Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 18.03.2013 | |
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Aktenzeichen | L 3 R 982/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1 AAÜG, § 8 AAÜG, 2 DB |
I.
Der 1937 geborene Kläger begehrt von der Beklagten als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie die Feststellung der entsprechenden Arbeitsverdienste für seine Beschäftigungszeiten vom 12. Juli 1968 bis zum 30. April 1987.
Der Kläger war nach Absolvierung eines Fachschulstudiums in der Fachrichtung „Kraftfahrzeugbau“ ausweislich der Urkunde der Ingenieurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik Z vom 12. Juli 1968 berechtigt, die Berufsbezeichnung „Ingenieur“ zu führen. Er war ab dem 01. Januar 1968 als Leiter der Nutzfahrzeuginstandsetzung beim VEB Güterkraftverkehr und ab dem 01. Januar 1969 bis zum 30. Juni 1990 als Leiter Instandhaltung, Bereichsleiter, Hauptingenieur und Technischer Leiter, Direktor für Kraftfahrzeug- und Anlagenerhaltung, als Direktor für Instandhaltung, Betriebsdirektor und Leiter der Abteilung Instandhaltung beim VEB Kombinat Autotrans beschäftigt. Der Kläger wurde mit Urkunde vom 24. Juli 1987 für die Zeit ab dem 01. Mai 1987 in die AVItech einbezogen.
Laut Statut vom 30. Dezember 1968 war übergeordnetes Organ der Magistrat von Groß-Berlin (§ 2), bestand die Aufgabe des VEB Kombinat Autotrans darin, den Transportbedarf der Bevölkerung, der Industrie und des Handels der Hauptstadt der DDR Berlin mit ständig steigender Attraktivität und planmäßig wachsender Effektivität zu sichern und die ihm übertragenen staatlichen Funktionen auszuüben (§ 5 Abs. 1); Hauptleistungsarten sollten die Durchführung von Versorgungs-, Baustoff-, Möbel-, Schwer- und Gütertaxitransporten sowie von Speditionsleistungen, die Übernahme von Umschlagsaufgaben im Berliner Osthafen sowie die Durchführung des Anschlussbahnbetriebs und die Durchführung von Kraftfahrzeugsinstandhaltungsleistungen an Nutzfahrzeugen, Personenkraftwagen und Krafträdern sein (§ 5 Abs. 2). Laut Statut vom 30. Dezember 1981 ist das Kombinat u.a. für die Durchführung der volkswirtschaftlich begründeten öffentlichen Straßengütertransport, von Leistungen der Kraftfahrzeuginstandhaltung für die Bevölkerung und für gesellschaftliche Bedarfsträger, die Ausbildung von Kraftfahrzeugführern, den Umschlag und die Einlagerung von Massen- und Stückgütern zuständig (§ 3 Abs. 2).
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 30. Juni 1998 als nachgewiesene Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech den Zeitraum vom 01. Mai 1987 bis zum 30. Juni 1990 fest.
Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers auf Feststellung von weiteren Zeiten (15. Februar 1957 bis 30. April 1987) der Zugehörigkeit zur AVItech mit Bescheid vom 30. April 2010 ab. Die Voraussetzungen für die Rücknahme der bisherigen Entscheidung lägen nicht vor. Insbesondere erfülle der VEB Kombinat Autotrans nicht die betrieblichen Voraussetzungen für eine nachträgliche weitere Einbeziehung in die AVItech. Es bleibe bei den im Bescheid vom 30. Juni 1998 getroffenen Feststellungen.
Den am 26. Mai 2010 erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05. August 2010 als unbegründet zurück.
Mit seiner am 24. August 2010 zum Sozialgericht Potsdam (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren, nunmehr auf die Zeit vom 12. Juli 1968 bis zum 30. April 1987 beschränkt, weiterverfolgt. Er hat die Meinung vertreten, der VEB Kombinat Autotrans sei sehr wohl ein Produktionsbetrieb gewesen. Die Hauptaufgaben hätten in Gütertransporten, Instandhaltung von Nutzfahrzeugen, Instandsetzung von Produktionsmitteln sowie die Herstellung von Rationalisierungsmitteln bestanden. Somit könne man sagen, dass der VEB zwar keine Güter hergestellt habe, jedoch ein wesentlicher Bestandteil der Produktion gewesen sei. Ferner habe der VEB Kombinat Autotrans sämtliche Transporte im Nah- und Fernverkehr durchgeführt. Beispielhaft sei der Getränke- und Baustofftransport von und nach Berlin zu nennen.
Die Beklagte hat Auszüge aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft des Bezirkes Potsdam betreffend den VEB Kombinat Autotrans, eine Gründungsanweisung vom 01. Oktober 1980 und die Statute vom 30. Dezember 1968 und 30. Dezember 1981 vorgelegt.
Mit Urteil vom 12. August 2011 hat das SG die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die Versorgungszusage für die Zeit ab 01. Mai 1987 habe keine Auswirkungen für die Zeit davor, für welche es an einer bindenden Einbeziehung fehle. Es handele sich beim VEB Kraftverkehr Autotrans nicht um einen Produktionsbetrieb i.S.d. Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (VO-AVItech). Es lägen die betrieblichen Voraussetzungen für eine nachträgliche Einbeziehung nicht vor. Er sei nicht seinem Hauptweck nach auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern auf der Basis industrieller Massenfertigung entsprechend dem fordistischen Produktionsmodell ausgerichtet gewesen. Der VEB Kombinat Autotrans sei als volkseigener Betrieb des Güterkraftverkehrs, mithin als Dienstleistungsbetrieb des Verkehrswesens nicht dem Anwendungsbereich des Zusatzversorgungssystems zuzuordnen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 01. September 2011 zugestellte Urteil am 23. September 2011 Berufung erhoben. Betriebe des Verkehrswesens – wie unumstritten der VEB Kombinat Autotrans - seien denen der Industrie und des Bauwesens gleich zu setzen. Die 2. Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951 (2. DB) sei vor dem tatsächlichen damaligen Entwicklungsstand der Wirtschaft auszulegen. Soweit dort Betriebe der Eisenbahn, der Schifffahrt und Maschinenausleihstationen erfasst seien, handele es sich bei letzteren um die Vorläufer der Güterkraftverkehrsbetriebe. Die nach der 2. DB erfassten Betriebe zeigten, dass bei der Einbeziehungsentscheidung nicht nur auf Produktionsbetriebe abzustellen sei.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 12. August 2011 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. April 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 05. August 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Änderung ihres Bescheids vom 30. Juni 1998 die Zeiten vom 12. Juli 1968 bis zum 30. April 1987 als weitere Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz anzuerkennen sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Hinsichtlich der Beschäftigungszeiten des Klägers bei VEB Güterkraftverkehr bis zum 31. Dezember 1968 fehle es ebenfalls an den betrieblichen Voraussetzungen; der VEB Güterkraftverkehr sei kein versorgungsrelevanter, sondern ein Transportdienstleistungsbetrieb.
Der Senat hat die Beteiligten zuletzt mit Schreiben vom 04. Februar 2013 zum beabsichtigten Erlass eines Beschlusses angehört, mit welchem die Berufung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung einstimmig als unbegründet zurückgewiesen wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen, welche vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
II.
Die Berufung kann gemäß § 153 Abs. 4 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss zurückgewiesen werden, weil der Senat sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält.
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat im Überprüfungsverfahren keinen Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz im Zeitraum vom 12. Juli 1968 bis zum 30. April 1987 sowie auf Feststellung der in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte. Der Bescheid vom 30. Juni 1998, in welchem lediglich die Zeit vom 01. Mai 1987 bis zum 30. Juni 1990 als Zugehörigkeitszeit zur AVItech festgestellt wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen der für das klägerische Begehren allein in Betracht zu ziehenden Anspruchsgrundlage aus § 44 Abs. 1 S. 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) liegen nicht vor.
Nach der vorstehenden Vorschrift ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Der Bescheid vom 30. Juni 1998 ist nicht fehlerhaft. Insbesondere ist die fehlende Feststellung der Beschäftigungszeiten vom 12. Juli 1968 bis zum 30. April 1987 rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hatte nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage aus der Sicht des am 01. August 1991 gültigen Bundesrechts keinen Anspruch auf Erteilung einer weitergehenden Versorgungszusage.
Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Nr. 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 bis 27 (§ 8 Abs. 4 Nr. 1 AAÜG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs. 2 a.a.O. bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten: Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG). Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist. Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 01. August 1991 in Kraft getreten ist (Art. 42 Abs. 8 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung <Rentenüberleitungsgesetz - RÜG> vom 25. Juli 1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs. 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme i.S.d. Anl. 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 des Vierten Buchs des Sozialgesetzbuchs <SGB IV>) erworben worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht (vgl. etwa BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 - B 5 RS 1/11 R -, zitiert nach juris Rn. 15 f.).
Hiervon ausgehend hat der Kläger keinen Anspruch auf Versorgung i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 01. August 1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG für den hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 01. August 1991, weil der Kläger in der DDR für die Zeit vor dem 01. Mai 1987 nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl. hierzu BSG, a.a.O., Rn. 20). Es kann auf der Grundlage des vorliegenden Sachverhalts schließlich auch nicht festgestellt werden, dass der Kläger aufgrund der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem im Sinne der vom BSG vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung eine Anwartschaft auf Versorgung i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG erwarb. Das erkennende Gericht legt hierfür die höchstrichterliche Rechtsprechung des 4. Senats des BSG zum Stichtag 30. Juni 1990 und zur sog. erweiternden Auslegung zugrunde, welche der 5. Senat des BSG ausdrücklich fortführt (vgl. etwa BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 - B 5 RS 1/11 R -, zitiert nach juris Rn. 21 ff.).
Hiernach sind Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der VO-AVItech am Stichtag 30. Juni 1990 die „Regelungen“ für die Versorgungssysteme, die mit dem Beitritt am 03. Oktober 1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind (vgl. Anl. II Kap. VIII Sachgebiet H Abschn. III Nr. 9 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990, BGBl. II, S. 889 [EV]). Dies sind insbesondere die VO-AVItech vom 17. August 1950 (GBl. I Nr. 93 S. 844) und die 2. DB zu dieser Verordnung vom 24. Mai.1951 (GBl. Nr. 62 S. 487), soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.
Nach § 1 VO-AVItech und der 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden drei Voraussetzungen ab, die kumulativ vorliegen müssen:
1. | von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), |
2. | von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung), |
3. | in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs. 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung). |
Es werden also generell nur volkseigene Produktionsbetriebe erfasst. Wie der 5. Senat des BSG in Fortführung der Rechtsprechung des früher zuständigen 4. Senats ausführt (vgl. BSG a.a.O.), zeigte sich die Beschränkung auf volkseigene Produktionsbetriebe auch am Wortlaut der - ausnahmsweisen - Gleichstellungsregelung in § 1 Abs. 2 2. DB, der die dort einzeln aufgeführten wissenschaftlichen Einrichtungen, Bildungseinrichtungen, Betriebe und wirtschaftsleitenden Organe versorgungsrechtlich einbezieht. Ein positives Bestimmungsmerkmal für die Annahme eines volkseigenen Produktionsbetriebes folgt zunächst aus dem sachlichen Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Industrie, auf dessen Einvernehmen es nach § 5 der VO-AVItech für den Erlass von Durchführungsbestimmungen durch das Ministerium der Finanzen u.a. ankam. Die Beteiligung gerade dieses, damals für Herstellungsvorgänge in den industriellen Fertigungsbetrieben verantwortlichen Ministeriums (so auch in der Präambel der 1. DB zur VO-AVItech vom 26. September 1950, GBl. II Nr. 111 S. 1043) gibt zu erkennen, dass versorgungsrechtlich nur die diesem Kriterium genügenden VEB erfasst sein sollten. Die herausragende Bedeutung der Industrie, die auch in der DDR im Sinne der Herstellung von Erzeugnissen auf der Basis industrieller Massenproduktion verstanden wurde (vgl. Abelshauser, Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, 2004, 370 ff.), ist unabhängig davon, ob hierfür der (Wort-)Begriff „fordistisches Produktionsmodell“ gebraucht wird. Hiervon wird - ungeachtet ihrer ursprünglichen formellen Zuordnung zum Ministerium für Aufbau - der Sache nach bereits ursprünglich auch die Bauindustrie erfasst. Diese wurde in der DDR in der Folgezeit durchgehend zusammen mit der Industrie den beiden führenden Produktionsbereichen zugeordnet und gemeinsam gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen abgegrenzt. Dies gilt jeweils auch und gerade noch nach dem Sprachgebrauch der am 30. Juni 1990 maßgeblichen Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe vom 08. November 1979 (GBl. I Nr. 38 S. 355 [Kombinats-VO]).
Der 5. Senat des BSG führt - weiterhin in Fortführung der bisherigen Rechtsprechung des 4. Senats - aus, dass der verfolgte Hauptzweck des VEB in der industriellen (serienmäßig wiederkehrenden) Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation bzw. Produktion (fordistisches Produktionsmodell) von Sachgütern oder in der Errichtung (Massenproduktion) von baulichen Anlagen, die dem Betrieb das Gepräge geben, bestehen muss (BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 - B 4 RA 11/04 R -, zitiert nach juris Rn. 18). Der Hauptzweck wird dabei nicht durch die Art der Hilfsgeschäfte und –tätigkeiten geändert oder beeinflusst, die zu seiner Verwirklichung zwangsläufig mit ausgeführt oder daneben verrichtet wurden. Besteht das Produkt nach dem Hauptzweck (Schwerpunkt) des Betriebs in einer Dienstleistung, so wurden auch produkttechnische Aufgaben, die zwangsläufig, aber allenfalls nach- bzw. nebengeordnet anfielen, nicht dazu führen, dass ein Produktionsbetrieb vorliegt (vgl. BSG Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 41/01 R -, zitiert nach juris Rn. 37 ff., 45 f.; Urteil vom 10. April 2004 – B 4 RA 10/02 R -, zitiert nach juris Rn. 19). Nicht erfasst wurden hiernach VEB im Dienstleistungsbereich einschließlich des Verkehrswesens und des Güterkraftverkehrs (BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 41/01 R -, zitiert nach juris Rn. 39 ff.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erfüllt der Kläger zwar ab dem 12. Juli 1968 unstreitig die persönliche und sachliche Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung in die VO-AVItech, denn er ist seitdem berechtigt, die Berufsbezeichnung „Ingenieur“ zu führen und war im streitigen Zeitraum entsprechend seiner Qualifikation tätig. Er erfüllt jedoch nicht die betriebliche Voraussetzung. Denn beim VEB Kombinat Autotrans und beim VEB Güterkraftverkehr handelte es sich bei Würdigung der bekannt gewordenen Umstände nicht um volkseigene Produktionsbetriebe im Bereich der Industrie oder des Bauwesens im oben dargestellten Sinn, sondern um solche des Verkehrswesens und Güterkraftverkehrs. Der Senat nimmt zur Begründung und zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst hinsichtlich des VEB Kombinat Autotrans Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in dem Urteil vom 12. August 2011 des SG, welchen er sich nach eigener Prüfung anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG).
In Ergänzung ist auszuführen, dass bereits der Name der Beschäftigungsbetriebe des Klägers ausschließlich Hinweise auf den Kraftverkehr enthält, nicht aber einen Namenszusatz, der auf die Herstellung von Wirtschaftsgütern schließen lassen könnte (VEB Güterkraftverkehr, VEB Kombinat Autotrans ). Dies gilt insbesondere auch für den VEB Güterkraftverkehr . Dass der VEB Kombinat Autotrans massenweise Konsumgüter herstellte bzw. der Kläger überhaupt einmal im Bereich der Massenproduktion tätig war, wird von ihm auch nicht behauptet. Vielmehr hat der Kläger ausdrücklich eingeräumt, dass etwa der VEB Kombinat Autotrans ein Betrieb des Verkehrswesens war. Dafür, dass Hauptzweck des VEB Güterkraftverkehrs industrielle Produktion im vorbeschriebenen Sinne war, gibt das klägerische Vorbringen nicht einmal ansatzweise etwas her; auch liegen insoweit keine Anhaltspunkte für weitergehende Ermittlungen vor, welchen der Senat auch eingedenk der ihm aus § 103 SGG obliegenden Untersuchungsmaxime nachgehen müsste.
Der VEB Kombinat Autotrans und der VEB Güterkraftverkehr waren auch keine Betriebe, die einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie und des Bauwesens durch § 1 VO-AVItech gleichgestellt worden waren. Die Festlegung, welche Betriebe gleichgestellt waren, wurde nicht in der Regierungsverordnung getroffen, sondern der Durchführungsbestimmung überantwortet (vgl. § 5 VO-AVItech). Nach § 1 Abs. 2 der 2. DB waren den volkeigenen Betrieben gleichgestellt: wissenschaftliche Institute; Forschungsinstitute; Versuchsstationen; Laboratorien; Konstruktionsbüros, technische Hochschulen; technische Schulen; Bauakademie und Bauschulen; Bergakademie und Bergbauschulen; Schulen, Institute und Betriebe der Eisenbahn, Schifffahrt sowie des Post- und Fernmeldewesens; Maschinen-Ausleih-Stationen und volkseigene Güter, Versorgungsbetriebe (Gas, Wasser, Energie); Vereinigungen volkseigener Betriebe, Hauptverwaltungen und Ministerien. Die Beschäftigungsbetriebe des Klägers können entgegen seiner Einschätzung unter keine dieser Betriebs- bzw. Einrichtungsgruppen gefasst werden. Die Vorschrift nennt zwar ausdrücklich Betriebe der Eisenbahn und Schifffahrt, bezieht aber gerade nicht allgemein alle Arten von Betrieben des Verkehrswesens ein. Mithin kann dahinstehen, ob die Maschinen-Ausleih-Stationen im wirtschaftsgeschichtlichen Kontext der DDR letztlich Vorläufer der Güterkraftverkehrsbetriebe waren. Diese sind jedenfalls keine Betriebe, deren Hauptzweck im Ausleihen von Maschinen bestand.
Eine Einbeziehung der Beschäftigungsbetriebe des Klägers in den Kreis der gleichgestellten Betriebe wäre nur im Wege einer tatbestandlichen Erweiterung von § 1 Abs. 2 der 2. DB möglich, welche sich indes verbietet. Eine Erweiterung des Kreises der gleichgestellten Betriebe ist nicht möglich. Zum einen ist nach dem Wortlaut von § 1 Abs. 2 der 2. DB die Aufzählung der dort genannten Betriebe abschließend. Zum anderen ist eine nachträgliche Korrektur der im Bereich der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme am 30. Juni 1990 geltenden abstrakt-generellen Regelungen der DDR, auch soweit sie willkürlich gewesen sein sollten, durch die vollziehende und die rechtsprechende Gewalt nicht zulässig, worauf das BSG wiederholt hingewiesen hat (BSG, Urteil vom 09. April 2002, B 4 RA 3/02 R, SozR 4-8570 § 1 Nr. 7). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die in nunmehr ständiger Rechtsprechung des BSG aufgestellten Grundsätze im Hinblick auf Art. 3 Grundgesetz (GG) nicht beanstandet (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26. Oktober 2005 - 1 BvR 1921/04, 1 BvR 203/05, 1 BvR 445/05, 1 BvR 1144/05 -, SozR 4-8560 § 22 Nr. 1; Nichtannahmebeschluss vom 4. August 2004 - 1 BvR 1557/01-, SozR 4-8570 § 5 Nr. 4). Nach Auffassung des BVerfG war es zulässig, dass sich das BSG am Wortlaut der Versorgungsordnung orientiert und nicht an eine Praxis oder an eine diese Praxis möglicherweise steuernde unveröffentlichte Richtlinie der DDR angeknüpft hat.
Dass der Kläger für die Zeit vom 01. Mai 1987 bis zum 30. Juni 1990 aufgrund der eine Einzelfallentscheidung darstellenden Versorgungszusage in die AVItech einbezogen wurde, führt nicht zu einer Einbeziehung auch für davor zurückliegende Zeiten (vgl. BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 39/01 R -, zitiert nach juris Rn. 16 f.).
Die Begrenzung der vom BSG vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG auf den Personenkreis, der nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage die drei Voraussetzungen der VO-AVItech erfüllte, steht im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 und 3 Grundgesetz (GG). Die Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen, die am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen der Versorgungsverordnung – ggf. auch für länger zurückliegende Zeiträume - erfüllten, ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Der Einigungsvertrag hat nur die Übernahme von vor dem 01. Juli 1990 bestehenden Versorgungsansprüchen und -anwartschaften vorgesehen und neue Einbeziehungen ab dem 01. Juli 1990 ausdrücklich verboten (vgl. Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Anl. II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschn. III Nr. 9 Buchst. a EV; Anl. II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 8 EV i.V.m. § 22 Rentenangleichungsgesetz der DDR). Der Bundesgesetzgeber hat das grundsätzliche Verbot der Neueinbeziehung für den persönlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG modifiziert. Um einem Wertungswiderspruch zu begegnen, hat das BSG durch eine ausdehnende verfassungskonforme Auslegung die nicht in ein Versorgungssystem Einbezogenen, die am 30. Juni 1990 nach den Regelungen der Versorgungssysteme alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatten, aber im Regelfall aus Gründen, die bundesrechtlich nicht anerkannt werden dürfen, nicht einbezogen waren, den Fällen des § 1 Abs. 1 Satz 2 des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG) gleichgestellt. Eine Gleichstellung weiterer Personengruppen war nicht geboten. Der Bundesgesetzgeber durfte an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung der Versorgungssysteme in der DDR sowie an die gegebene versorgungsrechtliche Lage der Betroffenen ohne Willkürverstoß anknüpfen und damit davon ausgehen, dass nur derjenige in das Zusatzversorgungssystem der AVItech einbezogen werden durfte, der am 30. Juni 1990 in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt war. Art. 3 Abs. 1 und 3 GG gebietet nicht, von jenen zu sekundärem Bundesrecht gewordenen Regelungen der Versorgungssysteme sowie den historischen Fakten, aus denen sich etwa die hier vorliegenden Ungleichheiten ergeben, abzusehen und sie „rückwirkend“ zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 - B 4 RA 18/03 R -, zitiert nach juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG).