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Entscheidung 13 U 73/07


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 13. Zivilsenat Entscheidungsdatum 30.05.2012
Aktenzeichen 13 U 73/07 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 27. April 2007 - Az.: 3 O 72/06 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn die Beklagte vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt als Erbe seiner am 9. November 2004 verstorbenen Ehefrau E… K… die Beklagte, die das Medikaments V… in Deutschland vertrieben hat, auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens sowie auf Auskunft über bekannte Nebenwirkungen und Wechselwirkungen in Anspruch. Er macht geltend, dass seine Ehefrau aufgrund der Einnahme von V… einen Herzinfarkt erlitten habe, der zu ihrem Tod geführt habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Kläger die Beweiserleichterungen nach § 84 Abs. 2 AMG in seiner seit dem 1. August 2002 geänderten Fassung nicht zugute kommen, da er bereits nicht ausreichend dargetan habe, dass die der Verstorbenen verordneten V… - Tabletten nach dem 1. August 2002 durch die Beklagte in Verkehr gebracht worden seien. Ebenfalls fehle es für Schmerzensgeldansprüche nach §§ 823 Abs. 2, 847 BGB i.V.m. § 5 AMG ebenso wie für Ansprüche aus § 84 AMG a.F. an Darlegungen, dass das Schmerzmittel V… als möglicher Schadensverursacher in Betracht komme. Im Übrigen wird wegen der tatsächlichen Feststellungen sowie der in erster Instanz gestellten Anträge auf das angefochtene Urteil des Landgericht Neuruppin vom 27. April 2007 – Az: 3 O 72/06 – Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Der Kläger hat gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese auch fristgemäß begründet. Den erstinstanzlich hilfsweise verfolgten Auskunftsanspruch verfolgt der Kläger im Berufungsverfahren als Hauptantrag.

Nachdem der Senat zu der Frage, ob die verstorbene Ehefrau des Klägers Frau E… K… kontinuierlich von März 2000 bis August 2004 das Medikament V… eingenommen hatte, durch Vernehmung der Zeugen Dr. A… N…, Dr. B… K… und S… H… Beweis erhoben hatte, hat er mit Teilurteil vom 11. November 2009 die Beklagte nach § 84 a AMG zur Auskunftserteilung verpflichtet. Die Beklagte hat hiergegen kein Rechtsmittel eingelegt. Der Senat hat in dem Teilurteil unter anderem zur Begründung ausgeführt, dass vorliegend § 84 AMG in der durch das Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 geänderten Fassung - mit seinen entsprechenden Beweiserleichterungen für den Verbraucher - Anwendung findet. Im Übrigen ist der Senat davon ausgegangen, dass nach der Vernehmung der Zeugen S… H… und A… N… sowie der persönlichen Anhörung des Klägers feststeht, dass die Ehefrau des Klägers das Medikament V… eingenommen hat. Ob sie das Medikament auch „bestimmungsgemäß“ eingenommen hat, konnte dahinstehen, da dies im Rahmen des Auskunftsanspruchs nicht entschieden werden musste. Wegen der weiteren tatsächlichen und rechtlichen Einzelheiten wird auf das vorgenannte Teilurteil Bezug genommen.

Die Parteien streiten nunmehr noch um den Kausalzusammenhang zwischen dem Tod der Ehefrau des Klägers und der - von der Beklagten weiterhin bestrittenen - Einnahme von V….

Der Kläger beantragt zuletzt unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Neuruppin:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger beginnend mit dem 9. November 2004 und endend mit dem 9. Mai 2026 eine monatliche Geldrente in Höhe von 1.340,86 € zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die Beerdigungskosten für seine Ehefrau in Höhe von 3.531,91 € zu erstatten. Dieser Betrag ist mit 5%-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 1. Dezember 2004 zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen des weitergehenden Vortrags im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aufgrund des Beweisbeschlusses vom 11. November 2009 sowie der Beschlüsse vom 2. September 2011 und 12. März 2012, auf deren Inhalte Bezug genommen wird. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F… vom 21. Februar 2011 und das Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. F… und Dr. B… vom 8. Dezember 2011 sowie der mündlichen Erläuterungen der beiden Sachverständigen im Termin am 9. Mai 2012 verwiesen.

II.

1.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 517, 519, 520 ZPO.

2.

Die Berufung ist allerdings nicht begründet.

Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz gemäß §§ 84, 87 AMG 253 Abs. 2 BGB.

a. Auf den hier zu entscheidenen Fall ist das Arzneimittelgesetz in der durch das Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlichen Vorschriften vom 19. Juli 2002 geltenden Fassung anzuwenden. Insoweit wird auf die rechtlichen Ausführungen des Senats in dem Teilurteil vom 11. November 2009 verwiesen. Danach sind gemäß Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB die geänderten Vorschriften anzuwenden, wenn das schädigende Ereignis nach dem 31. Juli 2002 eingetreten ist. Das schädigende Ereignis, auf das Absatz 1 der vorgenannten Vorschrift abstellt, ist die Vornahme der zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung, nicht etwa der Eintritt des Schadens (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 70. Aufl., Art 229 § 8 EGBGB Rdnr. 2; Wagner, Das Zweite Schadensersatzrechtsänderungsgesetz, NJW 2002, 2049, 2064). Dieser Grundsatz kann im Rahmen der Gefährdungshaftung jedoch nur eingeschränkt gelten, weil die Haftung die Risiken aus dem Betrieb einer Gefahrenquelle abdecken soll. Anderenfalls würde dem Geschädigten die Anwendung des § 84 AMG derart erschwert, dass eine Anwendung des § 84 AMG n.F. mit seinen Erleichterungen kaum zum Zuge käme. Denn den Nachweis, aus welcher Charge ein verwendetes Medikament stammt und wann es an die jeweilige Apotheke ausgeliefert wurde, ist dem Durchschnittsverbraucher kaum möglich (vgl. dazu Trimbach, Änderung des Schadensersatzrechts, Neue Justiz 2002, 393ff).

Die von dem Kläger behauptete Rechtsgutverletzung (Herzinfarkt seiner Ehefrau) ist am 9. November 2002 eingetreten, so dass das Arzneimittelgesetz in seiner nach dem 31. Juli 2002 geltenden Fassung Anwendung findet.

b. Unter Berücksichtigung der Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG stehen dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Denn auch entsprechend der nach Neufassung des § 84 AMG geltenden gesetzlichen Kausalitätsvermutung (vgl. dazu Trimbach, a.a.O., S 395), kann die (Mit)Kausalität des Medikaments V… bei bestimmungsgemäßem Gebrauch am Myokardinfarkt der Ehefrau des Klägers nicht festgestellt werden.

aa. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG besteht die Vermutung, dass der Schaden durch das Arzneimittel verursacht worden ist, wenn das angewendete Arzneimittel nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet ist, den Schaden zu verursachen. Die Eignung im Einzelfall beurteilt sich gemäß § 84 Abs. 2 Satz 2 AMG nach der Zusammensetzung und der Dosierung des angewendeten Arzneimittels, nach der Art und Dauer seiner bestimmungsgemäßen Anwendung, nach dem zeitlichen Schadensbild und dem gesundheitlichen Zustand des Geschädigten im Zeitpunkt der Anwendung sowie allen sonstigen Gegebenheiten, die im Einzelfall für oder gegen die Schadensverursachung sprechen (vgl. BGH Beschluss vom 1. Juli 2008 -Az.: IV ZR 287/07). Voraussetzung für den Eintritt der gesetzlichen Vermutung ist die Geeignetheit des Arzneimittels, den Schaden hervorzurufen. Eine bloße Vermutung im Sinne einer bloßen Hypothese reicht nicht aus (vgl. Rehmann, AMG, 3. Aufl., § 84 Rdnr. 8). Vielmehr muss die Eignung auf Grund der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls festgestellt werden.

Die Vortragungs- und Beweislast trifft den Geschädigten. Ausreichend ist der Nachweis der Möglichkeit der Schadensverursachung durch das Arzneimittel, nicht erforderlich ist also ein Vollbeweis (vgl. Rehmann, a.a.O.). Denn an die Darlegungslast des Patienten dürfen, um ein weitgehendes Leerlaufen der Vorschrift zu vermeiden, keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH Beschluss vom 1. Juli 2008 - Az.: VI ZR 287/07 - mit weiteren Nachweisen). Der Bundesgerichtshof hat in der vorzitierten Entscheidung die Anforderungen an die Darlegungslast des Patienten niedrig eingestuft, hat dann aber keine Einschränkung hinsichtlich der Beweislast getroffen. Die reduzierten Anforderungen an die Darlegungslast des Patienten führen nicht automatisch dazu, dass auch die Beweislast des Patienten entfällt. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof in einer späteren Entscheidung vom 26. Januar 2010 (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2010, Az.: VI ZR 72/09) ausgeführt: „Für die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises reicht die geltend gemachte Erhöhung des Herzinfarktrisikos nicht aus.“.

bb. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist zunächt festzustellen, dass das Arzneimittel V… geeignet ist, bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen zu haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen.

(1) Nach dem von dem Senat eingeholten Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F… vom 21. Februar 2011 kann festgestellt werden, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis bei dem Medikament V… ungünstig ist. Nach den Ausführungen des Sachverständigen war das Medikament spätestens ab dem Wissensstand von Mitte des Jahres 2002 nicht mehr als unbedenklich einzustufen. Durch die Einnahme von V… werde das Risiko einen Herzinfarkt zu erleiden signifikant erhöht. Diese Einschätzung hält er auch - auf Nachfragen der Beklagten - in seinem überzeugenden Ergänzungsgutachten vom 8. Dezember 2011 aufrecht.

(2) Die tatsächliche Einnahme des Medikaments V… in dem von dem Kläger behaupteten Zeitraum steht nach Vernehmung der Zeugen S… H… und Dr. A… N… sowie der persönlichen Anhörung des Klägers zur Überzeugung des Senats fest. Diese Festestellung hat der Senat bereits in dem von der Beklagten nicht angegriffenen Teilurteil vom 11. November 2009 getroffen. Auf die unregelmäßige Einnahme des Medikaments kommt es nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 21. Februar 2011 nicht an.

(3) Die Ehefrau des Klägers hat das Medikament auch bestimmungsgemäß eingenommen. Nach den vorliegenden Krankenunterlagen sowie den Angaben der Zeugen S… H… und Dr. A… N… sowie der persönlichen Anhörung des Klägers litt die Ehefrau des Klägers an einer entzündlichen Rheumaerkrankung, wofür das Medikament V… unter anderem zugelassen war. Dies wird auch gestützt von den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. F… in seinem Gutachten vom 21. Februar 2011 auf Seite 24:

„Die Frage des bestimmungsgemäßen Gebrauchs von R… (V…) durch die verstorbene Patientin bzw. der bestimmungsgemäßen Anwendung von R… (V…) bei der verstorbenen Patientin kann uneingeschränkt mit „ja“ beantwortet werden. Frau E… K… litt seit ca. 1997 an schmerzhafter rheumatoider Polyarthritis (einer chronischen Gelenkentzündung), die sich schubartig entwickelte. Die zugelassenen Indikationen für R… (V…) laut durchgehender Produktinformationen von Zulassung 1999 bis Rücknahme 2004 waren Behandlungen von Symptomen bei Reizzuständen degenerativer Gelenkerkrankungen (Arthrosen) oder rheumatoider Arthritis (chronische Polyarthritis) bei Erwachsenen.“

(4) Ebenfalls hat die Verstorbene das Medikament bestimmungsgemäß hinsichtlich der Dosierung eingenommen. Die teilweise unregelmäßigen Einnahmezeiträume sind nach den Angaben des Sachverständigen auf Seite 24 seines Gutachtens vom 21. Februar 2011 insoweit unproblematisch. So heißt es in dem vorzitierten Gutachten:

„Die verstorbene Patientin E… K…, geb. ….03.1945, nahm R… (V…) in der üblichen Dosierung von 25 mg/Tag über einen Zeitraum von über vier Jahren. Das Präparat war immer regulär verschrieben. Aus der (vom Gericht vorgegebenen) Verschreibungstabelle 5 bb (siehe oben) ergibt sich eine Verschreibung von mindestens 700 Tabletten á 25 mg. Temporäre Einnahmepausen bei geringeren Schmerzen und Beschwerden (etwa zwischen 2002 und 2003) sind bei schubartig verlaufenden Erkrankungen angemessen und sprechen in keiner Weise gegen einen ´bestimmungsgemäßen´ Gebrauch. Es handelt(e) sich bei R… (V…) bekanntlich um ein symptomatisch wirkendes Mittel gegen Schmerzen und Entzündungssymptome (siehe oben), eine symptomangepasste, bedarfsorientierte Verabreichung ist völlig adäquat.“

Diese Einschätzung hat der Sachverständige nochmals in seinem Ergänzungsgutachten vom 8. Dezember 2011 auf Seite 32 ausdrücklich bestätigt.

cc. Die Kausalitätsvermutung wurde von der Beklagten jedoch widerlegt. Die (Mit)Kausalität des Medikaments V… bei bestimmungsgemäßem Gebrauch am Myokardinfarkt der Ehefrau des Klägers am 9. November 2004, der für den Tod kausal war, steht im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht fest. Ebenfalls kann nicht festgestellt werden, dass die Einnahme des Medikaments V… im Vorfeld Schädigungen der Gefäße der Ehefrau des Klägers (mit)verursacht haben, die zu dem Entstehen des Myokardinfarkts geführt haben. Im Einzelnen:

Nach dem Ergänzungsgutachten der Sachverständigen Prof. Dr. F… und Dr. B… vom 8. Dezember 2011 ist die Todesursache bei der verstorbenen Ehefrau des Klägers „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein akuter schwerer Herzinfarkt mit nachfolgendem kardiogenen Schock auf dem Boden einer Stent-Thrombose. Die Stent-Thrombose ihrerseits wurde mit höchster Wahrscheinlichkeit ausgelöst durch die fehlende Gabe des Plättchenaggregationshemmers Acetylsäure (ASS) und Plavix (Clopidogrel) über 9(!) Tage direkt nach Stent-Implantation“.

(1) Die Ehefrau des Klägers stellte sich am 13. Oktober 2004 bei ihrer Hausärztin Dr. S… G… vor, da sie unter Wasseransammlungen in den Knöcheln und zunehmender Kurzatmigkeit litt. Die Ärztin wies sie am gleichen Tag in die Klinik H… ein, wo am 18. Oktober 2004 eine Echokardiographie (Ultraschalluntersuchung des Herzens) durchgeführt wurde. Dabei wurden eine Herz- und eine Herzklappenschwäche festgestellt. Die Sachverständigen haben auf Seite 4 ihres Ergänzungsgutachtens vom 8. Dezember 2012 festgestellt, dass dies alles Folgen eines abgelaufenen Herzinfarkts sein können.

Am 18. Oktober 2004 wurde eine Herzkatheteruntersuchung durchgeführt. Dabei wurde eine Dissektion (Einriss der inneren Gefäßwandschicht) festgestellt, die, nach den Angaben der Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2012, zu einer 75%igen Verengung des Lumens des Gefäßes geführt habe. Die Sachverständige Dr. B… hat in der mündlichen Verhandlung weiter erläuternd ausgeführt, sie könne nicht angeben, wann und warum es zu diesem Einriss gekommen sei. Es müsse wohl davon ausgegangen werden, dass es bereits länger zurück liege. Einen konkreten Zeitpunkt konnte sie jedoch nicht benennen. Da sich allerdings neue Umgehungsgefäße gebildet hätten, schließe sie daraus, dass es sich nicht um ein akutes Infarktgeschehen gehandelt habe, sondern um ein länger zurückliegendes. Den konkreten Grund für diese Dissektion bei der Ehefrau des Klägers hat die Sachverständige nicht benennen können. Eine Dissektion könne durch Traumata ausgelöst werden oder zurückzuführen sein auf eine Schwangerschaft oder werde oft festgestellt bei sehr jungen Leuten oder bei rheumatischen Erkrankungen sowie bei Patienten mit Arteriosklerose. Außerdem könne eine Dissektion auch durch ärztliche Eingriffe verursacht werden. Bei der Ehefrau des Klägers sei eine mögliche Ursache die rheumatoide Erkrankung, was die Sachverständige aber nicht mit Sicherheit sagen könne. Auf jeden Fall haben beide Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2012 keinen Zusammenhang zwischen der am 18. Oktober 2004 festgestellten Dissektion und der Einnahme des Medikaments V… herstellen können. Der Sachverständige Prof. Dr. F… hat auf die konkrete Frage, ob V… geeignet ist, eine Dissektion zu verursachen angegeben, dass es hierzu keine Evidenz gebe. Für die Verursachung einer thrombotischen Komponente an einer Dissektion durch V… gebe es keine Daten. Allerdings könne eine Dissektion ein Gefäß in sehr unterschiedlichem Ausmaß verlegen. Hierbei könne aufgrund der Gefäßverletzung eine thrombotische Komponente unabhängig von der Einnahme von V… auftreten.

Nach alledem kann die (Mit)Verursachung der Dissektion, die letztlich zur Einlieferung der Ehefrau des Klägers in die Klinik H… geführt hat, nicht auf die Einnahme von V… zurückgeführt werden, hierfür gibt es keinerlei Daten.

(2) Ebenfalls steht nicht fest, dass die (Mit)Verursachung der Stent-Thrombose, die letztlich zum Tod der Ehefrau des Klägers geführt hat, auf die Einnahme des Medikaments V… zurückgeführt werden kann:

Die Sachverständige Dr. B… hat hierzu in dem Gutachten vom 8. Dezember 2011 ausgeführt, dass in der Klinik H… am 28. Oktober 2004 die zweite Herzkatheteruntersuchung mit PTCA (eine Erweiterung/Wiedereröffnung des verengten Herzkranzgefäßes mittels Ballondilletation) und Stentimplantation durchgeführt wurde. Das Herzkranzgefäß der Ehefrau des Klägers sei am Ende des Eingriffs wieder offen gewesen. Die Sachverständige hat hierzu weiter ausgeführt, dass nach einem solchen Eingriff die Gabe von Acetylsalicylsäure (ASS) und Clopidrogel aus medizinischer Sicht unerlässlich seien. Ausweislich der Krankenunterlagen seien der Ehefrau des Klägers nach Einsetzen des Stents zunächst auf der Intensivstation beide Medikamente gegeben worden. Zuletzt erfolgte die Medikation am 29. Oktober 2004. An diesem Tag wurde sie auf die Normalstation verlegt. In dem Verlegungsbrief der Intensivstation sei, nach Angaben der Sachverständigen Dr. B… in der mündlichen Verhandlung am 9. Mai 2012, ersichtlich, dass die Einnahme von ASS und Clopidrogel angeordnet waren. Nachdem die Ehefrau des Klägers am 29. Oktober 2004 auf die Normalstation verlegt worden war, wurde ab dem 30.Oktober 2004 offenbar diese Medikation nicht mehr gegeben. Die Sachverständige hat insoweit erläuternd ausgeführt, entsprechende Aufzeichnungen darüber seien in der Akte nicht vorhanden. Am 8. November 2004 sei durch einen Arzt bemerkt worden, dass diese beiden Medikamente nicht gegeben worden seien. An diesem Tag sei dann eine sogenannte loading dose von Clopidogrel gegeben worden, aber nicht ASS. Dass ab dem 8. November 2004 die loading dose für Clopidogrel verabreicht worden sei, könne der Dokumentation entnommen werden. Insgesamt sei den Krankenakten zu entnehmen, dass ab dem 30. Oktober 2004 bis zum 8. November 2004 ASS und Clopidogrel weder ärztlich verordnet noch verabreicht worden sind. Ferner hat die Sachverständige ausgeführt, ein Sachgrund für diese Nichtgabe der beiden Medikamente sei nicht ersichtlich. Vielmehr sei aus medizinischer Sicht die Gabe dieser beiden Medikamente unablässlich gewesen, selbst bei Abwägung mit dem Blutungsrisiko.

Der Myokardinfarkt, der dann letztendlich zum Tod der Ehefrau des Klägers geführt hat, wurde durch diese Nichtgabe von ASS und Clopidrogel verursacht. Eine zumindest Mitverursachung durch die Einnahme des Medikaments V… steht nicht fest.

Die Sachverständige Dr. B… hat in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2012 insoweit ausgeführt, anhand des Koronarangiographiefilms, der am 9. November 2004 in der Klinik H… aufgezeichnet wurde, sei erkennbar, dass der Stent „zu“ war, also der Blutfluss durch den Stent vollständig unterbrochen gewesen sei. Nach ihrer Einschätzung handele es sich um einen klassischen Stentverschluss infolge der unterlassenen Therapie mit ASS und Clopidrogel. Auf die Frage, ob der Stentverschluss durch eine mehrjährige Einnahme von V… hätte herbeigeführt werden können, führte die Sachverständige aus: „Für mich stellt sich diese Frage nicht. Für mich ist klar, dass die Ursache in der unterbliebenen Verabreichung von ASS und Clopidrogel liegt.“ Der Sachverständige Prof. Dr. F… hat diese Einschätzung unterstützt und in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2012 ausgeführt, dass dafür, dass der Stentverschluss, der zum Tod der Ehefrau des Klägers geführt hat, durch V… mitverursacht wurde, gebe es keine Daten. Es gebe in der Literatur keine Aussage darüber, dass jemand den Einfluss von V… auf eine Stentthrombose untersucht habe.

Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Eine anteilige Kostentragung der Beklagten kommt auch nicht aufgrund des Obsiegens des Klägers in dem Teilurteil vom 11. November 2009 in Betracht. Denn der Auskunftsanspruch hat nach § 48 Abs. 3 GKG keinen wertsteigernden Auswirkungen, so dass sich dies auch nicht in der Kostenentscheidung niederschlägt.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Davon ist nur auszugehen, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ist (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 543 Rdnr. 11). Bei der Frage, ob der Kläger plausibel gemacht hat, dass die Einnahme von V… einen Schaden bei seiner verstorbenen Ehefrau verursacht hat, handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung.

Die Zulassung der Revision ist auch nicht gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unter dem Gesichtspunkt einer Fortbildung des Rechts erforderlich, da es sich bei der Plausibilitätsbewertung um eine Einzelfallentscheidung handelt. Schließlich gebietet auch die Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung nicht die Zulassung der Revision. Eine Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt nicht vor.