Gericht | SG Neuruppin 31. Kammer | Entscheidungsdatum | 14.03.2013 | |
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Aktenzeichen | S 31 SF 7/11 E | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die zulässige Erinnerung vom 10. Januar 2011 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 20. Dezember 2010 bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Kosten der Zwangsvollstreckung sind zu Recht nicht berücksichtigt worden (nachfolgend zu 1.). Die gem. § 14 Abs. 1 S. 4 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) vorgenommene Herabsetzung der Kosten ist gleichfalls nicht zu beanstanden (nachfolgend zu 2.).
1. Die Kostenbeamtin hat zu Recht die Festsetzung von Kosten der Zwangsvollstreckung abgelehnt.
a) Es handelt sich schon nicht um notwendige Kosten. Nur solche können aber festgesetzt werden, § 192 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Zwar ist der Erinnerungsführerin zuzustimmen, dass es nahe lag, einen Vollstreckungsantrag zu stellen. Nachdem das Sozialgericht Neuruppin mit Beschluss vom 19. April 2010 den Erinnerungsgegner verpflichtet hatte, der Erinnerungsführerin näher bestimmte Leistungen zu gewähren, war die sich aus der einstweiligen Anordnung ergebende Vollstreckungsbefugnis von Gesetzes wegen auf einen Monat befristet, § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. § 929 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Dennoch weigerte sich der Erinnerungsgegner ausdrücklich, dem Beschluss des Sozialgerichts nachzukommen und kündigte zudem an, gegen den Beschluss Beschwerde zu erheben.
In dieser Situation war es aus Sicht der Erinnerungsführerin geradezu geboten, einen Vollstreckungsantrag zu stellen, und zwar gerade weil die Beschwerde im Raum stand. Ohne einen Vollstreckungsantrag, d. h. einen Antrag auf Zwangsgeldandrohung, hätte der Erinnerungsführerin eine Niederlage bei dem Landessozialgericht schon wegen des Ablaufs der Monatsfrist gedroht. Wird nämlich kein Vollstreckungsantrag gestellt, ist die einstweilige Anordnung ohne Sachprüfung allein deshalb aufzuheben, weil der Beschluss nicht mehr vollziehbar ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 7. November 2012 – L 23 SO 239/12 B ER - und vom 15. April 2011 - L 14 AS 218/11 B ER -; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. November 2012 – L 3 AS 447/12 B ER - ; OVG Magdeburg, in: NVwZ 2009, 855; BayVGH NVwZ-RR 2003, 699; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 86b Rn. 46).
Aber auch unabhängig von der Monatsfrist kann die Zwangsvollstreckung eingeleitet werden, wenn die Behörde nach Ablauf einer Erfüllungsfrist grundlos säumig ist. Da im einstweiligen Rechtschutz die Erfüllungsfrist wegen der Eilbedürftigkeit und wegen der obligatorischen weiteren Frist, die das Gericht in der Zwangsgeldandrohung setzt, knapp zu bemessen ist, hätte vorliegend jedenfalls drei Wochen nach der Zustellung des Beschlusses am 22. April 2010 ohne weiteres ein Vollstreckungsantrag gestellt werden können.
Die Kosten können gleichwohl nicht festgesetzt werden. Es handelt sich nicht um notwendige Aufwendungen. Nach der klaren und eindeutigen Gesetzeslage wird für die Vollstreckung einer einstweiligen Anordnung eine vollstreckbare Ausfertigung gar nicht benötigt, § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. § 929 Abs. 1 ZPO (anders nur im seltenen und hier nicht gegebenen Fall titelübertragender, d. h. qualifizierter Klauseln, so ausdrücklich § 929 Abs. 1 ZPO). Die Erinnerungsführerin hat hier aber am 21. April 2010 ausschließlich um die Übersendung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Beschlusses gebeten und ausdrücklich mitgeteilt, es sei „beabsichtigt“ - und das heißt: erst für einen späteren Zeitpunkt -, einen Vollstreckungsantrag zu stellen, offensichtlich in der rechtsirrigen Annahme, erst nach Erteilung einer Vollstreckungsklausel könne die Vollstreckung eingeleitet werden. Auch am 12. Mai 2010 hat sie nur an die Übermittlung der vollstreckbaren Ausfertigung des Beschlusses erinnert, einen Antrag auf Zwangsgeldandrohung hingegen gerade nicht gestellt.
b) Unabhängig davon ist die Festsetzung der Kosten der Zwangsvollstreckung auch deshalb nicht möglich, weil die Erteilung einer Klausel, wenn sie denn erforderlich ist, kostenrechtlich noch zum Erkenntnisverfahren zählt; § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 13 RVG (vgl. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG 20. Aufl., VV Vorb. 3.3.3, 3309 Rn. 377).
c) Schließlich scheitert die Festsetzung an dem Fehlen einer weiteren Voraussetzung. Die Festsetzung von Vollstreckungskosten kann hier nur erfolgen, wenn zuvor der Rechtsanwalt sein Bestimmungsrecht für die Betragsrahmengebühr ausgeübt hat. Dies ist jedoch nicht erfolgt. Eine Gebühr nach einem Gegenstandswert (hier geltend gemacht: 3/10 aus 1.955,10 €) kommt von vornherein nicht in Betracht.
Das ergibt sich aus Folgendem: Das Vollstreckungsverfahren ist eine „besondere Angelegenheit“ im Sinne des § 18 RVG. Gem. § 3 RVG entstehen in allen Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetzt nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. Nach § 3 S. 2 RVG werden auch in sonstigen Verfahren Gebühren nur dann nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört (Anwaltsgebühren in der Zwangsvollstreckung „je nach Auftraggeber“, so Meyer–Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 201 Rn. 4 a. E.; missverständlich Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 20. Aufl., § 3 RVG Rn. 92). Werden im Hauptsacheverfahren Betragsrahmengebühren angesetzt, gilt dies demnach auch in Neben- und allen Folgeverfahren (ebenso Stelkens/Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand August 2012, § 188 Rn. 8).
Da in der Zwangsvollstreckung in diesem Fall Betragsrahmengebühren entstehen, wäre Ausgangspunkt der Vergütungsfestsetzung die Bestimmung der konkreten Gebühr durch den Rechtsanwalt gewesen. Denn es ist tatbestandliche Voraussetzung des Vergütungsanspruchs - und damit auch der Kostenfestsetzung -, dass der Rechtsanwalt sein Leistungsbestimmungsrecht ausgeübt hat (BGH, Urteil vom 4. Dezember 2008 - IX ZR 219/07 -, NJW-RR 2009, 490). An dieser Festlegung mangelt es hier.
2. Die von der Erinnerungsführerin weiter gerügte Höhe der festgesetzten Gebühren ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Gem. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen; wenn gemäß § 14 Abs. 1 S. 4 RVG die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen ist, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.
Die Gebühr war vorliegend wegen Unbilligkeit herabzusetzen. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit rechtfertigen nur den festgesetzten Betrag, nicht aber die Mittelgebühr, wie die Erinnerungsführerin zu Unrecht annimmt. Das Gericht entschied in dem zugrunde liegenden Verfahren an Hand einer Folgenabwägung, so dass die gerichtliche Prüfungsdichte und damit Umfang und Schwierigkeit des Verfahrens und der anwaltlichen Tätigkeit reduziert waren; wenn in Ausnahmefällen von dem Verfahrensbevollmächtigten bei der Antragsbegründung eine rechtliche Vollprüfung vorgenommen wird, mag dies anders sein. Hinzu kommt, dass es im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht um eine endgültige Regelung geht.
Letztlich rechtfertigt in diesem Fall schon der Umfang anwaltlicher Tätigkeit, das Verfahren als merklich unter dem Durchschnitt liegend zu bewerten. Die Erinnerungsführerin wurde erst in einem späteren Verfahrensstadium von dem Bevollmächtigten vertreten, sie hatte zuvor in der Rechtsantragstelle bei der Urkundsbeamtin ihren Antrag persönlich gestellt und zugleich eine überschlägige Begründung aufnehmen lassen, auch Bescheide des Erinnerungsgegners vorgelegt. Der spätere anwaltliche Aufwand ist hierdurch merklich verringert worden. Diese Erleichterung für den Rechtsanwalt konnte von der Urkundsbeamtin später bei der Kostenfestsetzung keinesfalls übergangen werden. Zur weiteren Begründung wird in entsprechender Anwendung des § 136 Abs. 3 SGG auf die zutreffenden Ausführungen in dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Dezember 2010 verwiesen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht angezeigt.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 197 Abs. 2 SGG.