Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 2. Senat | Entscheidungsdatum | 25.01.2012 | |
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Aktenzeichen | OVG 2 B 10.11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | Art 8 MRK, Art. 7 GRCh, Art 6 GG, § 2 Abs 3 S 1 AufenthG, § 2 Abs 3 S 4 AufenthG, § 5 Abs 1 Nr 1 AufenthG, § 36 Abs 2 S 1 AufenthG, § 68 AufenthG, § 43 SGB 12, § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 6, § 5 Abs 11 SGB 6, § 193 Abs 5 S 1 Nr 2 VVG |
1. Bei dem Nachzug nicht erwerbsfähiger Personen richtet sich die sozialrechtliche Berechnung nach den für sie geltenden Bestimmungen. Erfolgt danach der Nachzug nicht in eine Bedarfsgemeinschaft, so ist allein auf den Bedarf und die Mittel des Nachzugswilligen abzustellen.
2. Einer Berücksichtigung des aus § 193 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 VVG resultierenden Anspruchs des Nachzugswilligen bei der Frage, ob ausreichender Krankenversiche-rungsschutz besteht, steht nicht entgegen, dass sich Versicherungsunternehmen entgegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung weigern könnten, ihn in ihre Krankenversicherung aufzunehmen.
3. Die Vorschrift des § 850c Abs. 4 1. Halbsatz ZPO ist im Rahmen der Bonitätsprüfung einer Person, die eine Verpflichtungserklärung abgegeben hat, nicht zu berücksichtigen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. November 2009 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Die Klägerin erstrebt die Erteilung eines Visums zum Zwecke der Familienzusammenführung mit ihrer Tochter.
Die am 4… 1936 geborene Klägerin ist russische Staatsangehörige. Sie erstrebt den Nachzug zu ihrer Tochter, der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden und hier verheirateten deutschen Staatsangehörigen T…. Die Eheleute N… haben zwei am 1…1998 und am 2… 1985 geborene Kinder. Die ältere Tochter lebt nicht mehr im Haushalt. Sie studiert auswärts und bestreitet ihren Lebensunterhalt durch ein Stipendium, ohne von den Eltern finanziell unterstützt zu werden. Außer Frau N… lebt eine weitere Tochter der Klägerin, Frau S…, mit ihrem Ehemann und ihrem am 1…1996 geborenen Kind in der Bundesrepublik Deutschland. Sie besitzt ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit. Weitere Kinder hat die Klägerin nicht. Ihr Ehemann ist im Jahr 2004 verstorben.
Am 1…2007 beantragte die Klägerin bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Moskau, ihr ein Visum zum Zwecke der Familienzusammenführung mit Frau N… zu erteilen. Dabei gab sie an, sie leide unter einer fortschreitenden Herzkrankheit, Hypertonie und Diabetes und habe im letzten Jahr ein Magengeschwür gehabt. Hinzu komme ein ständig sinkendes Sehvermögen wegen grauen Stars an beiden Augen. Sie beziehe eine Altersrente in Höhe von 3.155,39 Rubel monatlich. Ihr Lebensunterhalt in Deutschland werde durch das Einkommen ihrer Töchter und Schwiegersöhne gesichert.
Nachdem der Beigeladene in der Folgezeit die Zustimmung zur Visumerteilung versagt hatte, lehnte die Beklagte den Visumantrag mit Bescheid der Botschaft vom 4. Mai 2007 und - nachdem die Klägerin hiergegen remonstriert hatte - mit Remonstrationsbescheid vom 8. Januar 2008 ab. Zur Begründung führte sie aus, es sei nicht nachgewiesen worden, dass die Erteilung eines Visums zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich sei. Zudem sei der Lebensunterhalt der Klägerin im Falle einer Einreise nicht gesichert. Es fehle am Kranken- und Pflegeversicherungsschutz für die Klägerin; der Abschluss einer privaten Krankenvollversicherung sei aufgrund des Alters der Klägerin nicht möglich.
Hiergegen hat die Klägerin am 14. Februar 2008 Klage erhoben, mit welcher sie ihr Visumbegehren weiterverfolgt hat. Sie hat einen Auszug aus ihrer Krankengeschichte, verschiedene medizinische Bescheinigungen sowie Einkommensbelege ihrer Töchter und Schwiegersöhne eingereicht und darauf hingewiesen, dass ihr Schwiegersohn A… monatliche Einkünfte aus der Vermietung einer Eigentumswohnung erziele. Außerdem ist ein Schreiben der A…-Versicherung zur Akte gelangt, wonach die Klägerin „für max. 1 Jahr“ im Tarif ARE-A versichert werde. In weiteren Schreiben haben private Krankenversicherungsunternehmen mitgeteilt, die Aufnahmevoraussetzungen für den Basistarif der privaten Krankenversicherung lägen für die Klägerin nicht vor, weil diese nicht über einen Wohnsitz bzw. eine Aufenthaltserlaubnis für mehr als zwölf Monate verfüge und zudem der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen sei. Das Verwaltungsgericht hat in der Folgezeit Beweis erhoben über den Gesundheitszustand der Klägerin, insbesondere darüber, in welchem Maße die Klägerin auf Betreuungs- und Pflegeleistungen angewiesen sei. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das medizinische Gutachten des D… (Vertrauensarzt des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland in Jekaterinburg) vom 31. Oktober 2008 nebst deutscher Übersetzung, Bl. 106 - 111 d.A., verwiesen. Die Klägerin hat Verpflichtungserklärungen ihrer Tochter S… vom 11. November 2009 und ihres Schwiegersohnes A… vom 5. November 2009 eingereicht. Diese tragen jeweils das Datum „01.01.2010“. Die Verpflichtungserklärung von Frau F… enthält unter „Bemerkungen“ außerdem folgenden Zusatz: „Besuchsaufenthalt … Wohnraum ausreichend“. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 201 bis 204 der Streitakte verwiesen.
Mit Urteil vom 16. November 2009 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Moskau vom 8. Januar 2008 verpflichtet, der Klägerin ein Visum zur Familienzusammenführung zu erteilen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die Erteilung eines Visums zum Zwecke der Familienzusammenführung sei im Fall der Klägerin zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich, weil diese ausweislich des Gutachtens vom 31. Oktober 2008 aufgrund ihrer chronischen Erkrankungen zu einer einfachen sozialen Alltagsadaption nicht fähig sei und der ständigen Unterstützung und Pflege bedürfe. Den Töchtern der Klägerin sei es nicht zuzumuten, zur Pflege ihrer Mutter nach Russland überzusiedeln. Das Ermessen sei auf die Erteilung des Visums reduziert. Die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des gesicherten Lebensunterhalts stehe der Visumerteilung nicht entgegen. Vor dem Hintergrund der abgegebenen Verpflichtungserklärungen und im Hinblick auf das Einkommen der Angehörigen habe das Gericht keine Zweifel, dass der laufende Lebensunterhalt der Klägerin durch das Einkommen ihrer Angehörigen bestritten werde. Zwar existiere keine ausreichende Krankenversicherung; insoweit sei jedoch ein Absehen von der Regelerteilungsvoraussetzung geboten, weil die Klägerin gegen ein im Bundesgebiet zugelassenes privates Kran-kenversicherungsunternehmen einen Anspruch auf Abschluss eines Krankenversicherungsvertrages im Basistarif habe, wenn sie ihren Aufenthalt im Bundesgebiet begründet, jedenfalls aber, wenn sie eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Gültigkeit von mehr als einem Jahr erhalten habe.
Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 29. März 2011 zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Familiennachzug, weil ihr Lebensunterhalt - einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes - nicht gesichert sei. Ein Ausnahmefall, der ein Absehen von der Regelerteilungsvoraussetzung des gesicherten Lebensunterhalts erlauben würde, sei nicht gegeben. Ein atypischer Sachverhalt liege nicht vor. Die vorgelegten Verpflichtungserklärungen seien nur bis zum 1. Januar 2010 gültig gewesen. Die Verpflichtungserklärung des Schwiegersohnes sei zudem nicht berücksichtigungsfähig, weil dieser nicht unterhaltspflichtig sei. Bei der Verpflichtungserklärung der Tochter sei deren Leistungsfähigkeit nicht geprüft worden. Auch der nicht ausreichende Krankenversicherungsschutz stehe der Erteilung des begehrten Visums entgegen. Insoweit sei auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt verfüge die Klägerin aber nicht über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz.
Die Beklagte beantragt,
das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. November 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, für die Berücksichtigung von Verpflichtungserklärungen komme es nicht auf das Bestehen einer Unterhaltspflicht an. Zweifel an der Bonität der Töchter und der Schwiegersöhne bestünden nicht. Bei der Ermittlung des Bedarfs der Klägerin sei zu berücksichtigen, dass diese bei ihrer Tochter untergebracht würde, so dass Unterkunftskosten nicht entstünden. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung. Ihre Versuche, eine private Krankenversicherung abzuschließen, seien alleine daran gescheitert, dass sie noch keinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland habe. Das Verwaltungsgericht habe zu Recht versucht, diese Problematik zu überwinden. Ein Ausnahmefall sei gegeben. Insoweit müssten auch Art. 6 des Grundgesetzes (GG) und Art. 8 der Europäischen Menschrechtskonvention (EMRK) Berücksichtigung finden. Den Töchtern der Klägerin sei es aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit und der deutschen Staatsangehörigkeit ihrer Ehemänner sowie ihrer Berufstätigkeit nicht zuzumuten, die Familieneinheit mit der Klägerin in Russland herzustellen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die Klägerin hat im Berufungsverfahren weitere Gehaltsnachweise ihrer Töchter und Schwiegersöhne eingereicht. Außerdem wurde ein Mietvertrag übersandt, wonach sich die Nettokaltmiete der vermieteten Eigentumswohnung des Herrn N… auf 310,00 Euro beläuft. Schließlich wurden Unterlagen zu den Wohnkosten der Familie N… in ihrem Einfamilienhaus eingereicht (Grundbesitzabgabenbescheid über 351,95 Euro inklusive Abfallgebühren; zwei Darlehensverpflichtungen mit monatlichen Raten zu je 246,13 Euro bzw. 126,00 Euro, eine Gasabrechnung über 895,89 Euro und eine Abrechnung für Be-/Entwässerung in Höhe von 616,02 Euro).
In der mündlichen Verhandlung hat die informatorisch angehörte Frau N… mitgeteilt, derzeit würde die Klägerin von Nachbarn sowie Freunden und Bekannten unterstützt; außerdem führen die Töchter mehrmals im Jahr zu ihrer Mutter. Die Klägerin hat durch ihren Bevollmächtigten vorgetragen, sie besitze eine Eigentumswohnung mit einem Wert von etwa 60.000,00 Euro, die für eine Miete in Höhe von monatlich etwa 400,00 Euro vermietet werden könne. Herr F… sei bereit, eine Verpflichtungserklärung zu ihren Gunsten abzugeben.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und der Gerichtsakten verwiesen.
Der Senat kann trotz des Ausbleibens eines Vertreters des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung über die Berufung entscheiden, weil der Beigeladene auf diese Möglichkeit in der Ladung hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Visums zum Zwecke der Familienzusammenführung mit ihrer Tochter. Der Ablehnungsbescheid der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Moskau vom 8. Januar 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).
Als Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin erstrebten Familiennachzug zu ihrer Tochter kommen nur die §§ 28 Abs. 4, 27 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 2 Satz 1 und § 5 Abs. 1 AufenthG in Betracht. Die Voraussetzungen dieser Bestimmungen liegen nicht vollständig vor.
1. Nach §§ 28 Abs. 4, 27 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG kann eine Aufenthaltserlaubnis - und damit auch ein Visum (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 6 Abs. 3 AufenthG) - erteilt werden, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist. Dies setzt voraus, dass der Nachzugsbegehrende allein kein eigenständiges Leben mehr führen kann, und die von ihm benötigte, tatsächlich und regelmäßig zu erbringende wesentliche familiäre Lebenshilfe zumutbarer Weise nur in der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden kann (BVerwG, Urteil vom 10. März 2011 - BVerwG 1 C 7.10 -, NVwZ 2011, 1199; Beschluss vom 25. Juni 1997 - BVerwG1 B 236/96 -, Buchholz 402.240 § 22 AuslG 1990 Nr. 4; a.a.O.; ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30. März 2007 - OVG 2 B 2.07 -, juris; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 1989 - 2 BvR 377/88 -, NJW 1990, 895 [896]; BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1995 -2 BvR 901/95 -, NVwZ 1996,1099 [1100]). Ob dies hier angesichts des Gutachtens des Vertrauensarztes des deutschen Generalkonsulats in Jekaterinburg vom 31. Oktober 2008 angenommen werden kann, obwohl sich die Klägerin ausweislich der Angaben ihrer Tochter in der mündlichen Verhandlung offenbar bisher im Wesentlichen mit gelegentlicher Nachbarschaftshilfe und Betreuungsleistungen von Freunden behelfen konnte, kann im Ergebnis offenbleiben. Auch kommt es für die Entscheidung nicht darauf an, ob Nachzugswillige im Rahmen des § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG auf die Pflege durch familienfremde Dritte verwiesen werden können (in diesem Sinne OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Dezember 2011 - OVG 3 B 17.10 -, EA S. 8; a.A. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. Februar 1999 - 17 A 139.97 -, juris, zu § 22 AuslG) und ob eine solche Hilfe vorliegend in zumutbarer Weise zur Verfügung stünde. Denn es fehlt jedenfalls an der weiteren Visumerteilungsvoraussetzung des gesicherten Lebensunterhalts.
2. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Das ist gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG der Fall, wenn der Ausländer ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Dabei bleiben die in § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG aufgeführten Mittel außer Betracht. Es bedarf mithin der Prognose, dass der Lebensunterhalt des Ausländers - einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes - in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gesichert ist. Hierfür ist ein Vergleich des voraussichtlichen Unterhaltsbedarfs mit den voraussichtlich zur Verfügung stehenden Mitteln anzustellen (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 16. November 2010 - BVerwG 1 C 20/09 -, BVerwGE 138, 135 [141]).
a. Für diesen Vergleich ist vorliegend ausschließlich auf den eigenen Bedarf der Klägerin und auf die ihr selbst zur Verfügung stehenden Mittel abzustellen. Die Klägerin ist nämlich nicht erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II, weil sie die Altersgrenze des § 7a SGB II, die in ihrem Fall 65 Jahre beträgt, bereits überschritten hat. Ihr stünden deshalb von vornherein keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), sondern gegebenenfalls Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu. Hierbei wäre sie nicht Teil einer Bedarfsgemeinschaft.
Die Frage, ob bei der Sicherung des Lebensunterhalts auf den Bedarf und die Mittel des Nachzugswilligen oder der beabsichtigten häuslichen Gemeinschaft abzustellen ist, beurteilt sich im Grundsatz nach den Bestimmungen des Sozialrechts (BVerwG, Urteil vom 16. November 2010 - BVerwG 1 C 20/09 -, a.a.O., S. 141). Bei erwerbsfähigen Ausländern, die das Zusammenleben mit ihren Familienangehörigen in häuslicher Gemeinschaft erstreben, sind deshalb grundsätzlich die Regeln über die Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 7 Abs. 3 SGB II heranzuziehen; es ist mithin insoweit auf den Gesamtbedarf der Kernfamilie abzustellen (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 16. November 2010 - BVerwG 1 C 20/09 -, a.a.O., und - BVerwG 1 C 21.09 -, BVerwGE 138, 148 [153 ff.]).
Für nicht erwerbsfähige Personen richtet sich die sozialrechtliche Berechnung nach den für sie geltenden Bestimmungen. Für die Klägerin sind insoweit die Vorschriften des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch über die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung heranzuziehen. Danach kommt es nur auf ihren Bedarf und ihr Einkommen und Vermögen an. Bei Leistungen über die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung wird gemäß § 43 Abs. 1 SGB XII nämlich nur das Einkommen und Vermögen des nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners sowie des Partners einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft angerechnet. Nur mit diesen - im Fall der Klägerin nicht existierenden - Personen besteht mithin eine Bedarfsgemeinschaft. Die Vorschrift des § 39 Satz 1 SGB XII, die die Bedarfsgemeinschaft auf andere Haushaltsangehörige erweitert, findet gemäß § 43 Abs. 1 2. Halbsatz SGB XII keine Anwendung.
Das Abstellen auf den eigenen Bedarf des nicht erwerbsfähigen Ausländers in Fällen der vorliegenden Art steht auch mit dem Sinn und Zweck der Erteilungsvoraussetzung der Lebensunterhaltssicherung im Einklang. Würde die Klägerin nämlich nach einem erfolgten Nachzug zu der Familie N… einen Antrag auf Grundsicherung im Alter stellen, so könnte dieser nicht im Hinblick auf das Einkommen der übrigen Haushaltsangehörigen abgelehnt werden. Es drohen mithin Belastungen der öffentlichen Haushalte. § 2 Abs. 3 Satz 4 AufenthG, wonach bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug Beiträge der Familienangehörigen zum Haushaltseinkommen berücksichtigt werden, ist vor diesem Hintergrund so zu verstehen, dass mit Familienangehörigen nur die zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Familienangehörigen gemeint sind.
b. Bei der danach gebotenen isolierten Betrachtung des Bedarfs und der Mittel der Klägerin ist deren Lebensunterhalt nicht im Sinne der §§ 5 Abs. 1, 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gesichert. Die Klägerin verfügt nicht über ausreichende Mittel, um ihren Bedarf zu decken.
aa. Der Bedarf der Klägerin beträgt insgesamt 1.098,34 Euro im Monat. Er setzt sich zusammen aus ihrem Regelbedarf, der sich nach der Anlage zu § 28 SGB XII (Regelbedarfsstufe 3) auf 299,00 Euro beläuft, sowie den Kosten für einen angemessenen Krankenversicherungsschutz und eine Pflegeversicherung (1) sowie den im Fall des Nachzugs auf die Klägerin entfallenden Unterkunftskosten (2).
(1) Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG setzt die Sicherung des Lebensunterhalts u.a. voraus, dass angemessener Krankenversicherungsschutz besteht. Angemessener Krankenversicherungsschutz liegt vor, wenn ein der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechender Schutz besteht (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 3 AufenthG). Zwar genügt die von der Klägerin belegte Möglichkeit, eine zeitlich befristete private Krankenversicherung zu erhalten, diesen Anforderungen nicht. Auch ist die Klägerin nicht in die gesetzliche Krankenversicherung aufzunehmen. Sie hat aber einen Anspruch auf Abschluss eines auf Dauer angelegten privaten Krankenversicherungsvertrages im Basistarif, der im Rahmen der zu treffenden Prognoseentscheidung zu berücksichtigen ist und ihr einen angemessenen Krankenversicherungsschutz vermittelte, wenn sie die hierfür anfallenden Kosten aufbringen könnte.
Zu den nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V in die gesetzliche Krankenversicherung aufzunehmenden Personen zählt die Klägerin nicht. Denn § 5 Abs. 11 SGB V bestimmt insoweit einschränkend, dass Ausländer, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, Angehörige eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige der Schweiz sind, von der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 13 nur erfasst werden, wenn sie eine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Befristung auf mehr als zwölf Monate nach dem Aufenthaltsgesetz besitzen und für die Erteilung dieser Aufenthaltstitel keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besteht. Daran fehlt es im Fall der Klägerin. Sie besitzt schon keine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Befristung auf mehr als zwölf Monate und es ist derzeit auch nicht vorherzusehen, wann ihr ein solcher Aufenthaltstitel erteilt werden wird. Darüber hinaus dürfte für die Klägerin aber auch eine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG bestehen. Denn insoweit dürfte allein auf die abstrakte gesetzliche Regelung abzustellen sein und es auf eine etwaige Ausnahme im Einzelfall nicht ankommen.
Der Klägerin kann gleichwohl nicht entgegengehalten werden, sie verfüge nicht über einen angemessenen Krankenversicherungsschutz. Sie kann einen solchen Krankenversicherungsschutz nämlich unmittelbar nach ihrer Einreise herbeiführen. Denn sie hat gemäß § 193 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 VVG einen Anspruch auf Abschluss eines privaten Krankenversicherungsvertrages im Basistarif, wenn sie ihren Wohnsitz in Deutschland begründet hat. Hierfür reicht es aus, dass sie eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird (vgl. § 30 Abs. 3 SGB I). Darauf, ob der Klägerin ein Aufenthaltstitel mit einer Befristung auf mehr als zwölf Monate erteilt worden ist, kommt es für § 193 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 VVG angesichts seiner von § 5 Abs. 11 SGB V abweichenden Formulierung nicht an. Einen Wohnsitz in Deutschland wird die Klägerin, die sich von ihrer Tochter pflegen lassen möchte, bereits unmittelbar nach der Einreise begründet haben.
Einer Berücksichtigung des aus § 193 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 VVG resultierenden Anspruchs der Klägerin bei der Frage, ob ausreichender Krankenversicherungsschutz besteht, steht nicht entgegen, dass für die Beurteilung der tatbestandlichen Visumerteilungsvoraussetzungen maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage zur Zeit der mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz abzustellen ist. Denn die Frage ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ist rechtlich bei der Frage des gesicherten Lebensunterhalts zu verorten. Wie oben bereits ausgeführt, ist hierüber eine Prognoseentscheidung zu treffen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prognoseentscheidung ist zwar der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Bei der Prognose sind aber auch zukünftige Entwicklungen zu berücksichtigen, sofern mit ihnen - wie hier - zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz bereits sicher gerechnet werden kann.
Dass sich Versicherungsunternehmen entgegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung weigern könnten, die Klägerin in ihre Krankenversicherung aufzunehmen, steht der Berücksichtigung des aus § 193 VVG resultierenden Anspruchs bei der Frage des Vorhandenseins angemessenen Krankenversicherungsschutzes nicht entgegen. Etwaiges gesetzwidriges Verhalten von Versicherungsunternehmen kann insoweit nicht zu Lasten der Klägerin gehen. Etwaigen Schwierigkeiten bei der Suche nach einer aufnahmebereiten privaten Krankenversicherung kann zudem durch den Abschluss einer befristeten Reisekrankenversicherung Rechnung getragen werden, zu deren Abschluss sich im Fall der Klägerin ein Versicherungsnehmen bereits bereit erklärt hatte.
Die mit einer Krankenversicherung im Basistarif verbundenen erheblichen Kosten erhöhen den Bedarf der Klägerin. Die Kosten belaufen sich ab 2012 auf monatlich 592,88 Euro (http://www.pkv.de/positionen/basistarif/). Ihre Reduzierung auf die Hälfte - wie sie das Verwaltungsgericht nach § 12 Abs. 1c Satz 4 VAG für möglich gehalten hat - scheidet aus, weil die Klägerin gerade in der Lage sein muss, ihren Bedarf zu decken, Hilfebedürftigkeit daher nicht eintreten darf.
Hinzu kommen auf der Bedarfsseite die Kosten für eine private Pflegeversicherung (Beschluss des Senats vom 10. März 2005 - OVG 2 M 70.04 -, juris Rn. 3), für die, sofern die Kosten nicht von der Klägerin getragen werden könnten, das Sozialamt eintreten müsste (§§ 42 Nr. 2, 32 Abs. 5 Satz 4 SGB XII). Diese Kosten betragen im Basistarif 74,59 Euro im Monat (http://sozialberatung-kiel.de/tag/ neuer-basistarif-zum-01-01-2012/).
(2) Schließlich sind die Unterkunftskosten in den Bedarf der Klägerin einzurechnen. Dass sich die Familie N… bereit erklärt hat, die Klägerin mietfrei bei sich wohnen zu lassen, steht dem nicht entgegen. Denn insoweit liegt eine Leistungszusage vor, die im Falle eines veränderten Willens der Eheleute N… nicht durchgesetzt werden könnte und die es dem Sozialamt nicht ermöglichte, die Gewährung von Unterkunftskosten im Rahmen der Grundsicherung im Alter zu versagen.
Maßgeblich sind insoweit die im Fall des Nachzugs tatsächlich auf die Klägerin entfallenden Unterkunftskosten (vgl. §§ 42 Nr. 4, 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Hierbei sind die Unterkunftskosten der Familie N… nach Kopfteilen aufzuteilen und der hierbei auf die Klägerin entfallende Anteil als deren Bedarf zu berücksichtigen. Zwar wird die Klägerin im Falle ihres Nachzugs nicht Teil einer Bedarfsgemeinschaft. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die ihr zu Verfügung stehenden Räumlichkeiten in etwa die Größe der Räumlichkeiten der übrigen Hausbewohner haben werden und ihr auch die Benutzung der gemeinsamen Wohnräume gestattet sein wird. Die Unterkunftskosten der Familie N… setzen sich zusammen aus den Kosten für die beiden Darlehen sowie den Kosten für Heizung, Be- und Entwässerung, Grundsteuer und Abfallgebühren für ihr Einfamilienhaus. Dies ergibt einen Betrag in Höhe von (29,33 Euro + 74,66 Euro + 51,34 Euro + 246,13 Euro + 126,00 Euro =) 527,46 Euro. Bei vier Personen der Haushaltsgemeinschaft entfallen hiervon auf die Klägerin 131,87 Euro.
bb. Dem monatlichen Bedarf der Klägerin in Höhe von 1.098,34 Euro stehen Mittel in Höhe von allenfalls (79,31 Euro + 824,52 Euro =) 903,83 Euro gegenüber.
(1) Nach eigenem Vorbringen verfügt die Klägerin über eine Rente in Höhe von monatlich 3.155,39 Rubel, umgerechnet 79,31 Euro. Ob diese Rente nach einer Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland weiter gezahlt werden wird, ist offen. Einer weiteren Aufklärung dieser Frage bedarf es nicht. Denn die genannte Rente reicht - unabhängig von der Höhe der Abzüge gemäß den §§ 82 ff. SGB XII - zusammen mit den weiteren zugunsten der Klägerin zu berücksichtigenden Mitteln nicht aus, um den dargestellten Bedarf der Klägerin zu decken.
(2) Unterhaltsansprüche der Klägerin gegen ihre beiden Töchter können bei der Prognose nicht als zur Verfügung stehende Mittel Berücksichtigung finden. Denn zum einen sind derartige Unterhaltsansprüche derzeit nicht tituliert, so dass die Klägerin auf entsprechende Mittel tatsächlich nicht zugreifen kann (vgl. hierzu Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, Stand: Dezember 2011, Rn. 54.3 zu § 2). Zum anderen drohen unabhängig vom Bestehen derartiger Unterhaltsansprüche der Klägerin gegen ihre Töchter neue Lasten für die öffentlichen Kassen, die der Annahme eines gesicherten Lebensunterhalts entgegenstehen. Das Sozialamt könnte nämlich die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht im Hinblick auf Unterhaltsansprüche der Klägerin gegen ihre Töchter ablehnen (vgl. § 43 Abs. 2 SGB XII). Ginge das Sozialamt in Vorlage, so bestünde auch keine Regressmöglichkeit, weil nach § 94 Abs. 1 Satz 3 HS 2 SGB XII der Übergang des Anspruchs des Leistungsberechtigten nach dem Vierten Kapitel des SGB XII gegenüber Kindern ausgeschlossen ist.
(3) Frau F… und Herr N… haben jedoch jeweils eine Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG abgegeben. Diese Verpflichtungserklärungen sind zwar entgegen der Annahme der Beklagten nicht grundsätzlich ungeeignet, die Regelerteilungsvoraussetzung des gesicherten Lebensunterhalts zu erfüllen. Die im Hinblick auf die Verpflichtungserklärungen zugunsten der Klägerin zu berücksichtigenden Beträge reichen jedoch nicht aus, um den oben genannten Bedarf zu decken. Denn sie belaufen sich auf nur (529,26 Euro + 295,26 Euro =) 824,52 Euro im Monat.
(a) § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bestimmt, dass derjenige, der sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten hat, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen.
Zwar begründet eine Verpflichtungserklärung in diesem Sinne keine unmittelbaren Ansprüche zwischen dem sich Verpflichtenden und dem nachzugswilligen Ausländer. Sie ist gleichwohl zu dessen Gunsten bei der Prüfung der Sicherung des Lebensunterhalts zu berücksichtigen und kann ggf. die Annahme eines gesicherten Lebensunterhalts rechtfertigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - BVerwG 1 C 33/97 -, BVerwGE 108, 1 [5 f.], wonach der Versagungsgrund des § 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG durch eine Verpflichtungserklärung nach § 84 Abs. 1 AuslG „ausgeräumt“ werden konnte). Hat nämlich ein Dritter oder ein Angehöriger eines Ausländers eine Verpflichtungserklärung i.S.d. § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG abgegeben, so ist vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung damit zu rechnen, dass er den Lebensunterhalt des Ausländers durch (zumindest) freiwillige Leistungen decken wird, weil er anderenfalls mit einem Rückgriff der öffentlichen Hand rechnen muss. Hiermit wird dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG - unabhängig davon, ob sich eine unterhaltspflichtige Person oder ein Dritter dem Ausländer gegenüber verpflichtet hat - hinreichend Rechnung getragen.
(b) Die zugunsten der Klägerin abgegebenen Verpflichtungserklärungen von Frau F… und Herrn N… sind wirksam. Entgegen der Auffassung der Beklagten war ihre Gültigkeit nicht bis zum 1. Januar 2010 beschränkt. Zwar enthalten die Verpflichtungserklärungen dieses Datum. Nach dem insoweit offenkundig in Bezug genommene Fließtext („… vom Beginn der voraussichtlichen Visumgültigkeit am … bis zur Beendigung des Aufenthalts“) beschreibt es jedoch vom Standpunkt eines verständigen und objektiven Erklärungsadressaten (§§ 133, 157 BGB) den Beginn der Gültigkeit der Verpflichtungserklärung und nicht deren Ende.
Der Berücksichtigung der Verpflichtungserklärung von Frau F… steht auch nicht entgegen, dass insoweit vermerkt worden ist, es gehe um einen Besuchsaufenthalt. Die diesbezügliche Bemerkung findet sich erst nach der Unterschrift von Frau F…. Abgedeckt von der Unterschrift ist der oben erwähnte Text, wonach die Verpflichtung „bis zur Beendigung des Aufenthalts“ übernommen werde. Vor diesem Hintergrund ist eine Beschränkung der Verpflichtung auf einen Besuchsaufenthalt von maximal drei Monaten vom Standpunkt eines objektiven Erklärungsadressaten ausgeschlossen.
(c) Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (Beschluss des Senats vom 26. Mai 2010 - OVG 2 S 100.09 -, juris; Beschluss des 12. Senats vom 8. September 2009 - OVG 12 M 47.09 -, juris; vgl. auch Urteil des 3. Senats vom 21. April 2009 - OVG 3 B 8.07 -, juris; vgl. ferner BVerwG, Urteil vom 24. November 1998, a.a.O.) setzt die Berücksichtigung einer Verpflichtungserklärung im Rahmen der Prüfung der Sicherung des Lebensunterhalts voraus, dass derjenige, der die Verpflichtungserklärung abgegeben hat, leistungsfähig ist. Bezieht der Erklärende ein Arbeitseinkommen, so dient als Anhaltspunkt für seine Leistungsfähigkeit bei einem angestrebten Daueraufenthalt die Pfändungsfreigrenze des § 850c ZPO. Durch die Verpflichtungserklärung werden nämlich keine unmittelbaren Ansprüche des Ausländers gegen den Verpflichtenden begründet, so dass die öffentliche Mittel (vor-)leistende Behörde möglicherweise gehalten ist, einen auf § 68 AufenthG gestützten Erstattungsanspruch gegenüber dem Verpflichtungsgeber geltend zu machen. Verweigert dieser die Zahlung und kommt es zur Vollstreckung nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz (§ 68 Abs. 2 Satz 2 AufenthG), so kann sein Arbeitseinkommen nur in dem gesetzlich zulässigen Maße gepfändet werden (§ 5 Abs. 1 VwVG, § 319 AO, § 850 c ZPO bzw. die entsprechenden Vorschriften in den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen der Länder). Die Bonitätsprüfung des Verpflichtungsgebers kann daher nur dann zu seinen Gunsten ausgehen, wenn er über pfändungsfreies Einkommen in ausreichender Höhe verfügt.
Herr N…, der einem seiner Kinder keinen Unterhalt mehr leistet, hat gemäß § 850c ZPO bei zwei unterhaltspflichtigen Personen nach der Tabelle zu § 850c ZPO ein pfändbares Einkommen in Höhe von 219,26 Euro. Denn er verfügt über ein zu berücksichtigendes monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 2.186,52 Euro. Dieses berechnet sich wie folgt:
Bei der Ermittlung des pfändbaren Arbeitseinkommens sind gemäß § 850e Nr. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 850a ZPO die für die Dauer eines Urlaubs über das Arbeitseinkommen hinaus gewährten Bezüge sowie Weihnachtsvergütungen, letztere bis zum Betrag der Hälfte des monatlichen Arbeitseinkommens, höchstens aber bis zum Betrag von 500 Euro, unpfändbar. Legt man die für April, Mai, Juni, September, Oktober und November 2011 eingereichten Gehaltsauszüge zugrunde, so ergibt sich Folgendes: Das Nettoeinkommen für April 2011 in Höhe von 2.019,39 Euro enthält keine unpfändbaren Bezüge und ist demnach voll zu berücksichtigen. Im Mai 2011 hat Herr N… eine zusätzliche Urlaubsvergütung in Höhe von netto (31,40 Euro - 8,44 Euro - 6,47 Euro =) 16,49 Euro bezogen, so dass sich ein Arbeitseinkommen in Höhe von 2.121,61 Euro ergibt. Im Juni 2011 hat Herr N… zusätzliche Urlaubsvergütung in Höhe von netto (63,86 Euro - 12,66 Euro - 13,17 Euro =) 38,03 bezogen, so dass sich ein Einkommen in Höhe von 2.175,08 Euro ergibt. Das Nettoeinkommen vom September 2011 in Höhe von 2.182,04 Euro ist voll zu berücksichtigen. Im Oktober 2011 ist ein Betrag in Höhe von netto (36,50 Euro - 8,44 Euro - 7,53 Euro =) 20,53 Euro (= 2.087,99 Euro) und im November 2011 ein Betrag in Höhe von 500,00 Euro (= 2.532,98 Euro) in Abzug zu bringen. Kindergeld bleibt bei der Berechnung unberücksichtigt (§ 850e Nr. 2a Satz 3 ZPO), so dass sich ein Betrag in Höhe von (13.119,09 Euro : 6 Monate = 2.186,52 Euro) ergibt.
Neben dem pfändbaren Arbeitseinkommen ist zugunsten der Klägerin das (zusätzliche) Einkommen des Herrn N… aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 310,00 Euro zu berücksichtigen. Der Mietzinsanspruch des Herrn N… gegen den Mieter seiner Eigentumswohnung ist nämlich grundsätzlich pfändbar (vgl. § 851b ZPO). Es ergibt sich eine Bonität von Herrn N… in Höhe von 529,26 Euro.
Offen bleiben kann, ob bei der vorzunehmenden Bonitätsprüfung grundsätzlich zusätzlich Berücksichtigung finden muss, ob der Erklärende Schulden hat, etwa dergestalt, dass die auf solche Schulden erbrachten monatlichen Tilgungsleistungen zusätzlich von dem pfändbaren Betrag abgezogen werden. Hierfür spricht, dass das Bestehen solcher Schulden die Erfolgsaussichten eines Rückgriffs der öffentlichen Hand schmälern kann. Vorliegend wird mit den Darlehensverbindlichkeiten der Eheleute N…jedoch ausschließlich ihre Unterkunft finanziert. Der Unterkunftsbedarf jedoch wäre durch den Herrn N… ohnehin zu belassenden unpfändbaren Betrag zu decken. Dies rechtfertigt es, die Schulden jedenfalls vorliegend unberücksichtigt zu lassen.
Frau F… verfügt über ein Nettoeinkommen in Höhe von (11 x 2.368,12 Euro + 2.399,03 Euro = 28.448,35 Euro : 12 =) 2.370,70 Euro. Sie ist grundsätzlich zwei Personen gegenüber unterhaltspflichtig, so dass sich ein pfändbarer Betrag in Höhe von 295,26 Euro ergibt.
(d) Darauf, dass vorliegend angesichts des nahezu gleich hohen Einkommens von Herrn und Frau F… die Voraussetzungen des § 850c Abs. 4 HS 1 ZPO für die Nichtberücksichtigung von Herrn F… und eine nur hälftige Berücksichtigung des Kindes der Eheleute F… gegeben sein dürften (vgl. hierzu z.B. LG Marburg, Beschluss vom 21. Juli 1999 - 3 T 119/99 -, JurBüro 1999, 62 [63]), weshalb sich das pfändungsfreie Einkommen der Frau F… nach dieser Bestimmung auf bis zu (938,78 Euro - 476,95 Euro = 461,83 Euro : 2 = 230,92 Euro; 938,78 Euro - 230,92 Euro =) 707,86 Euro erhöhen könnte, kommt es nicht an. Die Vorschrift des § 850c Abs. 4 HS 1 ZPO - danach kann eine Person, welcher der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben, wenn diese eigene Einkünfte hat - ist im Rahmen der Bonitätsprüfung einer Person, die eine Verpflichtungserklärung abgegeben hat, nämlich nicht zu berücksichtigen. Nach der überzeugenden Rechtsprechung des 9. Senats des OVG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 11. Februar 2010 - OVG 9 S 80.09 -, juris) ermächtigt diese Vorschrift, die vorliegend über § 48 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes Nordrhein-Westfalen Anwendung fände, die Vollstreckungsbehörde zu einer Ermessensentscheidung. Diese Ermessensentscheidung kann im Vorfeld - bei der Frage, ob der Lebensunterhalt eines Nachzugswilligen gesichert ist - nicht durch das Gericht vorweggenommen werden. Mag die Nichtberücksichtigung eines Unterhaltspflichtigen bzw. dessen nur teilweise Berücksichtigung auch ermessensfehlerfrei möglich sein, erscheint es nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass von der Vollstreckungsbehörde im Einzelfall auch eine andere Entscheidung ohne Ermessensfehler getroffen werden kann.
(e) Unerheblich ist, dass Herr F… bereit sein soll, ebenfalls eine Verpflichtungserklärung zugunsten der Klägerin abzugeben. Maßgeblich ist insoweit allein, dass zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine solche Verpflichtungserklärung noch nicht vorlag und deshalb bei der Prognoseentscheidung nicht berücksichtigt werden kann. Der Umstand, dass die Klägerin über Vermögen in Gestalt einer Eigentumswohnung verfügen soll, rechtfertigt gleichfalls keine andere Entscheidung. Aktuell vermietet ist die Wohnung nicht, so dass die Klägerin derzeit über keine weiteren Einkünfte verfügt. Auch ansonsten steht der Klägerin der fragliche Vermögenswert aktuell nicht liquide zur Verfügung, könnte mithin zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht eingesetzt werden. Davon abgesehen fehlt es an Nachweisen zum Eigentum an der Wohnung und zu deren Wert. Dass im Falle einer Veräußerung - nach Abzug etwaiger Lasten - ausreichend Mittel zur Verfügung stehen werden, um die zu erwartenden Bedarfslücken bis an das Lebensende der Klägerin zu schließen, kann danach nicht festgestellt werden.
c. Schließlich ist nicht ausnahmsweise vom Regelerfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG abzusehen. Das ist nur dann der Fall, wenn besondere atypische Umstände vorliegen, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen, oder wenn höherrangiges Recht wie der Schutz von Ehe und Familie es gebietet (BVerwG, Urteil vom 16. November 2011 - BVerwG 1 C 20/09 -, a.a.O., S. 145).
Daran fehlt es hier. Weder sind atypische Umstände im vorgenannten Sinne ersichtlich, noch ist die Annahme eines Ausnahmefalls im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK oder Art. 7 der Grundrechtscharta (GR-Charta) geboten. Nach diesen Normen müssen Ausnahmen vom Familiennachzug unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgelegt werden (vgl. BVerwG, a.a.O.; Urteil vom 30. April 2009 - BVerwG 1 C 3.08 -, juris; ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. Februar 2008 - OVG 11 B 4.07 -, juris). Danach ist hier ein Ausnahmefall selbst dann zu verneinen, wenn die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorliegen sollten. Bei der Abwägung sind nämlich neben der Bedeutung, die dem Schutz der Familie einzuräumen ist, alle öffentlichen Belange zu berücksichtigen, die gegen den angestrebten Daueraufenthalt sprechen. Hierzu gehören namentlich etwaige mit dem Nachzug in näherer oder fernerer Zukunft verbundene finanzielle Belastungen der öffentlichen Hand. Danach ist die Versagung des erstrebten Nachzugs nicht unverhältnismäßig. Würde der Klägerin der Nachzug zu ihrer Tochter gestattet, so müsste sich die Allgemeinheit mit monatlich mindestens (1.098,34 Euro - 903,83 Euro =) 194,51 Euro an der Bestreitung ihres Lebensunterhalts beteiligen. Hinzu kommen die drohenden Belastungen der öffentlichen Hand im Hinblick auf Pflegeleistungen, die während einer möglichen Wartezeit (vgl. § 197 Abs. 1 Satz 2 VVG) nicht durch die Pflegeversicherung abgedeckt wären und sich bei Eintritt des Pflegefalls auf einen hohen Betrag addieren können. Gegenüber dem danach gegen einen Nachzug sprechenden gewichtigen öffentlichen Interesse an der Schonung öffentlicher Kassen ist das Interesse der Klägerin an der Herstellung der Familieneinheit geringer zu bewerten. Denn zum einen geht es hier um die Beziehung eines Elternteils zu einem erwachsenen Kind, das seine Mutter im Heimatland zurückgelassen hat, was sich als typisches Element der Beziehung von Eltern zu ihren erwachsenen Kindern darstellt (vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.). Zum anderen ist nach den Angaben der Frau N… in der mündlichen Verhandlung davon auszugehen, dass eine gesundheitliche Versorgung, Pflege und Betreuung der Klägerin im Rahmen des Erforderlichen in Russland bisher gewährleistet ist und dieser bei Versagung des Familiennachzugs jedenfalls derzeit keine unmittelbaren Gesundheitsgefahren drohen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob bei nicht erwerbsfähigen Nachzugswilligen eine Betrachtung nur des eigenen Bedarfs vorzunehmen ist, ob bei Verpflichtungserklärungen die Bonität des sich Verpflichtenden unter Heranziehung des § 850c ZPO zu bestimmen ist und ob insoweit auch § 850c Abs. 4 ZPO Berücksichtigung findet, hat über den Einzelfall hinaus Bedeutung und ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt.