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Umsatzsteuer 2007


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 5. Senat Entscheidungsdatum 25.10.2012
Aktenzeichen 5 K 5319/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Unter Änderung des Bescheides vom 19.10.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.7.2011 wird die Umsatzsteuer 2007 ohne Berücksichtigung des Vorsteuerkorrekturbetrages nach § 15a UStG in Höhe von 19.736,77 € festgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin erwarb im Jahr 2003 eine Ferienwohnung in B… und machte die ausgewiesene Vorsteuer in ihrer Umsatzsteuererklärung geltend. In der Folge wurde die Wohnung an ständig wechselnde Feriengäste umsatzsteuerpflichtig vermietet. Die Vermietung erfolgte über die ortsansässige Appartement-Vermittlung C….

Mit Vertrag vom 30.10.2007 verkaufte die Klägerin die Wohnung ohne Umsatzsteuerausweis. Eine nachträgliche Abänderung des Kaufvertrages hinsichtlich eines Umsatzsteuerausweises hat der Käufer abgelehnt. Die Prozessvertreter der Klägerin teilten ihr mit Schreiben vom 6.4.2009 hierzu mit, dass der Erwerber nach Rücksprache mit seinem Steuerberater keine Kaufvertragsänderung wünsche, weil eine umsatzsteuerpflichtige Veräußerung nachteilig sei. Er -der Erwerber- wisse nicht, wie lange er das Objekt in dieser Form noch nutzen möchte.

Die Klägerin verpflichtete sich im Kaufvertrag dazu, bis auf die Einbauküche alle Möbel zu entsorgen. Sie wurden im Januar 2008 vom Erwerber ersetzt. Die Übergabe der Wohnung sollte bis zum 4.11.2007 erfolgen. An diesem Tag schloss der Erwerber der Wohnung mit der Appartement-Vermittlung C… einen Vertrag über die Vermittlung befristeter Mietverhältnisse. Im Jahr 2007 war die Wohnung zuletzt in der Zeit vom 1.11.-4.11. an Feriengäste vermietet.

Auf Bitte der Klägerin vom Februar 2009 bestätigte der Erwerber ihr gegenüber, dass er die Wohnung weiter als Vermietungsobjekt betreibe. Mit Schreiben vom 19.6.2012 bestätigte die Inhaberin der Appartement-Vermittlung, dass die ehemalige Wohnung der Klägerin vom Erwerber seit dem Kauf als Ferienappartement an Feriengäste vermietet werde.

Mit geändertem Umsatzsteuerbescheid für 2007 vom 19.10.2009 berichtigte der Beklagte den Vorsteuerabzug gemäß § 15a Abs. 1 Umsatzsteuergesetz -UStG- i. H. v. 19.736,77 €. Zur Begründung des hiergegen gerichteten Einspruchs vertrat die Klägerin die Ansicht, bei der Veräußerung der Wohnung habe es sich um eine Geschäftsveräußerung im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG gehandelt, für die nach § 15a Abs. 10 UStG keine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen sei. Der Erwerber führe als Unternehmer die Vermietung der Ferienwohnung fort. Mit Einspruchsentscheidung vom 18.7.2011 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und führte aus, dass aufgrund der umsatzsteuerfreien Veräußerung der Wohnung der Vorsteuerabzug zu berichtigen sei. Eine Geschäftsveräußerung liege nicht vor, da der Erwerber keinen Mietvertrag und außer der Einbauküche auch keine Möbel übernommen habe. Zudem enthalte der Kaufvertrag keinerlei Klauseln, die auf eine Geschäftsveräußerung oder Übertragung an einen Unternehmer hinwiesen.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Bescheides vom 19.10.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.7.2011 die Umsatzsteuer 2007 ohne Berücksichtigung des Vorsteuerkorrekturbetrages nach § 15a UStG in Höhe von 19.736,77 € festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH- für die Annahme einer Geschäftsveräußerung grundsätzlich auf die Fortführung bestehender Mietverträge ankomme. Soweit er im Verfahren V R 25/09 trotzdem eine Geschäftsveräußerung angenommen habe, habe dies auf besonderen Umständen beruht, die im Streitfall nicht vorlägen. Auch nach Ansicht des BFH handle es sich bei der Übertragung eines unvermieteten Grundstücks lediglich um die Übertragung eines einzelnen Vermögensgegenstandes und nicht eines Unternehmensteils.

Die Klägerin habe eine Eigentumswohnung „frei von Belastungen“ veräußert. Wenn ein Vertrag eine Geschäftsveräußerung beinhalten solle, würden hierüber immer Abreden getroffen. Zudem hätte der beurkundende Notar hierüber zu belehren. Im Kaufvertrag finde sich nichts hierzu. Insofern enthalte der Vertrag keine Lücke und bringe den übereinstimmenden Willen der Parteien zum Ausdruck. Der Erwerber hätte ohne weiteres den Vermittlungs- und Betreuungsvertrag der Klägerin übernehmen können. Er habe aber einen neuen mit anderen Konditionen abgeschlossen. Der Erwerber habe die Unternehmensfortführung ausdrücklich abgelehnt. Es stehe außer Frage, dass im Streitfall grundsätzlich eine Geschäftsveräußerung möglich gewesen wäre. Ob zum Übertragungszeitpunkt im November 2007 die Wohnung gerade vermietet gewesen sei, sei nicht entscheidungserheblich.

Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung neben der Verfahrensakte ein Band mit Umsatzsteuerakten (Bd. I) vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Umsatzsteuerbescheid 2007 ist rechtswidrig und verletzt die Rechte der Klägerin (§ 100 Abs. 1 S. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Der Beklagte hat zu Unrecht die Vorsteuerkorrektur vorgenommen.

Zwar hat die Klägerin innerhalb des für Grundstücke geltenden Berichtigungszeitraums von zehn Jahren die Ferienwohnung umsatzsteuerfrei veräußert, was gemäß § 15a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 8 UStG grundsätzlich zu einer Vorsteuerkorrektur führt. Der Korrektur steht jedoch § 15a Abs. 10 S. 1 UStG entgegen, wonach bei einer Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a) der nach den Absätzen 1 und 5 maßgebliche Berichtigungszeitraum nicht unterbrochen wird. Nach dieser Vorschrift führt eine Geschäftsveräußerung beim Veräußerer nicht zu einer Berichtigung, da kein Umsatz im Sinne von § 15a Abs. 8 UStG ausgeführt wird, so dass lediglich der Rechtsnachfolger eine aufgrund einer von ihm eventuell vorgenommenen geänderten Verwendung des übernommenen Gegenstandes die erforderliche Vorsteuerkorrektur vorzunehmen hat (Heidner in Bunjes, UStG, 10. Auflage, § 15a Rn. 66).

Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird (§ 1 Abs. 1a S. 2 UStG). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 27.11.2003 C-497/01, Zita Modes (Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128) setzt die Geschäftsveräußerung die Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbständigen Unternehmensteils voraus, der als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bildet, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Der Erwerber muss die Unternehmensfortführung beabsichtigen, so dass das übertragene Vermögen die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit ermöglichen muss. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist zu entscheiden, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht, und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln (BFH-Urteil vom 28.10.2010, V R 22/09, BFH/NV 2011, 854).

Bei Grundstücksgeschäften führt die Übertragung eines vermieteten oder verpachteten Grundstücks zu einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG, da durch den mit Grundstückserwerb verbundenen Eintritt in den Miet- oder Pachtvertrag ein Vermietungs- oder Verpachtungsunternehmen übernommen wird (BFH-Urteil vom 30.4.2009, V R 4/07, BStBl II 2009, 863). Eine Geschäftsveräußerung i. S. des § 1 Abs. 1a UStG durch Übertragung eines vermieteten oder verpachteten Grundstücks liegt auch dann vor, wenn dieses nur teilweise vermietet oder verpachtet ist, die nicht genutzten Flächen aber zur Vermietung oder Verpachtung bestimmt sind, da hinsichtlich dieser Flächen auf die Fortführung der bisherigen Vermietungs- oder Verpachtungsabsicht abzustellen ist (BFH-Urteil vom 30.4.2009, V R 4/07, BStBl II 2009, 863).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, denen sich das Gericht anschließt, liegt in der Veräußerung der Ferienwohnung eine Geschäftsveräußerung. Zum (Vermietungs-) Unternehmen der Klägerin gehörte im Wesentlichen die veräußerte Wohnung, die unter Inanspruchnahme eines Vermittlungsunternehmens an ständig wechselnde Feriengäste vermietet wurde. Dieses Unternehmen hat der Erwerber der Wohnung vollständig übernommen und führt es seit Erwerb nahtlos weiter. Die Übernahme eines evtl. vorhandenen Bestands an Stammkunden hat der Erwerber durch die sofortige Beauftragung des zuvor für die Klägerin tätigen Vermittlungsunternehmens gewährleistet. Anhaltspunkte für das Zurückbehalten von Stammkunden durch die Klägerin gibt es nicht. Die Möglichkeit einer unmittelbaren Übernahme des Vermittlungsvertrages von der Klägerin erachtet das Gericht weder für zwingend erforderlich noch für praktisch durchsetzbar. Soweit der Beklagte behauptet, eine Vertragsübernahme wäre dem Erwerber ohne weiteres möglich gewesen, verkennt er die Notwendigkeit der Zustimmung des Vermittlungsunternehmens. Der Geschäftsveräußerung steht nicht entgegen, dass der Erwerber vom Inventar der Wohnung lediglich die Küche übernommen hat, da eine Geschäftsveräußerung auch dann vorliegt, wenn er das Unternehmen in seinem Zuschnitt ändert oder modernisiert (BFH-Urteil vom 30.4.2009, V R 4/07, BStBl II 2009, 863). Die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung geforderte Erwähnung der Geschäftsveräußerung im Kaufvertrag ist weder nach dem Gesetz noch der Rechtsprechung erforderlich. Es handelt sich dabei nicht um ein Wahlrecht dergestalt, dass bei Nichterwähnung keine Geschäftsveräußerung vorliegt und umgekehrt.

Die Absicht des Erwerbers der Wohnung zur Fortführung eines Vermietungsunternehmens kommt durch sein tatsächliches Verhalten zum Ausdruck, da er ab dem 4.11.2007 die Vermietung an Feriengäste über ein Vermittlungsunternehmen fortgeführt hat. Dies hat der Beklagte auch nicht bestritten. Soweit er den fehlenden Willen zur Geschäftsfortführung aus der Weigerung des Erwerbers zur Änderung des Kaufvertrages entnehmen will, lässt er außer acht, dass der Erwerber damit zunächst steuerliche Nachteile bei einer Veräußerung durch ihn vermeiden wollte. Die Weigerung lässt jedoch nicht den Rückschluss darauf zu, die Wohnung nichtunternehmerisch nutzen zu wollen.

Soweit der Beklagte in seinen Schriftsätzen unter Berufung auf die BFH-Rechtsprechung den Übergang eines Mietvertrages gefordert hat, lässt er außer Acht, dass die Ferienwohnung typischerweise nur kurzfristig vermietet wurde, so dass eine Vertragsübernahme gar nicht möglich war. Die vom Beklagten herangezogenen BFH-Entscheidungen sind für Fälle von langfristig vermieteten Objekten ergangen, was die Notwendigkeit einer Vertragsübernahme rechtfertigt, da zu den jeweiligen Vermietungsunternehmen auch der Vertragsbestand zählt. Dass auch die Übertragung zum Teil nicht vermieteter Objekte eine Geschäftsveräußerung darstellen kann, hat der BFH -wie oben dargestellt- bereits entschieden (BFH-Urteil vom 30.4.2009, V R 4/07, BStBl II 2009, 863). Würde man im Streitfall die Übertragung eines (langfristigen) Mietvertrages fordern, wäre der Klägerin gar keine Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG möglich. Da die Klägerin aber unbestritten ein umsatzsteuerliches Unternehmen geführt hat, muss dieses grundsätzlich auch im Rahmen einer Geschäftsveräußerung übertragen werden können.

Die Übrigen Voraussetzungen der Geschäftsveräußerung liegen ebenfalls vor. Veräußerer und Erwerber müssen Unternehmer sein (vgl. § 1 Abs. 1 Abs. 1 UStG). Ausreichend ist, wenn der Käufer durch den Erwerb des Unternehmens erst zum Unternehmer wird (Husmann in Rau/Dürrwächter, UStG, § 1 Tz. 1100). Zumindest dies ist der Fall gewesen.

Das Gericht musste den Beweisanträgen des Beklagten nicht nachkommen. Die Frage, ob der Erwerber der Wohnung das Geschäft der Klägerin erwerben wollte, ist bereits durch sein tatsächliches Verhalten erwiesen. Ein eventuell vorhandener innerer Vorbehalt stünde seinem tatsächlichen Verhalten und der Qualifizierung des Vorgangs als Geschäftsveräußerung nicht entgegen. Nicht maßgeblich für das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung und damit nicht beweiserheblich ist der Umstand, ob im Rahmen der Beurkundung über die Geschäftsveräußerung geredet worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.