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Entscheidung 9 UF 226/12


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 06.02.2013
Aktenzeichen 9 UF 226/12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 8. November 2012 - Az. 32 F 37/11 – zu Ziffern 2. und 3. teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1.

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitsfürsorge für das minderjährige Kind A… M…, geboren am …. Mai 2002, werden auf die Kindesmutter übertragen.

Im Übrigen verbleibt es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge der Kindeseltern.

2.

In Abänderung der Vereinbarung der Kindeseltern vor dem Amtsgericht Oranienburg vom 4. September 2009 – Az. 32 F 133/08 – wird der Umgang zwischen dem Kindesvater und dem minderjährigen Kind A… M…, geboren am …. Mai 2002, wie folgt geregelt:

2.1.1

Der Kindesvater hat das Recht, aller zwei Wochen von Freitag bis Sonntag, persönlichen Umgang mit A… zu pflegen. Dieser regelmäßige Wochenendumgang, der jeweils am Freitag nach der Schule beginnt und am Sonntag um 19.00 Uhr im mütterlichen Haushalt endet, findet abwechselnd am Wohnort A… und am Wohnort des Kindesvaters statt.

Der erste Wochenendumgang findet ab 15. Februar 2013 am Wohnort A… statt.

Der Kindesvater ist verpflichtet, A… zu Beginn des Umgangs an der Schule abzuholen und zum Ende des Umgangs in den Haushalt der Kindesmutter zurückzubringen.

2.1.2

Soweit der Kindesvater A… für den Wochenendumgang am Wohnort des Vaters nicht selbst abholt und wieder zurückbringt, ist die Kindesmutter verpflichtet, das Kind jeweils am Freitagnachmittag zum Bahnhof in B… zu bringen bzw. am Sonntagabend vom Bahnhof in B… abzuholen. Der Kindesvater ist verpflichtet, der Kindesmutter hierzu eine Woche vor dem Umgang die Abfahrts- bzw. Ankunftszeiten des Zuges mitzuteilen, wobei sicherzustellen ist, dass A… am Sonntagabend spätestens um 19.00 Uhr im mütterlichen Haushalt ankommen wird.

Der Kindesvater ist verpflichtet, für eine Betreuung A… während der Reise Sorge zu tragen.

Die Kosten der Bahnfahrt und die mit der Betreuung verbundenen Zusatzkosten tragen die Kindeseltern je zur Hälfte, wobei der Kindesvater in Vorleistung geht und die angefallenen Aufwendungen zum 15. eines jeden Monats abschließend abgerechnet werden, erstmals zum 15. März 2013.

2.2

Der Kindesvater ist in den Schulferien A… weiterhin zum Umgang wie folgt berechtigt:

·in den ersten drei Wochen der Sommerferien,
·die Winterferien in jedem Kalenderjahr,
·die erste Hälfte der Osterferien,
·die Herbstferien in den ungeraden Kalenderjahren,
·die Zeit vom 23. Dezember bis zum 27. Dezember in den ungeraden Kalenderjahren und die Zeit vom 28. Dezember bis zum 2. Januar in den geraden Jahren.

Der Ferienumgang beginnt jeweils am Tag nach dem letzten Schultag ab 11.00 Uhr und endet, soweit unmittelbar an den letzten Umgangstag der Schulbeginn anschließt, um 14.00 Uhr des letzten Tages. Im Übrigen endet der Ferienumgang am letzten Umgangstag um 19.00 Uhr.

Für die notwendigen Reisen des Kindes zum und vom Wohnort des Vaters gelten die unter Ziffer 2.2 festgelegten Regelungen.

2.3

Es bleibt den Eltern unbenommen, die vorgenannten Regelungen im gegenseitigen Einverständnis zu ändern. Dies ist schriftlich durch beide Eltern niederzulegen und durch Unterschrift zu bestätigen. Die Eltern können im gegenseitigen Einvernehmen auf die Schriftform verzichten. Im Zweifel bleibt es bei der vorstehend getroffenen Umgangsregelung.

II. Es bleibt bei der Kostenentscheidung erster Instanz.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kindesvater. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.000 EUR festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge in Bezug auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitsfürsorge für das minderjährige Kind A… M…. Jeder Elternteil erstrebt die Übertragung dieser beiden Teilbereiche des elterlichen Sorgerechts auf sich allein.

Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die seit 14. Mai 2009 geschiedenen Eltern der am …. Mai 2002 ehelich geborenen A… M…. Die Familie wohnte wohl in den ersten drei Lebensjahren A… im Haus der Großeltern väterlicherseits in E…; die Mutter war in Elternzeit. Nach einem vorübergehenden Aufenthalt in Kanada ist die Familie sodann im Frühsommer 2005 nach O… verzogen. Die Kindeseltern lebten seit Mai 2007 räumlich getrennt, die Tochter wohnte danach bei der Mutter.

Die Mutter, Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin und Naturheilverfahren, betreibt seither eine eigene Praxis in B….

Der Vater - indischer Herkunft bzw. Staatsangehöriger - lebt seit seiner Kindheit in Deutschland. Er hat nach dem Abitur ein Studium der Elektrotechnik absolviert und später eine Zusatzausbildung zum Heilpraktiker erfolgreich abgeschlossen. Er ist seit 2010 erneut verheiratet und in dieser Ehe Vater einer weiteren Tochter (An…, heute etwa drei Jahre alt) geworden. Der Vater hat in der Vergangenheit eine selbständige Tätigkeit in einer naturheilkundlichen Praxis aufgeben müssen und bezieht derzeit Krankentagegeld. Der Vater hat seit geraumer Zeit die Absicht, seinen Wohnsitz aus O…, das er ausländerfeindlich erlebt hat, zu verlegen, wobei der - zunächst mit unterschiedlichen Zielen geäußerte - Umzugswunsch, zuletzt motiviert aus der zunehmenden Pflegebedürftigkeit insbesondere seiner Mutter, sich dahin konkretisiert hat, dass er mit seiner Familie in das Haus seiner Eltern nach E… zurückkehren wird. Dieser – hinsichtlich des Mobiliars bereits vor Wochen vollzogene - Umzug soll nunmehr endgültig am 7. Februar 2013 vorgenommen werden. Der Vater beabsichtigt, am neuen Wohnort zunächst in seinem Studienberuf wieder in das Erwerbsleben einzusteigen und – zunächst nebenberuflich – erneut eine eigene naturheilkundliche Praxis einzurichten und zu betreiben.

Nach der Trennung hatten sich die Kindeseltern in einem ersten Kindschaftsverfahren – Az. 32 F 133/08 des Amtsgerichts Oranienburg - am 4. September 2008 auf einen Lebensmittelpunkt des Kindes bei der Mutter und eine großzügige Regelung zum Umgang zwischen Vater und Tochter (neben 14-tägigem Wochenende regelmäßig auch montags und mittwochs am Nachmittag) sowie die Aufnahme von Elternberatungsgesprächen verständigt, die trotz rund 1 ½ Jahre währenden Beratungsprozesses ohne jede Annäherung gescheitert sind.

Unter näherer Darlegung der Gründe, die ihrer Ansicht nach die Fortsetzung des persönlichen Umgangs zwischen Vater und Tochter unter der Woche für A… untunlich erscheinen ließen, hat die Kindesmutter unter dem 9. Februar 2011 eine Beschränkung des regelmäßigen Umgangs auf die 14-tägigen Wochenenden begehrt.

Nahezu zeitgleich hat der Kindesvater seinerseits mit der Begründung, der praktizierte Umgang entspreche nicht mehr dem Wohl, insbesondere dem Willen des Kindes, das jeweils kommen und gehen wolle, wie sie das wünsche, hat der Kindesvater unter dem 25. Februar 2011 auf Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts für A… angetragen, nachdem die Kindesmutter zuvor einem Wechselmodell die Zustimmung verweigert hat.

Die Kindeseltern sind den Anträgen des jeweils anderen mit näherer Darlegung entgegen getreten. Im Oktober 2011 hat die Kindesmutter ihrerseits beantragt, ihr allein das Sorgerecht, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen.

Nach einem ersten Anhörungstermin am 8. März 2011, in dem A… erklärt hat, beim Papa wohnen zu wollen, weil sie dort mehr unternehmen und sie mehr mitentscheiden könne und der Papa sie immer zur Mama werde gehen lassen, während die Mama ihre konkreten/spontanen Umgangswünsche nicht so berücksichtige, hat das Amtsgericht ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben, wobei die Sachverständige ausdrücklich auch auf die Herstellung des Einvernehmens zwischen den Kindeseltern hinwirken sollte.

Die daraufhin von der Gutachterin initiierten Elterngespräche wurden – überlagert auch durch weitere gerichtliche Verfahren - nur zeitweise kompromissorientiert geführt, waren immer wieder aber auch durch ein massives Konfliktpotenzial gekennzeichnet, das eine sachliche Gesprächsführung nicht mehr erwarten ließ.

Es kam hinzu, dass der Vater Anfang Mai 2012 erstmals ausdrücklich eine Änderung seiner Lebensplanung dahin bekannt gab, dass er mit seiner Familie nach E… zurückkehren wolle. In den vom Verfahrensbeistand bzw. der Sachverständigen zwischenzeitlich mit A… geführten Gesprächen sowie in der weiteren Folge der Ereignisse wurde deutlich, dass sich das Kind in seinem - durchgängig artikulierten - Wechselwunsch nicht ernst genommen gefühlt und – mindestens passiv unterstützt durch ihren Vater - nach einer „eigenen“ Lösung gestrebt hat.

Die Situation spitzte sich sodann in der Weise zu, dass A… nach einem Ferienumgang beim Vater nur vordergründig in den mütterlichen Haushalt zurückgekehrt, tatsächlich am 6. August 2012 nach einem Telefonat mit dem – sodann in der Nähe wartenden - Vater und ohne irgendeine Streitsituation mit der Mutter eigenmächtig in den Haushalt des Vaters „gewechselt“ ist. Die Mutter hat diesen Wechsel unter Zurückstellung erheblicher, insbesondere aus dem Verdacht einer massiven Beeinflussung des Kindes durch den Vater mit dem Ziel einer Entfremdung von der Mutter motivierter Bedenken letztlich – vorläufig - hingenommen. Es gab sodann einen mehrwöchigen Kontaktabbruch zwischen Mutter und Tochter, bevor – nach einem gerichtlichen Eilverfahren – eine Umgangsregelung getroffen wurde, die in der Folgezeit weitgehend funktionierte. Der Elternstreit und das gerichtliche Verfahren erfuhren nach dem ertrotzten Wechsel sodann eine weitere Dynamik aus der Ankündigung des Vaters, er wolle Ende Oktober, spätestens Ende November 2012 nach E… verziehen und gehe von einem zeitnahen Verfahrensabschluss aus (Schriftsatz vom 15. August 2012, dort Seite 3, Bl. 218 GA).

Die Sachverständige hat unter dem 28. September 2012 ihr Gutachten vorgelegt und dieses im Termin am 29. Oktober 2012 ergänzend mündlich erläutert.

In der richterlichen Kindesanhörung vom 23. Oktober 2012 hat A… erklärt, sie sei glücklich, endlich beim Vater zu sein und wolle mit diesem auch umziehen. Sie werde abhauen, wenn das Gericht eine von ihrem Willen abweichende Entscheidung fälle. Sie betont die Eigenständigkeit der Willensbildung und beklagt, dass alle ihr einreden wollten, der Vater habe sie beeinflusst. Sie habe sich in E… immer mehr zuhause gefühlt als in O…; sie habe dort viele Freunde, die sie allerdings nicht benennen konnte; der Schulwechsel und die Trennung von hiesigen Freunden und insbesondere auch der Mutter störe sie nicht. Diese könne ja nach E… kommen und auch beim Papa schlafen. Wenn es ihr wider Erwarten in Hessen doch nicht gefalle, könne sie zurück zur Mama; das habe Papa versprochen. Beim Papa sei – trotz des Alltagslebens – alles freier und weniger stressig. Sie wolle nicht mehr zum Gericht, das angeblich immer das Beste für die Kinder wolle, aber nicht zur Kenntnis nehme, dass sie unglücklich sei und ihr Leben so nicht genießen könne. Die Mutter beeinflusse sie mit „falschen“ Tränen, aber sie lasse sich ihr Ziel nicht kaputtmachen.

Mit Beschluss vom 8. November 2012 hat das Amtsgericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitsfürsorge für A… auf die Kindesmutter übertragen und im Übrigen die gemeinsame elterliche Sorge bestätigt. Es hat ferner den Umgang zwischen Tochter und Vater – für den Fall dessen Umzuges nach E… - dahin geregelt, dass ein regelmäßiger Wochenendumgang alle 14 Tage, abwechselnd in O… und E… und ein „üblicher“ Ferienumgang stattfinden soll. Das Amtsgericht stützt seine sorgerechtliche Entscheidung ganz wesentlich auf das eingeholte Sachverständigengutachten, insbesondere auch zur Willensbildung des Kindes und den Gründen dafür, dass dem Kindeswillen im Streitfall zur Wahrung des Kindeswohls nicht zu folgen sei. Neben dem Aufenthaltsbestimmungsrecht sei der Mutter wegen des in der Vergangenheit deutlich gewordenen hohen Konfliktpotenzials in diesem Zusammenhang auch die Gesundheitsfürsorge allein zu übertragen. Im Übrigen aber sei eine Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht veranlasst, zumal der Hauptstreitpunkt – der Lebensmittelpunkt des Kindes – nun geklärt sei und deshalb mit einer Beruhigung gerechnet werden könne und zeitnah keine wichtigen Entscheidungen anstünden. Die Umgangsregelung orientiere sich an den Empfehlungen der Sachverständigen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Nach dieser Entscheidung gab es erneut eine Zuspitzung des Elternstreits um das Kind. Zunächst brach ab dem 30. Oktober 2012, nachdem sich im Ergebnis der Erörterungen im letzten Verhandlungstermin vor dem Amtsgericht das für Vater und Tochter „ungünstige“ Ergebnis abzeichnete, erneut der persönliche Kontakt zwischen Mutter und A… ab. Erst seit dem 22. November 2012 wurde der Umgang wieder aufgenommen. Daneben erfolgte auch die vom Amtsgericht gleichfalls am 8. November 2012 von Amts wegen gesondert angeordnete unverzügliche Herausgabe des Kindes an die Mutter nicht, nach Angaben des Kindesvaters deshalb nicht, weil A… sich der Entscheidung nicht habe beugen wollen und er – der Vater – bei A… nicht durchgedrungen sei mit dem Hinweis, dass der Beschluss befolgt werden müsse. Die Kindesmutter hat daraufhin beim Amtsgericht um Durchsetzung dieser Anordnung – notfalls mit Unterstützung der Polizei und unter Gewaltanwendung – nachgesucht (Az. 32 F 149/12 des Amtsgerichts Oranienburg).

Auf den – mit der am 10. Dezember 2012 eingereichten Beschwerde gegen die Hauptsacheentscheidung verbundenen – Eilantrag des Kindesvaters hat deshalb der Senat mit Beschluss vom 11. Dezember 2012 die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses hinsichtlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts ausgesetzt und dieses einstweilen dem Kindesvater übertragen, diesem allerdings zugleich verboten, den in O… bestehenden Lebensmittelpunkt A… zu verändern.

Im Beschwerdeverfahren verfolgt der Kindesvater unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens aus erster Instanz und mit im Einzelnen dargelegten Bedenken gegen die Ergebnisse der Sachverständigen weiterhin das Ziel, dass ihm allein das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitsfürsorge für A… übertragen werden solle, dies verbunden mit einer entsprechend geänderten Umgangsregelung.

Die Kindesmutter verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung.

Der Verfahrensbeistand bestätigt den seit Verfahrensbeginn kontinuierlich und zuletzt mit zunehmender Vehemenz und unter der Drohung, notfalls auch aus dem Haushalt der Kindesmutter abhauen zu wollen, zum Ausdruck gebrachten Kindeswillen dahin, unbedingt mit dem Vater nach E… umziehen zu wollen. Aus den in der angefochtenen Entscheidung angeführten Gründen des Kindeswohls erachtet allerdings auch der Verfahrensbeistand grundsätzlich den Verbleib des Kindes bei der Mutter für richtig. Der Verfahrensbeistand hat jedoch auch der Sorge Ausdruck verliehen, dass A… der notwendige psychische Rückhalt durch den - eine ihm nachteilige und vordergründig auch A… Willen missachtende Entscheidung eher nicht akzeptierenden - Vater fehlen könnte und deshalb ein Versuch des Weglaufens nicht sicher ausgeschlossen werden könne.

Das Jugendamt hat im gesamten Verfahren eine substanzielle sachlich-inhaltliche Stellungnahme zum Sorge- und Umgangsrecht nicht abgegeben.

Der Senat hat im Termin am 31. Januar 2013 alle Verfahrensbeteiligten und A… eingehend angehört; ferner hat die Sachverständige ihr schriftliches Gutachten unter besonderer Berücksichtigung der jüngeren Entwicklungen und insbesondere zum Spannungsfeld von Kindeswille und Kindeswohl ergänzend erläutert.

II.

Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und gemäß §§ 59 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 und 2, 65 Abs. 1 FamFG in zulässiger Weise eingelegte und begründete Beschwerde des Kindesvaters ist im Wesentlichen, insbesondere in Bezug auf die angefochtene sorgerechtliche Entscheidung des Amtsgerichts, unbegründet (dazu unter 1.). Mit Blick auf den unmittelbar bevorstehenden Umzug des Kindesvaters und aus Gründen der hinreichenden Bestimmtheit war dagegen die vom Amtsgericht getroffene Umgangsregelung teilweise zu modifizieren (dazu unter 2.).

1.1

Nach § 1671 Abs. 1 und 2 BGB ist dem Antrag eines Elternteils auf Übertragung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge stattzugeben, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge bzw. eines Teilbereichs derselben und die Übertragung auf den antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Vor dem Hintergrund der unüberbrückbaren und in der hier anzutreffenden Vehemenz kaum zu überbietenden Meinungsverschiedenheiten der Kindeseltern über den ständigen Lebensmittelpunkt von A…, war es jedenfalls unausweichlich, das gemeinsame Sorgerecht für den Bereich des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil zu übertragen. Einigkeit herrscht zwischen den ansonsten unstreitig derzeit weder kommunikations- noch kooperationswilligen und –fähigen Eltern auch dahin, dass ein gemeinsames elterliches Sorgerecht für den Bereich der Gesundheitsfürsorge nicht mehr verantwortlich ausgeübt werden kann, so dass auch insoweit eine Auflösung vorzunehmen war. Nicht entschieden zu werden braucht, da beide Kindeseltern dies erkennbar nicht (mehr) wollen, ob vor dem Hintergrund der erheblichen Differenzen zwischen ihnen nicht auch die Aufhebung der gemeinsamen Sorge insgesamt oder weitergehender Teilbereiche desselben in Betracht zu ziehen war. Der Senat sieht die auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitsfürsorge konzentrierte eingeschränkte gegenläufige Antragstellung als Hoffnungsschimmer dafür, dass – wie dies auch die Sachverständige angenommen hat - die Kindeseltern nach Beendigung dieses Verfahrens und einer Übergangszeit im Interesse der gemeinsamen Tochter A… bereit sind, ihre wechselseitigen persönlichen Befindlichkeiten zurückzustellen, um doch – wieder - gemeinsame Verantwortung für ihre Tochter zu übernehmen. Gerade die A… zu vermittelnde Erfahrung, dass sich beide – von ihr gleichermaßen geliebten - Eltern in gemeinsamer Verantwortung um sie sorgen, ist aus Sicht des Senates für die weitere Entwicklung der heute 10-jährigen Tochter von großem Wert.

1.2

Unter Heranziehung der Feststellungen der vom Amtsgericht beauftragten Sachverständigen und der weiteren Entwicklungen seit Erlass der angefochtenen Entscheidung bzw. mit Blick auf die in der väterlichen Familie unmittelbar bevorstehenden räumlichen Veränderungen erachtet es der Senat aus Gründen des Wohls A… für richtig, der Kindesmutter das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen.

Maßstab für jede Entscheidung nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist stets das Kindeswohl. Die Entscheidung, welchem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht aus Gründen des Kindeswohls zu übertragen ist, hat das Gericht an den Kriterien der Erziehungseignung der Eltern, der Bindungen des Kindes an beide Elternteile und etwa vorhandene Geschwister, den Prinzipien der Förderung und Kontinuität sowie unter Beachtung des Kindeswillens, soweit dieser mit seinem Wohl vereinbar ist und das Kind nach Alter und Reife zu einer Willensbildung im natürlichen Sinne in der Lage ist, auszurichten. Die einzelnen Kriterien stehen allerdings nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander. Vielmehr kann jedes von ihnen im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam sein für die Beurteilung, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht (BGH FamRZ 2010, 1060). Erforderlich ist eine alle Umstände des Einzelfalls sorgsam abwägende Entscheidung.

Bei der nach diesen Kriterien vorgenommenen Prüfung ist der Senat zu dem Ergebnis gelangt, dass es dem Wohl A… am besten entspricht, wenn das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Mutter übertragen wird mit der Folge, dass A… weiterhin ihren Lebensmittelpunkt bei der sie seit der Trennung im Mai 2007 hauptsächlich betreuenden Mutter und damit insbesondere zugleich auch in dem ihr vertrauten räumlich-sozialen Umfeld in O… haben wird. Dies steht im Einklang mit der Empfehlung der Sachverständigen.

Für eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter streitet – wie das Amtsgericht zutreffend und insoweit auch von der Beschwerde nicht beanstandet ausgeführt hat - ganz eindeutig der Kontinuitätsgrundsatz. Unter diesem Aspekt gab es seit Verfahrensbeginn einen erheblichen Vorrang für die Kindesmutter, der durch den „ertrotzten“ Wechsel A… in den väterlichen Haushalt am 6. August 2012 keinen nachhaltigen Einbruch erlitten hat, vielmehr mit Blick auf den unmittelbar bevorstehenden Umzug des Vaters mit Ehefrau und Tochter nach E… und die damit für den Fall einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Kindesvater von heute auf morgen eintretenden erheblichen Umstellungen in der Lebenssituation A… noch an Bedeutung gewonnen hat.

Dies auch deshalb, weil der Senat im Anhörungstermin den Eindruck gewonnen hat, dass der Vater nur sehr unzureichend ein Problembewusstsein dafür entwickelt hat, ob und inwieweit A… die mit dem gewünschten Umzug verbundenen gravierenden Veränderungen ihrer gesamten Lebenssituation und die damit einhergehenden Anforderungen ohne nachhaltige Beeinträchtigungen für ihr seelisches Wohl wird bewältigen können. Es ist ebenso offenkundig wie nachvollziehbar, dass A… die mit dem gewünschten Umzug einhergehenden Veränderungen und absehbaren Schwierigkeiten – Wechsel nicht nur der Schule, sondern auch des Schulsystems im laufenden Schuljahr, Verlust von langjährigen Freunden bei gleichzeitigem Neuaufbau sozialer Kontakte in der neuen Schul- und räumlichen Umgebung, Verlust insbesondere der innig geliebten, nicht mehr in gleicher Weise verfügbaren Mutter und ein Vater, der durch die beabsichtigte abhängige Beschäftigung bei in absehbarer Zeit angestrebter Gründung zugleich auch einer zunächst nebengewerblich betriebenen Praxis persönlich naturgemäß nur noch eingeschränkt zur Verfügung stehen kann, Pflege- und Betreuungsbedarf der jüngeren Halbschwester und der Großeltern väterlicherseits, die die „Vaterfamilie“ zusätzlich fordern – nicht zu erkennen vermag. Der Senat hat allerdings mit erheblicher Sorge zur Kenntnis nehmen müssen, dass auch der Vater meint, das sei im Grunde alles gar kein Problem. Der Senat vermisst an dieser Stelle deutlich ein Einfühlen des Vaters in die kindlichen Belange und die seelischen Befindlichkeiten seiner Tochter, die jenseits des geäußerten Willens – dazu sogleich – für eine gesunde Entwicklung eines Kindes von besonderer Bedeutung sind.

Die von Liebe und Fürsorge getragene Beziehung A… zu ihrer kleinen Halbschwester An… ist in der Eigenwahrnehmung des Kindes und erkennbar auch nach den Wahrnehmungen der Eltern, die diesem Gesichtspunkt kein nennenswertes Gewicht in ihrer Argumentation beimessen, nicht von so herausgehobener Bedeutung, dass dies für die hier zu treffende Entscheidung besonders zu berücksichtigen wäre. Diese Beziehung könnte ohne nachhaltige Qualitätseinbußen auch im Wege regelmäßigen Umgangs aufrechterhalten bleiben, wie dies etwa bisher auch im Verhältnis zu Au… (der älteren Tochter der neuen Ehefrau des Vaters, die nicht im väterlichen Haushalt lebt) gelungen ist.

Ebenso eindeutig wie die Kontinuität für eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter und damit die Rückkehr in den mütterlichen Haushalt und den Verbleib in O… streitet, steht dagegen der von A… seit Verfahrensbeginn in zahlreichen Befragungen durch den Verfahrensbeistand, die Sachverständige und die in dieser Angelegenheit befassten Richter in zwei Instanzen ebenso kontinuierlich wie intensiv und mit zunehmender Vehemenz geäußerte Wunsch und unbedingte Wille dahin, in den väterlichen Haushalt wechseln zu wollen. Im Streitfall gewinnt die Frage, ob dem so geäußerten Kindeswillen aus Gründen des Kindeswohls unter Durchbrechung bzw. Hintanstellung des Kontinuitätsprinzips letztlich Geltung zu verschaffen ist, entscheidende Bedeutung.

Das Amtsgericht hat im Ausgangspunkt seiner Betrachtung zu Recht die Doppelfunktion des Kindeswillens beschrieben: Ein vom Kind kundgetaner Wille kann Ausdruck der relativ stärksten Personenbindung sein, die das Kind empfindet (oder aber unter Beeinflussung so artikuliert). Hat ein Kind zu einem Elternteil eine stärkere innere Beziehung entwickelt, so muss das bei der Sorgerechtsentscheidung berücksichtigt werden. Daneben ist der geäußerte Kindeswille ein Akt der Selbstbestimmung des Kindes als zur Selbstständigkeit erzogener und strebender Person (vgl. dazu BVerfG FamRZ 1981, 124; 2007, 1797; 2009, 1389 – jeweils zitiert nach juris), wobei diese zweite Funktion mit zunehmendem Alter, psychischer Reife und vernunftgemäßer Urteilsfähigkeit an Beachtlichkeit gewinnt.

Gemessen daran geht auch der Senat im Ergebnis der schriftlichen und erneuten mündlichen Erläuterungen der Sachverständigen, denen sich das Gericht nach eigener kritischer Würdigung anschließt, davon aus, dass der von A… erklärte Kindeswille für die hier zu treffende, am Kindeswohl auszurichtende Entscheidung nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein kann. Im konkreten Fall ist zu beachten, dass A… im gesamten Verfahren eine gleichermaßen enge und emotional positive Beziehung zu beiden Elternteilen hat erkennen lassen. Jeder Elternteil stellt für sie eine wichtige Bezugsperson dar, den sie lieb hat und mit dem sie gern zusammen ist. Eine auch nur relativ stärkere Bindung zu einem Elternteil lässt sich objektiv nicht feststellen. Das bestätigen die Untersuchungsergebnisse der Sachverständigen, die insoweit vom Vater auch nicht in Zweifel gezogen werden. A… erlebt – so die Testergebnisse - jeden der Elternteile in der Erziehung und Betreuung absolut vergleichbar und ohne nennenswerte Unterschiede und hat keine reale Hauptidentifikationsfigur. Ferner zeigt A… im direkten Kontakt mit der Mutter bzw. mit dem Vater keinerlei Beziehungspräferenzen. Auch die Erklärungen A… gegenüber dem Senat am 31. Januar 2013 waren insoweit eindrucksvoll: Gefragt nach allerlei Einzelheiten in der näheren Ausgestaltung des und den Erfahrungen im alltäglichen Zusammenleben(s) mit der Mutter einerseits und dem Vater andererseits (Alltag, Freizeit, schulische Unterstützung, Beziehung zu den Eltern) konnte selbst A… im Ergebnis nur mit dem Senat feststellen, „dass eigentlich alles gleich ist“. Wenn A… bei dieser Ausgangslage gleichwohl – wie sie es zuletzt auch gegenüber dem Senat formuliert hat - „unbedingt nach E… will“, das sei „so ein Gefühl, das vom Herzen kommt und nicht zu beschreiben ist“, dann muss die Autonomie dieses Kindeswillens hinterfragt werden.

Hierzu hat die Sachverständige – gespeist aus kinderpsychologisch anerkannten Grundsätzen, der zeitlichen Entwicklung der verschiedensten Äußerungen des Kindes und die Einbettung in äußere Ereignisse - überzeugend festgestellt, dass ein Kind im Alter A… – die bei Verfahrensbeginn rund 8 ¾ und heute rund 10 ¾ Jahre alt ist – in aller Regel keinen ganz eigenständigen und autonomen Willen bildet, sondern sich an ihren primären Bezugspersonen orientiert. Ein zumal vom Trennungs(dauer)stress der Eltern belastetes Kind, will sich in aller Regel am liebsten frei und nach Gutdünken zwischen beiden Eltern und den dazu gehörigen engsten Bindungspersonen bewegen und sich nicht entscheiden müssen. Ein solches Verhalten war auch bei A… – verbal und durch ihre Zeichnung (vgl. Bl. 396 GA) - festzustellen. In der Konfrontation mit einem – wie hier ganz massiven – Elternkonflikt auch und gerade um den Lebensmittelpunkt, weicht ein Kind – so die Sachverständige weiter – nicht selten dahin aus, dass es den Willen eines Elternteils als eigenen interpretiert und übernimmt. Im Streitfall gibt es greifbare Anhaltspunkte dafür, dass A… den – unbestritten – sehr ausgeprägten eigenen Wunsch des Vaters, dass die Tochter bei ihm leben solle, übernommen hat. Der Vater hat, von der Sachverständigen zu der Möglichkeit einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter befragt, mitgeteilt, dass das ganz schlimm wäre und es für ihn unerträglich sei, wenn er seine Tochter nicht um sich habe; ohne A… könne und wolle er nicht leben“ (Seite 20 des schriftlichen Gutachtens, Bl. 325 GA). Der Vater ist, das zeigen die Erhebungen der Sachverständigen und auch sein Vorbringen im gesamten Verfahren, mindestens seit Verfahrensbeginn der festen inneren Überzeugung, dass A… – die seiner Einschätzung nach alles verstehe, da sie frühreif sei (S. 26/53 des Gutachtens, Bl. 331/358 GA) - selbst entscheiden könne (und solle), wo sie ihren Lebensmittelpunkt haben wolle. Diese Einstellung hat er, anders als die Mutter, A… auch immer wieder vermittelt und dabei – bewusst oder unbewusst - eine solche Entscheidung des damit überforderten Kindes herausgefordert, über die Zeit hinweg verstärkt und in der Folgezeit mit der Ankündigung eines zeitnah bevorstehenden Umzuges nach E… – in unverantwortlicher Weise - so forciert, dass A… nach den Ferien mit dem Vater im Sommer 2012 „Nägel mit Köpfen gemacht“ hat und „eigenmächtig“ und mit aktiver Unterstützung des Vaters in dessen Haushalt gewechselt ist. Vor diesem Hintergrund überzeugt die Einschätzung der Sachverständigen, dass A… Äußerungen, zum Vater zu wollen, mindestens auch eine Reaktion auf den (Entscheidungs-)Druck sind, der – nochmals: bewusst oder unbewusst mit dem Ziel der Manipulation eingesetzt - vom Vater ausgegangen ist. Bei dieser Sachlage bestehen durchgreifende Bedenken, den Kindeswillen als Ausdruck eines autonomen und selbstbestimmt entwickelten Wunsches A… einzordnen, zumal den Äußerungen des Kindes seit dem Wechsel in den väterlichen Haushalt eine den Erklärungen des Vaters vergleichbare Sorglosigkeit bzw. ein ähnlicher Optimismus in Bezug auf die „problemlose“ Umstellung der Lebensverhältnisse, die dem Kind für sich betrachtet ganz klar vor Augen stehen, anhaftet.

Gleichwohl kann der Kindeswille – auch das hat die Sachverständige überzeugend ausgeführt – nicht einfach als unbedeutend abgetan werden, weil A… diesen Wunsch als für sich authentisch und mittlerweile zu ihrer Identität gehörig erlebt und deshalb negative Auswirkungen auf die Selbstwirksamkeits- und Kontrollüberzeugungen des Kindes und damit nachteilige Folgen für das Wohl des Kindes zu erwarten sind. Die Sachverständige hat deshalb eine Folgenabwägung für den Fall einer Entscheidung gemäß dem Kindeswillen oder wider den Kindeswillen angestellt, die – im Rahmen der Anhörung vor dem Senat – insbesondere auch die Frage der realen Umsetzung einer gegen den Kindeswillen ergangenen gerichtlichen Entscheidung beinhaltete. Die Sachverständige hat danach die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Kindesmutter empfohlen und dafür – aus Sicht des Senates überzeugend – folgende Erwägungen angestellt.

Die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter würde bedeuten, dass ihr Wunsch nach einem dauerhaften Wechsel zum Vater unerfüllt bliebe und sie diesen als ständig verfügbaren Ansprechpartner und Bezugsperson verliert, der persönliche Kontakt also nur noch im Rahmen von Wochenend- und Ferienumgängen gepflegt werden könnte. Ein Stabilitätsfaktor in einer solchen Situation wird der im Übrigen unveränderte Fortbestand der sonstigen Lebensumstände bieten. Gleichwohl müsste die zu erwartende tiefe Enttäuschung des Kindes, die von Frustation und zumindest zunächst – dies zeigen die Ereignisse nach dem 6. August und insbesondere nach Erlass der angefochtenen Entscheidung – von einer (vordergründigen) Ablehnung der Kindesmutter begleitet sein könnten, im Zuge einer – nach Möglichkeit mit psychologischer Unterstützung – offensiven Auseinandersetzung zwischen Mutter und Kind abgefangen werden. Eine solche Entscheidung wäre natürlich für A… um vieles leichter zu akzeptieren, wenn es dem Vater gelänge, den zu erwartenden eigenen Ärger über eine solche – seinen und A… Wünsche nicht entsprechenden – gerichtlichen Entscheidung hintanzustellen und seiner Tochter das Gefühl zu vermitteln, dass es ihr bei der Mutter gut gehen wird, was außer Frage steht, und sie sich dort fallen lassen kann und er als Vater trotz der räumlichen Entfernung über die regelmäßigen Umgänge weiterhin als besondere Bezugs- und Vertrauensperson zur Verfügung steht. Nach Einschätzung der hier befassten Fachleute und dem Eindruck des Senates im Rahmen der Anhörung am 31. Januar 2013 kann allerdings nicht ernsthaft damit gerechnet werden, dass der Vater eine letztlich beschlossene Rückkehr A… in den mütterlichen Haushalt im Interesse seines Kindes letztlich mittragen und noch weniger offensiv unterstützen wird. Von einem verantwortlich handelnden Elternteil in der Situation des Kindesvaters muss in einem solchen Fall allerdings zumindest erwartet werden, dass er die Tochter nicht aktiv darin unterstützt, die vordergründig so abgelehnte gerichtliche Entscheidung dadurch zu unterlaufen, dass dem vermeintlich authentischen Willen auf andere Weise zum Durchbruch verholfen wird. In einer Übergangsphase, deren Verlauf nicht sicher abgeschätzt werden kann, muss also bei einer Entscheidung zugunsten der Mutter mit psychischen Belastungen für das Kind gerechnet werden. Ohne dass hier wirklich Sicherheit besteht, hat der Senat den Eindruck gewonnen, dass die Ankündigung A…, sie werde notfalls weglaufen, eher als Druckmittel eingesetzt wird, um im anhängigen Gerichtsverfahren ihrem Willen, mit dem Vater nach E… ziehen zu können, zum Durchbruch zu verhelfen, wie sie zuvor auch schon Umgangskontakte zur Mutter nur gegen eine Zustimmung zum dauerhaften Wechsel in den väterlichen Haushalt zulassen wollte, als dass eine Umsetzung eines solchen Vorhabens zu besorgen ist. Dabei ist – dies hat auch die Sachverständige hervorgehoben - insbesondere zu berücksichtigen, dass A… ja nicht etwa bei einem Elternteil leben soll, dem sie mit Ablehnung begegnet. A… liebt ihre Mutter nicht weniger als den Vater, so dass – so die Sachverständige weiter - erwartet werden kann, dass A… sich nach einer gewiss heftigen Konfrontation in kürzester Zeit in den mütterlichen Haushalt zurückfinden und sich dort so wohl, verstanden und geborgen fühlen wird, wie dies in der Vergangenheit der Fall war.

Im Falle einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater und einem Wegzug A… nach E… würde dagegen A… geäußertem Willen entsprochen; sie erhielte dadurch die Gelegenheit, in einem Familienverband mit dem Halbgeschwisterkind aufzuwachsen und die Beziehungen zur väterlichen Familie zu vertiefen. Da der Kindesvater nunmehr unverrückbar seinen Lebensmittelpunkt am 7. Februar 2013 nach E… verlegen wird, bedeutete dies neben der Trennung von der Mutter, zu der persönlich nur noch Umgangskontakte gepflegt werden könnten, ein Herausreißen aus der räumlich-sozialen Umgebung, einen Schulwechsel im laufenden Schuljahr und die Unsicherheit über die Einspannung des Vaters in seine beruflichen Ambitionen und die Auswirkungen auf das Familienleben, das insgesamt mit den geänderten Rahmenbedingungen am neuen Wohnort und den pflegebedürftigen (Groß-)Eltern vor Veränderungen steht. Auch in dieser Variante ist deshalb mit Belastungen für das Kind zu rechnen, die in ihrem Ausmaß naturgemäß nicht sicher vorherzusehen sind. Der Senat hat – wie bereits ausgeführt - allerdings den Eindruck gewonnen, dass der Kindesvater die aus diesen massiven Veränderungen der Lebensumstände abzuleitenden Belastungen für das Kind nicht wirklich wahrnimmt. Dies gibt dem Senat Anlass zur Sorge, ob der Vater sich in die nach wie vor kindlichen Bedürfnisse A… hinreichend einfühlen kann oder diese nicht vielleicht überfordert, wie dies mit der schon seit Jahren inadäquat stark betonten Entscheidungskompetenz des Kindes für seinen Lebensmittelpunkt geschehen ist.

Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass es vorliegend für das Gericht keine optimale Lösung geben kann, sondern in jedem Falle mit nicht unerheblichen Belastungen für das Kind gerechnet werden muss. Die - nach dem Versagen der für das Aufenthaltsbestimmungsrecht und den Lebensmittelpunkt ihres Kindes ureigentlich verantwortlichen Eltern notwendige – gerichtliche Entscheidung muss sich daher daran orientieren, welche Lösung prognostisch weniger nachteilige Folgen für A… haben wird. Mit Blick auf die unmittelbar bevorstehende große räumliche Entfernung der gleichermaßen geliebten Kindeseltern durch den Umzug des Vaters nach E… (ca. 600 km entfernt) gewinnt der Aspekt, welcher Elternteil die größere Gewähr dafür bietet, dass ein kontinuierlicher ungestörter persönlicher Umgang A… mit dem nicht betreuenden Elternteil sichergestellt wird, besondere Bedeutung

Der Senat verkennt nicht, dass die Sachverständige auch in der Person der Kindesmutter in der Vergangenheit konkrete Anhaltspunkte für eine nur eingeschränkte Bindungstoleranz gefunden hat (Seite 58 des Gutachtens, Bl. 363 GA). Allerdings bestehen im Ergebnis der Begutachtung und auch unter Beachtung der Ereignisse seit dem Wechsel A… in den väterlichen Haushalt nicht weniger, sondern größere Bedenken, ob der Vater die Konsequenz aufbringen würde, unter den geänderten Rahmenbedingungen einen kontinuierlichen persönlichen Umgang A… mit der Mutter nicht nur zuzulassen, sondern aktiv zu fördern und ggf. auch spontane Unlust des Kindes zu überwinden, wenn A… dauerhaft bei ihm leben würde.

Diese größeren Bedenken auf Seiten des Vaters leitet der Senat – entgegen der Argumentation des Amtsgerichts - weniger daraus ab, dass der Vater im Vergleich zur Mutter grundsätzlich weniger gut in der Lage ist, dem Kind zu vermitteln, dass der nicht betreuende Elternteil die zweitwichtigste Bindungs- und Beziehungsperson für das Kind bleibt, und den anderen Elternteil in einem entsprechend positiven Licht für das Kind darzustellen. Die Erhebungen der Sachverständigen lassen die Feststellung zu, dass sich in der Vergangenheit eine mangelnde Wertschätzung des jeweils anderen Elternteils sowohl beim Vater wie auch bei der Mutter beobachten ließen und auch A… solche abwertenden Einschätzungen von Vater oder Mutter über den jeweils anderen erleben musste, wenn auch der Vater hierbei offenbar verbal etwas aggressiver zu Werke gegangen ist. Viel mehr als das beeindruckt den Senat der Umstand, dass der Vater im gutachterlichen Prozess zu erkennen gegeben hat, dass die Sicherstellung eines regelmäßigen, kontinuierlich sichergestellten persönlichen Umgangs nicht die Bedeutung für ihn hat, die dieser Frage gerade für den Fall einer erheblichen räumlichen Entfernung zwischen den Elternteilen zukommt. So hat er sich befragt, wie der Umgang des Kindes mit der Mutter künftig verlaufen werde, dahin erklärt, dass er das noch nicht wisse; „einmal im Monat oder keine Ahnung. So, wie A… und die Kindesmutter das wollen.“ Die Kindesmutter könnte 14-tägig nach E… kommen und dann auch bei ihnen im Haus wohnen. Aus seiner Sicht sei das realistisch. (…) Falls A… keine Lust auf ein Treffen mit der Mutter hätte, würde er ihr sagen: „Rede mit deiner Mutter.“ (Seiten 26 f. des Gutachtens, Bl. 331 f. GA). In diesen Äußerungen spiegelt sich die in der Persönlichkeit des Vater grundsätzlich angelegte Neigung zu Spontanität und möglichst wenig Reglementierung bei größtmöglicher Entscheidungsfreiheit für das Kind – eine Grundhaltung, die Bedenken dahin weckt, ob es dem Vater wirklich gelingen kann, A… etwa auch dann zum Umgang zu bewegen, wenn ihr dies gerade nicht passt, weil etwa eine Freundin am Umgangswochenende zu einer Geburtstagsfeier eingeladen hat oder auch nur die – natürlich zu erwartenden – Reisestrapazen ungelegen kommen und Unlust hervorrufen. Die Bedenken gegen die notwendige Konsequenz des Vaters in diesem Zusammenhang speisen sich ferner aus dem Umstand, dass es sowohl nach dem Wechsel A… in den väterlichen Haushalt am 6. August 2012 als auch nach dem Anhörungstermin vor dem Amtsgericht jeweils zunächst einen mehrwöchigen Kontaktabbruch gegeben hat, weil A… seinerzeit aus verschiedenen Gründen keinen persönlichen Umgang mit der Mutter pflegen wollte.

Die Mutter, die sich in der Vergangenheit eher zu sehr an starren Umgangsregelungen festgehalten hat und angesichts der Nähe der Eltern zu wenig flexibel auf Sonderwünsche des Kindes reagiert hat, erscheint nach Überzeugung des Senates deutlich konsequenter, wenn es darum geht, eine bestehende Umgangsregelung notfalls auch einmal gegen die Wünsche der Tochter dauerhaft umzusetzen.

Nach Abwägung der die Entscheidung im Streitfall maßgeblich bestimmenden Kindeswohlaspekte – stabil und intensiv artikulierter, wenngleich nicht autonom und als Ausdruck persönlicher Selbstbestimmung entwickelter Kindeswille, gleichermaßen innige und liebevolle Beziehung zu den (im Grundsatz gleichermaßen erziehungsgeeigneten und mit Förderkompetenz ausgestatteten) Eltern, wesentlich größere Gewähr für stabile Lebensverhältnisse auf Seiten der Mutter, die zudem über das größere Potenzial zur Sicherstellung regelmäßiger persönlicher Umgangskontakte verfügt als der Vater – gelangt auch der Senat zu der Überzeugung, dass es aus Gründen des Kindeswohls geboten ist, der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für A… zu übertragen. Nachdem in Bezug auf die Gesundheitsfürsorge – ausweislich der gegenläufigen Anträge insoweit – einerseits Einigkeit zwischen den Eltern darüber besteht, dass auch in diesem Teilbereich eine gemeinsame elterliche Verantwortung im Interesse des Kindes nicht gelebt werden kann, andererseits weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass einem Elternteil insoweit aus besonderen sachlichen Gründen der Vorrang einzuräumen wäre und nicht zuletzt die Beschwerde in diesem Punkt keine eigenen Angriffe vorbringt, folgt der Senat auch in diesem Punkt der angefochtenen Entscheidung. Die das Kind hauptsächlich betreuende Kindesmutter auch mit diesem Teilbereich zu betrauen, minimiert letztlich das nach wie vor bestehende hohe Konfliktpotenzial der Eltern und trägt im Rahmen der hier bestehenden Möglichkeiten zur Entlastung des Kindes bei.

2.

Die hier getroffene Umgangsregelung orientiert sich an der – im Kern nicht umstrittenen – Umgangsregelung des Amtsgerichts und ist von der Absicht getragen, einen unbedingt für erforderlich gehaltenen regelmäßigen und – im Rahmen des Zumutbaren für alle Beteiligten – möglichst hoch frequenten persönlichen Kontakt des Kindes mit dem nicht weniger innig geliebten Elternteil auch in Ansehung der großen räumlichen Distanz zwischen den Eltern zu ermöglichen. Es besteht grundsätzlich Einigkeit dahin, dass regelmäßig 14-tägig ein persönlicher Umgang zwischen A… und dem nicht betreuenden Elternteil stattfinden soll, der allerdings zur Entlastung des Kindes abwechselnd einmal in O… und einmal in E… durchgeführt werden soll. Nach den Erörterungen im Anhörungstermin vor dem Senat bestehen bei beiden Elternteilen auch keine grundsätzlichen Bedenken, sich anteilig an den entstehenden Zugreisekosten zu beteiligen. Der Senat erachtet insoweit einen Beitrag auch der Kindesmutter für sachgerecht, weil nicht erkennbar ist, dass der Umzug des Vaters aus sachfremden Erwägungen und vor allem daraus motiviert wäre, eine möglichst große Entfernung zum Wohnsitz der Kindesmutter zu schaffen, und weil mit Blick auf die berufliche und damit finanzielle Umbruch-Situation des Vaters im Vergleich zu der augenscheinlich ebenso gefestigten wie gesicherten wirtschaftlichen Lage der Mutter ein entsprechender Beitrag zumutbar erscheint.

Auch in der Ferienregelung orientiert sich der Senat an der amtsgerichtlichen Entscheidung unter Berücksichtigung der insoweit nicht ganz deckungsgleichen wechselseitigen Anträge der Kindeseltern, die – wenn auch mit geringfügigen Abweichungen - ersichtlich alle von dem Bemühen getragen sind, eine den Interessen A… wie auch denen der Eltern möglichst nahe kommende Ausgestaltung zu finden. Mit Blick auf die besonders enge Bindung A… zum Vater und die bestehende räumliche Distanz hat der Senat die Ferien nicht insgesamt hälftig aufgeteilt, sondern hier ein geringfügiges Übergewicht zugunsten des Vaters geschaffen, ohne die Mutter – dies wäre die Konsequenz bei Übernahme der im Schriftsatz vom 18. Januar 2013 von der Kindesmutter für den Fall eines ständigen Wohnsitzes des Kindes beim Vater präferierten Lösung – auf Ferienreisen mit dem Kind im Hochsommer zu beschränken.

Die näheren Festlegungen zu Beginn und Ende der jeweiligen Umgänge sind dem – ausschließlich rechtlich motivierten – Umstand geschuldet, dass die hier getroffene Umgangsregelung bei allen Unwägbarkeiten hinsichtlich der Reisezeiten inhaltlich hinreichend bestimmt und eindeutig sein muss. Dabei war insbesondere sicherzustellen, dass A… nach Umgangsende jeweils noch genügend Zeit findet, wieder zuhause anzukommen und sich insbesondere auf den folgenden Schultag einzustellen.

Der Senat weist mit der Aufnahme der Ziffer 2.3 schon in den Tenor der Entscheidung ausdrücklich darauf hin, dass es den Eltern selbstverständlich unbenommen bleibt, einvernehmlich zu abweichenden Umgangsregelungen zu gelangen, wenn ihnen das im Interesse ihrer gemeinsamen Tochter, die sie selbstverständlich besser kennen als der Senat und an deren weiterer Entwicklung sie allein teilhaben, angezeigt erscheint. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die Eltern im Zuge einer geänderten Vereinbarung die Belange ihres Kindes berücksichtigen werden. Vielleicht bieten solche – mit Blick auf die räumliche Entfernung ohnehin unausweichlichen – Gespräche wenigstens mittelfristig die Grundlage für eine wieder verbesserte Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft der Eltern insgesamt, die mit Blick auf die im Übrigen ja fortbestehende gemeinsame elterliche Sorge ohnehin geschaffen werden muss.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG. Mit Blick darauf, dass die Beschwerde in ihrem Kern erfolglos geblieben ist, erscheint es sachgerecht, dass der Kindesvater zumindest die Gerichtskosten des Rechtsmittelverfahrens allein zu tragen hat.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus § 45 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 FamGKG.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.