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GdB - Beweisantrag


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 13. Senat Entscheidungsdatum 06.09.2012
Aktenzeichen L 13 SB 143/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 69 SGB 9

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 19. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des bei dem Kläger festzustellenden Grades der Behinderung (GdB).

Der 1953 geborene Kläger, bei dem der Beklagte 2006 einen GdB von 20 festgestellt hatte, beantragte am 4. September 2008 die Heraufsetzung des GdB. Nach versorgungsärztlicher Auswertung der eingeholten medizinischen Unterlagen stellte der Beklagte mit Bescheid vom 18. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2009 bei dem Kläger einen GdB von 40 fest. Dieser Entscheidung legte er folgende (verwaltungsintern mit den aus den Klammerzusätzen ersichtlichen Einzel-GdB bewertete) Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:

a) Sehbehinderung (30),

b) Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, operierter Bandscheibenvorfall, ausstrahlende Beschwerden, degenerative Wirbelsäulenveränderungen (20),

c) Funktionsstörung beider Kniegelenke (10).

Mit der beim Sozialgericht Neuruppin erhobenen Klage hat der Kläger einen GdB von mindestens 50 begehrt.

Das Sozialgericht hat neben Befundberichten der behandelnden Ärzte das Gutachten der Orthopäden und Chirurgen Dr. T vom 14. März 2011 eingeholt, der nach Untersuchung des Klägers folgende Behinderungen festgestellt

a) Sehminderung (10),

b) Schwerhörigkeit und Tinnitus (20),

c) Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (20),

d) Funktionsbehinderung der oberen Extremität (10),

e) Funktionsbehinderung der unteren Extremität (linkes Knie, linke Hüfte) (10),

f) Schmerzchronifizierung / somatoforme Schmerzstörung (10)

und den Gesamt-GdB mit 40 bewertet hat. Dem Gutachten folgend hat das Sozialgericht unter Berücksichtigung des von dem Kläger vorgelegten Arztberichts des Neurochirurgen K vom 12. April 2011 die Klage mit Urteil vom 19. Mai 2011 abgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung bringt er insbesondere vor: Das Gutachten sei nicht nachvollziehbar. Insbesondere sei sein Wirbelsäulenleiden zu gering bewertet worden. Zudem vermisst er eine augenärztliche Begutachtung.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens des Augenarztes Dr. V vom 21. Januar 2012, der im Hinblick auf die Reduzierung der Sehschärfe des rechten Auges auf 0,3 den Einzel-GdB auf seinem Fachgebiet mit 10 eingeschätzt hat.

Daneben hat der Senat das Gutachten des Orthopäden Dr. W vom 23. Mai 2012 eingeholt. Auf seinem Fachgebiet hat der Sachverständige folgende Behinderungen festgestellt:

- chronisch degeneratives Wirbelsäulenleiden mit geringen funktionellen Einschränkungen bei Zustand nach Bandscheibenoperation des Halswirbelkörpers 6/7, regionalen Dorsolumbalgien, sensiblen Kribbelmissempfindungen einzelner Fingerkuppen (20),

- leichte bis mäßige Kniegelenksarthrose linksseitig mit geringen Funktionsstörungen, beginnender Verschleißprozess der Hüftgelenke beidseitig mit geringen Funktionsstörungen (10).

Die Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 19. Mai 2011 aufzuheben sowie den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 18. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2009 zu verpflichten, bei ihm vom 4. September 2008 an einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen,
hilfsweise,
den Neurochirurgen Küchen nach § 109 SGG zu hören.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegen-stand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Entscheidung des Beklagten in den angefochtenen Bescheiden, bei dem Kläger keinen höheren GdB als 40 festzustellen, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da er hierauf keinen Anspruch hat.

Nach den §§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Funktionsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz zu bewerten. Hierbei sind die in der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) festgelegten „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ heranzuziehen.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung eines GdB von 50.

Die Sehbehinderung des Klägers ist nach den Feststellungen des Augenarztes Dr. V in dessen Gutachten vom 21. Januar 2012 lediglich mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Der Sachverständige hat diese Einschätzung nachvollziehbar damit begründet, dass die Sehschärfe des rechten Auges des Klägers auf 0,3 reduziert ist. Nach der Tabelle der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft, die gemäß Teil B Nr. 4.3 der Anlage zu § 2 VersMedV maßgebend ist, beträgt der GdB 10. Der funktionale Zustand beider Augen hat sich, worauf der Gutachter ausdrücklich hingewiesen hat, seit 2002 nicht verändert.

Übereinstimmend haben der Orthopäde und Chirurg Dr. T in dem Gutachten vom 14. März 2011 und der Orthopäde Dr. W in dem Gutachten vom 23. Mai 2012 dargelegt, dass für das Wirbelsäulenleiden des Klägers ein Einzel-GdB von 20 anzusetzen ist. Eine ungewöhnliche Summation von Einschränkungen an mehreren Wirbelsäulenabschnitten ist nicht festgestellt worden, weshalb nach Teil B Nr. 18.9 der Anlage zu § 2 VersMedV kein Einzel-GdB von 30 in Betracht kommt. Angemessen ist vielmehr ein GdB von 20.

Auf orthopädischem Gebiet sind beide Gutachter überzeugend zu dem Schluss gelangt, dass die Funktionseinschränkungen der unteren Extremität mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten sind. Dem schließt der Senat sich an. Bei dem Kläger besteht eine leichte bis mäßige Kniegelenkarthrose links. Die Funktionsstörungen sind als leicht bzw. gering zu qualifizieren, da Bewegungseinschränkungen nicht festzustellen waren. Auch ist es nicht erforderlich, dass der Kläger ein Hilfsmittel, etwa in Form einer Bandage, trägt. Daneben weisen beide Hüftgelenke beginnende Verschleißerscheinungen – links etwas stärker als rechts – auf, mit denen eine eingeschränkte Hüftgelenksbeweglichkeit links korrespondiert. Angesichts dieser geringen Funktionsstörungen ist die Bewertung dieses Funktionssystems mit einem Einzel-GdB von 10 zutreffend.

Die Einschränkungen des Hörorgans sind entgegen der Einschätzung des Beklagten, der hierfür einen Einzel-GdB von 10 ansetzt, mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Der in den Tonschwellenaudiogrammen dokumentierte Hörverlust des Klägers zeitigt nach den Tabellen B und C in Teil B Nr. 5.2.2 bzw. 5.2.4 der Anlage zu § 2 VersMedV für sich allein einen GdB von 10, der jedoch gemäß Teil B vor Nr. 5.1 der Anlage zu § 2 VersMedV unter Berücksichtigung der Ohrgeräusche auf einen Einzel-GdB von 20 heraufzusetzen ist.

Der Gutachter Dr. T hat ferner für die Ellenbogenbeschwerden links einen Einzel-GdB von 10 in Ansatz gebracht. Ein höherer GdB lässt sich, insbesondere im Hinblick auf die Feststellungen des Sachverständigen Dr. W, dass die Gesamtbeweglichkeit der Ellenbogen bei seiner Untersuchung vollständig gewesen ist, nicht rechtfertigen.

Schließlich ist, dem Vorschlag des Gutachters Dr. T entsprechend, die Schmerzchronifizierung bzw. somatoforme Schmerzstörung mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten.

Liegen – wie hier – mehrere Beeinträchtigungen am Leben in der Gesellschaft vor, ist der GdB gemäß § 69 Abs. 3 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Nach Teil A Nr. 3c der Anlage zu § 2 VersMedV ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB von der Funktionsstörung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird.

Der Kläger ist dadurch, dass der Beklagte bei ihm einen Gesamt-GdB von 40 festsetzte, nicht in seinen Rechten verletzt. Der Einzel-GdB von 20 für das Wirbelsäulenleiden wird durch die Schwerhörigkeit und den Tinnitus, die ebenfalls mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten sind, um 10 heraufzusetzen sein. Dagegen wirken sich die übrigen, mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewertenden Funktionseinschränkungen nicht weiter erhöhend aus. Denn von – hier nicht vorliegenden – Ausnahmefällen abgesehen, führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nach Teil A Nr. 3d der Anlage zu § 2 VersMedV nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen.

Der hilfsweise beantragten Anhörung des Neurochirurgen Küchen nach § 109 SGG ist nicht nachzukommen. § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG erzwingt lediglich dann antragsgemäße Beweiserhebung, wenn ein erhebliches, medizinischer Beurteilung zugängliches Beweisthema betroffen ist. Ein Beweisthema hat der anwaltlich vertretene Kläger im Rahmen seines Antrags nicht benannt. Auch seinem sonstigen Vorbringen ist nicht – auch nicht lediglich dem Sinn nach – zu entnehmen, zu welchen medizinischen Fragen der Arzt gehört werden soll. Für eine Begutachtung ins Blaue hinein sieht der Senat keinen Anlass. Zudem lässt der Arztbericht des Neurochirurgen K vom 12. April 2011 keine Aspekte erkennen, mit denen sich der Sachverständige Dr. W in seinem Gutachten nicht auseinandergesetzt hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.