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Entscheidung 20 Sa 2305/11


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 20. Kammer Entscheidungsdatum 18.04.2012
Aktenzeichen 20 Sa 2305/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 16 BetrAVG, § 167 ZPO

Leitsatz

Wenn der Versorgungsempfänger eine ausdrückliche Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers nach § 16 BetrAVG für unrichtig hält, muss er dies grundsätzlich vor dem nächsten Anpassungsstichtag dem Arbeitgeber gegenüber wenigstens außergerichtlich geltend machen. Mit dem nächsten Anpassungsstichtag erlischt der Anspruch auf Korrektur einer früheren Anpassungsentscheidung (BAG Urteil vom 10.02.2009 - 3 AZR 627/07 - AP Nr. 69 zu § 16 BetrAVG).

Geht eine Klage, mit der der Versorgungsempfänger eine Anpassungsentscheidung angreift, vor dem nächsten Anpassungsstichtag bei Gericht ein und wird dem Arbeitgeber (alsbald) nach dem Anpassungsstichtag zugestellt, hat der Versorgungsempfänger seinen Anspruch gem. § 167 ZPO rechtzeitig geltend gemacht (entsprechend LAG Berlin-Brandenburg vom 04.04.2012 - 23 Sa 2228/11).

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16.08.2011 - 8 Ca 9773/11 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der gem. dem Tenor zu 1. ausgeurteilte Zahlungsbetrag ab Rechtskraft des vorliegenden Urteils mit Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagte 73,5 % und der Kläger 26,5 % zu tragen.

III. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, in welchem Umfang die Betriebsrente des Klägers zum 01.07.2008 anzupassen ist.

Der Kläger war bei der Beklagten als Arbeitnehmer beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete zum 30.11.1987, seit dem 01.12.1987 erhält der Kläger von der Beklagten betriebliche Altersversorgungsleistungen. Die monatliche Betriebsrente betrug zum damaligen Zeitpunkt umgerechnet 1.110,01 Euro brutto.

Die Beklagte passte die Betriebsrente laufend in Abständen von drei Jahren an. Die Anpassung erfolgte entsprechend der Steigerungen der Lebenshaltungskosten in den jeweils vorangegangenen drei Jahren. Erstmals zum Anpassungsstichtag 01.07.2008 nahm die Beklagte eine Erhöhung vor, die sie nach der durchschnittlichen Nettolohnentwicklung der Arbeitnehmer des I.-Konzerns in Deutschland im Zeitraum von Ende 2004 bis Ende 2007 ermittelte, wobei eine Gruppenbildung vorgenommen wurde. Im Ergebnis erhöhte die Beklagte die Betriebsrente des Klägers um 1,57 % und zahlte an den Kläger nunmehr eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 1.541,61 Euro brutto.

Mit einer am 27.06.2011 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen, der Beklagten am 06.07.2011 zugestellten Klage hatte der Kläger von der Beklagten zunächst die Zahlung von 5.668,92 Euro brutto nebst Zinsen beginnend mit dem jeweiligen 1. Tag des Folgemonats der Fälligkeit für die Zeit vom 01.07.2008 bis zum 01.04.2011 verlangt. Weiter hat er verlangt, an den Kläger ab dem 01.04.2011 eine gegenüber der gezahlten Rente von 1.541,61 Euro um 157,47 Euro höhere monatliche Betriebsrente zu zahlen.

Mit einer am 03.08.2011 bei Gericht eingegangenen, der Beklagten am 08.08.2011 zugestellten Klageerweiterung hat der Kläger die Zahlung von Juli 2008 bis einschließlich 31.08.2011 die Zahlung von 5.983,86 Euro brutto nebst Zinsen verlangt und eine Zahlung für die Zukunft ab 01.09.2011 in Höhe von 1.699,08 Euro brutto.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhaltes sowie des streitigen Vorbringens der Parteien I. Instanz und der erstinstanzlichen Antragstellung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Ferner wird auf die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst den Anlagen Bezug genommen. Über das in einer Vielzahl von gleich gelagerten Verfahren hinaus im wesentlichen gleich lautend vorgebrachte Verteidigungsvorbringen hat die Beklagte weiter die Ansicht vertreten, dass der Kläger bereits deshalb keinen Anspruch auf die geltend gemachte Zahlung habe, da ein Anspruch auf Korrektur einer Anpassungsentscheidung mit dem nächst folgenden Anpassungsstichtag erlösche. Da die Klage am 06.07.2011 zugestellt worden sei, bestehe bereits aus diesem Grund kein Anspruch des Klägers auf Anpassung seiner Betriebsrente.

Mit Urteil vom 16.08.2011 hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 5.983,86 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 121,00 Euro brutto seit dem 01.07.2008 sowie aus jeweils weiteren 157,47,00 Euro brutto seit dem 1. der Folgemonate bis einschließlich 01.08.2011 zu zahlen. Weiter hat es die Beklagte verurteilt, ab dem 01.09.2011 eine Betriebsrente in Höhe von 1.699,08 Euro brutto zu zahlen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die zuletzt vorgenommene Anpassungsentscheidung der Beklagten sei fehlerhaft, weil die Beklagte zur Ermittlung des Anpassungsbedarfs einen falschen Prüfungszeitraum zugrunde gelegt habe. Zwar sei die Beklagte berechtigt gewesen eine Anpassungsentscheidung zum 01.07.2008 vorzunehmen. Der Drei-Jahres-Rhythmus bei der Überprüfung der Betriebsrenten zwinge nicht zu starren individuellen Prüfungsterminen. Der für die Belange des Versorgungsempfängers maßgebliche Prüfungszeitraum für die Berechnung des Anpassungsbedarfs beginne mit dem Eintritt des Ruhestandes und ende unmittelbar vor dem Anpassungsstichtag. Eine Auszehrung der Renten solle vermieden werden, es sei der volle nicht gedeckte Anpassungsbedarf zu ermitteln. Daran habe sich auch durch die am 01.01.1999 in Kraft getretene Neufassung des § 16 BetrAVG nichts geändert. Der Prüfungszeitraum stehe nicht zur Disposition des Arbeitgebers. Deshalb habe die Beklagte zur Ermittlung des Anpassungsbedarfs nicht auf den Stichtag 01.07.2005 abstellen dürfen. Die Berechnung des Klägers sei aufgrund der zugrunde gelegten Teuerungsrate zutreffend und auch nicht weiter von der Beklagten bestritten worden. Die Anpassungsforderung sei auch rechtzeitig bis zum Stichtag der nächsten Anpassungsentscheidung (01.07.2011) geltend gemacht worden. Die am 27.06.2011 bei Gericht eingegangene und der Beklagten demnächst i. S. v. § 167 ZPO zugestellten Klage wahre diese Frist, da § 167 ZPO auch für materiell-rechtliche Fristen gelte, die sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich geltend gemacht werden können. Der Zinsanspruch ergebe sich auf der Grundlage der §§ 286 Abs. 2 Nr. 1; 288 BGB. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 84-91 d. A.) verwiesen.

Gegen dieses ihr am 28.10.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 17.11.2011 bei dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat ihre Berufung mit einem am 16.12.2011 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Frist zur Rüge der Anpassungsentscheidung sei verstrichen, sie konnte lediglich durch das Einreichen der Klage vor dem nächsten Anpassungsstichtag nicht gewahrt werden. Der Anspruch auf Korrektur einer früheren Anpassungsentscheidung erlösche mit dem nächsten Anpassungsstichtag. Vorliegend wäre der Kläger gehalten gewesen die Anpassungsentscheidung bis zum 30.06.3011 zu rügen. Da die Klage erst am 06.07.2011 zugestellt worden sei, sei der Anspruch zu spät geltend gemacht. § 167 ZPO finde auf die Rüge einer Anpassungsentscheidung nach § 16 BetrAVG keine Anwendung. Insbesondere sei die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (17.07.2008 – I ZR 109/05) nicht auf das Arbeitsrecht übertragbar.

Die Beklagte ist weiter der Ansicht die Entscheidung des Arbeitsgerichts sei unzutreffend, sie entspreche zwar der Ansicht des Bundesarbeitsgerichts, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Anpassung der Betriebsrenten verkenne jedoch den Regelungsgehalt des § 16 BetrAVG in seiner aktuellen Fassung. Zu Unrecht sei das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger könne einen vollen Teuerungsausgleich für die Zeit ab Rentenbeginn verlangen. Aus dem Wortlaut des § 16 Abs. 1 BetrVG folge, dass Prüfungszeitraum i. S. d. § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG keineswegs die Zeit seit Rentenbezug sei, sondern die seit dem letzten Anpassungsstichtag verstrichene Zeit. Hätte der Gesetzgeber als Prüfungszeitraum jeweils die individuell zurückgelegte Zeitspanne seit Rentenbeginn für maßgeblich erachtet, wäre es für einen Arbeitgeber praktisch unmöglich, sich auf eine reallohnbezogene Obergrenze überhaupt zu berufen. Denn er müsste dann individuell für jeden Versorgungsempfänger zum jeweiligen Anpassungsstichtag die Reallohnentwicklung für alle vergleichbaren aktiven Arbeitnehmer berechnen. Dies sei faktisch unmöglich. Dieses Ergebnis leite sich auch aus der Bestimmung in Abs. 4 des § 16 BetrAVG ab. Danach seien zu Recht unterbliebene Anpassungen nicht nachzuholen. Das Bundesarbeitsgericht verkenne den vom Gesetzgeber verfolgten Zweck des § 16 Abs. 4 BetrAVG, die Bereitschaft der Unternehmen zu fördern, neue Betriebsrentenzusagen zu machen. § 16 Abs. 4 BetrAVG verweise auf dessen Abs. 1, der wiederum durch Abs. 2 ergänzt werde. Habe der Arbeitgeber die Anpassungsprüfung unter Beachtung des § 16 Abs. 2 BetrAVG durchgeführt, sei zwar kein voller Teuerungsausgleich erreicht, aber der Anspruch auf Anpassungsprüfung erfüllt. Abs. 4 spreche von der Anpassung selbst, nicht von der Prüfungspflicht des Arbeitgebers. Komme die reallohnbezogene Obergrenze zum Zuge, sei entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts die Anpassung, also die tatsächliche Erhöhung der Betriebsrente, ganz oder teilweise zu Recht unterblieben. Auch sei die Entscheidung des Arbeitsgerichts hinsichtlich des von der Beklagten zu beachtenden Zeitraums der Reallohnentwicklung unzutreffend. Bei der – auch vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen – Bündelung der Anpassungsprüfung hinsichtlich der betroffenen Versorgungsberechtigten, könne der Arbeitgeber die Reallohnentwicklung nur einheitlich bestimmen. Wenn eine Bündelung der Anpassungsentscheidungen zu einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb eines Kalenderjahres für alle in diesem Jahr anfallenden Anpassungsprüfungen zulässig sei, könne es keinen rechtlichen Bedenken begegnen, die Werte aus dem Jahr der Anpassung unmittelbare vorangegangenen Kalenderjahr zugrunde zu legen und mit den entsprechenden Werten des drei Jahre zurückliegenden Referenzjahres zu vergleichen. Das Arbeitsgericht übersehe das dem Arbeitgeber gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG eingeräumte Ermessen.

Die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verkenne weiter die Bedeutung und Tragweite der von ihr berührten Grundrechte bzw. habe ihr Gewicht in diesem Zusammenhang unrichtig eingeschätzt. Das Bundesarbeitsgericht habe im Rahmen seiner Entscheidungen zu Nichtzulassungsbeschwerden der Beklagten verkannt, dass die Präzisierung des Begriffs "nach billigem Ermessen", anhand dessen der Arbeitgeber gemäß § 16 BetrAVG die Anpassung der Betriebsrenten vorzunehmen habe, Auswirkungen auf die unternehmerische Handlungsfreiheit der Beklagten habe. Infolgedessen stelle die unrichtige Anwendung und Auslegung des § 16 Abs. 1 und 2 BetrAVG zugleich eine Verletzung der Beklagten in ihren Grundrechten u. a. aus Art. 12 Abs. 1 GG dar. Die vorgenommene Auslegung übersteige die Grenzen der Auslegung der Norm im Hinblick auf Wortlaut und Systematik. Dies führe dazu, dass sich die Beklagte in ihrer Rolle als Arbeitgeberin mit gesetzlich nicht gedeckten - überhöhten - Anpassungspflichten in Bezug auf die von ihr gewährten Betriebsrenten ausgesetzt sähe. Folgte man der Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts, verbliebe dem Arbeitgeber im Anwendungsbereich des § 16 BetrAVG entgegen dem eindeutigen Wortlaut überhaupt kein Ermessenspielraum. Er müsse die Anpassung vornehmen, wobei er lediglich die „Wahl“ habe, sich am Anstieg des Verbraucherpreisindexes oder dem Anstieg der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen zu orientieren. Entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts drohe bei einer Anwendung der reallohnbezogenen Obergrenze unter Zugrundelegung eines dreijährigen Prüfungszeitraums keine "Auszehrung" des Rentenanspruchs.

Weiter meint die Beklagte gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG folge, dass es nicht Intention des Gesetzgebers gewesen sei, mindestens einen Kaufkrafterhalt der Betriebsrente nach Eintritt des Rentenfalles zu gewährleisten, denn die durchschnittliche Inflationsrate in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts habe deutlich mehr als ein Prozent betragen.

Schließlich sei der Zinsanspruch nicht gerechtfertigt, da vor der Rechtskraft des Gestaltungsurteils kein Verzug eintreten könne.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 8 Ca 9773/11 - vom 16.08.2011 abzuändern und

1. den Klageantrag zu 1. vollständig abzuweisen und,

2. den Klageantrag zu 2. insoweit abzuweisen, als der Kläger für die zeit ab dem 01.09.2011 die Zahlung einer monatlichen Betriebsrente von mehr als 1.561,61 Euro begehrt.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger nimmt seine Klage hinsichtlich eines Zinsanspruches der über eine Verzinsung ab Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung hinausgeht zurück. Ebenso die Anschlussberufung vom 19.01.2012 - 20 Sa 135/12 - mit der er eine erneute Anpassungsentscheidung vom 01.07.2011 angreift (vgl. Schriftsatz vom 05.04.2012, Bl. 339-334 d. A.).

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Wesentlichen mit Rechtsausführungen. Er vertritt die ausführlich begründete Ansicht, dass die Bestimmungen des § 167 ZPO auch auf den Fall einer Anpassungsentscheidung nach § 16 BetrAVG anzuwenden sind. Wegen der Begründungen im Einzelnen und hinsichtlich der ausführlichen Darstellung der Rechtsmeinung der Parteien wird auf die Schriftsätze der Beklagten (vom 14.12.2011, Bl. 101-122 d. A. und 24.02.2012, Bl. 305-313 d. A.) und auf die Schriftsätze des Klägers (vom 19.01.2012, Bl. 228-275 d. A. und 05.04.2012, Bl. 339-345 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist an sich (§§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1 ArbGG) und wegen des Streitgegenstandes (§ 64 Abs. 2 Buchstabe b ArbGG) statthaft, in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 517 ZPO i. V. m. §§ 64 Abs. 6 S. 1; 66 Abs. 1 S. 1, 2 ArbGG) sowie fristgerecht und ordnungsgemäß begründet (§§ 66 Abs. 1 S. 1, 2 ArbGG; 520 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG).

2. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Lediglich hinsichtlich der zurückgenommenen Zinsforderung war der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung klarzustellen.

2.1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Betriebsrente in Höhe von 5.983,86 Euro brutto als Differenz für die Zeit vom 01.07.2008 bis zum 31.08.2011 gemäß den Regelungen des bei der Beklagten bestehenden Versorgungswerks i. V. m. § 16 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG i. V. m. § 315 Abs. 2 und 3 BGB analog. Aus den gleichen Gründen besteht ein Anspruch auf Zahlung einer Gesamtrente von 1.699,08 Euro ab dem 01.09.2011 für die Zukunft. Die Kammer schließt sich dabei der Vielzahl der in vergleichbaren Fällen ergangenen Entscheidungen des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg an (vgl. z. B. LAG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 19.07.2011 - 7 Sa 937/11 -; 12.11.2010 - 8 Sa 1547/10 -; 31.08.2010 - 16 Sa 412/10 -; 21.07.2011 - 18 Sa 961/11 – sowie 19.08.2011 - 22 Sa 896/11). Die vorliegende Entscheidung folgt im Rahmen ihrer Begründung der Entscheidung der 14. Kammer und der 23. Kammer (Urteil vom 03.11.2011 – 14 Sa 1255/11, Urteil vom 04.04.2012 - 23 Sa 2228/11 - und der im Wesentlichen gleichlautenden Entscheidung der 20. Kammer vom 29.02.2012 - 20 Sa 1892/11).

2.2. Der Kläger hat die Anpassungsentscheidung der Beklagten vom 01.07.2008 mit der vorliegenden Klage rechtzeitig mit der Folge gerügt, dass sein Anspruch nicht erloschen ist. Die Anpassungsentscheidung der Beklagten zum 01.07.2008 hat die gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG zu beachtenden Belange des Klägers als Versorgungsempfänger nicht ausreichend berücksichtigt. Sie entspricht nicht billigem Ermessen, weil sie lediglich auf die von der Beklagten beachtete Entwicklung der Nettoeinkommen vergleichbarer Arbeitnehmer von Ende 2004 bis Ende 2007 abstellt. Nötig ist jedoch eine Beachtung der Entwicklung seit Rentenbeginn.

Zur Begründung verweist die Kammer zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

2.2.1. Der Kläger hat die Fehlerhaftigkeit der Anpassungsentscheidung rechtzeitig gerügt. Dazu führt die 23. Kammer des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (Urteil vom 04.04.2012 - 23 Sa 2228/11) in einem im Wesentlichen parallel gelagerten Fall aus:

„Die Rüge einer Anpassungsentscheidung und die dabei einzuhaltende Frist sind in dem Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Sie ergeben sich vielmehr aus dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Anpassungsregelungen und sind Teil eines gemäß § 16 BetrAVG geschaffenen, interessengerechten Gesamtgefüges, mit dem einerseits eine Entwertung der Betriebsrente durch Kaufkraftverlust möglichst verhindert und andererseits die Gesamtbelastung aus bereits bestehenden Versorgungsleistungen berechenbar gehalten werden sollen. Dem dient die alle drei Jahre vorzunehmende Anpassungsprüfung und -entscheidung. Erst die in der Anpassungsentscheidung enthaltene Leistungsbestimmung löst Ansprüche auf eine höhere Betriebsrente aus. Mit dem nächsten Anpassungsstichtag entsteht ein neuer Anspruch auf eine Anpassungsentscheidung. Für sie bedarf der Arbeitgeber Planungs- und Rechtssicherheit. Damit seine Versorgungslasten nicht rückwirkend erhöht werden und sich seine wirtschaftliche Lage nicht rückwirkend verschlechtert, muss der Versorgungsempfänger die Anpassungsentscheidung grundsätzlich bis zum nächsten Stichtag rügen. Geschieht dies nicht, erlischt der Anspruch auf Korrektur einer früheren Entscheidung (vgl. BAG Urteil vom 10.2.2009 - 3 AZR 627/07 - in AP Nr. 69 zu § 16 BetrAVG; Urteil vom 21.8.2007 - 3 AZR 330/06 - in NZA-RR 2008, 198). Entgegen der Auffassung der Beklagten wird nicht ein Termin gesetzt, zu dem die Rüge zu erheben ist. Für sie steht dem Versorgungsempfänger vielmehr der Zeitraum ab der zu beanstandenden Anpassungsentscheidung bis zum Tag vor dem nächsten Anpassungsstichtag zur Verfügung. Es handelt sich also um eine Frist. Die Rechtsprechung sieht nichts anderes vor (vgl. BAG Urteil vom 10.2.2009 - 3 AZR 627/07 - a.a.O.). (…) Die Bestimmung des § 167 ZPO findet grundsätzlich auch in den Fällen Anwendung, in denen durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden soll, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden kann (vgl. BGH Urteil vom 17.7.2008 - I ZR 109/05 - in NJW 2009, 765). Gemäß § 132 Abs. 1 Satz 2 BGB, §§ 191,192 Abs. 2 Satz 1. 167 ZPO kann für jede Frist, die nicht durch gerichtliche Geltendmachung gewahrt werden muss, eine Rückwirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt der Übergabe der zuzustellenden Erklärung an den Gerichtsvollzieher erreicht werden, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Der Wortlaut des § 167 ZPO lässt nicht erkennen, dass die Rückwirkung auf solche Fristen beschränkt sein soll, die ausschließlich durch gerichtliche Geltendmachung zu wahren sind. Rechtssicherheit und das Vertrauen in den Wortlaut der Norm gebieten daher, durch die Geltendmachung eines Anspruchs mittels Klage jede Frist rückwirkend wahren zu lassen, sofern dem nicht Sinn und Zweck der Regelung bei einzelnen Fristen entgegenstehen (vgl. BGH Urteil vom 17.7.2008 - I ZR 109/05 - a.a.O.).

Für die Anpassungsrüge gibt es kein besonderes Formerfordernis. Es wird lediglich gefordert, dass der Versorgungsempfänger, wenn er eine ausdrückliche Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers nach § 16 BetrAVG für unrichtig hält, dies ihm gegenüber grundsätzlich vor dem nächsten Anpassungsstichtag wenigstens außergerichtlich geltend macht. Das kann außergerichtlich, formlos und ohne nähere Begründung erfolgen (vgl. BAG Urteil vom 10.2.2009 – 3 AZR 627/07 - a.a.O.). Sinn und Zweck der Anpassungsrüge stehen der Rückwirkung gemäß § 167 ZPO nicht entgegen. Die aus dem gesetzlichen Gesamtzusammenhang hergeleitete Rüge ist „grundsätzlich“ vor dem nächsten Anpassungsstichtag gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen. Mit der Einschränkung „grundsätzlich“ wird die Möglichkeit anerkannt, dass in Ausnahmefällen auch ein Zugang nach dem Anpassungsstichtag durchaus fristwahrend sein kann und nicht im Widerspruch zu dem interessengerechten Gesamtgefüge der Anpassungsregelung stehen muss. Die Rückwirkung nach § 167 ZPO tritt nicht in jedem Fall ein, sondern nur dann, wenn die Zustellung „demnächst“ erfolgt. Der Begriff ist ohne eine absolute zeitliche Grenze und im Wege einer wertenden Betrachtung auszulegen. Der Zustellungsbetreiber muss alles ihm zumutbare für eine alsbaldige Zustellung getan haben. Verzögerungen im gerichtlichen Geschäftsbetrieb sollen nicht zu seinen Lasten gehen. Andererseits muss die Rückwirkung dem Empfänger auch zumutbar sein (vgl. BGH Urteil vom 11.2.2011 - V ZR 136/10 - in juris). Angesichts der im konkreten Einzelfall vorzunehmenden wertenden Betrachtung, die auch die Interessen des Zustellungsempfängers zu berücksichtigen hat, ist die Anwendung des § 167 ZPO durchaus mit Sinn und Zweck der Anpassungsrüge vereinbar.“

Dem schließt sich die erkennende Kammer an. In dem vorliegenden Fall ist die vollständig und fehlerfrei adressierte Klageschrift am 27.06.2011 als Telekopie und am 28.06.2011 im Original bei dem zuständigen Arbeitsgericht eingegangen. Nach der Terminierung vom 29.06.2011 ist die Klageschrift durch das Gericht am Donnerstag, dem 30.06.2011, an die Beklagte abgesandt worden. Damit hat der Kläger alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung der Klageschrift getan. Der Zugang bei der Beklagten am 06.07.2011 liegt mit sechs Tage nur kurzfristig nach Ablauf der Frist. Eine ernsthafte Beeinträchtigung ihrer Planungs- und Rechtssicherheit kann dadurch nicht eingetreten sein. Dabei ist auch zu beachten, dass die Beklagten einer Vielzahl anderer Rügen ihrer Anpassungsentscheidung zum 01.07.2008 ausgesetzt war. Durch die vom Kläger gewählte Form der Geltendmachung konnte sie vielmehr mit größerer Sicherheit als bei einer außergerichtlichen Geltendmachung zum 30.06.2011 davon ausgehen, dass es zu einer gerichtlichen Überprüfung ihrer vorausgegangenen Anpassungsentscheidung kommen wird.

2.2.2. Die von der Beklagten zur Auslegung des § 16 BetrAVG vorgebrachten Argumente hat der 3. Senat des Bundesarbeitsgerichts bereits in den unten genannten Entscheidungen berücksichtigt, die Kammer hat auch aufgrund des Berufungsvorbringens keine Veranlassung gesehen von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abzuweichen. Hinsichtlich des Berufungsvorbringens weist die Kammer, wie auch bereits die 14. Kammer des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (vom 03.11.2011 -14 Sa 1255/11) auf Folgendes hin:

Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und nach billigem Ermessen über die Anpassung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Die Belange des Versorgungsempfängers bestehen - wie sich aus § 16 Abs. 2 BetrAVG ergibt - im Ausgleich des Kaufkraftverlustes seit Rentenbeginn, also in der Wiederherstellung des ursprünglich vorausgesetzten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung. Dementsprechend ist der volle Anpassungsbedarf zu ermitteln, der in der seit Rentenbeginn eingetretenen Teuerung besteht, soweit er nicht durch vorhergehende Anpassungen ausgeglichen wurde. Der Anpassungsbedarf wird jedoch durch die Verdienstentwicklung wie sie bei den aktiven Arbeitnehmern stattfindet begrenzt (reallohnbezogene Obergrenze). Es widerspricht nicht der Billigkeit, wenn der Arbeitgeber die Betriebsrente nur bis zur durchschnittlichen Steigerung der Reallöhne der aktiven Arbeitnehmer anpasst (vgl. BAG, Urteil vom 31.07.2007 - 3 AZR 810/05 - AP-Nr. 65 zu § 16 BetrAVG; BAG, Urteil vom 28.06.2011 - 3 AZR 859/08 - m.w.N.).

§ 16 BetrAVG legt einen Dreijahresturnus für den Prüfungstermin fest, trifft aber keine eindeutige Aussage über den Prüfungszeitraum. Allerdings soll es auf die "Belange des Versorgungsempfängers" ankommen. Da das Gesetz eine Auszehrung der Renten vermeiden will, werden die Belange des Versorgungsempfängers nur dann voll berücksichtigt, wenn der volle, fortbestehende Anpassungsbedarf und nicht nur derjenige aufgrund einer Teuerung in den letzten drei Jahren ermittelt wird. Mit der Formulierung, dass nur "laufende Leistungen" zu überprüfen sind, kann eine solche Einschränkung nicht begründet werden. Dieses Merkmal soll die "laufenden Leistungen" von anderen Leistungen abgrenzen. Unter "laufenden Leistungen" sind lediglich "regelmäßig wiederkehrende Leistungen" im Gegensatz zu einmaligen Kapitalleistungen sowie Anwartschaften zu verstehen. Die Verpflichtung zur nachholenden Anpassung ergibt sich vor allem aus Sinn und Zweck des § 16 BetrAVG. Der Kaufkraftverlust soll ausgeglichen werden, damit die jeweils zu zahlende Rente der versprochenen Rente zum Rentenbeginn wertmäßig entspricht. Diese Wertsicherung kann nur dadurch erreicht werden, dass ein früher nicht berücksichtigter Anpassungsbedarf bei Wiederholungsprüfungen auszugleichen ist. Wollte man bei Folgeprüfungen jeweils nur die Teuerung ausgleichen, die seit dem letzten Prüfungstermin eingetreten ist, so würde das Defizit einer früheren Teilanpassung für die gesamte Rentenbezugszeit fortgeschrieben und sogar ausgeweitet. Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung wäre auf Dauer gestört. Der tatsächliche Anpassungsbedarf bliebe selbst bei voller Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers für alle Zeiten unberücksichtigt. Dies widerspräche dem Zweck des Gesetzes. Es kann nicht unterstellt werden, der Gesetzgeber habe mit der Rücksichtnahme auf die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers ein einmal eingetretenes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung fortschreiben wollen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 03.11.2011 - 14 Sa 1255/11 -; BAG, Urteil vom 28.04.1992 - 3 AZR 142/91 -, NZA 1993, 69). Der für die Belange des Versorgungsempfängers nach dem Betriebsrentengesetz maßgebliche Prüfungszeitraum beginnt mit dem Eintritt in den Ruhestand und endet unmittelbar vor dem jeweiligen Anpassungsstichtag. Daran hat die am 01.01.1999 in Kraft getretene Neufassung des § 16 BetrAVG nichts geändert (vgl. BAG, Urteil vom 30.08.2005 - 3 AZR 395/04 - AP-Nr. 56 zu § 16 BetrAVG). Dementsprechend ist der volle Anpassungsbedarf zu ermitteln, der in der seit Rentenbeginn eingetretenen Teuerung besteht, soweit dieser nicht bereits durch vorhergehende Anpassungen ausgeglichen. Hierbei ist auf die in der einschlägigen Fachpresse veröffentlichten Indexwerte der Monate abzustellen, die dem erstmaligen Rentenbezug und dem Anpassungsstichtag vorausgehen (§ 291 ZPO). Für die Erfüllung der Anpassungsprüfungspflicht kommt es gemäß §§ 16 Abs. 2 Nr. 1; 30c Abs. 4 BetrAVG für Zeiträume vor dem 01.01.2003 auf den Preisindex für die Lebenshaltung von Vier-Personen-Haushalten von Arbeitern und Angestellten mit mittleren Einkommen an, für die Zeit danach auf den Verbraucherpreisindex für Deutschland (BAG, Urteil vom 31.07.2007 - 3 AZR 810/05 – AP-Nr. 65 zu § 16 BetrAVG; BAG, Urteil vom 28.06.2011 - 3 AZR 859/09).

Die Änderungen des § 16 BetrAVG durch Art. 8 des Rentenreformgesetzes 1999 vom 16.12.1997 sprechen nicht gegen, sondern für die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene Gesetzesauslegung. Der Gesetzgeber hat an die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts angeknüpft und sie im Wesentlichen bestätigt. Soweit er von ihr abweichen wollte, hat er dies klar zum Ausdruck gebracht (vgl. BAG, Urteil vom 10.02.2009 - 3 AZR 610/07 – AP-Nr. 70 zu § 16 BetrAVG).

Die von der Beklagten angeführten praktischen Bedenken dagegen, dass als Prüfungszeitraum die jeweilige Zeit vom Rentenbeginn bis zum Anpassungsstichtag zu verstehen ist, sind nicht berechtigt. Der Arbeitgeber muss nicht, wie von der Beklagten geltend gemacht, individuell für jeden Versorgungsempfänger zum jeweiligen Anpassungsstichtag die Reallohnentwicklung für alle vergleichbaren aktiven Arbeitnehmer berechnen. Vielmehr kann er eine gebündelte Anpassungsprüfung zu einem bestimmten Zeitpunkt innerhalb oder am Ende eines Jahres vornehmen (so schon BAG, Urteil vom 28.04.1992 - 3 AZR 142/91 - NZA 1993, 69). Auch hat der Arbeitgeber bei der Festlegung der Gruppe vergleichbarer aktiver Beschäftigter einen Gestaltungsspielraum. Es genügt, dass die Abgrenzungskriterien sachgerecht sind und mit dem Versorgungssystem übereinstimmen (BAG, Urteil vom 20.05.2003 - 3 AZR 179/02 – AP-Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Auslegung). Entsprechend ist auch die Beklagte vorgegangen und hat die Anpassungsentscheidungen gebündelt und die Gruppe der vergleichbaren aktiven Arbeitnehmer sehr weit gezogen. Von daher ist es ihr auch nicht unmöglich, sich auf eine reallohnbezogene Obergrenze zu berufen (LAG Berlin Brandenburg, Urteil vom 03.11.2011 – 14 Sa 1255/11; ebenso LAG Hamburg, Urteil vom 03.08.2011 - 3 Sa 47/11).

Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt aus § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG nicht, dass der Prüfungszeitraum i. S. d. § 16 Abs. 2 BetrAVG lediglich die letzten drei Jahre vor der Anpassungsentscheidung umfassen könne. § 16 Abs. 3 BetrAVG regelt, in welchen Fällen unter welchen Voraussetzungen die Anpassungsprüfungspflicht entfällt. Nr. 1 ermöglicht zwar bei Vorliegen einer entsprechenden Vereinbarung, dass der Arbeitgeber trotz höherer Preissteigerungsrate die Betriebsrenten lediglich um 1 % jährlich erhöht. Dadurch wird für den Arbeitgeber Planungs- und Rechtssicherheit erreicht. Zugleich liegt hierin aber auch ein bedeutsamer Vorteil für die Arbeitnehmer, denn auch bei schlechter Wirtschaftslage, die bei einer Anpassungsprüfung gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG im Ergebnis zu einer Nichtanpassung führen würde, bleibt der Arbeitgeber zu der vereinbarten Erhöhung verpflichtet. Hierauf wurde schon im Gesetzgebungsverfahren verwiesen (BT-Drs. 13/8011 S. 73). Aus der Vorschrift des § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten gerade nicht ableiten, der Gesetzgeber habe einen Kaufkrafterhalt der Betriebsrente nach Eintritt des Rentenfalles nicht gewährleisten wollen. Soweit sich die Beklagte in diesem Zusammenhang auf die demografische Entwicklung beruft, aufgrund derer sich das Verhältnis von aktiven Arbeitnehmer zu Betriebsrentnern ständig verschlechtere, verkennt sie, dass die demografische Entwicklung der Gesellschaft nicht einhergehen muss mit dem zahlenmäßigen Verhältnis der aktiven Arbeitnehmer eines bestimmten Unternehmens zu dessen Betriebsrentnern. Zudem kann sich ein Arbeitgeber, wenn die Belastung durch eine Anpassung der Betriebsrenten wirtschaftlich nicht vertretbar ist, hierauf im Rahmen der Anpassungsprüfung gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG berufen (vgl. LAG Berlin Brandenburg, Urteil vom 03.11.2011 – 14 Sa 1255/11; ebenso LAG Hamburg, Urteil vom 03.08.2011 - 3 Sa 47/11).

Soweit die Beklagte eine Verletzung ihrer Grundrechte rügt, kann dem nicht gefolgt werden. Die Berufsausübungsfreiheit des Unternehmers kann durch Gesetz eingeschränkt werden (Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG). § 16 BetrAVG stellt ein einschränkendes Gesetz dar, das allerdings den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten muss. Da die Vorschrift letztlich als Ausspruch des Sozialstaatsgebotes des Art. 20 Abs. 1 GG dem Betriebsrentner den Wert der Gegenleistung für die bereits während der aktiven Beschäftigung geleistete Arbeit sichern will, wahrt sie die verfassungsrechtlichen Vorgaben bei den vorgesehenen Einschränkungen. Außerdem sieht das Regelungskonzept des § 16 BetrAVG vor, dass der Arbeitgeber bei Anpassungsentscheidungen seine wirtschaftliche Lage berücksichtigen darf. Hierauf hat sich die Beklagte gerade nicht berufen. Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Verständnis des § 16 BetrAVG die Grenzen der Auslegung auch nicht überschritten. Der Zweck der Vorschrift ist darauf gerichtet, den Wert der Betriebsrente über eine längere Bezugsdauer zu erhalten. Bei der Anpassungsentscheidung sind deshalb die Belange des Versorgungsberechtigten zu berücksichtigen. Die Einräumung des Wahlrechtes, das die Beklagte für sich in Anspruch nimmt, würde zu einem dauerhaften Wertverlust der Rente führen. Gerade dies wird durch die Bestimmung eines längeren Prüfungszeitraumes vermieden. Da Art. 12 Abs. 1 GG das speziellere Grundrecht für die Handlungsfreiheit im Berufsleben ist, kommt Art. 2 Abs. 1 GG daneben keine eigenständige Bedeutung zu. Außerdem wird die allgemeine Handlungsfreiheit nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung geschützt. Hierzu gehören alle formell und materiell verfassungsmäßigen Gesetze. Art. 14 GG ist seinem Schutzbereich nach nicht anwendbar. Die Verfassungsnorm schützt nicht den Erwerb, sondern nur das Erworbene (vgl. LAG Berlin Brandenburg, Urteil vom 03.11.2011 - 14 Sa 1255/11 -; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.05.2011 - 6 Sa 7/11 -; LAG Hamburg, Urteil vom 03.08.2011 - 3 Sa 47/11).

2.3. Die Höhe des nach der Entwicklung der Lebenshaltungskosten im Zeitraum vom Rentenbeginn bis zum 30.06.2008 errechneten Differenzbetrages ist zwischen den Parteien nicht im Streit.

Der vom Kläger auf der Grundlage einer Preissteigerung von 37,9 % für den Zeitraum Januar 1987 bis Dezember 2002 nach Maßgabe der Lebenshaltungskosten für einen Vier-Personen-Arbeitnehmerhaushalt mittleren Einkommens und des Anstiegs des Verbraucherpreisindexes vom 01.01.2003 bis 30.06.2008 um 11 % zutreffend vorgenommenen Berechnung der Höhe des Anspruchs, die zu einer Erhöhung der Betriebsrente im Vergleich zu dem tatsächlich gezahlten Betrag ab dem 01.07.2008 in Höhe von 157,47 Euro brutto monatlich führt, ist die Beklagte nicht entgegengetreten.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Wobei die Klagerücknahme lediglich den Zinsanspruch hinsichtlich der Hauptforderung betroffen hat und deshalb keinen Einfluss auf die Quotierung der Kosten hat, wohl aber die Rücknahme der Anschlussberufung des Klägers (20 Sa 135/12). Insoweit waren die daraus resultierenden Kosten vom Kläger zu tragen.

4. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG lagen insbesondere wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf eine Anwendung des § 167 ZPO vor.