowie die Erhebung von Beiträgen durch die Einzugsstelle nach § 28h Abs. 2 SGB IV und im Rahmen der Betriebsprüfung nach § 28 p SGB IV, sondern auch für das allein auf Antrag eines Beteiligten durchzuführende Anfrageverfahren nach § 7 a SGB IV. Dieses steht gleichwertig neben den beiden anderen Verfahren zur Feststellung der Versicherungspflicht. Gegen die Möglichkeit einer Verwirkung des Antragsrechts (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB IV, § 7 a Rn. 7; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. März 2009, L 11 R 3849/05, zitiert nach juris, Rn. 26), spricht insbesondere, dass die zuständige Einzugstelle - ggf. nach Hinweis eines Beteiligten - von Amts wegen das Vorliegen von Versicherungspflicht zu prüfen und festzustellen hätte. Da aber das Anfrageverfahren auch nach Beendigung der Beschäftigung durchgeführt werden kann (BSG, Urteil vom 4. Juni 2009, B 12 KR 31/07, zitiert nach juris), muss ein Antrag auf Durchführung des Anfrageverfahrens nach § 7 a SGB IV zulässig sein, solange die Versicherungspflicht von einem Versicherungsträger zulässigerweise festgestellt werden kann.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf Anwendung des § 197 a SGG i. V. m. den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG lagen nicht vor.