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Braunkohletagebau; Cottbus-Nord; Wald- und Grünfläche; vorzeitige Besitzeinweisung; Grundabtretung; Enteignung zu Gunsten Dritter; wasserrechtlicher Planfeststellungsbeschluss; Bindungswirkung; (keine) enteignungsrechtliche Vorwirkung; faktische Beseitigung des FFH-Gebietes; faktisches Vogelschutzgebiet; Kompensationskonzept; Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen; Kohärenzausgleich; Prüfungsumfang in Bezug auf zurückliegende Behördenentscheidungen; offene Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs; Vorwegnahme der Hauptsache; substantieller Grundstücksverlust; (kostenintensiver) Stillstand des Tagebaus; Verlust von Arbeitsplätzen; Interessenabwägung; Folgenabwägung; Wohl der Allgemeinheit; Allgemeinwohlinteressen


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat Entscheidungsdatum 28.03.2013
Aktenzeichen OVG 11 S 12.13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art 14 GG, § 77 BBergG, § 79 BBergG, § 97 BBergG, § 102 BBergG, § 80 Abs 5 VwGO, § 80a VwGO

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 27. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird für beide Rechtszüge auf jeweils 10.300,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Umfang der Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht bestimmt, rechtfertigt keine Aufhebung oder Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses.

I.

Das Verwaltungsgericht hat den auf §§ 80 Abs. 5, 80a VwGO gestützten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die vorzeitige Einweisung der Beigeladenen in den Besitz des Grundstücks der Antragstellerin mit der Begründung abgewiesen, dass gegen die Rechtmäßigkeit der angegriffenen und für sofort vollziehbar erklärten Entscheidung des Antragsgegners keine ernstlichen Zweifel bestehen. Der Grundabtretungsbeschluss vom 1. Oktober 2012, mit dem der Antragstellerin das Eigentum an ihrem Grundstück entzogen und der Beigeladenen zur bergbaulichen Nutzung übertragen worden ist, sei aller Voraussicht nach rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere stünden dem Vorhaben keine anderen Allgemeinwohlinteressen zwingend entgegen. Durchgreifende Gesichtspunkte, die für die Rechtswidrigkeit der Verordnung über den Braunkohleplan Tagebau C... sprächen, lägen nicht vor. Ebenso wenig könne die Antragstellerin mit Erfolg den bestandskräftigen wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschluss vom 18. Dezember 2006 für das Vorhaben „G... , Teilvorhaben 1 – Gewässerbeseitigung im Bereich der Teichgruppe L... und eines Abschnittes des Hammergraben-Altlaufes“ in Frage stellen, denn er entfalte ihr gegenüber Bindungswirkung. Im Rahmen der allein möglichen summarischen Beurteilung der von der Antragstellerin gegen das Vorhaben angeführten naturschutzrechtlichen Belange müsse auch das zeitliche Moment in die Betrachtung eingestellt werden. Es könne nicht unbeachtet bleiben, dass das FFH-Gebiet infolge des Tagebaufortschritts faktisch nicht mehr vorhanden sei und damit der Lebensraum für die von der Antragstellerin benannten Arten nicht mehr zur Verfügung stehe. Unabhängig davon sei im Zeitpunkt der hier maßgeblichen letzten Behördenentscheidung keine abweichende Bewertung der Allgemeinwohlinteressen gerechtfertigt. Ob es sich bei den L... Teichen um ein faktisches Vogelschutzgebiet handele, müsse - sofern es darauf ankommen sollte - der Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Angesichts dessen überwiege das öffentliche Interesse an einer Fortführung des Tagebaus zur Sicherung der Energieversorgung durch den planmäßigen Abbau der Braunkohlelagerstätte, der Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur und der Erhaltung von Arbeitsplätzen das private Interesse der Antragstellerin an dem Erhalt ihres unbebauten Waldgrundstücks, das sie zur Sicherung ihrer Lebensgrundlage nicht benötige und an dessen Fortbestand sie kein über das bloße Bestandschutzinteresse hinausgehendes Interesse geltend gemacht habe.

II.

Die dagegen erhobenen Rügen der Beschwerde greifen zwar teilweise durch mit der Folge, dass die Erfolgsaussichten der Klage der Antragstellerin bei summarischer Prüfung als offen angesehen werden müssen. Gleichwohl geht die vor diesem Hintergrund vorzunehmende Interessenabwägung im Ergebnis zu Lasten der Antragstellerin aus.

1. Rechtsgrundlage für die vorzeitige Besitzeinweisung ist § 97 BBergG. Danach kann die zuständige Behörde den Grundabtretungsbegünstigten auf Antrag schon vor Abschluss des Verfahrens in den Besitz des betroffenen Grundstücks einweisen, wenn die sofortige Ausführung des die Grundabtretung erfordernden Vorhabens aus den in § 79 BBergG genannten Gründen des Wohles der Allgemeinheit dringend geboten ist (§ 97 Satz 1 BBergG). Dem Wohle der Allgemeinheit dient die Grundabtretung nach § 79 Abs. 1 BBergG insbesondere dann, wenn die Versorgung des Marktes mit Rohstoffen, die Erhaltung der Arbeitsplätze im Bergbau, der Bestand oder die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur oder der sinnvolle und planmäßige Abbau der Lagerstätte gesichert werden sollen und der Grundabtretungszweck (§ 77 BBergG) unter Beachtung der Standortgebundenheit des Gewinnungsbetriebes auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann.

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (grundlegend BVerwG, Urt. v. 14. Dezember 1990 – 7 C 5.90 – BVerwGE 87, 241 ff.; zuletzt BVerwG, Beschl. v. 20. Oktober 2008 – 7 B 21.08 – juris, Urt. v. 20. November 2008 – 7 C 10.08 – BVerwGE 132, 261 ff., und Urt. v. 24. Juni 2010 – 7 C 16.09 – juris, jeweils m.w.N.) ist die Grundabtretung als Enteignung zu Gunsten Dritter mit Blick auf Art. 14 Abs. 3 GG nur aufgrund einer Gesamtabwägung der im Einzelfall für die Grundstücksinanspruchnahme streitenden öffentlichen Belange mit den gegebenenfalls entgegenstehenden Allgemeinwohlinteressen unter Einbeziehung der von der Inanspruchnahme des Grundstücks berührten privaten Belange zulässig. Im Rahmen dieser Abwägung ist nicht nur zu prüfen, ob das öffentliche Interesse an der Gewinnung gerade des bestimmten Bodenschatzes zur Versorgung des Marktes mit Rohstoffen so gewichtig ist, dass es den Zugriff auf privates Oberflächeneigentum erfordert, sondern auch, ob andere gewichtigere Allgemeinwohlinteressen, z.B. solche des Landschaftsschutzes und des Naturschutzrechts, der Gewinnung des Bodenschatzes an dieser Stelle entgegenstehen. Eine diese öffentlichen Belange einbeziehende Entscheidung kann auch der Private verlangen, dessen Eigentum für das Vorhaben in Anspruch genommen werden soll; denn ein Vorhaben, das zwar dem gesetzlich bestimmten Enteignungszweck dient, dem aber überwiegende öffentliche Belange anderer Art entgegenstehen, dient nicht dem Allgemeinwohl, so dass dafür eine Enteignung nicht zulässig ist.

Angesichts dieser Ausgestaltung der in §§ 77 ff. BBergG geregelten bergrechtlichen Grundabtretung hat der Senat bei summarischer Prüfung an der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen keine Zweifel. Dies gilt auch mit Blick auf den Beschwerdeschriftsatz vom gestrigen Tag, mit dem der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin unter Bezugnahme auf die von ihm für andere Beteiligte im Jahre 2008 erhobenen Verfassungsbeschwerden zur Verfassungswidrigkeit der Vorschriften vorträgt.

2. Gemessen an den unter 1. dargelegten Voraussetzungen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde zu Recht gegen die erstinstanzlich auch ihr gegenüber angenommene Bindungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses des Antragsgegners vom 18. Dezember 2006. Soweit das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass die Antragstellerin mit ihren naturschutzrechtlichen Einwendungen gegen den Planfeststellungsbeschluss präkludiert ist und sich deshalb auf dessen Rechtswidrigkeit nicht mehr mit Erfolg berufen kann, übersieht es die fehlende enteignungsrechtliche Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses. Das Vorhaben „G... “ wurde ausweislich der Entscheidungsgründe des Planfeststellungsbeschlusses aufgrund des zeitlich und räumlich sehr großen Umfangs ausdrücklich in zwei Abschnitte unterteilt. Gegenstand des Teilvorhabens 1 war die Beseitigung der Teichgruppe L... und eines Abschnittes des Hammergraben-Altlaufes. Das Teilvorhaben 2, die Herstellung des C... , wird Gegenstand eines gesonderten Planfeststellungsverfahrens sein (vgl. PFB S. 85, 101). Für die Abriegelung der Oberflächengewässer war die Inanspruchnahme des Grundstücks der Antragstellerin noch nicht erforderlich. Dies räumt in der Sache auch die zuständige Bergbehörde in dem angegriffenen Beschluss ein, wonach „erst im Grundabtretungsverfahren die Entscheidung über die Inanspruchnahme des konkreten Grundstücks getroffen“ werde (BA S. 6).

Bestand somit für den Antragsgegner keine Notwendigkeit, die Eigentumsbelange der Antragstellerin umfassend schon bei der Entscheidung über die Gewässerstilllegung zu berücksichtigen, kann die im Teilvorhaben 1 planfestgestellte Gewässerbeseitigung auch keine Bindungswirkung für eine spätere Grundabtretung entfalten. Die Antragstellerin musste daher bei Erlass des wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses davon ausgehen, dass ihr dessen Anfechtung unter Berufung auf einen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 3 GG verwehrt war. Sie hätte lediglich eine etwaige Verletzung der sie unmittelbar schützenden Normen des materiellen Rechts überprüfen lassen können. Insoweit wäre sie zwar – wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat – mit Blick auf das subjektive Recht auf fehlerfreie Abwägung der eigenen Belange hinsichtlich der Frage der nachteiligen Auswirkungen der Trockenlegung auf ihr Grundstück sowie der Einstellung dieser Nachteile in die Abwägungsentscheidung klagebefugt gewesen, nicht hingegen – wie das Verwaltungsgericht lediglich weiter vermutet – auch hinsichtlich der Verletzung von FFH-Recht oder anderer europarechtlicher Vorschriften. Die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses insgesamt hätte die Antragstellerin nicht mit Erfolg rügen können. Der Anspruch auf umfassende gerichtliche Prüfung einer konkreten Enteignungsmaßnahme kann wegen der Bestandskraft eines vorgreiflichen Bescheids oder Beschlusses auf einer nachfolgenden Stufe jedoch nur dann beschränkt werden, wenn auf der vorangegangenen Stufe gegen die vorgreifliche Entscheidung gerade dem betroffenen Grundstückseigentümer Rechtsschutz im Sinne einer Vollprüfung des Vorhabens hätte gewährt werden können. Daran fehlt es hier.

Der Hinweis der Beigeladenen auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Oktober 2008 (a.a.O.) führt insoweit zu keiner abweichenden Beurteilung. Vielmehr hat das Bundesverwaltungsgericht die Bindungswirkung, die jedem bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakt im Umfang seiner Regelung für das weitere Verhältnis zwischen den Beteiligten eigen ist, ausdrücklich von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung einer Entscheidung unterschieden und erneut betont, dass die Feststellung, ob die Grundabtretung dem Wohl der Allgemeinheit dient, eine umfassende Gesamtabwägung der für und gegen das Bergbauvorhaben sprechenden öffentlichen und privaten Belange verlangt.

3. Offen erscheint bei summarischer Prüfung allerdings die Frage, ob das umfassende Prüfprogramm hier – wie das Verwaltungsgericht meint – mit Blick auf die faktische Beseitigung des FFH-Gebiets modifiziert werden muss (vgl. zum Verhältnis des Grundabtretungsverfahrens zu sonstigen das Vorhaben betreffenden Behördenentscheidungen OVG Brandenburg, Beschl. v. 28. September 2000 – 4 B 130.00 – juris, Rz. 46). Der wasserrechtliche Planfeststellungsbeschluss regelte im Wesentlichen die Gewässerbeseitigung als (faktisch) notwendige Vorbereitungsmaßnahme für die Fortsetzung des Tagebaus. Diese Maßnahme ist, soweit ersichtlich, zwischenzeitlich vollständig vollzogen worden. Zwar hätte der Tagebau seinen gegenwärtigen Stand ohne die Gewässerbeseitigung nicht erreicht. Für dessen weitere Fortsetzung bedarf es der wasserrechtlichen Maßnahme aber nicht mehr. Da sich bei summarischer Prüfung auch nicht aufdrängt, welche naturschutzrechtlichen Belange ausgehend vom gegenwärtigen tatsächlichen Stand des Tagebaus schutzwürdig verblieben sind, die der Fortsetzung des Tagebaus zwingend entgegenstehen könnten, ist der notwendige Prüfungsumfang in Bezug auf zurückliegende Behördenentscheidungen, namentlich des wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses, im Hauptsacheverfahren zu klären.

Dies gilt gleichermaßen für die bereits in dem angegriffenen Beschluss zu Recht als offen bezeichneten Fragen im Zusammenhang mit der Annahme eines faktischen Vogelschutzgebietes und der Umsetzbarkeit des im Planfeststellungsbeschluss geregelten Kompensationskonzepts. Zwar spricht einiges dafür, dass für die Überprüfung der Gewährleistung des Kohärenzausgleichs keine ex post-Betrachtung anzustellen, sondern der Prognosehorizont bei Erlass des wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses heranzuziehen sein dürfte. Ebenso wenig dürfte die Rechtmäßigkeit der Grundabtretung davon abhängig sein, dass die Kompensationsmaßnahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffe bereits vollständig umgesetzt sind, da dies für die Rechtmäßigkeit der wasserrechtlichen Planfeststellung ebenfalls nicht erforderlich gewesen ist. Ob der wasserrechtliche Planfeststellungsbeschluss ein hinreichendes Kompensationskonzept vorgesehen hat, was die Antragstellerin mit umfangreichen Darlegungen im Einzelnen bestreitet, vermag der Senat allerdings trotz der auch zweitinstanzlich erfolgten Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses im vorläufigen Rechtsschutzverfahren (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 5. Juli 2007 – OVG 2 S 25.07 -, juris) vorliegend nicht mit hinreichender Verlässlichkeit zu beurteilen. Gerade mit Blick auf die besondere Eilbedürftigkeit des Verfahrens sowie den erheblichen Umfang des Prozessstoffes ist das vorläufige Rechtsschutzverfahren nicht der Ort für die Klärung der von der Antragstellerin aufgeworfenen schwierigen Rechts- und Tatsachenfragen.

4. Angesichts der letztlich offenen Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs der Antragstellerin in der Hauptsache verbleibt dem Senat im Rahmen der nach § 80 Abs. 5, § 80 a Abs. 3 VwGO zu treffenden Entscheidung nur die Möglichkeit, die gegenläufigen Interessen der Beteiligten im Übrigen gegeneinander abzuwägen. Der dabei auf die Folgen des jeweiligen Unterliegens zu richtende Blick führt zunächst zu der Erkenntnis, dass jedwede Entscheidung der Sache nach auf eine Vorwegnahme der Hauptsache hinausläuft.

Das gilt zum einen für das Interesse der Antragstellerin am Bestandserhalt ihres Grundeigentums. Denn die planmäßige Fortsetzung des Tagebaus führt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch vor Erlass einer Hauptsacheentscheidung zur vollständigen Beseitigung des Grundstücks der Antragstellerin in seiner derzeitigen Substanz. Daran dürfte auch § 102 Abs. 1 Satz 2 BBergG nichts ändern. Nach dieser, von der Beigeladenen angeführten Vorschrift hat der Grundabtretungsbegünstigte auf Verlangen des von der vorzeitigen Besitzeinweisung Betroffenen anstelle der Entschädigung in Geld den früheren Zustand wieder herzustellen, es sei denn, dass die Wiederherstellung mit unzumutbaren Aufwendungen verbunden ist oder die zuständige Behörde eine vom früheren Zustand abweichende Wiedernutzbarkeit der Oberfläche angeordnet hat. Dass die Wiederherstellung des jetzigen Zustandes des Grundstücks der Antragstellerin jedenfalls auf absehbare Zeit mit unzumutbaren Aufwendungen verbunden wäre, folgt bereits daraus, dass das Gelände vollständig abgebaggert werden soll (vgl. Boldt/Weller, Bundesberggesetz, § 102, Rz. 2).

Auf der anderen Seite würde die vorläufige Suspendierung der vorzeitigen Besitzeinweisung auch für die Beigeladene zu unwiederbringlichen Verlusten führen. Die Beigeladene hat nicht nur im vorliegenden Beschwerdeverfahren, sondern bereits in ihrem Antrag auf vorzeitige Besitzeinweisung vorgetragen, dass der Tagebau etwa am 1. April 2013 den zum Grundstück der Klägerin einzuhaltenden Sicherheitsabstand erreicht haben und sodann zum Stillstand kommen würde. Könnte das Grundstück der Antragstellerin nicht vorzeitig in Anspruch genommen werden, würde dies nach dem Vortrag der Beigeladenen für jeden Tag des Zuwartens zu Fixkosten von 125.000 € (insbesondere Wasserhaltung) führen, die nicht durch eine Kohleförderung im täglichen Umfang von 19.000 t kompensiert werden könnten. Für einen Zeitraum von 8 Monaten Stillstand, innerhalb dessen eine rechtskräftige Entscheidung in der Hauptsache der Erfahrung nach nicht zu erwarten wäre, hat die Beigeladene die ihr entstehenden Kosten auf ca. 30 Mio. € beziffert. Es ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass die Antragstellerin im Falle ihres Unterliegens in der Hauptsache in der Lage wäre, auch nur einen nennenswerten Teil dieses Schadens auszugleichen. Damit ist es auch nicht ernstlich in Betracht zu ziehen, die aufschiebende Wirkung der gegen die vorzeitige Besitzeinweisung gerichteten Klage der Antragstellerin gegen Sicherheitsleistung wiederherzustellen (§ 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beigeladene zu einer nahtlosen Weiterführung des Tagebaus unter einer Umfahrung des Grundstücks der Antragstellerin in der Lage wäre. Sie hat dazu in ihrem Antrag auf vorzeitige Besitzeinweisung nachvollziehbar vorgetragen, sämtliche Planungen auf der Grundlage des verbindlichen Braunkohleplans mit seinen Festlegungen der Abbaugrenzen im Ziel 1 würden bei einer Umfahrung des Grundstücks der Antragstellerin obsolet und müssten neu aufgestellt werden. Weiter würde zwangsläufig eine veränderte Fahrweise des Tagebaus folgen, die bodenmechanische und technische Umplanungen erforderlich machen würde. Für die Erarbeitung der Planungsunterlagen seien mindestens 2 Monate zu veranschlagen. Für das nachfolgende Genehmigungsverfahren sei mit einem Zeitraum von wenigstens 4 Monaten zu rechnen. Das macht deutlich, dass es auch in diesem Fall zu stillstandsbedingten Kosten in einer Höhe kommen würde, deren Ausgleich die Beigeladene von der Antragstellerin realistischerweise nicht erwarten kann. Ob eine spätere Förderung der unter dem auszusparenden Bereich lagernden Rohbraunkohle von 1,98 Millionen t nach deren rechtskräftigem Obsiegen im Hauptsacheverfahren noch wirtschaftlich realistisch wäre, mag an dieser Stelle dahinstehen.

Ferner hat die Beigeladene in ihren Anträgen auf Grundabtretung sowie auf vorzeitige Besitzeinweisung dargelegt, dass mit der Grundabtretung 180 Arbeitsplätze im Bergbau am Standort C... gesichert würden, die bei einem Verzicht auf die Inanspruchnahme des Grundstücks der Antragstellerin ca. drei Monate früher entfallen würden. Dass die Beigeladene die mehr als 70 unmittelbar im Tagebau C... beschäftigten Arbeitskräfte in anderen Tagebauen einsetzen könnte und dies auch tun würde oder dazu gar rechtlich verpflichtet wäre, kann nicht ohne Weiteres zugrunde gelegt werden. Da die Kohleförderung bei regelmäßigem Fortgang des Tagebaus im Bereich C... noch im Jahr 2013 ihren Abschluss finden soll, wäre der vielfache vorzeitige Arbeitsplatzverlust bei einem Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr auszugleichen.

Die Gewichtung der gegenläufigen Interessen fällt zu Lasten der Antragstellerin aus. Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der hier angefochtenen vorzeitigen Besitzeinweisung sowie das auf das gleiche Ziel gerichtete private Interesse der Beigeladenen überwiegen das private Interesse der Antragstellerin, von der sofortigen Inanspruchnahme ihres Grundeigentums vorläufig verschont zu bleiben.

Es ist für die Folgenabwägung nicht ausschlaggebend, dass die Antragstellerin, sollten ihr Grundstück für die Fortsetzung des Tagebaus in Anspruch genommen werden, ihre Klagen gegen Grundabtretung und vorzeitige Besitzeinweisung aber letztlich Erfolg haben, in nicht mehr rückgängig zu machender Weise in ihrem Eigentumsgrundrecht verletzt wäre. Zu berücksichtigen ist vielmehr auch, wie schwer die tatsächlichen Beeinträchtigungen wiegen, welche die Grundrechtsverletzung mit sich bringt, das heißt, in welchem Maße die Antragstellerin durch die tatsächlichen Auswirkungen des Eingriffs beeinträchtigt wird, ob die Grundrechtsverletzung also besonders schwerwiegende Schädigungen oder Belästigungen mit sich bringt (vgl. BVerfG, Urt. v. 26. Juli 1989 - 1 BvR 685/89 -, juris, Rz. 21, sowie BVerfG, Urt. v. 21. 10. 1987 - 1 BvR 1048/87 -, juris, Rz. 14, 15).

Für die Antragstellerin führen die tatsächlichen Auswirkungen des Eingriffs in ihr Grundeigentum nicht zu einer derart schwerwiegenden Beeinträchtigung. Der infolge der Grundabtretung zu entschädigende Vermögenswert des Grundstücks der Antragstellerin ist mit 10.300 € vergleichsweise gering. Das Grundstück wird weder von der Antragstellerin noch von Dritten bewohnt. Vielmehr handelt es sich um eine unbebaute Fläche aus Grünland und Wald. Es ist nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass die Antragstellerin das Grundstück wirtschaftlich nutzt oder gar zur Sicherung ihrer Lebensgrundlage benötigt. Soweit sie geltend gemacht hat, sie würde das Grundstück für Erholungszwecke und Naturbeobachtungen nutzen, kann die gegenwärtige faktische Lage des Grundstücks nicht außer Betracht bleiben. Südlich des Grundstücks der Antragstellerin reicht der Tagebau auf 40 m an die Grundstücksgrenze heran. Die sonstige Umgebung des Grundstücks ist von der Beigeladenen bereits für den Tagebau von Vegetation beräumt. Damit kann das Grundstück derzeit nur einen sehr geringen Wert als Rückzugsraum für die Erholung in der Natur bieten. Ob es zu diesem Zustand rechtmäßigerweise gekommen ist, hat für die Folgenabwägung außer Betracht zu bleiben. Ebenso wenig könnte im Rahmen dieser Abwägung ein maßgebend zu gewichtendes Interesse der Antragstellerin darin gesehen werden, die ihres Erachtens noch ausstehende Kompensation von bereits vollzogenen Eingriffen in Natur und Landschaft zu erzwingen.

Das öffentliche Interesse an einem auch nur zeitweisen Erhalt einer Vielzahl von Arbeitsplätzen – zumal in einer strukturschwachen Region – hat demgegenüber ganz erhebliches Gewicht. Die Antragstellerin beanstandet zwar, dass die Beigeladene die von ihr bereits im Verwaltungsverfahren angeführten Zahlen nicht verifiziert habe; sie vermag deren Richtigkeit aber ebenfalls nicht substantiiert zu bestreiten. In jedem Falle würde es sich selbst bei gewissen Abweichungen noch um eine beachtliche Zahl von Arbeitsplätzen handeln. Hinzu kommt das öffentliche Interesse an der Sicherung der Energieversorgung durch heimische Rohstoffe, das hier nicht durch die von der Antragstellerin angestellten Betrachtungen zu deren volkswirtschaftlichen Nutzen in Frage zu stellen ist (vgl. dazu die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, BA S. 11 ff.).

Schließlich kann die Beigeladene gewichtige wirtschaftliche Gründe für die planmäßige Weiterführung des sich in einem weit fortgeschrittenen Stadium befindenden Tagebaus für sich geltend machen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 6. September 2010 – 1 BvR 2297.10 – juris, Rz. 10). Ein Verzicht auf die sofort vollziehbare Inanspruchnahme des Grundstücks der Antragstellerin würde auf Seiten der Beigeladenen nicht nur die bereits beschriebene erhebliche Vermögenseinbuße nach sich ziehen, sondern überdies einen beachtlichen logistischen, technischen und administrativen Zusatzaufwand verursachen. Dass die Beigeladene es möglicherweise in der Hand gehabt hätte, diese Situation durch eine frühzeitige Beantragung der Grundabtretung sowie der vorzeitigen Besitzeinweisung abzuwenden, kann im Rahmen der vorzunehmenden Folgenabwägung nicht durchschlagen (vgl. auch BVerfG, Urt. v. 26. Juli 1989 - 1 BvR 685/89 -, juris, Rz. 16). Auch ist weder ersichtlich, dass die Beigeladene zu einer entsprechend frühen Antragstellung rechtlich verpflichtet gewesen wäre, noch kann ihr mit wiederholten Bemühungen um einen freihändigen Erwerb des Grundstücks einhergehendes Zuwarten als rechtsmissbräuchlich angesehen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Im Hinblick auf die Vorwegnahme der Hauptsache kam die für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig vorgesehene Halbierung des Streitwertes nicht in Betracht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).