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Krankentransport - Sachleistungsanspruch - Krankentransportwagen - Ambulante Behandlung - Vorherige Genehmigung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 9. Senat Entscheidungsdatum 29.02.2012
Aktenzeichen L 9 KR 269/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 60 SGB 5

Leitsatz

Der Krankentransportunternehmer hat gegenüber der Krankenkasse keinen Anspruch auf ein Entgelt für eine durchgeführte Transportleistung, wenn der Sachleistungsanspruch des Versicherten nicht besteht (hier: bestandskräftige Ablehnung des KTW-Transports gegenüber dem Versicherten); der Entgeltanspruch des Krankentransportunternehmers ist akzessorisch zum Sachleistungsanspruch des Versicherten.
(obiter dictum:) Die materiellrechtlichen Regelungen in § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 SGB V suspendieren nicht vom Verfahrenserfordernis der vorherigen Genehmigung aus § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V.
Parallel: Urteil des Senats zu L 9 KR 189/08; Revision dort anhängig zu B 3 KR 17/11 R

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die klagende, im Jahre 2010 errichtete GmbH i.L. ist Rechtsnachfolgerin des einzelkaufmännischen Krankentransportunternehmens „Krankentransport M“. Sie begehrt die Zahlung eines Entgelts in Höhe von 1.243,76 Euro für den Transport der 1958 geborenen, an einer dialysepflichtigen Niereninsuffizienz leidenden Versicherten K (im Folgenden: K.).

Die behandelnden Ärzte – Internisten/Hausärzte Dr. Eu.a. – verordneten zweimalig am 1. August 2007 sowie erneut am 10. August 2007 den Transport der K. zur Dialysebehandlung und zurück mit dem Krankentransportwagen (KTW), dreimal wöchentlich im Zeitraum 1. August 2007 bis 31. Dezember 2007. Zur Begründung einer medizinisch-fachlichen Betreuung während der Transporte heißt es in den Verordnungen:

 - erste Verordnung vom 1. August 2007: „Kreislaufkontrolle“;

 - zweite Verordnung vom 1. August 2007: „Vitalzeichenkontrolle, Dialysebeginn !“;

 - Verordnung vom 10. August 2007: „Pat. wird andialysiert ! Freihalten der Atemwege bei Erbrechen, Hilfe bei Notdurft ggf.“

Der Sozialmedizinische Dienst der Beklagten (Dr. W bzw. Dr. K) prüfte den Sachverhalt am 3. bzw. 13. August 2007 und sah lediglich den Transport im Tragestuhl ohne medizinische Betreuung oder Ausstattung als erforderlich an. In einem Schreiben an die Beklagte vom 20. August 2007 wiesen die behandelnden Ärzte darauf hin, dass die Versicherte im Rahmen des Dialysebeginns zwingend auf einen qualifizierten Krankentransport angewiesen sei. In einer Stellungnahme vom 31. August 2007 blieb der Sozialmedizinische Dienst der Beklagten (Dr. K) bei seinem Standpunkt; die auf den Verordnungen angegebenen Gründe für die Notwendigkeit eines KTW seien nicht plausibel. Üblicherweise würden Dialyse-Patienten per Taxi in einem Tragestuhl ohne medizinisch-fachliche Betreuung zur Dialyse befördert, der Hintransport werde häufig auch mit öffentlichen Verkehrsmittels bewerkstelligt. Konkrete Gründe für ein Abweichen hiervon seien nicht ersichtlich.

Mit an die Versicherte gerichtetem Bescheid vom 3. September 2007, gegen den diese keinen Widerspruch erhob, teilte die Beklagte mit, dass die in Zusammenhang mit der Dialysebehandlung notwendigen Fahrkosten für die Zeit vom 1. August 2007 bis zum 31. Dezember 2007 übernommen würden; als zwingend medizinisch notwendig werde für Hin-und Rückfahrt der Transport im Taxi/Mietwagen mit Tragestuhl anerkannt.

Aufgrund der genannten Verordnungen beförderte der Krankentransport M die Versicherte im Zeitraum vom 1. bis zum 31. August 2007 an 14 Tagen mit dem KTW von ihrer Wohnung zur Dialysebehandlung und wieder zurück. Für die durchgeführten 28 Fahrten stellte er der Beklagten einen Betrag von 1.243,76 Euro in Rechnung (pro Fahrt 49,42 Euro abzüglich des Eigenanteils der Versicherten in Höhe von 5,- Euro pro Fahrt). Die dem Transportunternehmen vorliegenden und von ihm auf der Rückseite abgezeichneten ärztlichen Verordnungen enthielten auf dem dafür vorgesehenen Textfeld keine Genehmigung der Beklagten zum Transport der Versicherten im KTW.

Die Beklagte lehnte eine Zahlung ab, da für K. nur ein Transport mit dem Taxi bzw. Mietwagen genehmigt worden sei; eine vom Kläger gesetzte Zahlungsfrist verstrich erfolglos.

Zur Begründung ihrer auf Zahlung gerichteten Klage hat die Klägerin ausgeführt, die Beklagte hätte keine Vorabgenehmigung der Fahrten im KTW verlangen dürfen. Entscheidend sei allein die begründete ärztliche Verordnung dieser Leistung.

Mit Urteil vom 28. Juli 2009 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Maßgeblich sei die vom klagenden Krankentransportunternehmen mit der Beklagten geschlossene „Übergangsregelung/Vereinbarung gemäß § 133 SGB V über die Versorgung mit Krankentransportleistungen (§ 60 SGB V) mit Krankentransportwagen (KTW)“ vom 29. Juni 2004 nebst ihren Anlagen. Danach könne der Kläger für Fahrten mit dem KTW zu einer ambulanten Behandlung eine Vergütung nur fordern, wenn diese Fahrten vor Fahrtbeginn von der Beklagten genehmigt worden seien. Ziffer 3 Satz 2 der „Vereinbarung“ verweise auf die Verbindlichkeit der Krankentransportrichtlinien sowie von § 60 SGB V. Beide Regelungen sähen eine Vorabgenehmigung bei Fahrten zur ambulanten Behandlung ausdrücklich vor. Im Übrigen sei nichts dafür ersichtlich, dass die Versicherte während der Transporte tatsächlich der medizinisch-fachlichen Betreuung bedurft hätte.

Gegen das ihr am 4. August 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 2. September 2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor: Die vom Sozialgericht herangezogene „Vereinbarung“ beinhalte gerade keine Pflicht zur Vorabgenehmigung von Fahrten mit dem KTW zur ambulanten Krankenbehandlung. Zudem dürfe der eindeutige ärztliche Befund, wonach der Transport im KTW erforderlich gewesen sei, nicht in Frage gestellt werden. Der an die Versicherte gerichtete Bescheid der Beklagten vom 3. September 2007 sei nicht bestandskräftig, denn das Begleitschreiben der Krankentransportunternehmens zur Rechnung vom 27. September 2007 sei als Widerspruch hiergegen zu werten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juli 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.243,76 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 25. Oktober 2007 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Ihren Bescheid vom 3. September 2007 sehe sie als bestandskräftig an; bei dem Schreiben der Klägerin vom 27. September 2007 handele es sich nur um die Transportkostenabrechnung.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung der im August 2007 durchgeführten 28 Fahrten mit dem KTW.

Dem geltend gemachten Anspruch steht schon entgegen, dass der Entgeltanspruch des Krankentransportunternehmers aus § 133 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit der auch hier geschlossenen vertraglichen Vereinbarung akzessorisch zum Anspruch des Versicherten auf Übernahme der Fahrkosten nach § 60 SGB V ist. Denn der Krankentransportunternehmer erfüllt durch seine Leistung regelmäßig den Sachleistungsanspruch des Versicherten gegenüber seiner Krankenkasse auf Krankentransport. Schon daraus folgt, dass der Vergütungsanspruch des Krankentransportunternehmers grundsätzlich nicht weiter reichen kann als der Sachleistungsanspruch des Versicherten auf Krankentransport. Der Unternehmer hat daher keinen Anspruch auf ein Entgelt für eine durchgeführte Transportleistung, wenn der Sachleistungsanspruch des Versicherten nicht besteht (so schon Urteil des Senats vom 13. April 2011, L 9 KR 189/08, zitiert nach juris, dort Rdnr. 20; Revision anhängig zu B 3 KR 17/11 R).

So liegt es hier, denn gegenüber der Versicherten stand mit dem Bescheid der Beklagten vom 3. September 2007 krankenversicherungsrechtlich verbindlich fest, dass in Zusammenhang mit der Dialysebehandlung vom 1. August 2007 bis 31. Dezember 2007 Transportkosten nur für Taxi bzw. Mietwagen genehmigt waren. Widerspruch wurde gegen diesen Bescheid nicht erhoben. In dem Begleitschreiben der Klägerin zur Rechnung vom 27. September 2007 kann ein Widerspruch zur Überzeugung des Senats nicht gesehen werden. So ist schon für eine entsprechende Bevollmächtigung der Klägerin nichts ersichtlich. Vor allem aber geht der Erklärungswert dieses Schreibens nur dahin, die Rechnung vorzulegen, um Übernahme der Fahrkosten zu bitten und auf die ärztliche Verordnung hinzuweisen. Es fehlen sowohl eine Bezugnahme auf den Bescheid der Beklagten vom 3. September 2007 als auch eine Bekundung des Willens, hiergegen im Namen der Versicherten Widerspruch zu erheben.

Damit bleibt es dabei, dass der Krankentransportunternehmer von der Krankenkasse nicht die Vergütung für etwas verlangen kann, was diese gegenüber ihrer Versicherten bestandskräftig abgelehnt hat. Allein auf der Ebene Versicherter / Krankenkasse würde sich im Rahmen eines Streits um Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V gegebenenfalls die Frage stellen, ob die Leistungsablehnung rechtmäßig war; eine solche Überprüfung kann allein der Unternehmer aber nicht herbeiführen, für ihn bleibt es bei den Auswirkungen der bestandskräftigen Leistungsablehnung.

Dass die Leistungsablehnung gegenüber der Versicherten durch den Bescheid vom 3. September 2007 im vorliegenden Fall erst nach Ablauf des streitigen Transportzeitraums erfolgte und nicht schon – wie im Parallelfall L 9 KR 189/08 – vor Erbringung der streitigen Transportleistungen, macht keinen Unterschied. Befördert ein Unternehmer einen Versicherten sehenden Auges, ohne dass die notwendige ärztliche Verordnung – wie hier – den Genehmigungsvermerk der Krankenkasse im dafür vorgesehenen Textfeld trägt, unterliegt er nämlich dem vollen Risiko, sich Einwendungen ausgesetzt zu sehen, die aus dem Versicherungsverhältnis resultieren. Allein die ärztliche Verordnung einer Krankentransportleistung ist keine „Garantie“ für den Entgeltanspruch gegenüber der Krankenkasse; gewährleistet ist die Kostenübernahme nur, wenn der Transport vorab von der Krankenkasse genehmigt wurde oder feststeht, dass der Versicherte einen entsprechenden Sachleistungsanspruch – orientiert am Leistungsrecht des SGB V – auch tatsächlich hat.

Danach kommt es für den vorliegenden Fall nicht darauf an, inwieweit das Leistungsrecht des SGB V in § 60 den Sachleistungsanspruch des Versicherten im Falle des Krankentransports zu einer ambulanten Behandlung abhängig macht von einer vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse. Der Senat hält gleichwohl fest: Die Genehmigungspflicht für Fahrten zur ambulanten Behandlung gilt für den Versicherten nach dem unzweideutigen Wortlaut des § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V uneingeschränkt. Nach dieser Grundregel zum Verfahren übernimmt die Krankenkasse Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrages nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V (KT-RL) festgelegt hat. § 8 Abs. 1 Satz 2 der KT-RL bestimmt insoweit ebenfalls, dass Krankenfahrten zur ambulanten Behandlung der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse bedürfen. Unabhängig davon enthält § 60 Abs. 2 SGB V materielles Leistungsrecht mit konkreten Aussagen zum Sachleistungsanspruch des Versicherten; dieser besteht etwa nach Abs. 2 Nr. 4 bei Fahrten von Versicherten zu einer ambulanten Krankenbehandlung, wenn dadurch eine an sich gebotene stationäre Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird. Die materiellen Regelungen in § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 SGB V suspendieren aber nicht vom Erfordernis der vorherigen Genehmigung aus § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Im Hinblick auf das beim Bundessozialgericht anhängige Revisionsverfahren B 3 KR 17/11 R hat der Senat die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).